Pinkwashing – Verwaschener Antisemitismus

pinkwashing

Wie die Boycott, Divestment and Sanctions-Strategie “pinkwashing” LGBT-Rechte instrumentalisiert, um Israel zu  dämonisieren. Von unserer Gastautorin Carolin Mothes.

Was haben die rechtliche Situation von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- oder Intersexuellen  mit dem Nahostkonflikt zu tun? Nichts. Eigentlich. Ein von bestimmten Kreisen aufgedeckter,  vermeintlicher Zusammenhang behauptet das Gegenteil und sagt „Israels schwulem  Propagandakrieg“ (Jasbir Puar) den Kampf an. Was das heißen soll? Israel benütze seine liberale Atmophäre gegenüber der LGBT-community um sich als modern darzustellen, gleichzeitig die  Palästinenser als minderwertig zu enttarnen und damit das eigene Fehlverhalten zu legitimieren.

Um das nachzuvollziehen, hilft es, sich eine Waschmaschine vorzustellen. Also etwas womit man  Sachen von Schmutz befreien, reinwaschen kann. Diese Metapher wird bemüht, um Institutionen  in den schillerndsten Farben zu diskreditieren: Firma x betreibt „green washing“ weil sie ein  Produkt als besonders umweltfreundlich deklariert, Firma y betreibt „blue washing“ weil sie  humanitäres Engagement zu Publicity-Zwecken nutzt. Seit einigen Jahren wird dieses Schema um die Farbe „pink“ und das Zusatzmittel „Antisemitismus“ ergänzt, die Intentionen bleiben gleich  zweifelhaft und das Denken weiterhin stupide.

Es ist schwer die Genese nachzuvollziehen, aber irgendwo zwischen linken Aktivisten,  Verschwörungstheoretikern, amerikanischen und israelischen queers, dem „transgenialen CSD“ in Berlin und der Boycott, Divestment & Sanctions-Bewegung schloss sich in den letzten Jahren der Kreis des gemeinsamen Antizionismus. Man wirft Israel vor, seine vergleichsweise gay-friendly Staatsräson und Atmosphäre für Publicity und Tourismus zu instrumentalisieren, um gleichzeitig  von den Menschenrechtsverletzungen abzulenken, die Israel laut den Vorwerfenden begeht.

Israel begehe also „pinkwashing“. Der britische Watchblog „Pinkwatching Israel“ beschreibt es so: „Pinkwashing ist der zynische Gebrauch der Rechte Homosexueller um vom Siedlungskolonialismus und der Realität der Apartheid, die der Staat Israel faktisch etabliert hat, abzulenken und sie gar zu normalisieren.“ (1) Israel instrumentalisiere also seinen liberalen  Gestus, seine gay prides und die Beliebtheit der Tel Aviver Strände unter Schwulen, um von seinen Taten abzulenken, sich also rein- bzw. „pink zu waschen“.

Es ist bemerkenswert, dass man solcherlei Unterstellungen wieder einmal nur gegenüber Israel äußert. Oder existiert der Vorwurf, die Stadt Berlin habe einen schwulen Oberbürgermeister eingesetzt, um von der schlechten Behandlung von Asylsuchenden abzulenken?

Besonders perfide wird diese BDS-Strategie durch die Symbolik der Farbe „pink“ und seiner Bedeutung in der Shoah. In Nazideutschland wurden Menschen wegen ihrer homosexuellen Orientierung in Konzentrationslager geschickt und dort mit „rosa Winkeln“ gekennzeichnet. Die Schwulen-Bewegung versuchte später, sich das Symbol anzueignen und neu zu besetzen. Heute ist es unter sogenannten Israelkritiker en vogue den Staat der Juden als die Nazis von heute zu deklarieren, so dass dieses Konzept der Dämonsierung einen besonders schäbigen Beigeschmack hat.

Die Beschränktheit solcher Gedankengänge und der darin eingearbeitete Antisemitismus bedarf eigentlich keiner Erläuterung, es liegt auf der Hand, dass es denjenigen, die solche Strategien verfolgen wohl kaum um das Wohl der vermeintlich Betroffenen geht. Vielmehr sollte man aber die Dreistigkeit der Aktivisten betonen, die Bemühungen die erkämpften Fortschritte der LGBT-Bewegung in Frage zu stellen und sie als Instrument oder gar Opfer einer Verschwörung darzustellen. Die LGBT-Bewegung ist einiges, aber bestimmt kein „Opfer“, sie hat sich das erkämpft was wir heute in den Straßen und an den Stränden frei, stolz und Hand in Hand sehen können. Selbstverständlich ist der Kampf um Gleichberichtigung noch nicht gewonnen und an einem internationalen Tag gegen Homophobie bietet es sich an, die Perspektive von sich auf die fernere Umwelt zu legen.

Auch diesbezüglich verdienen „No pinkwashing“-Aktivisten eine Lektion erteilt, ist ihr eigensinniges Engagement gegen Israel doch gleichzeitig ein Verrat an all jenen, die in Gebieten leben, in denen nur akzeptiert wird was der heterosexuellen Matrix entspricht und alles andere unmenschlich behandelt. Und diese Gebiete sind nicht weit von Israel entfernt – im Gegenteil: sie umschließen das kleine Land, das weiterhin die einzige und vor allem gelebte Demokratie in der Region ist.

Wer die Entwicklung an Beiträgen und Websites in der digitalen Hemisphäre beobachtet, kann ein wenig mehr ins Belächeln denn Sorgen verfallen und bemerken, dass die Strategie „pinkwashing“ bislang nicht sonderlich erfolgreich ist und an Popularität abnimmt. Die Konferenz „Homonationalismus & Pinkwashing“ im Frühjahr 2013 war das Letzte was über den eigenen Zirkel hinaus für Aufmerksamkeit sorgte.

Dennoch sollte man sie nicht aus den Augen verlieren, immerhin publizieren einige ihrer Vertreter ihre kruden Vorwürfe in akademischen Sphären aber auch in großen Zeitungen wie der New York Times oder dem Guardian. In letzter wird der Begriff zunehmend durch Diskussionen über Firmen besetzt, die sich ein Mehr an Aufmerksamkeit gegenüber dem Thema Brustkrebs auf die Publicity-Fahne geschrieben haben.

Es bleibt zu hoffen, dass es dabei bleibt und auch die populäreren Versuche der BDS-Bewegung sich in Zukunft um sich selbst drehen und keine relevante Rolle spielen werden.

(1) http://www.pinkwatchingisrael.com/portfolio/pinkwashing-kit/

Carolin Mothes, lebt derzeit in Haifa, sonst in Berlin. Arbeitet als Bloggerin, Referentin und Trainerin in der Erwachsenenbildung zu demokratischer Alltagskultur, gegen Antisemitismus, Rassismus, Homophobie und für Frauenrechte.

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Balzer
Balzer
9 Jahre zuvor

Israel: Provokation oder Segen, so lautet der Vortrag eines Israeliten, der die Situation von innen erlebt. Wie kann ein Staat frei existieren, wenn die Welt immer den Lügen anderer Nationen glaubt, die ein permanentes Interesse daran haben, den Staat Israel moralisch zu destabilisieren, um ihre eigenen frivolen Ideen zu platzieren. Ich möchte mal wissen, was große Diktatoren sagen würden, wenn man sie permanent diffamieren und angreifen würde, wie es ja tatsächlich neuerdings in einem Land geschehen ist und wo sich das Volk derzeit gegen die Unterdrückung eines lügenhaften Diktators erhebt. Keiner kann Israel schützen, wenn um das Land 170.000 Raketen aufgestellt sind.Die Frage ist: Wie kann die Wahrheit ans Licht kommen? Wer kennt die Wahrheit, wenn Menschen etwas behaupten, aber keiner nachprüft, ob das Gesagte überhaupt stimmt. Jeden Tag werden in Israel Straftaten begangen, die aber von den Behörden, d.h. Palästina nicht geprüft werden, bzw. nicht strafrechtlich verfolgt werden, weil man die Lüge über das Volk Israels in den Medien weiter aufrecht erhalten möchte. So kann das nicht bleiben und es bedarf das Vertrauen der westlichen Nationen, die es wagen, diese Lügen zu hinterfragen und die Wahrheit herauszufinden und zu publizieren. Wenn wir als westliche Nationen in diesem Punkt weiter schlafen, wird es bald auf uns selbst zurückfallen und dann ist die Situation außer Kontrolle. Es wird Zeit zu handeln und die täglich Lügen in Bezug auf das heilige Land Israel aufzudecken und dem möglichen Feind den nährhaften Boden zu entziehen.
Marion Balzer

Puck
Puck
9 Jahre zuvor

Es ist schon ein Elend. Offenbar ist wirklich kein Gedankenkonstrukt zu abwegig, um Israel in die Pfanne zu hauen.
Man ist dort also nett zu Schwulen und Lesben, um die „Apartheit“ gegenüber den Palästinensern zu verschleiern. Na sowas, ich hatte naiverweise immer gedacht, zu diesem Zweck würden diese Israelis nur freie Wahlen abhalten, auf Medienzensur verzichten, Frauen für Menschen halten, so einleuchtende und gerechte Strafen wie Handabhacken, Kopfabhacken und Steinigung ablehnen und kampfhaft an der eigenartigen Behauptung fest halten, daß Selbstmordattentäter Verbrecher sind, die Zivilisten in die Luft jagen.

Ich frage mich, ob ich von der Kampagne des BDS jetzt einen Umkehrschluß ableiten darf: Ist es okay, daß in arabischen Ländern und dem Gaza-Streifen Schwule und Lesben um ihr Leben fürchten müssen, weil die wenigstens ehrlich sind und obendrein gegen das „Pinkwashing“ in Israel zu Felde ziehen, oder anders ausgedrückt, ist das am Ende ein paar tote Mitglieder der Community wert (Märtyter braucht ja jede anständige Bewegung…)?
Es ist ein Elend.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

@Puck vollste Zustimmung. Als letztes Jahr die Hamas die Beteiligung palästinen.Frauen an einem Marathon verbot, war von unseren Kämpfern für die Rechte der Palästinenser nichts zu hören außer Schweigen.

kira
kira
7 Jahre zuvor

vielleich sollten sich alle online-Anwesenden mal mit kritischem Weißssein auseinandersetzen. Der Rassismus der Beitrags und der Kommentare ist sehr lächerlich. Ich bin dafür alle beteiligten schließen sich der Israelischen Armee gegen DEN ISLAAAAAM = TEEEEEEEERROR an.^^

We_r sich mit Kolonialismus auch nur ansatzweise beschäftigt versteht mehr – vor allem mit den Erkenntnissen aus Schwarzen, Islamischen un of Color Feminismus lohnt es sich sehr zu beschäftigen! z.B. "To save the brown woman from the brown man" (Spivak)

Viele der "antisemitischen Weltverschwörrungstheorien"^^ machen dann auch für Kartoffeln mehr Sinn.

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