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In der Pause: Überlegungen zur Situation in der islamischen Welt

Arabischer Frühling
Kurz vor dem zehnten Jahrestag des Al-Qaida-Angriffs auf New York und Washington hat es den Anschein, als verlöre der Dschihad, also der Krieg des islamischen Fundamentalismus gegen die Zivilisationen, seine prägende Rolle als Hauptkonflikt auf dieser Welt. Freilich, Al Qaida ist nicht „besiegt“, wie es stets aus Geheimdienstkreisen heißt. Erst kürzlich konnten Dschihadisten abermals ein entsetzliches Blutbad in der indischen Metropole Mumbai anrichten, und niemand kann ausschließen, dass die Mörder auch nochmal in einer „westlichen“ Großstadt zuschlagen könnten. Und doch: wenn nicht alles täuscht, ist das meiste überstanden, ist der Spuk bald vorbei.

Al Qaida ist nicht „besiegt“, aber erledigt. Der politische Bedeutungsverlust des Terrornetzwerks erklärt sich dabei nicht in erster Linie daraus, dass ein Killerkommando der CIA Osama bin Laden töten konnte. Der Tod des Anführers ist eher Symbol als Ursache des Niedergangs. Der revolutionäre Prozess in der arabischen Welt – im Westen gern als „arabischer Frühling“ bezeichnet – hat deutlich gemacht, dass sich die Hoffnungen der muslimischen Massen nicht (mehr) auf den islamistischen Terror richten. Auch die Anbiederungsversuche Zawahiris, des neuen Al-Qaida-Führers, haben daran nichts ändern können. Dem Dschihad ist zwar nicht die Basis, aber seine Massenbasis entzogen.

Niemand kann sagen, wie es mit den Volksaufständen in der arabischen Welt weitergehen wird. Der „arabische Frühling“ ist offenkundig ins Stocken geraten. Die alten Machthaber wehren sich mit aller Entschlossenheit – mit brutalster Gewalt und / oder mit Zugeständnissen und „Geschenken“. Gestürzt sind die Tyrannen bislang nur in Tunesien und in Ägypten, und auch dort stehen die Zeichen weniger auf Demokratisierung als auf Restauration. Und selbst wenn weitere alte Regime zusammenbrechen, kann niemals ausgeschlossen werden, dass sich im Zuge der Revolution islamistische Kräfte als stärker erweisen als die emanzipatorisch-demokratischen.

Für Sympathiebekundungen zugunsten der Kleptokraten besteht dennoch nicht der geringste Anlass. Man kann nicht im Namen des Kampfes gegen den Terror, wie der Krieg gegen den Dschihadismus hierzulande genannt wird, mit Regimen paktieren, die den Boden gebildet haben für das Entstehen einer zunächst panarabischen, dann weltweiten terroristischen Bewegung. Selbst wenn diese Terrorregime vordergründig den Terrorismus bekämpft hatten, was auch nicht immer der Fall war: in ihren Folterkellern hatten die Islamisten nichts anderes gelernt, als dass die Sprache der Politik aus Mord und Totschlag besteht und aus nichts anderem.

Engagement für die Menschenrechte in der muslimischen Welt, Solidarität mit den Völkern Arabiens wäre folglich keine Entscheidung zulasten unserer eigenen Interessen (zugunsten einer verspinnerten Moral), es wäre vielmehr der dringend gebotene Paradigmenwechsel zugunsten eines höheren Maßes an Sicherheit hier wie dort. Im übrigen lässt sich zugunsten der Demokraten zulasten der Islamisten innerhalb der Volksbewegungen nur dann intervenieren, wenn man auf der Seite der Opposition steht. Wer auf der Seite der Autokraten steht, verbleibt in der Vergangenheit. Wer auf der Seite der alten Regime steht, begünstigt objektiv in jedem Fall den Dschihad-Terrorismus.

Die Blutspur dieses Terrors zieht sich über alle Kontinente; der Dschihad nimmt keine Rücksicht auf Ethnie oder Religion. Die Australier hatte es zwar nicht daheim, dafür aber in ihrem „Urlaubsparadies“ erwischt. Gemordet wurden Inder wie Chinesen, wenn man so will: Hindus wie Buddhisten, Russen wie Westeuropäer, also orthodoxe wie westliche Christen. Und, gewissermaßen der Ideologie folgend: Juden und Amerikaner. Die mit Abstand meisten Toten forderte der „Heilige Krieg“ jedoch – man vergesse dies nicht! – unter Muslimen aller Herren Länder. Es ist nicht immer klug, was auf den Straßen Arabiens gerufen wird. Wohl wahr. Aber sie hat ein gutes Gedächtnis, die arabische Straße.

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zersenser
zersenser
12 Jahre zuvor

Was auch immer in der Grafik stehen soll, es sind wohl nur irgendwelche arabischen Schriftzeichen aneinander gereiht. Ist das so gewollt?

Frank
12 Jahre zuvor

@Werner Jurga: Das ist mal ein optimistischer Ausblick. Finde ich sehr gut.

Gefühlt sind die Völker (nicht die Staaten) rund ums Mittelmeer näher zusammengerückt. Was uns allen gemeinsam ist, ist die Sattheit von unseren Regierungen. In Europa haben wir schon – oder noch?- demokratische Systeme und Oppositionen werden in nur wenigen Ländern mit Gewalt verfolgt. Aber manch europäischer Regierungschef lotete gerne mal aus, wie weit er gehen kann. Berlusconi, Mappus, Orban.

So wie uns der Terror, der den Islam für seine Zwecke missbrauchte, von der muslimischen und arabischen Welt entfernte, so kann der arabische Frühling uns näher bringen, als wir es vor dem Terror waren.

Ich hoffe, auch, dass wir diese Chance ergreifen. Aber wie wir gesehen haben, auf unsere Regierung können wir uns dabei nicht verlassen. Die ist ein ignoranter Totalausfall. Wir müssen es selbst rüber bringen. Z.B. indem wir gerade jetzt Urlaub machen in Tunesien.

c.sydow
12 Jahre zuvor

In dem roten Feld steht: „Die arabischen Revolutionen“. Allerdings von links nach rechts geschrieben und unverbunden und damit praktisch nicht lesbar. Richtig würde es so aussehen: الثورات العربية.

Der Arabische Frühling hieße: الربيع العربي

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[…] von militanten Islamisten ausgehende Gefahr ist zwar nicht gebannt, doch der Dschihad, also der Krieg des islamischen Fundamentalismus gegen die Zivilisationen, hat seine prägende […]

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