NRW-Jagdgesetz: Gegen Mensch und Natur

Zwei die gerne verbieten: Johannes Remmel und Barbara "Eso-Babsi" Steffens
Johannes Remmel und Barbara „Eso-Babsi“ Steffens Foto: Grüne NRW


Das in Nordrhein-Westfalen geplante, als ökologisch apostrophierte neue Jagdgesetz ruft massive Proteste hervor. Es steht für eine allgemeine Tendenz zu immer mehr Regulierung. Unsere Gastautorin und Jägerin Claudia Wilms nimmt fachlich und rechtlich Fragwürdiges ins Visier.

15.000 Menschen protestierten am 18. März 2015 in Düsseldorf ­– auf die Straße getrieben von dem Gesetzentwurf des grünen Umweltministers Johannes Remmel für das Landesjagdgesetz in Nordrhein-Westfalen. Es war ein Meer in „Warn-Orange“, gesellschaftlich bunt gemischt, wie es die Jägerschaft ist, allen gemein, kein klassisches Demonstrationsklientel zu sein.

Land auf Land ab versuchen dieser Tage grüne Landesminister, die Jagd neu zu regulieren und einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. In Nordrhein-Westfalen war mit dem rot-grünen Koalitionsvertrag Einiges befürchtet worden. Der Gesetzentwurf, den der Minister vorlegte, übertraf diese Befürchtungen: Weniger jagdbare Tierarten, weniger Jagdhundausbildung, weniger zulässige Jagdarten, eine Reduktion der Hegeverpflichtung für jagdbare Tierarten und der Schutzmaßnahmen durch die Jägerschaft, was wiederum den Natur- und Artenschutz zu Lasten der Artenvielfalt einschränkt. Nur Bambi und sein großer Bruder Hirsch sollen sterben, geht es nach dem Willen des Ministers.

Das neue Jagdgesetz in Nordrhein-Westfalen kürzt die 114 im Bundesjagdgesetz geführten Tierarten auf 27. Der Landesjagdverband weist darauf hin, „dass die gesetzliche Hegeverpflichtung vom Jagdrechtsinhaber und vom Jagdausübungsberechtigten nur dann wirkungsvoll erfüllt werden kann, wenn möglichst viele Tierarten, die in vielen Lebensräumen in einer unmittelbaren Wechselbeziehung zueinander stehen, ihrer Hegeverantwortung unterstellt werden. […] Unter dem Dach des Jagdrechtes genießen sämtliche Tierarten wegen der Hegeverpflichtung und wegen der Schutzvorschrift des § 22 a BJG (schwerkrankes Wild), für die es im allgemeinen Artenschutz- und Naturschutzrecht auch nicht etwas annährend Vergleichbares gibt, den bestmöglichen Schutzstatus.[1] Im Übrigen ist es möglich, die jagdbaren Tierarten mit einer ganzjährigen Schonzeit – die jeweilige Tierart darf (das ganze Jahr) nicht bejagt werden – zu versehen, was für eine Vielzahl von Tieren geschehen ist.

Das neue Gesetz sieht zwingend den Einsatz entsprechend ausgebildeter Jagdhunde vor, vor allem bei der Wasserjagd. Die für den tierschutzkonformen Einsatz der Jagdhunde notwendige Ausbildung an der „lebenden Ente“, die als tierschutzgerecht eingestuft wurde und bereits sinnvoll reguliert ist, wird aber verboten. Umgekehrt wird die Ausbildung des Hundes auf der natürlichen Fuchsfährte im Kunstbau vorgeschrieben, aber die Baujagd untersagt. Bei der Baujagd soll der hierfür ausgebildete Hund den Fuchsbau sprengen, der Fuchs ergreift die Flucht und kann so erlegt werden, was als besonders effizient gilt. Auf der Kippe stehen ferner die Beizjagd – also die Jagd des Falkners mit dem abgerichteten Greifvogel – und die Lockjagd auf Krähenvögel, die nicht nur in der Landwirtschaft erhebliche Schäden verursachen, sondern wie auch das Raubwild Niederwild und artengeschützte Tiere im Bestand gefährden. Trotz ihrer teils verheerenden Wirkung auf die Bestände streng geschützter Arten sollen Raubwildarten aus dem Jagdgesetz genommen werden. Obwohl für Nordrhein-Westfalen ein gravierendes Problem mit wildernden und verwilderten Katzen festgestellt wurde, ist ein generelles Verbot, sie zu erlegen, vorgesehen.

Gar nicht effizient genug kann dem gegenüber die Jagd auf das Schalenwild – die Paarhufer Reh, Wildschwein und alle Hirsche – sein: „Wald vor Wild“ lautet die Devise, „nur ein totes Reh ist ein gutes Reh!“. Sika- und Muffelwild werden zu Freiwild erklärt und das Wildschwein soll in Notzeiten verhungern. Kein Gedanke wurde daran verschwendet, in welcher Form den Bejagungsschwierigkeiten begegnet werden könnte, die sich aus der stark veränderten Landwirtschaft ergeben. Der großflächige monokulturelle Anbau von Energiemais etwa hat eine dramatische Verschlechterung der Lebensbedingungen für das Niederwild und artengeschützte Tiere zur Folge.

Der Entwurf des neuen NRW-Jagdgesetzes könnte zudem einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten. Wenn auch manch einer daran schon zweifeln mag: In Deutschland, und damit auch in Nordrhein-Westfalen, hat ein Gesetz gewissen rechtlichen Anforderungen zu genügen, unter anderem der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Und das ist für den Entwurf des „ökologischen Jagdgesetz NRW” nicht ohne weiteres zu sagen. Anlässlich einer Landtagsanhörung hat Johannes Dietlein, Professor für Öffentliches Recht an der Düsseldorfer Universität, hierzu Stellung genommen.

Neben einer Vielzahl juristischer Details, die in dem Gutachten ausführlich dargelegt werden und für sich schon als schlechtes gesetzgeberisches Handwerk stehen, ist es vor allem ihre Summe. Dietlein merkt an, „dass die hier zu konstatierende Vielzahl eigentumsrechtlicher Beschränkungen […] womöglich eine ergänzende ‚Gesamtbewertung‘ der Grundrechtskonformität und hier insbesondere der Verhältnismäßigkeit des (Gesamt-) Entwurfes notwendig macht. So hat das Bundesverfassungsgericht in neuerer Zeit die Figur des sog. ‚additiven Grundrechtseingriffs‘ entwickelt, mit der das Gericht die tradierte Punktualität der verfassungsrechtlichen Eingriffsprüfung im Falle kumulativer Belastungen durch eine Gesamtschau der Maßnahmenwirkungen zu ergänzen sucht. […] Die rechtliche Konsequenz wäre dann, dass die Verfassungsmäßigkeit auch solcher Detailregelungen in Frage gestellt werden muss, die für sich genommen keinen Anlass zu Beanstandungen geben.“ [2]

Auch wenn es nur scheibchenweise und fast unbemerkt geschieht, können Einschränkungen, Kürzungen und Verbote – auf den ersten Blick verfassungsrechtlich harmlos – in der Summe durchaus zu einer nennenswerten Einschränkung der Grundrechte und zur schleichenden Entmündigung führen. Was hier die Verfassungsmäßigkeit eines einzelnen Gesetzes in Frage stellt, setzt sich im Großen fort, wenn die politische Handlungsmaxime lautet, dass man weiß, was für Land und Leute gut ist, und das in allen Bereichen mit Verboten und Regularien durchzusetzen versucht.

Die Stellungnahme des Bundesamtes für Naturschutz bescheinigt dem Gesetzentwurf zwar, dass er mit EG-Recht vereinbar ist und völkerrechtlichen Verträgen Rechnung trägt. Aber darauf kommt es weder an, noch ist das die maßgebliche Frage. Die gesetzgeberische Kunst bestünde darin, ein mit höherrangigem Bundes- und Landesrecht vereinbares Gesetz zu schaffen, das auch Gemeinschafts- und Völkerrecht berücksichtigt. Der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zufolge berücksichtigt das „ökologische Jagdgesetz” – wie so häufig –, außerdem nicht, wer das von den gesetzgeberischen Bürokraten verordnete Mehr an Verwaltungsaufwand arbeitstechnisch und personell erledigen solle und wer die Kosten dafür trägt. [3] Letztlich ist aber klar, wer zu zahlen hat: Der Bürger!

Woher rührt eigentlich der Reformeifer? Die bestehenden Gesetze, vor allem das Bundesjagdgesetz, seien alt und mit dem Makel behaftet, an das Reichsjagdgesetz angelehnt zu sein, einem „Nazigesetz“. Das stimmt bei näherer Betrachtung so zwar nicht [4], weiß aber niemand. Tatsächlich hat sich das Bundesjagdgesetz in den vergangenen Jahrzehnten als ideologiefrei und besonders anpassungsfähig erwiesen: Das gilt in Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel, zunehmendes Umwelt- und Tierschutzbewusstsein, den europäischen Kontext und den wissenschaftlichen Fortschritt. Alt und wenn überhaupt von linken Ideologen in Frage gestellt ist die Bindung des Jagdrechts an das Grundeigentum.

Es scheint dem grundlegendem Irrtum dieser Tage zu entsprechen, dass neue Gesetze automatisch besser wären als alte und dass es besser sei, dem Bürger möglichst viel vorzuschreiben. Diese Auffassung hat etwas Karikatureskes an sich: Ein neues Gesetz, das das alte zusammenstreicht, weil es angeblich aus der düstersten Epoche deutscher Geschichte stammt, ohne zu bemerken, dass die Novelle weit restriktiver ist, als es das alte Gesetz je sein könnte.

Beim Entwurf des nordrhein-westfälischen Jagdgesetzes regierte einmal wieder der Verbotseifer einer angeblich „bürgerbewegten“ Partei, der seinesgleichen sucht, und dabei so ziemlich alle Sachargumente in den Wind schreibt – die inhaltlichen wie die juristischen.
Dabei steht die Jagd als solches gar nicht in Frage. Vielerorts arbeiten regionale Einheiten des NABU mit Jägern erfolgreich in Projekten der Biotop-Pflege und anderer Naturschutzmaßnahmen zusammen. Die Qualität des Wildfleisches ist unbestritten, wie es auch die Lebensbedingungen des heimischen Wildes im Gegensatz zur Massentierhaltung sind. Im Reich der Utopien anzusiedeln ist demgegenüber eine fleischfreie Welternährung – die notwendige Konsequenz, würden Jagd und Fleischkonsum geächtet.

Zu bedenken gilt auch: Gerade die klassischen Kulturfolger wie Wildschwein und Fuchs sind weitaus anpassungsfähiger, als es die Toleranz der Menschen erwarten lässt. Das zeigt die Reaktion auf vom Wildschwein umgegrabene Vorgärten und von Waschbären geplünderte Mülltonnen, wie dem vom Mader zerfressene Autoschlauch. So ist durchaus zu erahnen, wie Waldspaziergänger künftig auf ausgemergelte Tierkadaver, die Vergasung von Gänsen am Niederrhein, durch den Fuchs übertragenen Räudebefall der Hunde reagieren würden oder auf Wolfsriss, der nicht auf Vieherden und Rehe beschränkt bleibt. Der noch bestehenden politischen Kultur und der Sache – nämlich dem Naturschutz – wäre es zweifellos dienlich gewesen, diejenigen, die etwas davon verstehen, die es ausführen und betroffen sind, also die Jäger, in die Gesetzgebung mit einzubeziehen, statt mit angemaßter Deutungshoheit über „Ökologie“ und „Naturschutz“ einfach Vorschriften zu diktieren.

Claudia Wilms ist Journalistin und Jägerin. Sie lebt in Bonn und betreibt das Social Media Jagdblog jaegerinnen.net.

Anmerkungen

1Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen: Stellungnahme, 12.01.2015, Landtag NRW, S. 15.
2Johannes Dietlein: Stellungnahme, Landtag NRW, 16.01.2015, S. 14.
3Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen: Stellungnahme, Landtag NRW, 20.01.2015.
4Claudia Wilms: „Die Sache mit der Jagd Teil 2: Das viel gescholtene Jagdgesetz“,jaegerinnen.net, April 2014.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereist auf Novo-Argumente

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b
b
8 Jahre zuvor

Das Argument mit dem Wolfsriss überzeugt schlussendlich…

Helmut Junge
Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Die armen Jäger! Die werden jetzt sicher sauer sein und bei der nächsten Wahl nicht Grüne ankreuzen.
Ist sicher schon eingepreist. Bei späteren koalitionsverhandlungen mit den Schwarzen kann man das Gesetz ja wieder kippen.
Watt mutt. datt mutt.

Hans Peter
Hans Peter
8 Jahre zuvor

Jägerlatein…

Antonietta
8 Jahre zuvor

Deutschlands Jäger, insgesamt noch etwa 350.000, greifen massiv in die Ökosysteme unserer Kulturlandschaft ein. Sie verändern sie zu ihrem Nutzen und oft zum Nachteil für den Naturhaushalt.
Für den Abschuss begehrte Arten wie Rehe, Hirsche und Fasane werden mit Wildfütterungen, Medikamenten oder Aussetzaktionen in unnatürlicher Weise vermehrt, wodurch insbesondere den letzten naturnahen Wäldern Fraßschäden gefördert werden. Gegen lästige Konkurrenten, von Fuchs über Marder, Dachs und Iltis bis hin zum Mauswiesel, führt man dagegen mit einer Vielzahl oft tierquälerischer Fallen und dem Gewehr einen wahren Feldzug. Anschließend dient sich die Jägerschaft in der Öffentlichkeit als Ersatz für die zuvor von eigener Hand ausgerotteten „Raubtiere“ an. Doch diese kann und muss der Mensch gar nicht ersetzen. Beutegreifer haben in der Regel einen nur qualitativen Einfluss auf die Populationen ihrer Beutetiere. Sie töten meist kranke, schwache oder junge Tiere. Eine quantitative Beeinflussung von Tierbeständen durch „Raubtiere“ gab es nie, dazu war ihre Siedlungsdichte von Natur aus schon immer viel zu gering. Diese Aufgabe haben vielmehr schon immer Kontaktkrankheiten, innerartliche Konkurrenz und kalte Winter übernommen – lauter Faktoren, die auch in unserer Kulturlandschaft nichts von ihrer Wirksamkeit eingebüßt haben. Um Hirsche und Wildschweine zu regulieren bedarf es also weder Wölfe, noch Jäger.
Zugvögel wie Wildenten, arktische Gänse, Schnepfen und Wildtauben sind beliebte Zielscheiben in Deutschland. Hier beschränkt sich die „Hege“ oft ausschließlich auf den Abschuss. Rund 1,5 Millionen Zugvögel werden in jedem Jahr in Deutschland geschossen Beliebt ist daneben auch die Jagd auf handzahme Wildtiere, vor allem Wildschweine, in so genannten „Jagdgattern“.
Effektive Jagdkontrollen fehlen, anders als in allen anderen EU-Ländern, in Deutschland weitgehend. Sie müssen hier nämlich von den Jägern selbst vorgenommen werden. Illegale Greifvogelabschüsse, Vergiftungsaktionen gegen „Raubwild“ und andere Verstöße gegen Jagd- und Naturschutzrecht sind deshalb in vielen Revieren immer noch an der Tagesordnung.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
8 Jahre zuvor

@Antonietta: Nur *ein* Gegenargument, weil mir bei dem Rest der fokloristischen Argumentation die Zeit zu kostbar ist: Zugvögel landen und werden hier geschossen, weil wir immer mehr künstliche Biotope, z.B. den Phoenixsee, schaffen. Ihre „Kulturlandschaft“ ist eine Utopie, weil hier immer weniger „kultiviert“ wird, sondern in unglaublich naiven Versuchen „rück-naturiert“ und damit endgültig kaputt-aktioniert wird.

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