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NRW: NSU-Untersuchungsausschuss – dahin gehen, wo es weh tut.

NSU – Fahndungsplakat

Birgit Rydlewski, NRW-Landtagsabgeordnete von „Die Piraten“ hatte Initiative für einen NSU-Untersuchungsausschuss auf Landesebene ergriffen und im Mai einen Antrag zur Einsetzung eines Ausschusses im Landtag eingebracht. Sie hat jetzt einen starken Partner an ihrer Seite: Die CDU-Landtagsfraktion arbeitet zur Zeit an einem Entwurf für einen Einsetzungsbeschluss – es wird also konkret. Dabei wird es auch um die aktuellen Fragen zum plötzlichen Tod des V-Mann Corelli gehen. Damit folgt Nordrhein-Westfalen mit mindestens drei NSU-Attentaten den Bundes-länder Thüringen, Sachsen, Bayern und Hessen nach. Dafür ist es höchste Zeit!

Manche glaubten, dass sich die CDU-Opposition im Landtag nur für den NRW-Ausschuss interessiert, um die Regierungsparteien als untätig dastehen zu lassen. Andere wiederum unkten, dass die rot-güne Koalition nicht aus Überzeugung zustimmen werde, sondern nur um nicht als „Aufklärungs-Verhinderer“ schlecht dazustehen. Doch nun übt man sich im Konsens. Die CDU möchte in jedem Fall, dass die Formulierung des Untersuchungsauftrages einvernehmlich mit allen Fraktionen verläuft, die Landesgrünen fordern alle Fraktionen auf, „konstruktiv mitzuarbeiten“. Soviel Harmoniebedürfnis zwischen Regierung und Opposition macht fast misstrauisch, denn es wird vor allem darauf ankommen, ob man im Ausschuss dahin gehen will, wo es weh tut. Die CDU hat durch ihren Vorstoß hohe Erwartung ausgelöst. Zum Beispiel erwartet man, dass sie sich auch im Blick auf das „Fehlverhalten der Sicherheits- und Justizbehörden“ als Aufklärer versteht und im Bereich der Ermittlungspannen nachbohren wird. Für die NRW-CDU gibt es ein gutes Vorbild aus den eigenen Reihen: Jenseits konservativer sicherheitspolitischer Vorlieben hatte Parteikollege Clemens Binninger im Bundes-Untersuchungsausschuss beim Fall Köln Keupstraße mit insistierenden Fragen und empörten Äußerungen gezeigt, dass ein Christdemokrat und ehemaliger Polizist bei so eklatanten Ermittlungspanne wie in Nordrhein-Westfalen, sehr lange Haare auf den Zähnen hat.

Die Antworten der CDU-Landtagsfraktion auf die Fragen der Ruhrbarone lassen vermuten, dass es der nordrhein-westfälischen CDU mit der Aufklärung ernst ist. Denn auch die Beschäftigung mit dem Versagen der dem NRW-Innenministerium unterstellten Behörden scheuen die Christdemokraten nicht. Das ehrt sie, da 2006 unter der schwarz-gelben Regierung der eigene Koalitionspartner mit Ingo Wolf (FDP) den Innenminister stellte. Wolf war oberster Dienstherr der Ermittlungsbehörden, als sich das Trio 2006 mehrfach und über längere Zeiträume hinweg in NRW aufhielt, um die Attentate in Köln und den Mord in Dortmund „auszubaldowern“ und die Anschlagsziele auszuspähen.

Wehrübung der Demokraten?

Doch auch für die SPD könnte es im NRW-Untersuchungsausschuss unangenehm werden. Der SPD-Politiker Fritz Behrens war in der Zeit von 1998 bis 2005 NRW-Innenminister, in seine Amtszeit fallen der Bombenanschlag in der Probsteigasse 2001, bei dem einen junge Iranerin schwer verletzt wurde, und das Nagelbombenattentat 2004 in der Keupstraße. Anlass für Fragen im Ausschuss wird auch die Tatsache sein, dass Behrens Ministerium vorschnell dem Landeskriminalamt 2004 die Weisung erteilte, den Begriff möglicher „rechstextremistischer Hintergrund“ und „terroristischer Anschlag“ zu streichen – sein Lagezentrum lag falsch.

2000 hatte er noch öffentlich von der „Wehrübung der aufrechten Demokraten“ angesichts des bis heute ungeklärten TNT-Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhan laut getönt. Im Zusammenhang mit diesem Attentat wurde damals nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern ganz offiziell über Rechtsterrorismus in Deutschland diskutiert. Vier Jahre später wollte der Innenminister davon offenbar nichts mehr wissen: 2004 machte sich Behrens lieber für das neue Terrorismusabwehrzentrum in Berlin stark, das zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus durch die Polizei und die Nachrichtendiensten gegründet werden sollte. Seinen Urlaub brach er wegen des Attentates, bei dem in Köln 30 Menschen schwer verletzt wurden, nicht ab.

SPD: Politische Verantwortung für Fehler tragen

Vor dem Haupt-Untersuchungsausschuss machte Behrens allerdings deutlich, dass er für Fehleinschätzungen in seiner Amtszeit politisch die Verantwortung trägt. Das ist richtig, denn als Innenminister war er ohne Zweifel für seine Landeskriminalbeamten verantwortlich und so wird er vermutlich auch im NRW-Ausschuss als Zeuge vorgeladen werden. Interessant wird dann unter anderem die Frage sein, welche Rolle die beiden Zivilpolizisten hatten, die der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße unmittelbar vor der Explosion am Tatort gesehen hatte. Auf die Frage, ob Behrens von den verdeckten Ermittlern vor Ort gewusst habe, war die Antwort des Ex-Innenministers kurz und knapp: “Nein“.

Nicht nur das verwundert – auch dass ihn seine eigenen Ermittlungsbeamten nicht über die Möglichkeit, die Sprengstoffdatei des Bundeskriminalamts zu nutzen, informiert haben sollen, verursacht bei vielen Kopfschütteln. Durch die Eingabe wäre man schon 2004 nach dem Kölner Rohrbombenanschlag auf das Trio gekommen. Laut Behrens Aussage vor dem Berliner Ausschuss kann er sich an eine Information zu dieser Ermittlungsmethode aber nicht erinnern. Bleibt zu hoffen, dass Behrens Gedächtnis im Untersuchungsaussschuss in Düsseldorf, am Ort seiner politischen Karriere, wieder einsetzt.

CDU: Den Untersuchungszeitraum nicht zu kurz ansetzen

Gedenkstein für die NSU-Opfer in Dortmund Foto: 2014, Ulrike Märkel
Gedenkstein für die NSU-Opfer in Dortmund
Foto: 2014, Ulrike Märkel

Die Landes-CDU möchte, dass sich der Untersuchungszeitraum bis zum Zeitpunkt des Einsetzungsbeschlusses streckt – also deutlich über das Bekanntwerden des NSU am 04.11.2011 hinaus. Das ist ein spannender Gedanke, da so der Zeitraum der Aktenschredder-Aktionen einbezogen wird, bei denen auch für Dortmund und Köln relevante Akten zerstört worden sein könnten. In NRW selbst sollen hingegen keine Akten vernichtet worden sein – zumindest nicht entgegen „gesetzlicher Vorgaben“, wie es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Piraten heißt. Allerdings wurden die Reste der Gegenstände der 2001 detonierten Bombe in einer Druckgasflasche, deren Verpackung sowie Kleidungsstücke im Jahr 2006 vernichtet – nach Prüfung des zuständigen Dezernenten des Verfahrens.

Aufbewahrungsfristen erteilt der Gesetzgeber jedoch gar nicht, man hätte die Asservate daher ohne weiteres länger aufbewahren können – angesichts der Schwere des Verbrechens hätte das alleine deswegen Sinn ergeben, weil sich die Kriminaltechnik bekanntlich stetig weiterentwickelt. Was sonst noch alles an Asservaten und Akten beim Bundesverfassungsschutz und den Bundesbehörden mit Bezug zu NRW vernichtet wurde, interessiert auch Birgit Rydlewski. Sie kündigte schon einmal an, dass sie alle verbliebenen Akten – ungeschwärzt – sehen möchte.

V-Leute: Vertrauliche Verschlusssachen statt Transparenz?

Entscheidend für den Erfolg des Ausschusses wird sein, wie der Untersuchungsauftrag genau formuliert sein wird. Die Fraktionen werden die Sommerpause für eine intensive Beschäftigung mit dem vorliegenden Untersuchungsbericht des Parlamentarischen Ausschusses auf Bundesebene (PUA) und den zahlreichen Presseberichten nutzen. Viele Fakten sind dort bereits thematisiert und aufgearbeitet worden, aber an einigen Stellen, wie z.B. dem Einsatz von V-Leuten in NRW fielen die „Erkenntnisse“ nur sehr unbefriedigend aus. Ein gutes Beispiel ist die Rolle des V-Mannes Thomas Richter, alias Corelli, die mehr Fragen aufwirft, als bisher beantwortet wurden. Corelli war in einem Zeugenschutzprogramm und verstarb an einer unerkannten Diabetes-Erkrankung in einer Kleinstadt bei Bielefeld. Die Piraten wollen dazu mehr wissen – der Absatz zu Corelli in dem Antrag der Fraktion der Piraten liest sich so, als würde man das plötzliche Versterben der Top-Quelle als nicht ganz zufällig angesehen.

Auch die CDU, die nicht gerade zum Club der Verschwörungstheoretiker zählt, möchte Näheres zum plötzlichen Tod des V-Mannes wissen. Doch werden sich die Abgeordneten möglicherweise an dieser Stelle die Zähne ausbeißen. 2013 verweigerte das Bundesinnenministerium jede Information zu dieser Quelle und wollte noch nicht einmal die Existenz bestätigen. Erst nachdem mit dem Bundesverfassungsgericht gedroht wurde, konnten die Abgeordneten wenigstens den V-Mann-Führer von Corelli befragen. Gelohnt hat es sich, Corelli war als Quelle interessant. Er stand nicht nur auf der Adressliste von Uwe Mundlos, sondern soll auch Kontakt zum Magazin Der weiße Wolf gehabt haben. Das Magazin huldigte 2002 dem NSU mit den Worten: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen. : – ) Der Kampf geht weiter “.

Die LINKE: Die Bundesregierung zeigt ein erschreckendes Desinteresse

Petra Pau, Die Linke Bundestagsvizepräsidentin, Foto: Copyright Deutscher Bundestag / Achim Melde
Petra Pau, Die Linke
Foto: Copyright Deutscher Bundestag / Achim Melde

Petra Pau (Die LINKE), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und eine der – im besten Sinne – unnachgiebigsten Mitglieder im Bundes-NSU-Untersuchungsausschuss, befasst sich schon länger mit der dem V-Mann Corelli. Sie hat die entscheidenden Unterlagen, die als Verschlusssache in der Geheimschutzstelle des Bundestages liegen, angesehen. Hier liegt alles in einer Art Giftschrank, was bei Veröffentlichung als „das Staatswohl gefährdend“ angesehen wird. In der Folge wurden weitere Fragen zum Komplex Corelli gestellt – der Innenausschuss hat sich bereits zwei Mal mit dem Auffinden des Datenträgers (DVD mit Bildern u.a. von NSU-Tätern) und mit den Ermittlungen zum Tod von Thomas Richter in NRW beschäftigt.

Petra Pau zieht das Fazit: „Die Bundesregierung zeigt ein erschreckendes Desinteresse am Tun und Schicksal des ehemaligen V-Mannes. Die Ämter für Verfassungsschutz machen weiter wie bisher. Es gilt Quellenschutz vor Aufklärung. Ende September wird es eine weitere Befassung des Innenausschusses geben. Dazu sind neben Vertretern der Bundesbehörden auch Beamte aus Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen eingeladen. Ich gehe davon aus, das die Kollegen in NRW in Abhängigkeit von den dann vorliegenden Erkenntnissen entscheiden, was sie noch untersuchen müssen.“

Besuch von Corelli am Antikriegstag in Dortmund

Wie aus Unterlagen hervorgeht, die diesem Blog vorliegen, soll Corelli am 06.09.2008 auf einem der wichtigsten Rechten Treffen der Nazisszene – beim alljährlichen „Nationalen Antikriegstag“ der Neonazis in Dortmund gewesen sein. Mit 1000 Teilnehmern war dieser Aufmarsch 2008 einer größten Demonstrationen in der Republik – man hatte nicht umsonst  bundesweit die Kameraden aufgerufen. Christian Worch, der nicht nur die freien Kameradschaften mit aufbaute, sondern auch jahrelang wie eine Spinne im Hintergrund die Fäden der Kameradschaftsnetze in der Hand hielt, setzte Corelli bei der Demo als Medienbeobachter ein und übergab ihm höchstpersönlich die Armbinde. Die Demo wurde von den Autonomen Nationalisten organisiert, die heute das NRW-Personal der Partei DIE RECHTE stellen. Ein Zusammenhang zwischen den Kameraden aus NRW zum NSU-Unterstützernetzwerk in Dortmund soll ausgeschlossen sein?

2013 teilte Innenminister Jäger (SPD) der grünen Landtagsabgeordneten Daniela Schneckenburger mit, das man trotz der Untersuchungen durch die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden weder Erkenntnisse zu einem NRW-Helfernetzwerk habe, noch zu Kontakten zwischen Dortmunder Nazi-Strukturen und den Mitgliedern des NSU oder den NSU-Unterstützern habe. Die Frage ist also erlaubt: Wie intensiv hat man denn in Düsseldorf überhaupt nach möglichen Kontakten gesucht?

Licht ins Dunkel bringen

Es wird für die NRW-Abgeordneten nicht leicht werden, Licht ins Dunkel zu bringen, wie eine Anfrage der Linken im Bundestag im April 2014 zu den Todesumständen des Top-V-Mannes zeigt. Die Bundesregierung ist – freundlich ausgedrückt – auskunftsunwillig. Die Erklärung, warum man Fragen nicht beantworten wolle, nimmt insgesamt drei DIN A4 Seiten ein – von den insgesamt 32 Fragen werden 9 beantwortet, 4 nur halb beantwortet und 19 Fragen gar nicht. Unterm Strich herausgekommen ist ehrlich gesagt: Nichts.

Auch die CDU will sich intensiv mit verschiedenen V-Leuten und möglichen Kontakten nach NRW beschäftigen. Man sei zwar nicht grundsätzlich für die Abschaffung des Systems der V-Leute, hält sie weiterhin für wichtig – auch um Informationen aus der rechtsextremistischen Szene zu erlangen, aber nur auf einer gesetzlich klar geregelten Grundlage. CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach meint zu der Frage des Einsatzes von V-Leuten: „V-Leute dienen im Bereich der Organisierten Kriminalität und in extremistischen Kreisen als wichtige Kontakt- und Informationsquellen für die Sicherheitsbehörden. Ihr Einsatz bedarf jedoch klarer gesetzlicher Grundlagen und strenger Grenzen.“

Das Beschaffen von Sprengstoff für die rechtsterroristische NSU-Zelle gehört sicher nicht dazu. Der langjährige V-Mann Thomas Starke, lange Jahre wohnhaft in einer Pension nahe Dortmund, gehört zu denen, die im Rahmen der Tätigkeit als VP Straftaten begangen haben. Man kann also davon ausgehen, dass die CDU bei diesem Fall von rechtswidrigen Handeln und möglichen Kontakten des V-Mannes zur Dortmunder Szene nachhaken wird und möglicherweise auch die Frage stellen wird, ob es eine mittelbare Unterstützung des NSU des Verfassungsschutzes über nicht-vertrauenswürdige V-Leute gab.

Einsame Einzelgänger ohne Kontakt zur NRW-Szene?

Erste Aufklärungsversuche auf NRW-Ebene gab es bereits – über den Hauptausschuss hinaus – von den Piraten und den Grünen. Doch in Sachen Aufklärung machte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) bisher keine sehr beeindruckende Figur. Eine Anfrage der Piraten zu möglichen Verbindungen des NSU zu Nordrhein-Westfalen ließ er mit einer lapidaren Antwort im Sande verlaufen: „Die Ermittlungen zu der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ führt der Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof (GBA). Die Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützen diese Ermittlungen. Die Landesregierung bittet jedoch um Verständnis, dass nähere Ausführungen vor dem Hintergrund des laufenden Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwaltes nicht möglich sind.“

Der ehemalige Kiosk der Familie KubasikAuch auf lokaler Ebene in Dortmund, wo die Ermittlungspannen im Mordfall Kubasik konkret passierten, wollte man sich im Polizeibeirat nicht wirklich der Beantwortung eines Fragenkatalogs annehmen. Grund: „Das Bundeskriminalamt sei federführend“. Aber die Fragen aus Dortmund werden nun nach Düsseldorf gehen. Svenja Noltemeyer, grüne Ratsfrau und Mitglied im Polizeibeirat: „Wir versuchen schon seit einem Jahr Antworten auf unsere drängenden Fragen zu bekommen, die wir bis heute nicht bekommen haben. Jetzt sind wir zufrieden, dass der Polizeibeirat den einstimmigen Beschluss gefasst hat, den ausführlichen Fragenkatalog 1:1 in den zukünftigen Untersuchungsausschuss zu schieben, verbunden mit der Forderung, die Antworten in unser Gremium vor Ort zurückzuspiegeln. Das ist uns wichtig. Die Fehler wurden vor Ort gemacht und sollten nicht nur weit weg, in Düsseldorf, behandelt werden.“.

Ralf Jäger war zwar der Meinung, dass es für den Mord an Mehmet Kubasik keine Hinweise auf logistische Hilfe bei der Suche nach den Attentatszielen durch Personen des Dortmunder Naziumfeldes gab und fügte hinzu, dass dieser Meinung auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages sei. Doch längst machen sich Abgeordnete für einen zweiten Untersuchungsausschuss im Bundestag stark. Jäger könnte jetzt durch die konstruktive Mitarbeit seiner Behörden bei der Aufklärung zeigen, dass ein ernstgemeinte Wille zur Transparenz vorhanden ist.

Nachermittlung weiterer möglicher Fälle konsequent betreiben

Birgit Ryydlewski (MdL), die von den Landespiraten in den NRW-Ausschuss voraussichtlich entsendet werden wird, besteht auf vollständige Transparenz. Ihr Schwerpunkt ist ein mögliches Helfernetzwerk, doch auch die rückhaltlose Aufklärung der offenen Fragen findet sie wichtig: „Ich werde konsequent der Frage nachgehen, warum es in Köln eine Verhinderung weiterer Ermittlungen zum Anschlag in der Keupstraße gab und warum das Kölner Videomaterial zum Teil zurückgehalten wurde. Ich möchte das Material vollständig sehen. Auch in Dortmund müsste es Videoaufnahmen der Sparkasse – die nur ca. 100 m vom Tatort entfernt ist, geben. Und mich beschäftigt schon länger die Frage, ob der Brandanschlag auf das Türkische Bildungszentrum in Dortmund auf das Konto der NSU geht.“

Rydlewski möchte darüber hinaus, dass der Bombenanschlag am Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn am 27. Juli 2000 noch einmal neu aufgerollt wird. Der Spiegel schrieb damals: „Nach der Explosion auf einer Düsseldorfer S-Bahn-Brücke ging die Republik endlich energisch gegen Rechtsextreme vor.“ Aber auch: „Die Bombe von Düsseldorf – das Rätsel bleibt.“ Zeit, das Rätsel zu lösen, sollten nicht auch hier Akten und Asservate vernichtet worden sein.

Die CDU sieht noch mehr Aufklärungsbedarf alter Fälle: Sie möchte den Mordanschlag in Duisburg 2003 auf einen Gastwirt mit türkischem Migrationshintergrund durch eine Selbstschussanlage im Auto und den dreifachen Polizistenmord durch den Rechtsextremisten Michael Berger in Dortmund und Waltrop im Jahr 2000 untersuchen lassen. Die Untersuchung weiterer Fälle wird sicher im Konsens der Landtagsfraktionen entschieden werden. Das Einverständnis macht an dieser Stelle Sinn, sitzt man doch am Ende am selben Tisch über den Aktenbergen.

Prozess droht zu Platzen – was bedeutet das für den Ausschuss?

Vermutlich wird man in dem zukünftigen Ausschuss über die Ermittlungsfehler der bekannten und der möglicherweise noch hinzukommenden Fälle mehr herausfinden können, als es der Prozess vermag. Bundesanwalt Diemel machte Ende letzten Jahres gegenüber den Opferanwälten Sebastian Scharmer und Antonia von der Behrens deutlich, dass der Prozess kein Untersuchungsausschuss sei und die Nebenklagevertreter auch „keine frei gewählten Abgeordneten seien, die Fragen können, was sie wollen.“ Der Prozess droht gerade wegen der Vertrauensfrage, die die Hauptangeklagte Beate Zschäpe gegen ihre Pflichtverteidiger erhoben hat, zu platzen.

Umso schwerer wiegt das Gewicht der Ausschüsse. Bleibt zu hoffen, dass die frei gewählten NRW-Abgeordneten die richtigen Fragen stellen und sich nicht als zahnlose Tiger erweisen, die als Bettvorleger landen, sondern rückhaltlose Aufklärer sein werden. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde in Nordrhein-Westfalen von den Piraten und der CDU in diesen Wochen gemacht.

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Jenner
Jenner
9 Jahre zuvor

1)

„Allerdings wurden die Reste der Gegenstände der 2001 detonierten Bombe in einer Druckgasflasche, deren Verpackung sowie Kleidungsstücke im Jahr 2006 vernichtet – nach Prüfung des zuständigen Dezernenten des Verfahrens. “

2006 gab es den letzten NSU-Mord, seltsamer Zufall ?

2)

„Christian Worch, der nicht nur die freien Kameradschaften mit aufbaute, sondern auch als Spinne im Hintergrund die Fäden der Kameradschaftnetze in der Hand hielt, setzte Corelli bei der Demo Corelli als Medienbeobachter ein und übergab ihm höchstpersönlich die Armbinde.“

Würd mich nicht wundern, wenn auch (Editiert) als V-Mann arbeitet. Gibt es dazu Infos ?

Stefan Laurin
Admin
9 Jahre zuvor
Reply to  Jenner

@Jenner: Nach allen verfügbaren Informationen ist er kein V-Mann. Er hatte so etwas wirtschaftlich nicht nötig.

der, der auszog
der, der auszog
9 Jahre zuvor

Die Politik in NRW hat lange gebraucht, um die Notwendigkeit eines solchen Ausschusses zu begreifen. Bleibt zu hoffen, dass diese Einsicht bestehen bleibt und nicht in den entscheidenden Momenten parteipolitischen Eitelkeiten zum Opfer fällt.

Danke übrigens für diese detaillierte Einführung in Sachen NSU Untersuchungsausschuss in NRW, die meinem Eindruck nach in der Medinenlandschaft bislang ihresgleichen sucht und einen schönen Einstieg in die Thematik ermöglicht. Ich hoffe die Ruhrbarone bleiben auch während der Ausschusszeit so nah am Thema dran.

bawü
bawü
9 Jahre zuvor

Zitat: „Damit folgt Nordrhein-Westfalen mit mindestens drei NSU-Attentaten den Bundesländer Thüringen, Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg nach. “

in bawü gibt es keinen parlamentarischen untersuchungsausschuss. in hessen wurde jüngst einer beschlossen, der sich auch schon konstituiert hat.

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