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Mein Olympiaboycott ? Eine Erklärung

Heute habe ich den alten Grünen aus Bielefeld, den Michael Vesper gesehen. Der war mal Minister in Düsseldorf. Jetzt ist er Kopf der Olympiadelegation in Peking. Sein großes Ding. Sein Lebensstück. Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Mal was ganz Besonderes. Als Funktionär mit latentem Übergewicht inmitten schnittiger Sportler. Da weiß auch ein Realo, was gut ist. Vesper sagte ganz bescheiden, er sei nur eine Art "Anwalt der Sportler". Tja.

 Vesper sagte, überall in der Welt würden Internet-Seiten gesperrt. Bei den einen rechtsradikale Seiten, bei den Chinesen halt andere Seiten.

Die anderen Seiten bei den Chinesen, das sind die Seiten, in denen über die Freiheit geschrieben wird. Und auf denen über Folter berichtet wird. Und über die Menschen, deren Häuser zerstört worden sind, damit Funktionäre mit Hang zum Übergewicht wichtig sein können.

Das, was Vesper gesagt hat, sind Ausreden. Verharmlosungen, allesamt einem Ziel untergeordnet. In diesem Fall dem Ziel, bei Olympia dabei sein zu dürfen. Ins Stadion einmarschieren zu dürfen. Als Mensch ohne sportliche Qualifikationen. Eben als Funktionär.

Vesper macht das gleiche, wie der Olympiachef Jacques Rogge. Er opfert seine Restideale auf, um teilhaben zu können an den Spielen der Unterdrücker.

In NRW konnte Vesper auch immer seinen Grünen Parteifuzzis erklären, warum Wolfgang Clement von der SPD dann doch Recht hat, wenn dieser mal wieder mit einem Koalitionsende drohte. Es ging eben für Vesper immer darum, sein Amt und seine Würden festzuhalten.

Mir gefällt das alles nicht mehr. Ich muss an die Tibettage denken. Als der Fackellauf gestört wurde und drüber diskutiert wurde, ob die Spiele boycottiert werden sollten. Vesper war natürlich dagegen.

Damals ging es auch darum, ob sich SPD-Außenminister Frank Steinmeier mit dem Dalai Lama treffen darf, soll, will. Er meinte, nein. Das sei nicht schicklich, man dürfe ja die Chinesen nicht verärgern.

Ich denke über diese Haltung nach. Der zukünftige SPD-Kanzlerkandidat. Ein Mann in der Tradition der Unterdrückten und Befreier wie Brandt und Wehner. Ein Mann in den Fußstapfen von Männern, die im Widerstand starben, gefoltert wurden und trotzdem kämpften. Dieser Steinmeier sagt nun, es ist besser die Unterdrückten, wie den Dalai Lama zu ignorieren. Ja nicht mal das, sie sogar bewusst auszugrenzen, um den Unterdrückern die Schulter zu reiben. Steinmeier macht aus der Partei der Guten, die Partei der Zyniker. Wie kann ein Genosse das ertragen?

Die SPD marschiert Seit‘ an Seit‘ mit den Mördern, Verschleppern, Vergewaltigern in China. Und verweigert die Hand den Ohnmächtigen und Bedrängten. Wie paßt das zusammen?

Es geht um China. Sagt Vesper. Die Spiele. Es geht um China. Sagt Steinmeier. Die Wirtschaft.

Olympische Spiele sind nicht politisch. Sagt Vesper. Deshalb kein Boycott. Olympische Spiele sind nicht politisch. Sagt Steinmeier. Deshalb kein Boycott.

Dabei ist der einzige Grund, warum die chinesischen Foltermeister Milliarden ausgeben für die Spiele ein politischer. Sie wollen ihre Diktatur in PR-Kur schicken. Der Drache fliegt auf den fünf Schwingen. Dafür mussten die chinesischen Kinder-Sportler Tabeletten schlucken, Spritzen ertragen – jahrelang. Und nicht nur im Training.

Wir werden kleine Chinesen erleben, die randvoll mit Doping auf dem Weg ins Ziel taumeln. Ins chinesische Ziel. Dem Land Ruhm zu bringen und den KP-Folteren eine PR-Frischzellenkur.

Man muss die unterschiedlichen Kulturen respektieren, sagt Vesper, sagt Steinmeier. Man muss die Kultur der Chinesen respektieren.

Aber ist die Würde der Menschen nicht universell? Und verteidigt derjenige, der für die Freiheit eintritt, nicht die Würde desjenigen der gefoltert wird? Manchmal frage ich mich, um welche Würde es hier eigentlich geht. Die Würde der Opfer oder die Würde der Würdenträger.

Jetzt sind die unpolitischen Spielefunktionäre so weit, dass sie ihre Unpolitik sogar zensieren lassen. Im Internet, aber auch auf der Straße. Ein Fotograf musste seine Bilder löschen. Leute mit denen Journalisten sprechen werden verhaftet.

Und warum? Wird überhaupt richtig nach Doping bei den Chinesen gesucht? Wir geprüft? Oder wird das auch zensiert? Nein, es ging nur um einen Terroranschlag, über den niemand etwas genaues erfahren sollte.

Die Chinesische Foltermeister gehen zielstrebig vor. Sie geben den Funktionären mit Hang zum Übergewicht eine Bühne. Ehre als Bestechung. Und die Welt soll jubeln über China. Und Loben und Preisen. Die Diktatoren. Und Vesper und Steinmeier dabei. Vorneweg.

Ich soll das sehen. Ich will das nicht sehen. Ich will keine gedopten Chinesen sehen, die ihren Foltermeistern Sportlerlorbeeren zu Füssen legen, während unsere Funktionäre mit Hang zum Übergewicht daneben stehen und applaudieren.

Das ist nur noch Olympia-Pervers. Mich interessiert kein neuer Rekord auf Spritzenbasis. Die Chinesen ziehen das Projektdoping doch härter durch als die DDR.

Schade. Die letzte Olympiade, die mich begeistert hat, war die in Australien. Das war Klasse. Griechenland war auch nicht schlecht. Zugegeben. Aber die Aussies hatten den genau den Flair, der China jetzt abgeht.

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Stefan Laurin
Admin
15 Jahre zuvor

Jetzt kommen also die alten Vesper Geschichten. Ich habe ihn 99 schon nicht mehr erlebt, aber 95, als er Minister wurde. Die Demütigung war komplett: Höhn, im damaligen Relao-Jargon Miss Piggie genannt, wurde Umweltminsterin und er, der Anführer von uns Realos, nur Bauminister. Haben wir gelacht auf dem Parteitag in Kevlar, bei dem die Koalition endgültig beschlossen wurde. „Michael, nenn doch mal die Namen der letzten zwei Bauminister“, war noch das netteste, was er zu hören bekam. Er aber ertrug diese Demütigung und wir jungen Realos orientierten uns an Priggen, der ein ganz anderes Format hatte als Vesper, der schon immer nett, aber butterweich und auf den eigenen Vorteil bedacht war. Was er jetzt abliefert ist erbärmlich – der „Anwalt der Sportler“ als Rechtfertigungskasper des IOCs, dieser erbärmlichen Altherrenriege, die sich für eine Hand voll Dollar den Chinesischen Kommunisten/Neo Manadarin/Diktatoren an den Hals werfen. Natürlich ist China heute nicht mehr so fürchterlich wie während der Kulturrevolution, aber der Fortschritt ist eine Schnecke – warten wir noch einmal 20 Jahre, dann könnte eine Olympiade dort sehr schön sein. So wird sie – und das ist ein kleiner Trost – keine tolle Party in Australien, sondern ein von ängstlichen Zwangslächlern hospitiertes Kaderfest unter den Augen von menschenverachtenden Diktatoren. Schön ist nur, dass der Deal nicht funktionieren wird: Das Image Chinas wird durch die Spiele schlechter und nicht besser und die tristen Spiele in Peking 2008 werden auch als Vermarktungsplattform nicht allzu viel taugen. Die Chinesen können sich Adidas und Nike noch nicht leisten, der Westen wird abgeschreckt – eine riesige Fehlkalkulation – mir wird bei jeder Werbung mit dem Olympia-Logo schlecht.

Kai
Kai
15 Jahre zuvor

Sehr gelungener Text, wirklich. Ich habe auch das letzte Interview vom Vesper gesehen und dachte mir, der hat sie nicht mehr alle.

Es ist wirklich ein Geschacher um den eigenen Stuhl, den man auf keinen Fall angepinkelt haben möchte. Dabei steht er bereits in der Pfütze.

Ich hab ja in meinem vorletzten Blogeintrag auch schon deutlich gemacht, das ich überhaupt noch nicht weiß ob ich diese Spiele verfolgen werde oder nicht. Es täte mir für die Sportler unendlich leid, wenn keiner hinschauen würde. Aber wenn wir hinschauen, nach China, dann auch dorthin, wo Menschen Ausgangssperren erhalten, wo Mönche geschlagen werden und Menschenrechte mit Füßen getreten.

Die Spiele werden beginnen …

David
15 Jahre zuvor

Der Ruderweltmeister rudert mal wieder zurück.

Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, hat auf die heftige Kritik an seinen Äußerungen zur Internetzensur bei den Olympischen Spielen in Peking reagiert. „Ich bin ein strikter Gegner von Internetzensur“, sagte Michael Vesper am Mittwoch bei der Eröffnung des Deutschen Hauses. Er habe keineswegs die Sperrung von Internetseiten in Deutschland auf eine Stufe gestellt mit der Zensur im Internet in China, bemühte sich Vesper um eine Klarstellung.

Soso………..

Thomas
15 Jahre zuvor

Michael leidet eben auch am Schilysyndrom.

Stefan, indeed; es ist widerwärtig zu sehen, was unsere Leute von damals für eine Metamorphose durchgemacht haben.

David, aus meiner Sicht wird das Blog von Jens Weinreich zu einer der wichtigsten deutschsprachigen Referenzquellen der Spiele werden.

https://jensweinreich.de/

Aber – das weißte ja eh.

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