Werbung

gbs erwidert zur Kritik an Evolutionsstudie

GBS-Sprecher Michael Schmidt-Salomon bezieht Stellung zur ruhrbarone-Kritik (Foto: Andreas Schütt)

Vor einiger Zeit habe ich die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) für die Publikation einer Studie kritisiert. Nun liegt mir Erwiderung der gbs vor – und nun auch die Freigabe für den wortwörtlichen Abdruck. Deswegen erscheint dieser nun. Der Leser möge sich selbst ein Bild machen. Allerdings, zweierlei muss ich einräumen:

  1. Ich habe mich tatsächlich vertan. Die Studie wurde nicht, wie ich erinnerte, bereits 2012 in Berlin vorgestellt. Ein wenig beruhigt mich, dass auch andere diesen Erinnerungsfehler hatten. Aber: es ist und bleibt ein Erinnerungsfehler. Meinerseits.
  2. Ich würde heute klarer zwischen der Pressemitteilung der gbs und den Ausführungen des Forschers Dittmar Graf trennen. Letzterer war nicht für die lauten Töne und Interpretationen verantwortlich, die ich hier und da ihm zugeschrieben habe.

Für beide Punkte bitte ich um Entschuldigung. Und nun, lasst die Erwiderung des gbs-Sprechers Michael Schmidt-Salomon auf euch wirken:

Die Studien wurden von Dittmar Graf (damals Universität Dortmund, heute Leiter des Instituts für Biologiedidaktik der Universität Gießen) im universitären Kontext durchgeführt (ohne Beteiligung von fowid, Evokids oder der gbs). Die Daten sind bei jeweils über 1000 Befragten (wie kommen Sie darauf, dass nur 150 Personen befragt wurden?!) sehr wohl repräsentativ für Lehramtsstudenten in Deutschland. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, dass es in Dortmund mehr Kreationisten gibt als andernorts (hier zielt Ihre Argumentation völlig daneben, denn hätte die Studie an der Uni Dortmund – wie in Ihrem Beispiel – nach dem Anteil von Borussia- und Schalke-Fans gefragt, wäre die Stichprobe zweifellos verzerrt gewesen!). Repräsentativ ist auch der Anteil der Muslime unter den Lehramtsstudenten. Wäre er höher, wäre die Stichprobe verzerrt, also nicht repräsentativ! (Man müsste fast 25.000 Lehramtsstudenten untersuchen, um eine repräsentativen Anteil von 1000 muslimischen Studenten zu erhalten. Solche Massenbefragungen gibt es kaum. Die meisten quantitativen Studien arbeiten mit Gruppen von 1000 bis 2000 Befragten).

Nun zum eigentlichen Knackpunkt: Innerhalb eines repräsentativen Samples von über 1000 Personen kann man sehr wohl die Antwortmuster einer Gruppe auswerten, die knapp 4 Prozent der Gesamtgruppe ausmacht. Weichen ihre Überzeugungen so klar vom Mittelwert der Untersuchung ab wie im vorliegenden Fall, sind diese Abweichungen statistisch signifikant. Natürlich wäre es schöner, wenn die Stichprobe insgesamt größer gewesen wäre oder wenn es eine eigene repräsentative Untersuchung speziell zu muslimischen Lehramtsstudenten gäbe (und wir hoffen sehr, dass solche Studien zum Thema irgendwann einmal finanziert werden). Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass sich hierdurch an den Größenordnungen viel ändern wird – siehe die Parallelstudie in der Türkei, wo immerhin über 200 muslimische Lehramtsstudenten befragt wurden, die zu 94 Prozent (!) zentrale Aussagen der Evolutionstheorie ablehnten. In diesem Zusammenhang frage ich mich: Bezweifeln Sie wirklich allen Ernstes, dass es unter Muslimen – gerade auch unter türkischstämmigen Muslimen nach der Anti-Evolutions-Propaganda in der Türkei, die schon lange vor Erdogan einsetzte – einen so hohen Kreationisten-Anteil gibt? Glauben Sie wirklich, dass sich die Zahlen in den letzten 10 Jahren verbessert haben? Bezweifeln Sie auch, dass evangelikal geprägte Studenten die Evolutionstheorie mehrheitlich ablehnen (auch das steht ja in der fowid- und der gbs-Meldung, was von Ihnen jedoch verschwiegen wird)? Falls ja: Wie begründen Sie Ihre Position? Gibt es irgendeine Veröffentlichung, mit der Sie ihre Haltung untermauern könnten? Darüber würde ich gerne mehr erfahren.

Von gravierenden Mängeln der Studien haben wir vor der Veröffentlichung unserer Meldung nie etwas gehört und die Argumente, die nach der Veröffentlichung vorgebracht wurden, haben uns nicht überzeugt. (Übrigens erinnern Sie sich in diesem Zusammenhang an einen Vortrag, der in dieser Form niemals stattgefunden hat. Dittmar Graf referierte auf dem World Skeptics Congress 2012 in Berlin nämlich über eine gänzlich andere Untersuchung!)

Warum nun wurden die beiden älteren Studien im Januar 2017 veröffentlicht? Ganz einfach: Ich hatte bei Dittmar Graf bzgl. der Studie angefragt, weil wir – als Reaktion auf die politische Förderung des Kreationismus in der Türkei – eine türkische Version unseres Evokids-Films „Big Family – Die phantastisches Reise in die Vergangenheit“ veröffentlichten wollten (dazu hatte es von türkischen Freidenkern zahlreiche Anfragen im Vorfeld gegeben). Bei dieser Pressemitteilung wollten wir uns auf empirische Daten beziehen. Hier besitzt die Studie von Dittmar Graf zu den Lehramtsstudenten noch immer ein Alleinstellungsmerkmal. Mit anderen Worten: Die fowid-Meldung zur Studie und auch die gbs-Pressemitteilung zu den Lehramtsstudenten stehen in einem direkten Zusammenhang zur Veröffentlichung der türkischen Fassung des Evokids-Films und der in der dazugehörigen PM entwickelten Argumentation über den Zusammenhang von Kreationismus-Förderung und religiös-nationalistischer Politik u.a. in der Türkei, in Russland und in den USA (von einem einseitigen Muslimen-Bashing kann also gar nicht die Rede sein!):

Der Bezug auf die Studie von Dittmar Graf ist für diese Argumentation nur ein Indiz unter vielen anderen. Wir haben auf fowid.de weder verheimlicht, dass die Daten der Studie älter sind (es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die Zahlen heute deutlich anders oder gar positiver ausfallen würden!), noch haben wir die Größe der Stichprobe verschwiegen. Ganz im Gegenteil. Wir haben all dies auf fowid.de transparent gemacht. Bei den meisten statistischen Umfragen (denen in der Regel auch nur Stichproben von 1000 – 2000 Personen zugrunde liegen), ist dies nicht der Fall. Möglicherweise hat gerade diese Transparenz für Irritationen gesorgt, da viele Menschen die Verfahren der empirischen Sozialforschung nicht kennen und deshalb nicht nachvollziehen können, dass man aus der Befragung von nur 1000 Personen auf Verteilungen innerhalb einer sehr viel größeren Gesamtgruppe schließen kann.

Zu all dem wäre noch sehr viel mehr zu sagen, allerdings habe ich inzwischen den Eindruck gewonnen, dass Sie sehr viel eher an einem gbs-Bashing interessiert sind als an einer rationalen Abwägung von Argumenten. In Ihrem Videobeitrag haben Sie gesagt, wir sollten den Anstand haben, uns für unseren „Mist“ zu entschuldigen. Diese Empfehlung gebe ich nun an Sie zurück.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
trackback

[…] gbs erwidert zur Kritik an Evolutionsstudie von Sebastian Bartoschek in Wissen […]

Werbung