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Die Bandbreite: Shitstorm im Wasserglas

„So wird ja auch mit mir umgegangen, ich werde ständig diskriminiert!“ Bandbreite-Sänger Wojna hat sich als eigentliches Opfer der „FH-Düsseldorf-Verschwörung“ erkannt. Längst geht es nicht mehr um die Seminararbeit an sich, geschweige denn um die zwei Verfasserinnen selbst. Vielmehr scheint die Bandbreite, „Politpopband aus Duisburg“, sich in einen bizarren Stellvertreter-Krieg begeben zu haben. Die „Wahrheitsbewegung“ ist auf den Barrikaden, die zwei Studentinnen mittlerweile bloßgestellt. Von unserem Gastautor Martin Niewendick

Verschwörungstheorie goes Schlager: Die Bandbreite aus Duisburg

Gut drei Wochen ist es her, dass sich Marcel „Wojna“ Wojnarowicz, Kopf der Duisburger Verschwörungs-Band, im Internet entrüstet zu Wort meldete. Es ging um ein sich „Seminararbeit“ nennendes Sammelsurium von spinnerten Verschwörungstheorien, seltsamen Blog-Einträgen und längst widerlegten Urban Legends aus den Niederungen der „Wahrheitsbewegung“. Auch die Bandbreite wurde ausführlich porträtiert.Verfasserinnen waren ebenjene zwei Studentinnen, „Sirra J. Und Lisa W.“,  deren unkritisches Nachgeplapper von Internet-Mythen seither für jeden  im Netz einsehbar sind. Die Arbeit wurde von den beiden Dozenten des Seminars mit einer 5.0 bewertet. Problematisch waren hierbei nicht nur Form und Inhalt der Arbeit, auch formellen Gesichtspunkten hält sie kaum stand. So wurden für die 48 Seiten lediglich drei Bücher zur Rate gezogen, der Rest kommt aus dubiosen Internet-Foren.

Was Wojna aber nicht davon abhielt, sich direkt wutentbrannt zu Wort zu melden, und sich als Anwalt der beiden Frauen zu inszenieren. Damals sagte er noch, die Seminararbeit sei „nach allen Regeln der Wissenschaft akribisch ausgearbeitet worden.“ Vielleicht, so dachten einige, sind ihm schlicht simpelste Formalia des akademischen Handwerks nicht geläufig. Doch es scheint, wenigstens hier, ein Lerneffekt eingesetzt zu haben. Mittlerweile klingt das bei Wojna so: „Ich sage nicht, dass es die beste wissenschaftliche Arbeit war, von mir aus könnte es auch eine 3 oder 4 sein. Aber eine 5 ist völlig ungerechtfertigt!“ Um dann gleich wieder zu relativieren, dass es „halt so ist bei der Wahrheitsbewegung, dass die meisten Quellen aus dem Internet stammen.“ Soso. Könnte dies vielleicht ein Hinweis auf einen Mangel an Wissenschaftlichkeit des Themas sein? Nicht für Wojna: „Die Dozenten wollen nur ihr Weltbild aufrecht erhalten, die schlechte Bewertung war eine Trotz-Reaktion.“ Außerdem, so ist er sich sicher, haben die zwei durch die Seminararbeit wohl „einen Kulturschock erlitten.“

Der Schock für die beiden Dozenten dürfte in der Tat eingesetzt haben. Allerdings, wie die letzten Wochen zeigten, nicht als Resultat bahnbrechend neuer Erkenntnisse. „Seit der Veröffentlichung des ‚Bandbreite‘-Videos werden wir pausenlos im Internet gemobbt, bedroht, beleidigt und beschimpft“, sagt Prof. Hubert Minkenberg, Musikwissenschaftler und einer der Leiter des Seminars. Und tatsächlich: In einschlägigen Foren tobt der Volkszorn, schäumt gegen das akademische Establishment. „Das war doch klar, das ist immer so in Diktaturen“, weiß ein User auf der Band-Website. Geschichtslehrer sind für ihn Agenten des Systems, „diese Verbrecher wird es geben bis sie eines Tages jemand zertritt.“ Und auch ein sich „Lukas“ nennender Foren-Nutzer applaudiert der Bandbreite: „Echt super das ihr euch dafür einsetzt !!! Sowas sollte sich nimand (sic) gefallen lassen!“

Und das taten sie nicht. Nachdem Wojna zum kollektiven Sturm der Entrüstung auf das Dekanat der FH Düsseldorf aufrief, kamen laut Prof. Minkenberg „hunderte von Mails an das Dekanat und uns, mit zum Teil strafrechtlich verfolgbaren Inhalten.“ Wie er die Wahrheitsbewegung einschätzt? „Verschwörungstheoretiker mit Verbindungen zu religiösen Fundamentalisten und Rechtsradikalen.“ Moment. War es nicht Wojna, der den Herren Dozenten seinerseits Rassismus und Rechtsrdikalismus vorgeworfen hatte? Wir erinnern uns: „Eine der beiden Studentinnen ist eine Schwarze. Wollten sie sie etwa dafür bestrafen? Sind sie rassistisch? (…)Sind sie das, sind sie beide rechtsradikal?“ tönte Bandbreiten-Wojna in seiner Video-Stellungnahme. „Ich bin Jazzmusiker, mein engster Mitarbeiter ist Afro-Europäer“ entgegnet Prof. Minkenberg trocken. Den Schwachsinn seiner Anschuldigungen selbst erkennend rudert Wojna heute freilich zurück. Er hätte damit ja nur zeigen wollen, wie leicht man „dissidente“ Meinungen in die rechte Ecke rücken könne, und er selbst würde ja, siehe oben, „ständig diskriminiert.“

So einfach verschiebt man den Fokus einer Debatte. Wojna sieht sich als Pars pro toto im Showdownkampf „Wahrheitsbewegung versus Wissenschaftler.“ Unbewaffnet ist er nicht. Beweise habe er für das alles. Sagt er. Lieblingsbeispiel „9/11 was an inside job“. Wojna: „Die Leute wurden vor den Anschlägen gewarnt. Ich selbst kenne eine Frau persönlich, die am 9. 11. im World Trade Center war, sie wurde auch gewarnt!“ Dass diese Frau, so sie denn existiert, wohl eher ein Fall für den CIA denn für die Wahrheitsbewegung gewesen wäre, kommt ihm nicht in den Sinn. Er wartet lieber mit den üblichen Kalendersprüchen auf: „Der Zweifel führt im Zweifel immer zu neuen Erkenntnissen.“

Die Seminararbeit indes ist immer noch online. Und dank der gekonnten Publicity von Wojna und Konsorten, dürfte nun sämtliche Kommilitonen der beiden Frauen über deren akademisches Unvermögen informiert sein. Und auch andere Dozierende der FH dürften sich ob des vom Zaun gebrochenen Shitstorms, welcher sich über die beiden „wissenschaftlich nicht mehr tragbaren“ (Wojna) Dozenten ergießt, ihre Gedanken zu den beiden machen. Die Kollateralschäden von Wojnas Ego-Kampagne kann daher durchaus als nachhaltig bezeichnet werden, und so endet die ganze Sache vorerst reichlich unrühmlich für alle Beteiligten: „Eine Rechtsanwaltskanzlei ist beauftragt und hat bereits entsprechende Schritte unternommen“, sagt Prof. Minkenberg.

Über das Thema erschien von zwei Wochen bereits ein Artikel von Martin Niewendick in der BSZ.

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[…] „Echt super das ihr euch dafür einsetzt !!! Sowas sollte sich nimand (sic) gefallen lassen!“ Mehr… Gefällt mir:LikeSei der Erste, dem dieser post gefällt. Dieser Beitrag wurde unter […]

Bochumer
Bochumer
12 Jahre zuvor

Bezeichnet ist folgender Satz:

„Um dann gleich wieder zu relativieren, dass es „halt so ist bei der Wahrheitsbewegung, dass die meisten Quellen aus dem Internet stammen.““

Das ist ein Beispiel für einen beliebten Denkfehler: ‚Ich suche mir nur Informationen, die zu meinem Weltbild passen.‘ Dadurch verhärten sich die Einstellungen. Das ist leider nicht nur das Phänomen von Wenigen. Die Verschwörungstheoretiker werden immer mehr. Das liegt leider auch am Internet, wo sich Leute immer leichter aus dem verschiedenen Sammelsurium von spinnerten Ideen bedienen können.
Durch das Feedback auf verschiedene Newsletter, die ich seit Jahren versende, weiß ich, dass die Zahl der naiven Verschörungschaotiker immer weiter zunimmt. Der Artikel ist ein Beleg dafür und es ist gut, dass sich jemand der Sache annimmt.

Norbert Paul
Norbert Paul
12 Jahre zuvor

Durch immer mehr zugänglichen Informationen wird die Welt immer unverständlicher und dieses Problem kann man durch Verschwörungstheorien etc. doch gut beheben.

Aus der Anzahl der Quellen und der Art der Quellen auf die Qualität einer Arbeit zu schließen, halte ich aber für unmöglich. Wenn ich mich z. B. kritisch mit dieser Bewegung auseinander setzen will, bietet es sich durchaus an, viele Internetquellen zu nutzen, entscheidend ist, wie ich damit umgehe. Auch viel Bücher im Literaturverzeichnis sind kein Ausweis von Qualität. Können ja auch schlechte Bücher sein oder nicht verstandene oder falsch zitierte oder oder oder

Merle
Merle
12 Jahre zuvor

Die „Animositäten“ zwischen der Bandbreite und den Ruhrbaronen sind bekannt. Zur Sache: Die Arbeit der beiden Studentinnen ist nicht gut, aber die Begründungen, die man immer wieder liest, sind es auch nicht. Wenn es um die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen geht, sind Quellen aus dem Internet, sowie Youtube Videos inzwischen akademisch zulässig; zum Umgang mit Internet-Quellen gibt es selbst ganze Seminarreihen.
Die Wissenschaftlichkeit der Seminararbeit (eigl. Ausarbeitung eines Referates) steht für mich nicht wegen der Quellen im Zweifel oder wegen einer möglichen Nicht-Existenz der Wahrheitsbewegung, sondern weil die nötige Distanz fehlt. So schreiben die Studeninnen sinngemäß, ihre Arbeit beweise, dass 9/11 ein Inside-Job war und das ist faktisch falsch; sie beweist, dass es Menschen gibt, die davon überzeugt sind. Es steht jedem frei, das für Verschwörungstheorie und alle Anhänger für Vollidioten zu halten, aber man muss akzeptieren, dass es eine solche Bewegung gibt. Mit einer neutraleren Perspektive wäre die Arbeit ganz passabel. Übrigens: Die Rechtsradikal-Keule (von allen Seiten) fängt allmählich an, mich anzuöden.

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[…] Bandbreite:Shitstorm im WasserglasRuhrbarone, 06.02.2012https://www.ruhrbarone.de/die-bandbreite-shitstorm-im-wasserglas/ Öffentliches Leben vom Kälteschutz bestimmtDuisburger trotzen der KälteRP Online, […]

Pascal
Pascal
12 Jahre zuvor

Oh, mich ödet die auch an, die „Rechtsradikal-Keule“. Immer wenn man was menschenverachtend grenzdebiles sagt, wird man gleich als Nazi hingestellt.

Detlev
Detlev
12 Jahre zuvor

Mir war bislang nicht bekannt, dass die Webseite „Ruhrbarone.de“ auch ein dubioses Internetforum ist. Genauso wie Spielgel, Focus und Welt.de.
Beim nächsten Mal bitte genauer im Literaturverzeichnis nachsehen.
Habe gerade über 25 Quellen gefunden die von etablierten Medien stammen.
Ob es dann aus Internetartikeln oder direkt aus der Zeitung stammt, spielt doch keine Rolle, oder?
Ich rate jedem mal genauer hinzuschauen!

Freunliche Grüße

Detlev

nimand
nimand
12 Jahre zuvor

war wonja eigentlich ghostwriter der arbiten oder sektenführer, so ganz verstehe ich seine rolle nicht

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[…] No-Go. Die Bandbreite wollte aus der Sache einen pseudopolitischen Schaukampf machen, der in einer Rufmord-Kampagne gegen die Dozenten der beiden Frauen […]

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