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Kann ein abgesagtes Signal eine Niederlage sein?

DFB-Interims-Präsident Dr. Reinhard Rauball. Foto: BVB
DFB-Interims-Präsident Dr. Reinhard Rauball. Foto: BVB

Nicht leicht zu verdauen, was da gestern Abend in Hannover vor unser aller Augen ablief. Ein sportlich völlig unbedeutendes Fußball-‚Freundschaftsspiel‘, im wahrsten Sinne des Wortes, sollte zu einem deutlich sichtbaren Zeichen für Freiheit und Demokratie werden. Diverse symbolische Aktionen um das Spiel herum waren geplant, u.a. eine Menschenkette im unmittelbaren Umfeld des Stadions.

All dies wurde gut eine Stunde vor dem geplanten Termin abgesagt, das Stadion evakuiert. Die Hektik war groß, passiert ist zum Glück nicht wirklich etwas. Soweit die Fakten. Ein ungutes Gefühl hinterlässt allerdings bei vielen wohl die Aussage von Innen- und Sportminister Thomas de Maizière, dass er keine Details zur sich ‚verdichtenden Bedrohungslage‘ im Vorfeld der Begegnung preisgeben wolle, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern.

Gerüchte und Spekulationen waberten so zahlreich durch das Netz, konnten bisher auch nur teilweise wirklich ausgeräumt werden. Von einem mit Sprengstoff beladenen Krankentransporter im Umfeld des Stadions war da die Rede, angeblich wurden auch potentielle Terroristen im Stadioninneren gesehen. Aber: Nichts Genaues weiß man nicht.

So kommt es aktuell dann halt auch zu Diskussionen, ob es überhaupt richtig war das Spiel in Hannover so kurzfristig abzusagen, somit vor dem Terror scheinbar ‚einzuknicken‘.
Die Meinungen werden diesbezüglich vermutlich auch weiterhin auseinandergehen, solange alle Diskutanten da etwas im Nebel stochern, was die Faktenlage betrifft.

Kann auch ein im Vorfeld abgesagtes politisches Signal grundsätzlich überhaupt eine Niederlage sein? Nicht wirklich, wie ich finde, denn schon die pure Absicht die Veranstaltung durchzuführen zählt. Und aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.

Und dabei dürfte unstrittig sein: Man darf eben keine Menschenleben riskieren, nur um ein politisches Zeichen zu setzen. Und wenn tatsächlich eine konkrete Bedrohung vorgelegen hat, so wie berichtet, dann war es natürlich richtig das Spiel nicht anzustoßen. Vielleicht bekommen wir dann auch in Kürze nähere Infos über die genaueren Umstände. Bis dahin verbieten sich eigentlich auch Kritiken am Verhalten der Sicherheitsbehörden.

Kurzfristig ergibt sich nun so allerdings ganz profan auch ein Problem für die Fußball-Bundeliga. Bereits in zwei Tagen beginnt bekanntlich der 13. Spieltag mit der Begegnung HSV gegen BVB. Nachdem am gestrigen Abend zunächst diskutiert und wohl auch ernsthaft erwogen wurde, den kommenden Spieltag an diesem Wochenende komplett abzusagen, gab DFB-Interims-Präsident Reinhard Rauball noch am späten Abend bekannt, dass der Spieltag wie geplant durchgezogen werden soll.

Was das nun für die Sicherheitskräfte bedeuten wird gerade auch am Samstag dann fünf große Fußballspiele zeitgleich durchzuführen, darüber wird man sich nun wohl ernsthaft Gedanken machen müssen. Sicherlich ist es eine zumindest konsequente Haltung die Ligaspiele nicht auszusetzen, den normalen Weg scheinbar unbeirrt weiterzugehen.

Was allerdings passieren würde, wenn man dann erneut mit dem Terror in so unmittelbaren Kontakt käme, das wäre sowohl aus Sicht der Spieler als auch der Zuschauer gar nicht auszudenken. Mit potentiellen Trittbrettfahrern muss nun wohl gerechnet werden, was es nicht leichter machen dürfte echte von vorgetäuschten Anschlagsdrohungen zu unterscheiden. Zumal bei steigender Nervosität.

Besonders pikant aus sportlicher Sicht ist auch die Tatsache, dass mit Mats Hummels, Matthias Ginter und Ilkay Gündogan bereits am Freitag drei Spieler des BVB in das Spielgeschehen eingreifen sollen, die sowohl in Paris als auch gestern in Hannover unmittelbar Beteiligte an den Unruhen rund um die Stadien waren.

Nur zwei Tage Zeit zur Vorbereitung auf diese angespannte Situation. Das dürfte für alle, für Polizei, Spieler und Stadionbesucher, nun eine echte Herausforderung werden.

Man kann ihnen und uns allen nur wünschen, dass uns weitere Abende wie die zuletzt erlebten erspart bleiben. Wenn die Spielabsage in Hannover auch keine Niederlage für die Freiheit war,  eine starke mentale Belastung für alle Beteiligten ist und bleibt so etwas zweifelsohne.

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Thorsten Stumm
8 Jahre zuvor

Ich weiss nicht, ob das gestern richtig war….aber was ich nach gestern sicher weiss ist, dass unserer aller Innenminister eine vollkommene Fehlbesetzung ist. Wer sein Statement gesehen hat, kann nur verzweifelt den Kopf schütteln…..von solchen Experten werden wir regiert….

Achja, morgen fängt in Dortmund der Weihnachtsmarkt an….wie will so jemand, dass den sicher machen….LOL

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Die Amis leben seit anderthalb Jahrzehnten mit verschärften und unbequemen Sicherheitsregeln für alle größeren Events und haben sich trotzdem an solche Konsum- und Spaßbremsen gewöhnt, ohne dass man seine Kultur dem Terror opfern müsste. Und da wir ebenso wie drüben seit zig Jahren mit den Auswirkungen und Folgen von NSA und digitaler Kontrolle leben, ohne uns zu wehren, ist auch nicht zu befürchten, dass wir noch mehr Freiheit opfern müssten, wie wir sowieso schon unserer Bequemlichkeit zuliebe geopfert haben.

Also werden sich auch Menschen, die sich wie Hummels, Gündogan und wie sie alle heißen größtenteils in ihrem eigenen Show- und Event-Universum tummeln, an leicht veränderte Realitäten gewöhnen, ohne den Fußball an sich und als Kultur aufgeben zu müssen. Und wir selbst können ja wieder vermehrt dem Amateursport am Sonntag nebenan huldigen;-)

Thorsten Stumm
8 Jahre zuvor

Stimmt, Robin…besonders wenn man sich an die Zeit des RAF Terrors erinnert so wie ich….da war ich Kind und hatte nie Angst, obwohl mein Vater und ich mal auf der Autobahn mit MP im Anschlag kontrolliert wurden, was eine absurde Szene war …die Politiker von damals erscheinen mir da als Titanen der Kompetenz ….

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Thorsten Stumm. de Maizière ist eine Pfeife, vollkommen d'accord (uns Jägerlein übrigens auch). Und auf dem Weihnachtsmarkt wird es wie seit gefühlten tausend Jahren wieder nur darum gehen, wie gut oder schlecht gefüllt die Glühweintasse ist, wer noch bekleckerter wie seine Kinder nach Hause kommt und warum man auf einmal meint, *zwei* Riesenweihnachtsbäume zu sehen. Also alles wie immer.

@Robin #2: Ich sehe da keine Fragen mehr, außer die nach der Zuverlässigkeit der Nachrichtenquelle irgendeines Geheimdienstes über Bomben und Gefährder. Und da sehe ich wie zu fast jeder vergleichbaren Situation seit RAF & Co. (also das, was ich bewusst mitbekommen habe im Leben), dass man eben lieber einmal mehr unnütz agiert als es zum Anschlag kommen zu lassen – vor allem dann, wenn Mutti und das halbe Kabinett ihren Besuch angesagt haben. Und dass Politiker in solchen Situationen mit aller Macht vermeiden wollen, verkünden zu müssen, dass es wohl eher ein komisches Bauchgefühl war, welches einen zur Absage trieb.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@#7 Robin: Es war doch eigentlich wie immer – kurz vor dem Event trudelt über die "trusted" Geheimdienstkanäle eine Nachricht rein, dass man beim Abhören div. intern bekannter und ebenso vertrauenswürdiger Terroristen-Kanäle den relativ gesicherten Eindruck gewonnen hätte, es könne sich Jemand mit einer Bombe ins Stadion schmuggeln wollen. Dann hat man die 50:50-Chance, alles richtig zu machen, wobei sich vorsichtige Innenminister und Polizeichefs halt für die Räumung entscheiden. Danach hat man gottseidank nix gefunden – was wohl schon seit Jahrzehnten wesentlich häufiger vorkommt, als man trotz dieser angeblich "sicheren" Kanäle vermutet – und alles ist gut.

Welche Fragen bleiben Dir denn noch offen???

Serge
Serge
8 Jahre zuvor

"… wenn das so leicht zu erklären war/ist, warum sagt man das dann nicht einfach …"

Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass man Menschen, die man ängstigt, prima regieren/beherrschen kann? Nein. Sollten Sie aber.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

Ja, klar, mit *diesem* Tenor wurde wohl Keiner schlau. Aber uns Thomas d.M. ist rhetorisch so geschickt und flexibel wie eine Geröll-Lawine. Die Anderen aus Niedersachsen oder vom DFB, die sich offizielll und mit einem Amt geäußert hatten, fand ich bei weitem nicht so schlimm und unbeholfen.

Man muss bei d.M. auch daran erinnern, dass er schon 2010 mal eine Terrorwarnung mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen angekündigt hatte – dies allerdings mit dem Hinweis an die Bevölkerung, "Ruhe zu bewahren" und bloß "keine Hysterie" zuzulassen, da man den Terroristen keinen Millimeter nachgeben wolle. Und damals war er auch noch streng gegen jeder Vorratsdatenspeicherung, hatte ebenso noch im März 2010 die Datenschnüffelei bei Verdächtigen eingestellt.
Das hat ihm in Summe mächtig Gegenwind in den eigenen Reihen eingebrockt, also macht er heute einen auf Bullemann und Orakel-Angstprediger. Und die VDS haben wir ja jetzt auch;-)

Derr Mann hat noch nicht eine echte Krise zu meistern gehabt, aber scheitert an den einfachsten Kommunikationsregeln. Der muss einfach nur weg.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
8 Jahre zuvor

Die alte Frage ist, wer profitiert von so einer Warnung vor einem Schläfer, der angeblich irgendwo im/am Stadion eine Bombe zündet?
– Der Bundes-/Landes-Innenminister ist eine Verantwortung bzgl. eines Risikos für ein Ereignis los.
– Die Regierung wird kritischer hinterfragt.
– Die Gelder für Sicherheit werden erhöht.
– Die Haltung zur Flüchtlingspolitik kann sich ändern.
– Es ist einfacher, weitere Freiheitsrechte zu beschneiden.
….

Das alles nur, weil im gesicherten Stadion eine Gefahr war, die nach der Absage weiterhin da war (Anfangswege waren voll, Innenstadt).

Ja, die aktuellen Innenminister auf Landes- und Bundesebene müssen von den Regierungschefs hinterfragt werden.

Wir müssen aufpassen, dass das aktuelle Handeln der Politiker keine nicht mehr leicht umkehrbare Folgen für unsere Freiheit im Land hat.

Thomas Thieme
Thomas Thieme
8 Jahre zuvor

Im Kontext mit den Terroranschlägen am 13.11.2015 des IS in Paris, unter anderem auch im Bereich des Stadions, wo das Fußballänderspiel Deutschland- Frankreich stattfand, hat sich der DFB und die Fußballnationalmannschaft weit aus dem Fenster gehängt und ein Fußballevent in Hannover angekündigt, wo sich Niederlande und Deutschland begegnen und zwar nicht unter der Prämisse "Fußball", sondern der "Europäischen Werte- Flagge".

Sich also nicht von IS-Terroristen einschüchtern zu lassen, Standfestigkeit und Solidarität mit Frankreich und Europäischen Werten zu zeigen. Motto: "Jetzt erst recht"

Ein entsprechendes Rahmenprogramm und die Anwesenheit höchster politische Prominenz wurde versprochen.

Da habe ich mich schon gewundert! Sollte Deutschland echt mal "Eier zeigen" ???

Aber, egal, ich habe mich echt gefreut und wie ich dann gestern so gegen 19:30 den Fernseher einschaltete:

Absage wegen ernsthafter Terrorgefahr!

Seit dem überschlagen sich die Meldungen. Da druckst ein Politiker nach dem anderen herum, der DFB, Polizeigewerkschaft, BND und Sicherheitsexperten.

Aber absolut nichts Konkretes! Also was da nun eigentlich zur Absage geführt haben soll.

Es gab weder Sprengstofffunde noch Verhaftungen!

Daher bin ich der festen Überzeugung, daß hier die deutsche politische Führungselite angesichts der jetzigen realen IS- Bedrohung in Frankreich, "kalte Füße" bekommen hat und sich nicht öffentlich bei so einem Großereignis in Hannover irgend einer von Ihnen subjektiv empfundenen Bedrohung aussetzen wollte.

Ich bin auch der Überzeugung, die haben es genau deswegen abgesagt, sie wollten keine "Eier zeigen", wie etwa die Politprominenz in England (Respekt!).

Dieses Fußballspiel ohne so eine hochkarätige politische Prominenz hätte mit Sicherheit stattgefunden!

Um ihr Gesicht zu waren ist dann von denen eine ernsthafte Bedrohung fingiert und so ein riesen Polizeirummel initiert worden!

Na ja, hat ja auch seine Vorteile! Ich betrachte es als eine gelungene polizeiliche Übung! Alles hat ja auch reibungslos funktioniert!

Angesichts dessen kann man dann auch anknüpfen(als Bundespolitiker), mehr Polizeipräsenz, mehr Überwachung, Einbeziehung der Bundeswehr, usw…

Also Stimmung machen um Aufzurüsten und um Grundrechte der Bürger weiter zu beschneiden!

Was dem IS sehr entgegen kommt!

Wie jetzt Staat und Sicherheitsbehörden nun agiert und funktioniert hätten, wenn es sich nicht um eine fingierte, sondern eine echte Bedrohung oder einen Anschlag gehandelt hätte, ja das, das bleibt erste einmal abzuwarten!

"Je suis Great Britain"

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