Werbung

Die fragwürdigen Rechtsansichten der Rechten

Nazi_schwulenhatz

Ist spontaner Parkplatzsex wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ strafbar? Das behaupten zumindest Mitglieder der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“. Sie machten mit einem YouTube-Video auf sich aufmerksam, das dokumentiert, wie eine verlotterte Neonazi-Bürgerwehr auf einem „Schwulenparkplatz“ versucht, für „Recht und Ordnung“ zu sorgen. Mit dem Video zogen die Neonazi-Cruiser erneut den Spott der Netzgemeinde auf sich. Auf dem einschlägig in Neonazikreisen bekannten Parkplatz in Dortmund-Kirchlinde streiften fünf sichtlich erregte Rechte in gelben T-Shirts durch die angrenzenden Gebüsche, um dort angetroffene Personen inflagranti zu erwischen und im Namen des gesunden Volksempfindens mit gestammeltem Halbwissen zu belästigen.

Nun sollte man für Rechtsauskünfte besser keine Rechtsextremen konsultieren- auch dann nicht, wenn sie an der Ruhr-Universität Bochum Jura studieren. Ein Blick in die einschlägige Kommentarliteratur zeigt schnell: Der spontane Parkplatzsex ist nicht strafbar. Der rechtsradikale Jura-Student Michael Brück erzählt hanebüchenen Unfug.

Doch über welche Strafnorm fabuliert Brück in dem Video? Nach § 183a StGB kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt.

Über den Zweck des § 183a StGB streiten die Autoren der juristischen Fachliteratur seit jeher. In der Vergangenheit vertraten Juristen die Auffassung, die Vorschrift schütze die Allgemeinheit in ihrem Interesse an der Respektierung der verbreiteten sozial-moralischen Ansicht, dass sexuelle Handlungen nicht in die Öffentlichkeit gehören. Konservative Interpreten sahen gar die öffentliche Ordnung gefährdet. Dem hielten liberale Juristen entgegen, dass sich kollektive Rechtsgüter wie „die Allgemeinheit“ nicht schlüssig begründen lassen. Das Strafrecht dient eben nicht dem Schutz von Moralvorstellungen oder überpersonalen Entitäten, sondern dem Schutz von Individuen. Überzeugend begründet Prof. Dr. Tatjana Hörnle von der HU Berlin den Strafgrund des § 183a StGB:

„Ungewollt wahrgenommene und als Ärgernis empfundene öffentliche sexuelle Handlungen verletzen die Privatsphäre. Das Recht auf Privatsphäre beinhaltet nicht nur die Abschirmung der eigenen privaten Betätigungen und Informationen, sondern auch das Recht, von der ungewollten Kenntnisnahme des intimen Verhaltens anderer Menschen verschont zu bleiben“ (MüKoStGB/Hörnle StGB § 183a Rn. 1).

Dass mit sexuellen Handlungen auch der spontane Parkplatzsex gemeint sein muss, dürfte unstreitig sein. Schwieriger ist dagegen die Frage, ob das Waldstück, in das sich Menschen auf der Suche nach unverbindlichem Geschlechtsverkehr begeben, vom Begriff der Öffentlichkeit umfasst ist. Die sexuelle Handlung wird öffentlich vorgenommen, wenn eine unbestimmte Vielzahl von Personen die Täterhandlung wahrnehmen kann. Hierbei muss auf die örtlichen Begebenheiten des Parkplatzes und die Vorkehrungen gegen ungewollte Zuschauer abgestellt werden. Denn selbst auf einer Straße fehlt es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs an der Öffentlichkeit der Tatbegehung, „wenn der Täter Vorkehrungen getroffen hat, dass er nicht von jedem beliebigen Passanten beobachtet werden kann“ (vgl. BGH NJW 69, 853; BGH JZ 51, 339).

Allerdings ist eine sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit allein nicht strafbar. Zur Vollendung des Tatbestands ist der Taterfolg in Gestalt einer Ärgerniserregung erforderlich. Dazu muss eine Person die Täterhandlung ungewollt und unmittelbar tatsächlich wahrgenommen haben. Ohne die unfreiwillige Wahrnehmung durch einen Dritten ist ein Ärgernis also nicht möglich. Das Ärgernis geht aber über die Wahrnehmung hinaus. Der Beobachter muss in seinem Scham- und Anstandsgefühl verletzt sein und den Sexualakt als anstößig empfinden.

All das mag vorkommen. Doch selbst wenn jemand sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit vornimmt und damit ein Ärgernis erregt, macht er sich nur dann strafbar, wenn er das Ärgernis absichtlich oder wissentlich erregt. Die Erregung öffentlichen Ärgernisses setzt insofern voraus, dass es dem Täter gerade darauf ankommt, bei einer unbeteiligten Person ein Ärgernis zu erregen oder dass er das Ärgernis als sichere Folge seiner sexuellen Handlungen voraussieht. Die Strafnorm ist so gefasst, dass lediglich gezielte Provokationen bestraft werden. Den „Nutzern“ des „Schwulenparkplatzes“ kommt es jedoch darauf an, sich in dem angrenzenden Waldstück den Blicken Unbeteiligter zu entziehen. Selbst wenn die Menschen in dem Waldstück die Wahrnehmung durch Dritte für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, bleiben sie straflos. Aus diesem Befund folgt, dass die Vorschrift nahezu bedeutungslos sein dürfte (Schönke/Schröder/Eisele StGB § 183a Rn. 6).

Ganz ungefährlich sind die Vorgänge auf dem Parkplatz in Dortmund-Kirchlinde jedoch nicht. Wer sich erwischen lässt, muss mit einer Geldbuße wegen Belästigung der Allgemeinheit nach § 118 OWiG rechnen. Denn der Parkplatzsex stellt eine „grob ungehörige Handlung“ dar, die „geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen“. Ebenso wie die Aktivitäten des Stadtschutzes der Partei „Die Rechte“.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
7 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Es kommt den Nazis wohl nicht darauf an, ob ihre pummeligen "Aktionen" in irgendeiner Art rechtskonform daherkommen. Hauptsache ist doch, der ungebildete Pöbel fällt darauf rein und verbreitet heute solche Bilder und den darin enthaltenen Schwachfug ungebremst und viral im Netz, damit man irgendwann die sog. "schweigende *Mehrheit*" davon überzeugen kann, dass Gesetze und Verfassung doch nur was für 'n Popo sind und "wahre Gerechtigkeit" nur mit braun-hohlbirnigen Schlägertrupps zu erreichen ist.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Als evt. internationales Unternehmen mit internationalen Kunden und vor allem internationalen Mitarbeitern würde ich qua ausreichendem Angebot in anderen Region mich hüten, in eine Region an- oder umzusiedeln, die in den Medien neben einigen wirtschaftlich uninteressanten Ecken Ostdeutschlands immer mehr als "Ausländerhass-Region" präsentiert wird. Wie sollte ich das wohl meinen Kunden und Mitarbeitern kommunizieren?

Hugo Minzblatt
Hugo Minzblatt
8 Jahre zuvor

Die tendenziell steigende Umweltverschmutzung – nicht nur biologischer, sondern auch gesellschaftlicher Art – lässt sich nun auch am verstärkten Auftreten brauner Scheiße am Arsch der Welt festmachen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Thorsten Stumm: Bayern *ohne* braunes Pack??? Welches Universum?

Rainer Möller
Rainer Möller
8 Jahre zuvor

"Dortmundecho" hat übrigens nicht über die Aktion berichtet.
Wahrscheinlich deshalb, weil die Aktion nicht als Erfolg gewertet wurde.
(Oder deshalb, weil das Video ein Fake ist? ich habs nicht gesehen und auch keinen Link.)

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Rainer Möller: Einfach den Pingbacks im Originalartikel folgen (man landet dann garantiert hier: http://www.dulden.net/aufdenpunkt/thema-stadtschutz-in-dortmund-brgerwehr-im-fokus/), dann das Resthirn einschalten und die Suchabfrage bei YouTube eintippen.

Für Sie mache ich's heute aber mal ganz einfach:

Werbung