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Das Platzhirsch Festival – Spielplatz der Merkwürdigkeiten in einer toten Stadt

Foto: Sascha Bertoncin

Duisburg. Modernes Schilda, paranoider Alptraum, bürokratische Peinlichkeit, traurige Tristesse, Austragungsort des 1. Duisburger Kartoffelfestes – so weit die allseits bekannten Fakten. Da wundert es kaum, dass die Ausnahme von diesen deprimierenden Regelmäßigkeiten keinesfalls ein stolzes Kind jener Verhältnisse, sondern vielmehr eine trotzige Reaktion auf sie ist. Das Platzhirsch Festival findet am Wochenende wieder in den Locations rund um den Dellplatz statt. Es ist eines der abwechslungsreichsten und überraschendsten seiner Art. 

Freilich: Mit nur negativen Gefühlen lässt sich ein so positives Festival kaum auf die Beine stellen. Die monatelange Arbeit eines Grüppchens ehrenamtlich-Ausgeflippter steht, trotz aller Duisburgismen, für den Glauben an die Substanz des Ortes. Das Platzhirsch ist eng mit seinem Revier verbunden, die Spielorte der Lesungen, Konzerte, Workshops und Ausstellungen sind das Viertel selbst. Es ist zugleich Kind und Gegenstück des Leuchtturms „Traumzeit Festival“, das vor den Toren der Stadt große Namen der Kulturindustrie präsentiert. Der Verein Kultursprung e.V., Veranstalter des Platzhirsch, entstand aus einer Initiative, die das ursprüngliche Traumzeit Festival erhalten wollte. Luise Hoyer, Mitglied im Vorstand, erinnert sich: „Wir hatten von gleichgesinnten Spendern Geld bekommen, um eine kleine eigene Version finanzieren zu können, als die Stadt das Traumzeit 2012 ausfallen ließ. Das wurde uns nicht ermöglicht und wir zahlten den meisten Spendern das Geld zurück. Einige sagten aber auch: Behaltet es und macht was Gutes damit.“

Im Mittelpunkt des Platzhirsch steht die große Bühne auf dem Dellplatz, und ausgerechnet hier ist der Eintritt gänzlich frei. Wer nun – klassisch sortiert – auf dieser Bühne das (vermeintlich) Massentaugliche, und in den abgelegenen Winkeln des Viertels die Kuriositäten erwartet, liegt falsch, und dürfte dass spätestens am Sonntag bemerken, wenn auf der „Hauptbühne“ der Percussion-Akrobat Simon Camatta auf seinem präparierten Schlagzeug improvisiert. Mehr Festspiel als Festival, ignoriert das Platzhirsch elegant ökonomische Regeln des Kulturmarketings. Die Besucher sehen kaum große Namen, sondern einen Reigen aus Merkwürdigkeiten und Gegensätzen in reger Interaktion. Ein gutes Beispiel ist Sascha Bertoncins persönliches Programm-Highlight: Das Cologne Contemporary Jazz Orchestra interpretiert am Sonntag die Werke der Metalband Slayer. Bertoncin ist einer der Organisatoren. Für ihn darf „Vielseitigkeit nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Bestenfalls stellen wir uns bei jedem potentiellen Akteur die Frage „welchen künstlerischen Grund gibt es für seine Teilnahme“ und finden eine für uns überzeugende Antwort darauf.“. Ein Beispiel für das sorgfältige Kuratorium ist der Festival-Freitag im Djäzz. Die Bühne wir komplett vom kleinen Vinyllabel Ana Ott aus Mülheim präsentiert und bespielt, das sich avantgardistischer und experimenteller Musik verschrieben hat.

Das Fest der 23 Spielorte soll zeigen, so Bertoncin weiter, dass der Besucher „weder vor Neuer Musik, noch vor dem Kellerclub Angst haben muss“. Und auch nicht vor der Kirche. Denn die St. Joseph Kirche am Dellplatz ist auch in diesem Jahr fester Bestandteil des Platzhirsch. Aus der Zusammenarbeit hat sich sogar eine Kooperation außerhalb der Festival-Saison entwickelt. Eine versöhnliche Begegnung: „An diesem Ort wurde uns von den Verantwortlichen mit großem Interesse an unserem Tun, und mit unerwartetem musikalischen Expertenwissen begegnet. Manchmal hält eben auch Duisburg positive Überraschungen parat“.

Mehr Infos gibt es auf der Page des Festivals: www.platzhirsch-duisburg.de.

 

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