Die schwarze Pyramide im grauen Beton

Hochhausbauten, verschwindende Existenzen. Das Leben im Staate ist trist und monoton. Herr K. steht in der U-Bahn. Dieselben Fahrten zur Arbeit, dieselben Gänge im Wohnblock, dieselben Rituale jeden Tag. Dann ein Brief – überraschend und unerwartet. "Ihrem Antrag auf Suizid wurde stattgegeben." Das Leben geht weiter. "Jeder Tag gleicht dem anderem. Jeder Tag, auch der Tag nachdem ich starb."

Black Pyramid – Eine Semesterarbeit von Johann Kasuch und Christopher Grabinski, Fachhochschule Düsseldorf. (HD-Link zu vimeo.com)

Politiker Paziorek versucht Schalke zu retten

Foto: Peter Paziorek, Regierungspräsident von Münster

Hier was neues, wie die Politik in NRW versucht Schalke zu retten. Wie ich erfahren habe, versuchte bereits im Sommer ein ranghoher Mitarbeiter der Landesverwaltung von Nordrhein-Westfalen neue Sponsoren für den schwächelnden Fussballclub zu finden. Konkret habe der Präsident der Bezirksregierung Münster, Peter Paziorek (CDU), den Energieversorger RWE angesprochen, ob sich dieser mit mehreren Millionen die Namensrechte an der Arena sichern wolle, sagte man mir heute bei den Schalkern. Paziorek untersteht direkt dem NRW-Innenministerium. Und er gerät damit in schweres Fahrwasser. Der ehemalige Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium verquickt privates mit professionellen. Hat er eigentlich eine Nebentätigkeitserlaubnis für die Sponsorenakquise für Schalke, 🙂 ?

Bislang besitzt die Brauerei Veltins die Namensrechte an der Sporthalle noch bis zum 30. Juni 2015, plus eine Option auf weitere fünf Jahre. Allerdings heißt es, Veltins sei bereit zu Gunsten eines höheren Angebots auszusteigen. Aus der Schalker Spitze wird zudem berichtet, es gebe in dem Sponsorvertrag mit Veltins für den Verein die Möglichkeit frühzeitig auszusteigen – wenn ein Sponsor bereit sei, wesentlich mehr als vier Mio Euro zu zahlen. Veltins wollte diesen Vorgang nicht kommentieren.

An dieser Ausstiegsklausel setzt aber offensichtlich die Anfrage von Paziorek an. So soll er dem Versorger RWE gesagt haben, die Namensrechte bekommen zu können, sobald der Ausstieg mit Veltins fix sei. Dies müsse aber noch verhandelt werden. Aus dem Umfeld der Landesregierung sagte man mit: „Paziorek wollte vermitteln.“ Das Gespräch sei zwischen dem Präsidenten der Landesverwaltung und einem Vorstandsassistenten geführt worden.

Der Vorgang ist aus zwei Gründen pikant. So ist der in Gelsenkirchen gebürtige CDU-Politiker einer von fünf Mitgliedern im Schalker Ehrenrat. Bis 2006 saß er außerdem im Aufsichtsrat des Vereines. er weiß also besser als andere über die Schalker Probleme bescheid. Zudem hat die Landesregierung der Arena Gesellschaft im Jahr 1997 eine Landesbürgschaft gewährt, um damit die Baukredite der Hamburgischen Landesbank abzusichern. Sollte Schalke und damit in Folge die Arena Besitzgesellschaft Pleite gehen, kann die Bank das Land über die Bürgschaft in Anspruch nehmen. Die Bürgschaft wurde über 92.032.538,62 Euro bewertet, wie aus Bilanz-Unterlagen des Vereins hervorgeht.

Als Regierungspräsident ist Paziorek übrigens auch verantwortlich, wenn es um Kraftwerksbauten geht. Etwa bei dem E.on-Projekt in Datteln. Dort wollte er bislang keinen Baustopp verhängen. Mit der Sponsorensuche gerät man hier ganz schnell in schwieriges Fahrwasser. Was wäre gewesen, wenn RWE gesagt hätte, sie wollen Millionen zahlen? Und Paziorek ein paar Monate später ein Biomassekraftwerk genehmigt hätte? Damit will ich nicht sagen, dass Paziorek sich jetzt korrumpiert hat. Er hat nur ganz dünnes Eis betreten. Denn es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Paziorek und einem normalen, gewählten Politiker, der an der Spitze der Landesregierung steht. Der CDU-Mann ist Mitglied der Verwaltung nicht der Regierung. Da gelten andere Regeln.

Den Informationen zufolge habe es RWE abgelehnt, die Namensrechte zu erwerben. Dies passe derzeit nicht in die Konzernstrategie. Der Konzern selber wollte sich nicht zu internen Gesprächen äußern.

Bereits vor einigen Jahren hatten Schalke und RWE über ein Sponsoring gesprochen. Allerdings entschied sich der Versorger damals als Großsponsor bei Bayer Leverkusen einzusteigen. Bei Schalke blieb es bei einem kleineren Engagement. Aktuell ist RWE in der Bundesliga noch im kleineren Umfang beim MSV Duisburg engagiert.

Wallraff im Ringlokschuppen

 

Er kann es nicht lassen. Und das ist gut so. Wallraff hat wieder die Perspektive gewechselt.

Immer wieder verbringt Günter Wallraff Monate oder sogar Jahre unter dem Deckmantel fiktiver Identitäten. Sie erlauben es ihm, in die Tiefen sozialer Ungerechtigkeiten und moralischer Vergehen einzutauchen. 1985 schafft er mit seinem Werk „Ganz unten“ den Durchbruch. Als Türke „Ali“ berichtet er von dem empörenden Handel mit Leiharbeitern. Der Erfolg gibt ihm Recht: mit über fünf Millionen verkauften Exemplaren wurde „Ganz unten“ ein sensationeller Erfolg.

Nun war er wieder unterwegs. Als „Michael G.“ hat er die deutschen Callcenter auf Herz und Nieren geprüft und als Niedriglöhner für Lidl Fabrik-Brötchen gebacken. Außerdem hat er als Obdachloser das Leben ohne zu Hause aus nächster Nähe inspiziert. Seine Erfahrungsberichte bekommen wir in seinem neusten Buch „Aus der schönen neuen Welt“ druckfrisch serviert. Wer aber nicht nur sein Buch, sondern auch seine Stimme will, der sollte am 29.10.09 zum Ringlokschuppen in Mülheim pilgern. Dort liest Wallraff aus seinem neuen Buch und diskutiert im Anschluss mit neugierigen Zuhörern.

 

Donnerstag, 29.10.2009

Start 20:00 Uhr

Eintritt 15,-€

 

3 FÜR 7 – Literatur-Special

Letzte Tage habe ich denn mal "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" zu Ende gelesen. Dabei lese ich selten Biografien. Das Lokale, die Erziehung und das Umfeld des Protagonisten, sowie die Tatsache dass er ein ähnlicher Jahrgang wie ich ist, haben in diesem Fall wohl ausnahmsweise den Ausschlag gegeben. Bücher lesen hat immer so etwas richtig old-school-Persönliches, fast Vertrauliches – hm, kommt natürlich auf die Bücher und Schreibenden an. Wie steht es also diesbezüglich um: Sibylle Berg, Harry Rowohlt, Otto Sander?

Aus irgendeinem Grund schaut der Autor dieser Zeilen also nach Monaten wieder diese Harald Schmidt Sendung – wegen einer positiven Kritik in einer Zeitung wohl. Und wer stellt da ihr Buch vor und lässt den Gastgeber wie einen schmierig-schmuddeligen Possenreißer dastehen? Genau, Frau Berg (Foto: Tom Produkt). Ist ja immer schwierig, sich über Menschen ein Bild zu machen, wenn man sie nur aus der Kamera- oder Bühnensituation kennt. Manche beginnen ja dann, sich diesem Image zumindest vom Autoren-Ich her anzupassen. Dabei mögen sie dieses Ich vielleicht gar nicht besonders. Hat das etwas mit Sibylle Berg zu tun? Gute Frage! Jedenfalls liest neben ihr auch Katja Riemann aus "Der Mann schläft".

Harry Rowohlt scheint immer gleich einen ganzen Menschenschlag zu repräsentieren. Gleichzeitig ist er irgendwie der Bär, der es aus einer Art Sesamstraßenkommune eines Paralleluniversums mit lauter 50er-Jahre Eckhäusern hier rübergemacht hat – ah ja, eine Hamburg-Variante davon, genau. Nun, und den dem gegenüber jugendlich frisch wirkenden Part bei der Lesung von Klassikern der komischen Lyrik darf dann halt Christian Maintz einnehmen, und der wirkt auf dem Foto im Programmheft tatsächlich wie der FDP-Vize neben dem DKP-Kanzler.

Otto Sander hat sich im Rahmen dieser ähem Netzseite hier ja bereits im Rahmen eines Interviews selbst darstellen dürfen. Und nun macht er tatsächlich den Jim Morrison bei "American Poet". Der Sinn dieser Aktion erschließt sich vielleicht nicht direkt, aber in der Postmoderne darf ja jedeR jedeN darstellen. Ach ja, klar: Sie sind etwa eine Generation! Nur ist Jim ewig jung geblieben – so eben.

P.S.: "Die drei ??? und der seltsame Wecker" in der Grugahalle ist selbstverständlich ausverkauft.

Berg und Riemann am Dienstag ab 20 Uhr in den Kammerspielen.
Rowohlt und Maintz am Donnerstag ab 20 Uhr in Gladbeck.
Die Premiere von Sander und Morrison am Samstag ab 20 Uhr in der Rottstr. 5.

 

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Uhlenberg verbreitet weiter PFT-Märchen

Recherchen von Westpol offenbaren: Es tut sich immer noch nichts bei der Bekämpfung der Gifteinleitungen in die Ruhr. Toll.

Zitat: Nach dem Skandal um PFT in nordrhein-westfälischen Flüssen hatte Umweltminister Uhlenberg vor zwei Jahren Besserung versprochen. Doch passiert ist bislang wenig. Nach Westpol-Informationen werden in zahlreichen Kläranlagen immer noch erhöhte Werte gemessen. Stadtwerke fordern deshalb, die Industriebetriebe, die die Giftstoffe einleiten, stärker in die Pflicht zu nehmen.

Den ganzen Beitrag gibt es hier: klack

 

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Dortmund: Sieraus erster Tag im Amt…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Hengstenberg verzichtet auf CDU-Chef-Kandidatur…Der Westen

Bundestag: Kein Spiegel der Gesellschaft…FAZ

WAZ: Meinungsmache und Moral…Zoom

SPD: Nicht mehr sexy…Der Westen

Nazis: Prozess endete mit Freispruch…Der Westen

Wirtschaft: Mehr als Döner…Ruhr Nachrichten

Lesen: Gegenwartsliteratur im Revier…Bo Alternativ

Kunst: C.A.R. 09…Hometown Glory

Ruhr2010: Gerz hat seine Straßen…Der Westen

Kolaitionsvertrag: Aggression auf Filzlatschen…Weissgarnix

 

 

Rettet die SPD!

Die SPD ist in „katastrophalem Zustand“. Das sagt, immerhin, ihr künftiger Vorsitzender. Sigmar Gabriel hat Recht. Die Partei, die er führen will, hat sich allmählich aufgegeben. Überflüssig ist sie nicht, im Gegenteil. Nur völlig desorientiert.
Von unserem Gastautor Uwe Knüpfer

Als die SPD entstand, vor fast 150 Jahren, entwurzelte die Globalisierung Millionen von Menschen; wirtschaftlich und geistig. Neue Wirtschaftsimperien entstanden, es wurden gewaltige Reichtümer aufgehäuft. Gleichzeitig wuchs die Kluft zwischen Arm und Reich. In guten Schulen und Universitäten waren die Kinder des Adels und der Reichen unter sich.

Klingt irgendwie vertraut. Zwar sind wir weit von den sozialen Verhältnissen des 19. Jahrhunderts entfernt. Doch die alten Themen tauchen wieder auf. Was nur zeigt: die SPD wird gebraucht. Vielleicht sollte sie sich erinnern:

Bevor die Sozialdemokratie eine Partei wurde, bestand sie aus Arbeiterbildungsvereinen. Statt Brot und Spiele für die Armen verlangte sie Aufstiegschancen. Mitbeteiligung. Sie folgerte aus der universellen Geltung der Menschenrechte, dass auch Arbeiter Bürger sind; gleichberechtigte Bürger. Das war revolutionär.

Einem Teil der sozialdemokratischen Bewegung war das nicht revolutionär genug. Während die Mehrheitssozialdemokratie die Mitverwaltung der bürgerlichen Gesellschaft anstrebte – also einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz – , wollte eine Minderheit etwas anderes. Dieses „Andere“ ging dann später als „Diktatur des Proletariats“ in die Geschichte ein.

Die Spaltung der Bewegung in Sozialdemokraten und Kommunisten war folgerichtig und ist es noch heute.

Gleiches Recht und gleiches Stimmrecht für alle. Freier Zugang zu jeder Form von Bildung für jeden. Abschaffung unverdienter Privilegien. Kampf dem Militarismus. Gemeinwirtschaft statt ungehemmtem Profitstreben. Zähmung der Marktkräfte durch staatliche Regeln und Aufsicht. Internationale Solidarität. Darauf fußte das Programm der SPD, und:

Arbeit sollte sich lohnen. Nicht wer von Papa Titel oder Konto geerbt hatte, sollte in der Gesellschaft und in der Politik den Ton angeben, sondern wer sich durch Fleiß und gute Arbeit ausgezeichnet hat. Die Sozialdemokratie verstand sich als eine Selbsthilfeorganisation der unterprivilegierten Leistungsträger.

Würde die SPD diese Ziele wieder ernst nehmen, wäre der erste Schritt zu ihrer Rettung getan. Der zweite müsste folgen:

Bevor die Sozialdemokratie Partei wurde, war sie Verein. Eben eine Selbsthilfeorganisation. Irgendwann ist der SPD das peinlich geworden. Irgendwann hat sie sogar die Hauskassierer abgeschafft, die von Tür zu Tür gingen, um Mitgliedsbeiträge einzusammeln und dabei nach Sorgen und Nöten zu fragen. Heute werden neue Genossen längst nicht mehr persönlich begrüßt, geschweige denn gefragt, warum und wie und wo sie ihren Platz in der SPD finden wollen. Richtet einen Dauerauftrag ein und spendet zusätzlich, wenn Wahlkampf ist! Mehr scheint die SPD von denen, die ihr Mit-Glied sein wollen, nicht zu verlangen.

Ihren Höhepunkt erreichte die Entvereinigung der SPD unter Gerhard Schröder. Für ihn und die Seinen war die Partei nur noch als Resonanzboden wichtig, ansonsten lästig. Aus Parteitagen wurden Akklamationsveranstaltungen. An die Stelle von Debatten traten Heldenverehrungen. Meinungsbildung im öffentlichen Raum war unerwünscht; sie fand in kleinen und immer kleineren Kreisen statt, allenfalls unter Einbeziehung geladener „Experten“, Demoskopen und Journalisten.

Das galt als modern. Das hatten Kampagnentechnokraten in Amerika gelernt – übersehend, dass Parteien in den USA ganz andere Traditionen haben als bei uns. Ganz selten gelingt es dort einem kleinen Zirkel von Parteifunktionären, einen der Ihren zum Kandidaten für hohe Regierungsämter zu küren. In Wahrheit muss sich jeder Kandidat einer Vielzahl von Prüfungen stellen; er muss sich vor Ort, im Kontakt mit Menschen bewähren, bevor er in die Welt der Kameras und Photo-Opportunities entschwebt.

Die SPD hat diesen Weg abgekürzt. In ihr ist es gang und gäbe geworden, „den Gremien“ zu sagen, was sie zu entscheiden und wen sie bitte schön zu wählen haben. Die Bolschewiken, gäbe es sie noch, würden vor Neid erblassen. Den „demokratischen Zentralismus“ hatten eigentlich sie erfunden – um das Unberechenbare wahrhaft demokratischer, offener Mehrheitsbildungen und Wahlen auszuschließen.

Wer die SPD retten will, muss sie in neuem Sinne wieder-vereinen. Überall findet man Menschen, denen es wichtig wäre, die alten Ziele der SPD in die neue Zeit zu übertragen. Überall gibt es Menschen, denen es ernst damit ist, Schulen so zu gestalten, dass dort jedes Talent entdeckt und gefördert werden kann. Die wissen wollen, wie den wieder enthemmten Kräften des Kapitalismus beizukommen ist. Die sich sorgen, militaristisches, nationalistisches Denken könne wieder um sich greifen.

Die SPD müsste sich die Mühe machen, solche Menschen zu sammeln. Sie miteinander ins Gespräch zu bringen. Sie aus der Geschichte lernen zu lassen. Ihren Ideen Ausdruck zu geben.

Das sollte heutzutage viel leichter sein als im 19. Jahrhundert. Das Grundgesetz garantiert die Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Und das Internet kann enorm bei Organisation und Meinungsbildung helfen. Doch das Wichtigste wird sein, den Orts-Verein, die Kernzelle der SPD, neu zu erfinden. Als einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um ernsthafte Anliegen ernsthaft zu diskutieren – und schließlich Einfluss zu nehmen. Und nicht, um sich anzuhören, was aus Funk und Illustrierten bekannte „Spitzenpolitiker“ ihnen auftischen; in der Regel Aufgewärmtes, vielfach schon Gehörtes und Gelesenes. Und auch nicht, um sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, die Türen fest zu verriegeln und das nächste Sommerfest zu planen.

Kurt Tucholsky hat mal vorgeschlagen, die SPD umzubenennen – in: „Hier können Familien Kaffee trinken“. Ihm war die SPD zu kleinkariert, zu bräsig und konfliktscheu. OK. Das ist sie immer noch. Aber welcher Familie käme es heute in den Sinn, bei und mit den Genossen Kaffee zu trinken?

Wenn sie das wieder schafft: wenn Menschen, ganze Familien gar, wieder Lust haben, bei der SPD „Kaffee zu trinken“ und dabei, zum Beispiel, über Erziehung, das Genossenschaftswesen oder den Krieg am Hindukusch zu sprechen, wird ihr Wiederaufstieg unaufhaltsam sein.

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Ruhr oder Berlin Teil 4 – Der Kreative als solcher

Was macht ihn eigentlich aus?  Und aus was besteht eigentlich die aktuell so viel gerühmte  „Keative Klasse“ ? Was steckt hinter dieser schon nicht mehr ganz neuen “Begriffs-Sau“ die seit einiger  Zeit durchs weltweite Medien-Dorf getrieben wird? Nach dem ich in den ersten drei Teilen die Rahmenbedingungen für Kreativität geklärt habe, möchte ich mich heute denen zuwenden, die den Kern der Sache ausmachen. Genauergesagt der Eigenschaft die sie als ihr Hauptmerkmal verbreiten: ihrer  Kreativität.

Bild: Kreativer am Samstagvormittag

Ist die eigentlich angeboren? Oder kann man die erlernen? Beides scheint der Fall zu sein, wenn man den Wissenschaftlern traut, die sich damit beschäftigen.  Seit den ersten Intelligenzdefinitionen die sich auch der Empirie zu stellen hatten, was natürlich mal wieder eine Idee des (amerikanischen) Militärs war, stand diese Frage im Raum. Welche Eigenschaften muss der Mensch haben, der in der Lage ist, etwas Neues zu  denken. Sei es weil er dazu gezwungen ist, weil die alten Problemlösungen nicht mehr funktionieren. Sei es weil  er einfach Spaß daran hat, Dinge nicht hinzunehmen wie sie sind. Sei es weil er in einem Metier beschäftigt ist dass davon lebt, dass nichts so bleibt wie es ist, wie z.B. in der Mode. Sei es weil er sich mit seiner ganzen Persönlichkeit der Berufung verschrieben hat, ein Erfinder zu sein.

Intelligenz, so stellte sich heraus,  ist nicht die Folge sondern die Voraussetzung von Kreativität. Blöde kommen – wie die meisten auch aus ihrer Alltagserfahrung wissen –  selten auf neue Gedanken und können deswegen auch schlecht Probleme lösen. Zumindest nicht absichtlich und bewusst. Umgekehrt , so fanden unsere Forscher heraus, gilt aber nicht der Satz: Je intelligenter je kreativer. Es gibt (leider) auch viele Menschen mit einem hohen IQ denen nicht viel Neues einfällt. Selbst wenn es dringend notwendig ist. Erleben wir gerade wieder, oder?

Wo also ist das Gen, das der Intelligenz z.B. eines Rechengenies die Fähigkeit, ja sogar Neigung, hinzufügt, um die Ecke oder Quer oder anders herum zu kalkulieren?  Die Sache auf den Kopf zu stellen? Sich aus den gewohnten Bahnen heraus zu katapultieren? Ob das ein richtiges Gen ist, weiß bis heute noch keiner so richtig. Aber es gibt, das weiß auch unsereins,  Menschen die für alle andreren nachprüfbar so sind. Wir nennen sie gewöhnlich unkonventionell. Nicht nur anders im Sinne von Unterschied, sondern im Sinne von gegensätzlich, zumindest aber im Sinne von sich nicht dem Gängigen fügend.   Unkonventionell eben.

Über diesen Verhaltenstypus gibt es entsprechend auch, und natürlich wissenschaftlich etwas komplizierter und ausschweifender, reichlich empirische Untersuchungen und die haben im großen und ganzen ein Ergebnis: er ist in allen diesbezüglich untersuchten Gesellschaften in der Minderheit. Auf gut Deutsch: Der Unkonventionelle ist, wie der Name es ja auch sagt, kein Herdentier.  Wenn überhaupt und allerhöchstens macht er gut ein Drittel der Bevölkerung aus.  Als Denkender aber nur!

Als Handelnder verringert sich seine Prozentzahl nochmal erheblich. Denn gegen die Konventionen zu handeln erfordert Mut , wie wir alle wissen. Und sein Auftreten hängt dazu noch von der Unterstützung der sozialen Umgebung ab. Sind alle um einen herum eher ängstlich sinkt der eigene Mut. Mit jeden weiteren Mutigen steigt er an. Auch das ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen.Bringen wir das ganze wieder mit der Kreativität zusammen so erfordert sie Intelligenz  u n d  Mut. Oft zumindest.

Wie kommt also jemand auf die Idee diese sehr besondere individuelle und zugleich nur wenigen Menschen nur unter ganz bestimmten Bedingungen zugängliche Eigenschaft mit dem Begriff der „Klasse“ zu verbinden? Also einem recht hemdsärmelig gebrauchten soziologischen Begriff der sich z.B. , wie es sein berühmtester Vertreter Richard Florida tut, mit einer oder mehreren ganz  bestimmten Berufskategorie verknüpfen lässt um sie (relativ) genau zählbar und damit räumlich und sozial  verortbar zu machen? Oder konkreter gefragt: Ist z.B. ein Architekt schon per Berufsdefinition als Kreativer zu bezeichnen?

Wer sich jeden Tag unsere gebaute Umwelt anschaut weiß: das Gegenteil ist der Fall. Das gleiche gilt z.B. für Designer, Werbe- und Modefuzzis, die mittlerweile ebenso automatisch zur Kreativen Klasse gezählt werden. Dagegen haben sich die Banker, die lange quasi als Markenzeichen für Solidität eben auch als Ausgeburt des Unschöpferischen gegolten haben, in den letzten Jahren als ausgesprochen kreativ erwiesen.  Womit augenscheinlich ein weiteres Problem der so viel gelobten Kreativität aufscheint: Kreativ in was und für wen? Oder anders ausgedrückt: Kreativität ist ähnlich wie Intelligenz und Unkonventionalität ein gefährlich inhaltsleerer Begriff. Und er ist keineswegs automatisch mit dem verknüpft, was der Begriff „Klasse“ andeutet: Elite im Sinne von verantwortlicher Führungsfähigkeit.

Jemand als Kreativen zu bezeichnen erfordert also  weit mehr als eine bestimmte  Berufsbezeichnung. Solche Personen lassen  sich nach meiner Ansicht soziologisch gar nicht erfassen. Sie tauchen viel mehr immer wieder als Einzelpersönlichkeiten aus der Masse auf und suchen sich ihren ganz eigenen Weg. Sie lassen sich deswegen auch nicht kategorisieren oder sozial oder kulturell und erst recht nicht ökonomisch einordnen.  Sie tauchen in der Unterschicht genauso auf wie bei den Reichen. Man findet sie nicht nur in den sogenannten innovationsfreundlichen Milieus und Berufsgruppen.  Aber sie sind überall in der Minderheit. Auch da wo Erfindergeist  zum Tagesgeschäft gehört.Uns sie (be)suchen sich gegenseitig, weil sich die eigene  Kreativität ohne Dialog und Außeninspiration nicht steigern lässt.

Deswegen haben sie immer schon das gebildet, was heute als „Cluster“ oder „Netzwerke“ bezeichnet wird. In der Provinz wie in den Metropolen. Ehe Richard Florida sie „entdeckt“ hat, waren sie schon lange da. Und überall machen sie immer die gleiche Erfahrung: Das ihre Kreativität über kurz oder lang den Rest der Gesellschaft nervt.  Das ihr Gebrauchtwerden immer nur auf Zeit ist. Dass sie immer nur in bestimmten Phasen, ja manchmal nur für sehr kurze Momente die Heroen der Mehrheit sind. Das wird auch dieses Mal so sein. Egal ob in Ruhr oder Berlin oder sonstwo.

Teil1, Teil 2, Teil 3

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Opel: Opel-Verkauf verschoben…Ruhr Nachrichten

Priester-Terror: "Keinen Hass sachüren"…Der Westem

Bochum: Kampfkandidatur um CDU-Fraktionsvorsitz…Pottblog

Dortmund: Grüne enttäuscht von Prüsse…Der Westen

Essen: Dezernent für Integration?…Der Westen

Bundesregierung: Ökonomen zerpflücken Steuerversprechen…Spiegel

Baring: Mehr Sarrazins in die Politik…Welt

Ruhrgebiet: RVR kann wieder planen…Welt am Sonntag

1999: Pacta sunt servanda…Frontmotor

Kunst: Kuboshow review…Hometown Glory

Kultur: Jazz und Adorno…Exportabel

Medientage: Ringen um Web-Inhalte…FR Online

China: Fotos von der Potsapokalypse…Kueperpunk