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Eine schrecklich nette Monsterfamilie

In seinem neuen Roman „Happy Family“ schickt David Safier eine desperate  Durchschnittsfamilie nach Transsilvanien. Von unserem Gastautor Daniel Kasselmann

Eine verflucht nette Familie Familie Wünschmann ist nicht wirklich glücklich miteinander. Mama Emmas Buchladen geht den Bach runter, Papa Frank steht kurz vor dem Burnout, die pubertierende Fee dreht in der Schule am Rad und eine Ehrenrunde, und Nesthäkchen Max wird von dem Mädel, das er anhimmelt, ins Schulklo getunkt. Wenn die Familie Zeit miteinander verbringt, hacken sie generell  aufeinander herum. Kurz, die Wünschmanns stehen kurz vor der Auflösung. Um das familiäre Desaster perfekt zu machen, werden sie allesamt nach einem Kostümfest auch noch von einer Hexe verzaubert: Plötzlich sind sie Vampir, Frankensteins Monster, Mumie und Werwolf. Gemeinsam jagen die frischgebackenen Monster um den halben Erdball, der Hexe hinterher, damit diese den Fluch wieder rückgängig macht. Dabei treffen sie auf jede Menge echte Ungeheuer: Vampire, Riesenechsen und schwäbische Pauschaltouristen. Sogar auf Dracula höchstpersönlich, der mit seinem unwiderstehlichen Charme Mama Emma verführen will.

Das Grundproblem wird schnell klar; in dieser Familie nervt jeder jeden, Tochter Fee mit ihrem pubertären Genöhle die Mutter, der kleine Klugscheißer Max seine Schwester mit Besserwissereien und der lethargische Ehemann Frank seine Frau. Kurz nachdem Emma es ausspricht, dass sie keine richtige Familie mehr sind, werden sie von der Hexe verzaubert. Damit macht Safier sie auch äußerlich zu den Schatten ihrer selbst, die sie als Familie geworden sind. Die Jagd nach der Hexe ist der Überlebenskampf, den sie nur gemeinsam gewinnen können und er relativiert einerseits die vormals hochgeschaukelten familiären Problemchen, außerdem  wachsen alle dadurch über sich hinaus.

Auf der humoristischen Ebene läuft Safier zu gewohnter Höchstform auf:

„Emma: ‚Mir war es schon immer schleierhaft gewesen, warum einige Teenager in der Pubertät anfingen, Gras zu rauchen. Eigentlich müssten das doch die Eltern tun, um diese Phase des Lebens durchzustehen.‘“

Angesichts der immer wieder drohenden Gefahr, dass die Familie unrettbar auseinanderbricht, mischt sich dazwischen beim Lesen aber auch immer wieder ein Gefühl von Traurigkeit, gerade in den Momenten, wenn Emma befürchtet, den Schlüssel zu den Herzen ihrer Familie nicht mehr zu finden.

Insofern liegen hier absurder Humor und drohende Familientragödie eng beieinander.

Was Happy Family jedoch stilistisch ganz besonders auszeichnet, ist die Erzählerhaltung: Safier verzichtet auf eine Monoperspektive und erzählt abwechselnd aus Sicht aller Familienmitglieder. Dadurch wird deutlich, wie sehr die vormals familiären Querelen auf dem jeweiligen Beharren des eigenen Standpunktes beruhen. Je mehr sich alle Familienmitglieder mit der Zeit davon lösen und versuchen, den jeweils anderen Standpunkt zu verstehen, desto mehr nähern sie sich ihrer Rettung, nicht als Monster zu enden: „Emma: ‚Auch wenn die Lage hoffnungslos war, wir uns nicht retten konnten und bald sterben würden, war es doch nicht zu spät, meine Familie endlich richtig zu sehen. Nicht in dem Licht des Alltags, des Frustes und der Überforderung. Sondern im Lichte ihrer Möglichkeiten. So schaute ich sie mir alle an. Zum ersten Mal mit anderen Augen.‘“

Happy Family ist Safiers groteske und witzig-schräge Abhandlung eines wichtigen Themas; wie man die Liebe zur eigenen Familie über die Wirrnisse des Alltags rettet Eine vergnügliche Monstertragödie, die dem Leser durch die verschiedenen Erzählperspektiven die Augen öffnet.

 

David Safier: Happy Family

Roman Kindler
Hardcover, 320 S.
2011
18,95 €
ISBN 978-3-463-40618-3

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