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Olper Flüchtlingsheim: DRK verstrickt sich in Widersprüche

Zugang zur EAE Burbach, dem Olper Nachbarheim. Foto: Jana Klein
Zugang zur EAE Burbach, dem Olper Nachbarheim. Foto: Jana Klein

Nach den Vorwürfen gegen die DRK-Betreuungsdienste Westfalen-Lippe an ihrem Standort Olpe gerät der Betreiberverband ins Zwielicht. Durch ein Arbeitsrechtsverfahren aus dem letzten Jahr waren unhaltbare Zustände in der Erstaufnahmeeinrichtung zutage getreten. Das DRK schiebt die Verantwortung an einen ehemaligen Leiter ab – und macht sich mit einer Falschbehauptung verdächtig.

Der Streit um die Flüchtlingsunterkünfte des Landes NRW im Siegerland geht in eine neue Runde. Vor einem Monat war durch ein Gerichtsurteil des Siegener Arbeitsgerichts bekannt geworden, dass der Olper Heimleitung vielfältige Vorwürfe gemacht worden waren, die sich vorwiegend auf den Sommer 2015 bezogen. Dabei ging es unter anderem um mögliche Abrechnungsbetrüge und angeblich unterdrückte Meldungen von häuslicher und sexueller Gewalt und eines Windpockenfalls. Im Tatbestand des vorliegenden Urteils wirken die Vorwürfe, als seien sie von allen beteiligten Parteien ohne Streit anerkannt worden. Nur: der betreffende Leiter, dem die Unterstellungen in der Hauptsache gemacht worden waren, konnte sich vor Gericht gar nicht verteidigen. Geklagt hatte eine ehemalige Mitarbeiterin, beklagt wurde der DRK-Verband.

In einer schriftlichen Stellungnahme der DRK-Betreuungsdienste Westfalen-Lippe gGmbH, die die Ruhrbarone in ganzer Länge veröffentlicht hatten, wird eingeräumt, dass „einige“ der erhobenen Vorwürfe „der Wahrheit zu entsprechen“ scheinen würden. In Bezug auf den Einrichtungsleiter, dem die Anschuldigungen in  der Hauptsache gemacht worden waren, hieß es damals unter anderem: „Dass wir speziell mit Herrn M. und seinem Vorgänger leider zwei Mal in personeller Hinsicht enttäuscht worden sind, war nicht vorauszusehen. (…) Die Betreuungssituation in Olpe, die bereits während der Startphase der Einrichtung von personellen und organisatorischen Schwierigkeiten geprägt war, verschlechterte sich unter Herrn M.s Verantwortung leider noch. Unserer Einschätzung nach war Herr M., der damals auch die Betreuungsleitung in der Flüchtlingsunterkunft in Burbach innehatte, in seiner Doppelfunktion fachlich überfordert.“ Mit den Vorwürfen in den Medien konfrontiert, will M. jedoch aus allen Wolken gefallen sein. Er weist ein einwandfreies Arbeitszeugnis vom DRK nach, außerdem seien ihm diese Dinge bislang nie unterbreitet worden, auch nicht vonseiten seines ehemaligen Arbeitgebers. Zudem heißt es im Statement des DRK, M. sei Anfang September 2015 von seinen Aufgaben in Olpe und der Erstaufnahmeeinrichtung Burbach, die er gleichzeitig leitete, entbunden und „bis zum offiziellen Ende seines Arbeitsvertrages (Ende Februar 2016) in keiner unserer Einrichtungen je wieder eingesetzt“ worden. Doch das ist offensichtlich falsch, bis Ende Februar leitete er Burbach weiter, wie Zeitungsberichte und Arbeitszeugnis belegen. Auf Nachfrage, wie unter anderem diese unwahre Behauptung zustande gekommen sein könnte, heißt es vonseiten der Pressesprecherin des DRK bloß: „zur Arbeitsrechtssache (…) hatten wir uns bereits ausführlich in unserem Pressestatement geäußert. Damit sind alle Informationen in dieser Angelegenheit kommuniziert. Neue Erkenntnisse haben sich für uns zwischenzeitlich nicht ergeben.

M., dem laut Arbeitszeugnis nicht gekündigt worden ist, wehrt sich auch gegen diejenigen vorgeworfenen Mängel in der EAE Olpe, die nicht in seine Zeit gefallen seien. So habe er bei Aufnahme seiner Tätigkeit den Hinweis erhalten, dass in der Vergangenheit gesammelte Taxifahrten einzeln abgerechnet worden seien, woraufhin er die Anweisung gegeben haben will, diesen Sachverhalt in Absprache mit den Fahrdiensten zu korrigieren. In einem Bericht des Innenministers vom 27. September werden die Vorwürfe an ihn, die das DRK grob bestätigt hatte, wiederum verneint, rechtssichere Belege z.B. in Sachen Abrechnungsbetrug lägen nicht vor. Dennoch wird sodann behauptet, dass hier bloß Gerüchte und „unkonkrete Aussagen“ zugrunde gelegen hätten. Neben den Taxifahrten sollen, so die Vorwürfe, Stundenzettel manipuliert worden sein, ein Mitarbeiter habe sich sein Auto als gemeinnützige Arbeit von Flüchtlingen waschen lassen.

Auch, dass Mitarbeiter der Securityfirma BEWA in Olpe eingesetzt und in Verwaltungsposten gehieft worden sind, weist M. von sich. Sein Nachfolger, der gleichzeitig Vizepräsident des DRK-Verbandes ist, habe diese Entscheidungen gefällt: „Unter seiner Leitung wurden die Bewa-Leute eingestellt, was ich für einen Fehler halte. Ohne den Bewa-Leuten zu nahe treten zu wollen, behaupte ich, dass sie keinerlei Qualifikation für die Tätigkeit mitbrachten.“ Die BEWA war im benachbarten Burbach massiv in die Kritik geraten, weil gegen Mitarbeiter von ihnen wegen eines möglichen massiven Sexualdeliktes ermittelt wird. Außerdem waren Securitys im Internet durch viele rechtsradikale Postings aufgefallen, hier ist ein weiteres Ermittlungsverfahren auf Grundlage der Ruhrbarone-Recherchen anhängig.

Als Reaktion auf die Veröffentlichung durch die Ruhrbarone hatte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Theo Kruse, eine Pressemitteilung herausgegeben und Jäger scharf angegriffen. M. wiederum beschwerte sich unter anderem bei Kruse persönlich über die Darstellung und sagt, die Ruhrbarone „haben sich wenigstens noch auf die Aussagen im Arbeitsgerichtsprozess berufen. Herr Kruse MdL stellt dies jedoch bereits als Tatsache dar.“ In einem längeren Brief widerspricht er detailliert den erhobenen Vorwürfen. Vermutlich werden sie niemals juristisch stichfest entkräftet oder bewiesen werden. Zwar wurde laut Bericht des Innenministeriums zum Beispiel ein Fall häuslicher Gewalt gegen eine minderjährige „Ehefrau“ erst über zwei Wochen später polizeilich bekannt, als der selbe Täter im Verdacht stand, ein Sexualdelikt an seiner Tochter begangen zu haben. In diesem Kontext hat eine Mitarbeiterin des Sozialdienstes gegenüber der Polizei ausgesagt, M. habe das Anzeigen untersagt. Ein daraufhin eingeleitetes Verfahren gegen den Heimleiter wurde dann aber vonseiten der Staatsanwaltschaft wegen Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts wieder eingestellt. Wieso die Polizei also zunächst nicht in Kenntnis gesetzt worden ist oder sein will, bleibt damit unklar.

Im Brief an den Abgeordneten Kruse schreibt M. weiterhin betreffend den Vorwurf der unterdrückten Windpockenmeldung: „Ich habe lediglich die Mitarbeiter aufgefordert Stillschweigen bis zur Abklärung mit dem Gesundheitsamt zu wahren, um die Verbreitung einer Panik unter den Flüchtlingen zu vermeiden„, an anderer Stelle heißt es: „Auch versichere ich an Eides statt, dass ich das Gesundheitsamt direkt nach dem Bekanntwerden des Varizellenfalls unterrichtet habe.“ Dafür gäbe es entsprechenden Schriftverkehr. Im Fall der häuslichen Gewalt gegen das 17jährige Mädchen verweist M. darauf, dass bei der ersten Befragung bereits Polizei vor Ort war, eine Anzeige also gar nicht vonnöten gewesen wäre. Diesen Fall will die Polizei aber, laut Bericht des Innenministeriums, erst mehr als zwei Wochen später zur Kenntnis genommen haben. Im Fall des Mitarbeiters, der sich von Heimbewohnern das Auto waschen lassen und das als gemeinnützige Arbeit abgerechnet haben soll, heißt es in M.s‘ Brief: „Nachdem ich von dem Vorfall erfuhr, wurde in Absprache mit der Zentrale in Münster, dem Mitarbeiter innerhalb der Probezeit ohne Angaben von Gründen gekündigt. (Dies war nicht der alleinige Grund das Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen.)“ Hierzu verweist das Innenministerium in seinem aktuellen Bericht, wie oben erwähnt, auf das Nichtvorhandensein rechtssicherer Belege. In Olpe ist es aber immer wieder zu Entlassungen ohne Angabe von Gründen innerhalb der Probezeit gekommen – aus welchen Gründen die Mitarbeiter wirklich entlassen worden sind, bleibt also jeweils unklar und unbelegt.

Die Ruhrbarone konfrontierten den zuständigen DRK-Verband weiterhin mit Fragen danach, wie er in der gerichtlichen Arbeitssache mit den Vorwürfen umgegangen ist, ob er seinen leitenden Mitarbeiter M. gegen diese verteidigt oder überhaupt informiert habe oder ob selbst juristische Schritte gegen ihn eingeleitet worden sind, die eine Klärung der Vorwürfe ermöglicht hätten. Im Statement des DRK hatte es nämlich geheißen: „Einige der von Ihnen angesprochenen Feststellungen scheinen der Wahrheit zu entsprechen. Im Zuge der Verfahren vor dem Arbeitsgericht haben wir die erhobenen Vorwürfe bereits intensiv nachgearbeitet. Gleichwohl ist es leider nicht möglich, alle Verdachtsmomente lückenlos zu rekonstruieren und somit zweifelsfrei aufzuklären.“ Die Antworten auf diese Fragen, wie auch die Frage danach, welche der Vorwürfe vom DRK für wahr erachtet werden und warum, was also das Ergebnis dieser intensiven Nacharbeitung ist, wurden vom DRK mit Verweis auf das alte Statement ebenfalls verweigert wie die Eingangsfrage nach der falschen Behauptung über die Entlassung des Heimleiters.

Damit ist die Rolle der DRK-Betreuungsdienste gGmbH in der Angelegenheit äußerst unklar. Statt, wie das Innenministerium, den Vorwürfen zu widersprechen, werden sie äußerst unkonkret eingeräumt und auf einen ehemaligen Mitarbeiter abgewälzt. Ebenso sieht es gegenwärtig so aus, als habe das DRK ihren Mitarbeiter in der Arbeitsrechtssache vor Gericht Ende 2015 nicht geschützt und auch hier Vorwürfe zugelassen, statt sich und ihn gegen sie zu verteidigen – oder aber gegen ihren weiterhin angestellten Mitarbeiter juristische Schritte einzuleiten. Starke Fakten zur Verteidigung, wie etwa wegen mangelnden Tatverdachts eingestellte Verfahren, hätte es gegeben.

In Burbach war einem DRK-Mitarbeiter gekündigt worden, als er drohte, sich mit den dort seiner Meinung nach herrschenden Misständen an die Presse zu wenden, sollte das DRK nicht endlich auf seine Berichte reagieren. In der Sache der mutmaßlichen Entführung mithilfe von K.O.-Tropfen hat ein albanischer Zeuge in der Zwischenzeit eine Vorladung zu einer Aussage am Amtsgericht erhalten. Diese könnte dann in ein Gerichtsverfahren als Beweismittel eingebracht werden, ohne, dass der Zeuge anwesend ist – sein Asylantrag ist endgültig negativ beschieden. In den vergangenen Wochen war, unter anderem auch durch Innenminister Jäger, mehrfach die Einschätzung mitgeteilt worden, dass es wahrscheinlich nicht zu einer Anklageerhebung kommen würde, weil es Konfusionen um den mutmaßlichen Tatzeitpunkt gab. Stattdessen hatte Ministerialdirigent Schnieder, im Innenministerium unter anderem mit Ausländerangelegenheiten betraut, im Innenausschuss Anfang September stellvertretend für Jäger vielsagend von einer „Frau, die einen schweren Werdegang hatte“, berichtet, womit angedeutet war, sie würde lügen. Mit einer richterlichen Aussage könnte sich die Staatsanwaltschaft Siegen jeodch entgegen aller bisherigen Berichte für einen möglichen Gerichtsprozess rüsten.

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