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Die B3E-Story Teil 13: Die drei Ebenen der Bermuda-Ökonomie

Schon in den 80er Jahren begann eine innere Umstrukturierung der Bermuda-Gastronomie und ihrer Clans. Auch hier war Leo Bauer wieder einmal der unvermeidliche Vorreiter. Die neue Struktur war ein Zeichen der weiteren Professionalisierung und sorgte für eine systematischere Organisation innerhalb des größer gewordenen Unternehmens. Leo Bauers Heba GmbH übernahm seit jeher zu günstigen Preisen heruntergewirtschaftete Lokale und entwickelt dann für das jeweilige Objekt ein neues Konzept, bei dem weniger das gastronomische Angebot, sondern mehr, wie z.B im Cotton Club, das Erlebnis oder aber kulturelle Veranstaltungen wichtig sind.

Sobald der Betrieb lief, zog sich die Heba ganz oder teilweise zurück, und das Lokal wurde verpachtet. Die Heba blieb allerdings immer Verpächter, Eigentümer des Inventars und Getränkelieferant. Es ging bei dem Pächterkonzept zum einen um die Delegation von betriebswirtschaftlicher Verantwortung, zum anderen um Rationalisierung. Bestimmte Service- und Zulieferleistungen konnten für alle Lokale gemeinsam von einer Zentrale aus organisiert werden, die zugleich auch die Pächter anheuerte.

Damit wurde eine neue Hierarchie etabliert. War Leo Bauer im früheren Club Liberitas noch Primus inter Pares, wurde er nun zum unbestrittenen Boss eines für die Bochumer Gastronomieszene unverhältnismäßig großen und vernetzten Konzerns. Bauers Modell diente auch den „Logos“ als Vorbild. Ihr Gastronomieimperium, das über Bochum hinaus reichte und auch Restaurants beinhaltet, ist ebenso wie die Heba Betriebe als Holding aufgebaut. „Logos“ setzten bei ihren Lokalen allerdings meist auf ein  ungewöhnliches gastronomisches  Ambiente und Konzept, das nachdem das Lokal dazu gefunden und umgebaut wurde,  zur Verpachtung angeboten wird.

„Ob Sachs, Sticks oder Tucholsky – an unseren Lokalen kann man auch unsere eigene unternehmerische, vor allem aber auch unsere ästhetische Entwicklung ablesen.“ Dieses Konzept wurde vor allem im Bermudadreieck selbst angewandt und ausprobiert, und hier war es auch rundum erfolgreich. Für seine spätere Ausdehnung über dieses Gebiet, und vor allem über die Stadt hinaus, kann das allerdings nicht durchgängig behauptet werden.

Was die Hierarchisierung betraf, war diese für die „Logos“ wie für Bauer unvermeidlich. Der Unterschied zum „Bauerimperium“  bestand darin, dass sich hier an der Spitze nicht ein Chef, sondern ein Triumvirat gleichberechtigter Teilhaber ausbildete, das bis heute zwar arbeitsteilig, aber doch beinahe unverändert die wesentlichen Entscheidungen fällt. Nur Schüler hat sich mittlerweile, wie in einem früheren Kapitel schon erwähnt, aus dem Tagesgeschäft fast vollkommen zurück gezogen und lebt als Filmproduzent in Berlin. Leo Bauer indes blieb, obwohl zum Teil über viele Jahre hinweg den gleichen Geschäftspartnern verbunden, immer alleine an der Spitze.

Letztlich jedoch hatte sich bei  beiden Hauptclans des Bermudadreiecks  eine dreistufige Organisationsform entwickelt, die zugleich auch einen neuen wirtschaftlichen Druck nach unten weiter gab und systematisch verstärkte. Während die oberste Ebene, mittlerweile zu erheblichem finanziellen Wohlstand gekommen und von den Banken im obersten Bereich der Kreditwürdigkeit eingestuft, den Markt zu beherrschen und auszuweiten versuchte, musste die unterste Ebene, die Kellner, Köche, Servierer, Fahrer und Reinigungskräfte dafür das Geld von den Kunden und Gästen einnehmen.

Die mittlere Ebene der Pächter hatte diesen Druck von ganz oben so zu kanalisieren, abzustufen und zu verteilen, dass das ganze System effizient und vor allem kontrollierbar blieb. Dabei konnte lange Zeit keine der drei Ebenen auf der „faulen Haut“ liegen, denn der Markt war bis Ende der 90er Jahre immer noch erweiterbar, und das erforderte auch von den  Chefetagen erhebliche Anstrengungen, von den ständigen taktischen und strategischen Entscheidungen zum Erhalt des Erreichten ganz zu schweigen. So hatten die beiden „Konzernzentralen“ sehr bald eigene Mitarbeiter, Berater und Zulieferer, und die Büroflächen wurden Stück für Stück größer und vornehmer.

Der Clan um Armin Reisewitz allerdings hatte dieses Drei-Ebenen-Modell mangels Größe nie ausbilden können und vom Selbstverständnis her auch nicht ausbilden wollen. Wirtschaftlich in kleinerem Maßstab erfolgreich, blieb hier der „Schuster bei seinen Leisten“ und der Wirt damit hinter dem Tresen, auch wenn es mehrere davon gab. Ähnlich der „Logos“ bildete sich daraus ein gleichberechtigtes und teilweise arbeitsteiliges Führungskonzept, aber es gab wesentlich weniger zu führen, da es darunter nur noch eine Ebene gab, mit der sich die Führung zum Teil sogar die Arbeit teilte. Entsprechend war dies auch die kleinste Gruppe des Bermudadreiecks.

Bei allen galt jedoch für die Behandlung der untersten Ebene, dass dort auf Grund des allgemeinen Wachstums der Druck nie so groß werden sollte, dass die ausgebildete Hierarchie und der ganz oben angesammelte erhebliche persönliche Wohlstand zu größeren innerbetrieblichen Konflikten führen konnte. Im Gegenteil, im Bermudadreieck wurde und wird im Verhältnis zu anderen Gastronomiebetrieben gerade auch auf dieser Ebene überdurchschnittlich gut bezahlt.

Das galt noch viel mehr für die Verdienstmöglichkeiten der Pächter auf der mittleren Ebene, die mit Geschick und Disziplin selbst zu Managern werden konnten, in dem sie mehrere Lokale gleichzeitig pachteten und führten. Wer das schaffte, gab der mittleren Organisationsebene nicht nur zusätzliches Gewicht, bzw. ragte er aus dieser soweit hervor, dass er sich damit zugleich als Anwärter auf die höchste Ebene empfinden konnte. Sei es als potentieller Nachfolger,  zumindest aber als finanziell Gleichgestellter.  Hier war aber genau deswegen auch die Möglichkeit des Scheiterns und/oder der Selbstüberschätzung besonders groß.


Mehr zu dem Thema:

Teil 1: Die B3E-Story – oder wie das Bochumer Szeneviertel namens Bermudadreieck entstanden ist

Teil 2: Die B3E-Story 2: Entstanden aus dem Nichts?

Teil 3: Die B3E-Story Teil 3- Vom proletarischen Moltkeviertel zur Bochumer Studentenbewegung

Teil 6: Die B3E-Story 6 – Vom Club Liberitas zum Mandragora

Teil 7: Die B3E-Story Teil 7: Vom Appel zum Sachs

Teil 8: Die B3E-Story 8 – Die 80ger Jahre und die Entstehung der Szenemagazine

Teil 9: Die B3E Story 9 – Die Rolle der Bochumer Stadtverwaltung

Teil 10: Die B3E-Story Teil 10 – Die Entstehung des „Bauer-Imperiums“

 

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