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Antilopen Gang: „Wir ficken alle – mit Absprache“

 

Die Antilopen Gang vor ihrem Auftritt im Bahnhof-Langendreer.
Die Antilopen Gang vor ihrem Auftritt im Bahnhof-Langendreer.

Vor ihrem Auftritt Anfang April in Bochum führten wir ein Interview mit der Antilopen Gang. In dem sprachen sie über NMZS’ Tod, Antisemitismus bei den Anti-Israel Demos vergangenes Jahr und über die Uni und das Studium.

Ruhrbarone: Ihr kommt aus Düsseldorf, heute in Bochum ist der letzte Auftritt bevor ihr morgen, am 2. April, in Düsseldorf im Zakk auftreten werdet um  euren vorläufigen Tourabschluss zu feiern. Kommen da Heimatgefühle auf?

Danger Dan: Für mich und Panik Panzer schon, aber Koljah kommt gar nicht aus Düsseldorf. Also Panik Panzer und ich sind gebürtige Düsseldorfer und wir lieben es. Desto näher wir an Düsseldorf sind desto weniger müssen wir bis nach Hause fahren. Koljah hingegen…

Koljah: Ist Aachener. Das ist ein Missverständnis. Wir sind aus Düsseldorf und Aachen aber es heißt immer Düsseldorfer Crew.

Ruhrbarone: Ihr werdet von vielen großen Medien als politische Rapper wahrgenommen, ähnlich wie Zugezogen Maskulin. Seht ihr euch da selbst als politische Rapper? Koljah hat ja eher ein Problem mit politischem Rap…

Koljah: Zumindest wenn andere ihn machen. Wir sehen uns nicht unbedingt als politische Rapper in dem Sinne, dass wir ein politisches Programm hätten und immer alles politisch sein müsste. Aber wir machen ab und zu Songs, die durchaus politisch sind und müssen daraus aber nicht ableiten, dass unsere Musikrichtung, die wir machen, Politrap sei. Da legen wir ein bisschen Wert drauf weil wir kein Bock haben in so einer Schublade zu sein oder uns vor einen Karren spannen zu lassen. In erster Linie machen wir Rap; der ist mal politisch, mal unpolitisch, mal schlau mal dumm.

Ruhrbarone: Was nervt euch denn mehr im Rap: Die Machos oder die Verschwörungstheoretiker und Israelhasser?

Koljah: (lacht) Eine schwierige Frage…

Danger Dan: (lacht) Das ist wie die Frage: Was stinkt mehr? Kacke oder Scheiße…

Panik Panzer (sichtlich müde): Also Daniel (Danger Dan) hasst die Frauenfeinde, Koljah die Israelfeinde und mir ist alles egal.

Koljah: Aber ich hasse auch die Frauenfeinde.

Panik Panzer: Ich liebe alle!

Danger Dan: Ich hasse auch die Israelfeinde und die Verschwörungstheoretiker_innen. Aber ich bin auf manche Phänomene mehr sensibilisiert als auf andere. Also wenn das jetzt zu plump und offen antisemitisch ist, können wir damit alle nichts anfangen, aber wir haben über einen gewissen Sexismus hier und da schon mal hinweggesehen. Trotzdem, da glaub ich, bin ich hier aber auch der einzige, habe ich mich im letzten Jahr soweit sensibilisiert, dass ich so gut wie nichts mehr gut find’, nicht mal mich selber.

Koljah: Also ich find das auch alles scheiße. Also alte Savas Sachen gehen textlich natürlich nicht klar aber kann ich mir ruhig mal anhören im Gegensatz zu Fard und Snaga. Das hat aber weniger mit dem Sexismus oder dem Antisemitismus zu tun sondern eher damit, wie das stilistisch verpackt ist. Aber ich finde da muss man auch nicht so tun als wäre das eine besser oder schlechter.

Danger Dan: Da fand’ ich die Antwort mit der Kacke und der Scheiße noch am besten!

Ruhrbarone: Danger und Koljah, ihr habt euch beide in einem oder mehreren Tracks zu Antisemitismus geäußert. Wie habt ihr selbst die Ereignisse im Sommer 2014 erlebt, wo viele „israelkritische“ Demos, die aber häufig zumindest antisemitisch unterwandert wurden, stattfanden?

Danger Dan: Ich wohne in Berlin-Neukölln und die sind bei mir vor der Haustüre langgerannt und haben gerufen „Jude, Jude feiges Schwein, komm heraus und kämpf’ allein“. Das war übelst gruselig. Ich war richtig enttäuscht, weil ich hatte gehofft, dass irgendwelche Antifas da stören würden. Im Normalfall würde man behaupten in Kreuzberg oder Neuköln könnten keine Faschisten durch die Straßen laufen und so etwas skandieren. Aber scheinbar ist es letzten Sommer doch möglich gewesen. Zum Teil waren da sogar Antifaflaggen dabei. Ich fand das richtig scheiße, richtig peinlich. Aber es gibt in letzter Zeit viele beschissene Phänomene. Ich habe eine Freundin, die in einer jüdischen Schule arbeitet. Die Schule hat dann im Rahmen der ganzen antisemitischen Terroranschläge ihre Schüler nicht mehr allein vom Schulhof gelassen, nur noch unter Schutz. Die Freundin kam dann abends nach Hause und hat richtig geheult und hat überlegt das Land zu verlassen. Das geht mir natürlich sehr nah. Aber ich hab mich da ein bisschen hilflos gefühlt, weil es unglaublich wenig bis gar keine Reaktion darauf gab, zumindest keine angemessene.

Koljah: Das ist halt der Beweis dafür, dass die sogenannte Israelkritik die Form ist, die Antisemitismus heute angenommen hat. Antisemitismus ist nicht mehr so platt, wie er vor dem Holocaust war, sondern heutzutage tarnt er sich mehr schlecht als recht als Israelkritik, als Antizionismus. Das ist auch etwas, was sich aber auch bis in die Mitte der Gesellschaft, bis in die ganzen Tageszeitungen durchzieht, dass eine Verbindung gezogen wird wenn irgendwelche verrückten Demonstranten eine Synagoge angreifen, dass das dann damit relativiert wird, dass wäre ja irgendwie ne’ Form von Israelkritik und hätte eine Verbindung zum Nahostkonflikt. Als ob irgendwelche Juden in Essen zum Beispiel irgendetwas mit dem Nahostkonflikt oder mit der israelischen Regierung zu tun hätten. Diese Unterscheidung wird überhaupt nicht mehr gemacht. Es waren wahrscheinlich echt so die rabiatesten und krassesten antisemitischen Ausschreitungen in Deutschland seit 1945. Von Islamisten hauptsächlich, aber es waren auch Linke und Nazis dabei. Das ist so ein Querfront-Ding, weil sich da alle drauf einigen können. Deswegen würde ich sagen, dass sich da die Fratze des Antisemitismus ganz deutlich gezeigt hat. Jetzt kann wirklich niemand mehr sagen: „Das ist ja nur Israelkritik“ oder „Das ist ja nur eine politische Meinungsäußerung“, weil darum ging’s da wirklich nicht.

Ruhrbarone: Dann mache ich dich mal an einem Zitat fest. Du meintest mal „die meisten Judenhasser sind Islamversteher“. Meintest du das ernst? Wenn ja, wie meintest du es?

Koljah: Es ist natürlich ne pointierte Punchline. Aber was ich damit meinte war, dass Antisemitismus oft damit einhergeht, dass man den Islam und damit auch islamischen/islamistischen Antisemitismus unter so eine Art Naturschutz stellt und sagt: „Das ist gehört zur Kultur und zur Geschichte“ und meint man müsse das deswegen anders bewerten und wenn Leute aus dem Nahen Osten kommen und da aufgewachsen sind, sei der Antisemitismus auch was ganz anderes. So ein kulturrelativistisches Verständnis meine ich. Das Wort Islamversteher ist ein bisschen hässlich, da weiß ich nicht ob ich das nochmal so benutzen würde aber dieser Zusammenhang war gemeint.

Ruhrbarone: Danger Dan, du meintest in dem Song „Sommerlüge“:„..solidarisieren sich mit Bombengürtelkids im Irak und in Palästina“. Ist das eine generelle Kritik an einer Palästina-Solidarität oder ist es eher eine Kritik an diesem „Deckmantel“ für Antisemiten?

Danger Dan: Ich weiß gar nicht, ob sich Antisemiten wirklich mit Palästina solidarisieren oder eher nur mit dem Kampf gegen Israel.

Ich glaub, das hat mit Palästina überhaupt nicht viel zu tun, das ist total austauschbar.

Ruhrbarone: Dann machen wir mal mit etwas Erfreulicherem weiter…

Danger Dan: (lacht) zum Glück!

Ruhrbarone: Wie kommt man auf Lieder wie „Enkeltrick“ oder „Unterseebot“? Die können ja schlecht aus eurem eigenen Leben sein…

Panik Panzer: Doch

Ruhrbarone: Enkeltrick? Aus eurem Leben?

Panik Panzer: Ja. Die Enkeltrick-Idee ist einfach eine klassische-witzige Songidee, die man hat. Aber die kommt noch aus NMZS’ Feder. Der hatte schon jahrelang vor, diesen Track zu machen und die zweite Strophe, wo Koljah und ich uns abwechseln, ist ja auch noch komplett von ihm geschrieben. Der hatte immer gute und witzige Ideen.

Ruhrbarone: „Fick die Uni“ war euer erster größerer Hit. Was habt ihr denn gegen die Uni?

Panik Panzer: Nichts

Koljah: Brandsätze…

Panik Panzer: Aktuell nervt es mich, dass sie mir mein Semesterticket noch nicht zugeschickt haben was mich jetzt mehrfach Geld gekostet hat. Ansonsten habe ich nicht viel gegen die Uni, weder als Institution noch als Gebäude.

Koljah: (lacht) Das kann man doch gar nicht so verallgemeinern, es gibt hässliche Unis und es gibt schöne Unis.

Panik Panzer: Nein, nein

Koljah: Wie Nein?

Danger Dan: Nein, Einfach Nein

Panik Panzer: Nein Punkt.

Danger Dan: Aber wenn ich hier einen Aufruf starten könnte: Ich hätte gerne eine Hochschulzugangsberechtigung, falls jemand zufällig Direktor einer Universität ist, das liest und das informell machen könnte. Ich interessiere mich für ein Studium und er soll sich bitte bei mir melden.

Panik-Panzer: Ach wenn ich auch einen Aufruf starten darf: Ich such’ jemanden, der mir meine Hausarbeiten schreibt. Themenkomplex ist Kunst, Design aber auch Konsumkritik.

Ruhrbarone: Und da hast du jetzt nicht so Bock drauf?

Panik Panzer: Ne das sind jetzt insgesamt noch drei Hausarbeiten, die ich schreiben muss. Ich bin in der Lage, gut zu bezahlen. Ich bin gut betucht.

Danger Dan: Dann würde ich das vielleicht machen.

Koljah: Konsumkritik könnte ich auch machen. Ist es egal ob’s kritisch ist?

Panik Panzer: Ne es geht, da muss ich aber nochmal recherchieren, um ein Buch…

Koljah: Nee, wenn das so mit Buch ist und so…

Panik Panzer: Ne das ist so ein konsumkritisches Standardwerk, das wir irgendwie besprochen haben.

Koljah: Mein Kampf!

Panik Panzer: (Lacht) Ja genau…

Danger Dan: Also wenn’s nur ein Buch ist, was man lesen muss, würd’ ich das vielleicht machen.

Panik Panzer: Aber ich will nicht, dass du das schreibst.

Danger Dan: Gut, dann nicht!

Koljah: Vielleicht findet sich ja jemand.

Ruhrbarone: Habt ihr denn studiert? Panik, du machst ja irgendwas mit Design…

Panik Panzer: Ja genau…

Danger Dan: Ich habe mal meine Hochschulzugangsberechtigung gefälscht und bin damit in die Niederlande gegangen und hab’ dann da kurz Musiktherapie studiert.

Ruhrbarone: Aber nicht abgeschlossen?

Danger Dan: Ne, aber ich war auch echt nicht in der Lage, konstant Dinge zu tun und systematisch zu lernen. Ich war einfach viel zu zerstreut und hatte auch einen viel zu zerstreuten Terminkalender, als dass ich das hätte machen können. Das ist da aber auch alles sehr verschult. Aber das Studium fand’ ich schon spannend.

Koljah: Ich habe ganz klassisch und vorbildlich Bachelor und Master studiert.

Ruhrbarone: Was denn?

Koljah: Ein bisschen klischeehaft leider, aber: Soziologie. Ich habe auch nur ein Semester länger gebraucht als die Regelstudienzeit ist.

Ruhrbarone: NMZS’ Tod ist 2 Jahre her. Kann mag sagen, dass ihr den Tod überwunden habt oder ist das Album und die Tour immer noch ein Teil der Trauerbewältigung?

Koljah: Dieser Ausnahmezustand hört halt irgendwann auf. Nach zwei Jahren ist es so, dass man es auch irgendwie in seine Lebensrealität reingelassen hat und weiß, dass NMZS schrecklicherweise tot ist. Ich würde aber schon sagen, dass, dadurch, dass das Album auf jeden Fall textlich eine direkte Reaktion auf den Tod von NMZS war und wir jetzt die ganze Zeit Lieder spielen, die Auseinandersetzung damit noch lange nicht vorbei ist. Schon allein weil er so sehr mit den Antilopen verknüpft ist und wir als Antilopen Gang durch die Gegend ziehen, spielt das immer noch eine Rolle. Aber die Form der Trauer und der Bewältigung ist eine andere als wenn der Tod erst ein paar Monate her ist. Das kann man schon so sagen, ja.

Ruhrbarone: Wie würdet ihr euch politisch verordnen? Links? Ich hab’ immer mal wieder gelesen ihr wärt die bösen Antideutschen…

Koljah: Das „böse“ find ich gut. Ich würde einfach nur sagen wir sind böse.

Danger Dan: Wir sind ja auch nicht Pro-Deutsch, aber wir würden uns wahrscheinlich alle keiner linken oder linksradikalen Subkultur zugehörig fühlen. Vielleicht der einen mehr als der anderen aber alles in allem sind wir die Antilopen Gang und wir gefährden das Weiterbestehen der Bundesrepublik Deutschland und ficken alle!

Koljah: Aber nur im gegenseitigen Einvernehmen natürlich. Wir ficken alle – mit Absprache.

Ruhrbarone: Koljah du zitierst in eurem Lied „Outlaws“ Mao. So eine große Bewunderung? Oder hat es einfach gut in den Text reingepasst?

Koljah: Sowohl als auch. Wobei ich sagen muss: Das Mao-Zitat ist eigentlich bekannter durch die RAF. Das wurde in den ersten RAF-Kommandoerklärungen zitiert. Ich glaube der Mao-Fetisch von Meinhof, Baader und so hat mich mehr inspiriert als Mao selbst. Wobei das, was er da sagt, vielleicht ganz gut passt. Ich weiß nicht mehr genau wie der Text heißt aber er sagt da, dass es gut ist wenn der Feind einen bekämpft, weil dadurch klar ist, dass die größtmögliche Distanz zum Feind sichergestellt ist. Deshalb soll man eine Trennungslinie zwischen dem Feind und sich ziehen. Das kann ich so auch durchaus auf die Antilopen Gang und die Außenwelt übertragen ohne mich jetzt politisch zu Mao zu bekennen.

Ruhrbarone: Danger Dan, du meintest in deinem Lied „Private Altersvorsorge“ „letzten Monat konnte ich meine Miete mit Gage zahlen aber ich weiß auch, das geht niemals jahrelang“. Hast du dich da vertan? Oder glaubst du, dass dieser „Hype“ nicht lang anhält?

Danger Dan: Ich bin mir da ganz sicher. Ich hab’ auch schon eine andere Band mal groß gespielt und auch wieder runter gespielt. Als ich das geschrieben hab’, habe ich meine Gage als Pianist verdient und bin danach aber auch wieder auf Hartz gelandet oder habe irgendwelche anderen merkwürdigen Jobs gemacht. Das ging halt hoch und wieder runter. Aktuell ist es tatsächlich so, dass mir mein Konto gesperrt wurde, weil ich die Forderung vom Jobcenter nicht nachgekommen bin, denn ich muss da mein Hartz-4 zurückzahlen. Das ist alles nicht so geil, aber jetzt glaube ich zumindest, dass wir eine Zeit lang von dem Antilopen Gang-Geld leben können und irgendwann ist es auch wieder vorbei.

Ruhrbarone: Was kommt als nächstes nach der Tour?

Panik Panzer: Urlaub, dann…

Danger Dan: Dann bewaffneter Widerstand.

Panik Panzer: Genau, dann organisieren wir den bewaffneten Widerstand und dann geht es ab in den abartigsten Festivalsommer, den wir jemals gespielt haben. Und dann gehen wir wieder auf Tour.

Danger Dan: Es gibt bestimmt noch wichtige Fragen, die du vergessen hast. Zum Beispiel die Frage, ob wir die Kings sind.

Panik Panzer: Wäre gut wenn du die noch einmal stellst.

Ruhrbarone: Seid ihr die Kings?

Danger Dan: Ja!

Panik Panzer: Ja!

Koljah: Ja!

 

Das Interview erschien in ähnlicher Version bereits in der akduell.

Die nächsten Tourdaten:
-FR 08.05.15 Hannover (Faust)
-SO 10.05.15 Flensburg (Volksbad)
-FR 22.05.15 Ruhrpott Rodeo (Flugplatz Schwarze Heide)
-SO 24.05.15 Pfingst Open Air Salching (Centro Benedetto)
-FR 05.06.15 Rock am Ring (Flugplatz)
-SA 06.06.15 Wilwarin Festival (Festivalgelände)
-So 07.06.15 Rock im Park (Zeppelinfeld)

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[…] Antilopen sind wieder da. Seit unserem letzten Interview  ist viel passiert. Wir haben uns mit der Gang in Essen getroffen und mal wieder ein bisschen […]

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