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DIE SHOW im Theater Dortmund

Eva Verena Müller und Peer Oscar Musinowski in DIE SHOW (Foto: Birgit Hupfeld)
Eva Verena Müller und Peer Oscar Musinowski in DIE SHOW (Foto: Birgit Hupfeld)

Die „DIE SHOW“ ist eine perfekte (Fernseh)Show. Dass Intendant Kay Voges und sein Ensemble unterhaltsame Galas auf die Bühne bringen können, haben sie schon bei diversen Gelegenheiten unter Beweis gestellt. Die „DIE SHOW“ ist nun aber eine Inszenierung im Spielplan und will mehr sein als nur ein unterhaltsamer Abend, der garantiert immer ausverkauft ist. Und so unterhaltsam ist es dann auch gar nicht, denn es gibt zahllose Redundanzen, irgendwann drohen die vielen Einspieler zu langweiligen und der eine oder andere Auftritt eines Stargastes ist vielleicht auch zu lang. Zu lang fanden auch einige Zuschauer den Abend. DIE SHOW hat aber genau die richtige Länge, nämlich die von all den Final-Shows, die heute über die Sender flimmern. Und nebenbei: So quälend wie ein Finale von GNTM oder BB geht es dann doch nicht in Dortmund zu. Wären nicht die Werbepausen deutlich kürzer als im Fernsehen, könnte man jedoch manchmal fast vergessen, dass man im Theater sitzt und nicht in einem Fernsehstudio oder einer Stadthalle. Zum Glück nur fast, aber dazu später.

Schon während des Einlasses lullt die Showband um Thommy Fink von Finckenstein die Zuschauer mit gepflegter Fahrstuhlmusik ein. Dann entert Carlos Lobo die Bühne und gibt erstmal erschreckend realistisch den Warm-Upper. Ein bisschen hölzern, mit peinlich betonter Jugendlichkeit haut er ein paar platte Witze raus und erklärt nebenbei wann und wie das Publikum zu klatschen hat. Nein, Klatschen ist natürlich zu wenig, es wird gefälligst heftig gejubelt – und das bitte auf Zeichen, egal ob es etwas zu bejubeln gibt oder nicht.

Dann startet die eigentliche DIE SHOW, die sich in ihren Grundzügen an den legendären Fernsehfilm „Das Millionenspiel“, in dem Wolfgang Menge bereits 1970 die Zukunft der Fernsehshow prognostizierte, orientiert. Eine Show, bei der der Kandidat wortwörtlich sein Leben aufs Spiel setzt, um eine Million zu gewinnen. Der Mythos besagt, dass der Film, in dem seinerzeit Dieter Thomas Heck routiniert den Showmaster gab, so realistisch wirkte, dass manch ein Zuschauer annahm, es handele sich wirklich um eine Show. Nach Dschungelcamp, Big Brother oder Takeshi’s Castle wirkt dieser Plot heute umso realistischer.

Im Theater Dortmund moderieren Frank Genser als Bodo Aschenbach und Julia Schubert als Ulla mit holländischem Akzent die Show. Genser ist für die Sensation und Eskalation zuständig und startet jede Moderation mit einem schmissigen Satz, der wie ein Sprichwort klingt, aber meist nur so vor Sinnlosigkeit oder Zynismus strotzt. Schubert macht dagegen die Gefühlige, die scheinbar auf Interviewpartner eingeht und doch nur dafür sorgt, dass diese sich weiter fernsehgerecht zur Schau stellen.

Dann wird uns der Kandidat vorgestellt, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits sechs Tage lang um sein Leben kämpfte. Sebastian Kuschmann ist der virile Bäckergeselle Bernhard Lotz. In seinem ersten Einspieler, der zeigt, wie er die Nachricht von der Teilnahme übermittelt bekommt, ist er so erschreckend echt, wie man es sonst nur von RTL2 kennt. Das ist nicht mal Scripted Reality – das muss wirklich echt sein.

Im folgenden wird dann in etlichen Einspielern das Martyrium des Bernhard Lotz noch einmal Revue passieren gelassen. Wir lernen seine Gegner – das Kommando – kennen: Bettina Lieder als russische Agentin auf Highheels, Björn Gabriel als hochintelligenter aber wahnsinniger amerikanischer Killer und Andreas Beck als erschreckend echten Vater aller unseriösen Security-Bullen. Aufgelockert wird der Abend durch Show-Auftritte von Newcomern und Superstars. Irgendwo zwischen Lady Gaga, Björk und Alexander Klaws glänzen hier Eva Verena Müller und Christoph Jöde. Und dazwischen eingestreut sind immer wieder emotionsgeladene Talkrunden, mit Stars und „echten“ Menschen wie der transsexuellen Mutter von Bernhard Lotz, die Uwe Schmieder gibt.

Nach fast drei pausenlosen Stunden erreicht Bernhard Lotz tatsächlich den rettenden Buzzer auf der Bühne. Gewonnen hat er trotzdem nicht, weil er zuvor die Regeln verletzte und sich bewaffnete.

So perfekt das alles gemacht ist, bleibt die Frage, warum das auf eine Theaterbühne gehört. Die zahlreichen eingestreuten Anspielungen auf das hochaktuelle Thema Flucht rechtfertigen den Abend nicht allein. Es ist etwas anderes, was nur im Theater möglich ist. Der Zuschauer befindet sich  von Anfang an in einer merkwürdigen Zwischenwelt. Als applaudierendes Publikum sind wir ja selbst Teil der DIE SHOW, werden zu Beginn von Carlos Lobo zu Mitspielern gemacht. Wir sind aber gleichzeitig einfach Theaterzuschauer, die sich damit gewissermaßen selbst beim braven Mitklatschen und mit Knicklichtern-Wedeln zusehen. Und diese Doppelrolle ist es, die den Abend als genuinen Theaterabend auszeichnet. Wo das Fernsehen den Zuschauer durch eine Glasscheibe in sicherem Abstand hält, wo das Studio, in dem die Liveshow stattfindet, den Zuschauer eindeutig zum Teil der Kulisse macht, weist das Theater ihm eine unsichere Rolle zu, in der er sich ständig entscheiden muss, was er tut. Und manchmal ist das alles dann doch zu zynisch und man ignoriert das aufleuchtende Applaus-Schild. Ob man sich dabei besser fühlt?

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