Ruhrgebietskiller Centro – ein Interview

Vor ein paar Wochen hat der Raumplaner und Architekt Walter Brune gemeinsam mit dem Architektur-Journalisten Holger Pump-Uhlmann ein Buch über das CentrO in Oberhausen veröffentlicht. Nicht das übliche Hochglanzgeschwafel. Sondern eine kenntnisreiche Abrechnung mit einer verfehlten Stadtplanung. Dabei schrecken die beiden Autoren nicht davor zurück, eine Vorgeschichte zu analysieren, die bis in die düstersten Zeiten von Johannes Rau (damals SPD-Ministerpräsident von NRW) zurückreicht, als nach vorne immer alles bieder evangelisch sauber roch und nach hinten hinaus der Mist stank.

Brune und Pump-Uhlmann sind für ihr Stück tief eingestiegen. Haben alte Berichte aus Untersuchungsausschüssen durchforstet, sich mit Diplom- und Magisterarbeiten beschäftigt und jede Menge Fachliteratur für Normalsterbliche übersetzt. Herausgekommen ist ein Buch, dass für jeden Ruhrgebietseinsteiger zur Pflichtlektüre werden sollte. Denn durch das Buch lernt man vieldarüber, wie hier Dinge laufen. Kaum verholen wirft beispielsweise Brune dem damaligen SPD-Oberbürgermeister Burkhard Drescher vor, sich für das Projekt gegen das Interesse der Stadt aus Eigeninteresse eingesetzt zu haben. Nur an manchen Stellen, etwa wenn es um die Gewerbesteuereinnahmen von Oberhausen und die Veränderungen durch das Centro geht, bleibt das Buch flach. Aber das sind Nebensächlichkeiten, die auf jeden Fall nicht die Hauptaussagen des Buches beeinträchtigen.

Überraschenderweise sorgt das Stück im Ruhrgebiet bislang nicht für eine heftige Debatte. In der NRZ, Lokalteil Oberhausen, wurde es als „ärgerliches“ Machwerk abqualifiziert, das wenig Neues bringe. Tja, wenn der NRZ-Kollege alles schon gewusst hat, warum hat er das dann nicht mal aufgeschrieben? Die Diskussionen beschränkten sich im wesentlichen auf die üblichen Abwehrreaktionen. Kommt von außen, will uns was böses, ist gemein, der hat doch ganz andere Interessen. In der WAZ wurde das Buch übrigens kaum regional wahrgenommen. Schade.

Foto: Flickr.com

Am deutlichsten hat sich noch der angegriffene Drescher selbst der Sache angenommen. In einem Leserbrief für die Immobilienzeitung griff der heutige Berater, der nach seiner Zeit bei der Stadt Oberhausen hauptberuflich ins Immobilienfach wechselte, den Architekten Brune direkt an:

Es kommt mir durchaus witzig vor, dass Herr Brune seine 17 Jahre alten Thesen unreflektiert auf 127 Seiten im Jahr 2009 zur Veröffentlichung bringt und auch noch eine ganze Seite der Immobilien Zeitung dafür okkupiert. Gleichwohl, kalter Kaffee reift auch durch das Altern nicht. Der Leser sollte wissen – davon kein Wort im Artikel -, dass Herr Brune zu jener Zeit der Besitzer und Betreiber des Rhein-Ruhr-Zentrums war: 60.000 m2 Verkaufsfläche an der Stadtgrenze zwischen Essen und Mülheim. Dieses Zentrum ist ohne jegliche Beziehung zur Innenstadt von Mülheim in einem Gewerbegebiet errichtet worden, durch das Centro entstand ein direkter Konkurrent. Daher die Vehemenz der Ablehnung.

Nur zur Klarstellung: Drescher unterschlägt bei diesem Angriff, dass Brune in seinem Buch sehr wohl auf seine Planungen für das Rhein-Ruhr-Zentrum eingeht. Brune sagt dort auch, er müsse sich als Fachmann zu den Fehlplanungen äußern und lasse sich nicht das Wort verbieten. Mir kommt der Angriff sowieso nicht ganz sauber vor. Wie stellt sich das Drescher vor? Soll jeder, der sich auskennt, die Klappe halten, damit nur noch Amateure über sein Handeln berichten können? Tatsache ist, nach Dreschers Zeit in Oberhausen ist die dortige alte Mitte kaputt und die Gemeinde komplett verschuldet. Die Ruinen eines Blenders, könnte man sagen. Zudem fällt mir da ein, dass sich seinerzeit der damals noch lebende WestLB-Chef Friedel Neuber bei Unternehmen im Ruhrgebiet umschaute, ob nicht irgendwo ein Job für Drescher zu finden sei, als der aus der Politik aussteigen wollte. Einem mir persönlich bekannten Unternehmer sagte Neuber: Man habe da noch einen Versorgungsfall. Hat eigentlich die WestLB die Finger mit im Centro-Gemenge gehabt? Wie dem auch sei: Drescher greift weiter Brune an.

Zu jener Zeit (als Drescher das Centro durchdrückte, d.A.) war Oberhausen geprägt durch den Abbau von über 40.000 Arbeitsplätzen innerhalb weniger Jahre und einen massiven Kaufkraftabfluss. Schon Anfang der 90er Jahre gab es bereits keine Stadtmitte mehr, sondern drei Teilzentren. Inzwischen sind alle Teilzentren erheblich aufgewertet worden und erfreuen sich einer guten Frequenz als Nahversorgungszonen. Dazu ist die Neue Mitte Oberhausen (NMO) gekommen. Über 12.000 Arbeitsplätze sind in der NMO entstanden, davon nur knapp 3.000 im Centro. Über 20 Mio. Besucher aus ganz Europa bringen Kaufkraft in die Region. Es ist durch diese private Investition in ein modernes, touristisch ausgelegtes Shoppingcenter ein Impuls ausgegangen, der Oberhausen zum stärksten touristischen Anziehungspunkt im Ruhrgebiet hat werden lassen. Aus dem alten montanindustriellen Herzen der Stadt ist eine neue, pulsierende ökonomische Mitte entstanden. Dadurch ist Oberhausen nicht nur dem Niedergang entkommen, sondern hat sich zu einem Zukunftsstandort entwickelt – einem der wenigen im Revier. Diese Neue Mitte ist eine Erfolgsstory, auch wenn Herr Brune seit nahezu 20 Jahren mit den gleichen dauerhaft widerlegten Thesen dagegen wettert.

Auch das ist in meinen Augen eine schräge Wahrnehmung, die nur schwer mit der Welt da draußen in Übereinklang zu bringen ist. Ich habe den Architekten Brune gefragt, was er zu den Angriffen von Drescher sagt.

Herr Brune, sie haben sich als Architekt und Stadtplaner mit dem Centro beschäftigt. Geben Sie uns eine Gesamteinschätzung: War die Nummer ein Erfolg?

Wenn man den Erfolg des Centro Oberhausen beschreiben möchte, muss man sich erst einmal die Frage stellen: Für wen war es ein Erfolg? Für die Stadt Oberhausen war es der totale Niedergang. Ein Spaziergang zusammen mit einem Journalisten der Financial Times vor ca. 14 Tagen über die Haupteinkaufsstraße Oberhausens, die Marktstraße, war für den Journalisten ernüchternd. Wir standen vor 30 qm großen Pfützen mitten in dieser Einkaufsstraße. Links und rechts säumten nur noch schäbige Buden die Straße. Kaufhäuser waren geschlossen. Die wenigen noch vorhandenen Geschäfte führen ein Nahversorgungssortiment. In der Regel sind es Ketten, wie Aldi, Rossmann, Tengelmann, etc. Die Stadt ist kaputt. Wir konnten es bei besagtem Spaziergang eindeutig sehen. Insofern war das Centro Oberhausen für die Stadt Oberhausen kein Erfolg.

Was das Centro anbelangt, hat man sich, meiner Einschätzung nach, sicherlich einen größeren Erfolg vorgestellt, denn es sollten Kunden aus dem gesamten Ruhrgebiet und den Niederlanden angezogen werden. Das war am Anfang auch der Fall, doch es hat sich sehr schnell gelegt. Im Übrigen ist das Mieterangebot sehr dürftig und hauptsächlich auf sehr junge Kundschaft ausgerichtet, die bekannterweise nicht sehr viel Geld zur Verfügung hat.

Trotzdem ist das Centro Oberhausen lebensfähig und hat durchaus so viel Kraft, den Städten Oberhausen und Mülheim den Einsatzhandelsumsatz zu entziehen.

Mit dem Centro sollte eine neue Mitte in Oberhausen geschaffen werden, das sagte zumindest immer der damalige Oberstadtdirektor und spätere Oberbürgermeister von Oberhausen Burkhard Drescher. Ist das Centro eine neue Mitte geworden?

Herr Drescher hat den Bürgern vorgegaukelt, eine neue Stadtmitte zu schaffen. Triste Gebäude, von Parkplätzen und Parkhäusern umgeben, die abends um 22:00 Uhr schließen, bedeuten keine neue Stadtmitte. In einer Stadtmitte muss man abends noch einmal eine Gaststätte aufsuchen oder an beleuchteten Schaufenstern vorbei flanieren können. Eine funktionierende Stadtmitte hat ein vielfältiges Angebot; die Bürger kennen ihre Stadtmitte, sind stolz darauf und verstehen sie als ein Stück Heimat. Das kann kein Shopping-Center bieten und der Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen hat nichts neu installiert, sondern hat die Bürger ihrer Stadtmitte beraubt.

Wollte man dieses Versprechen einlösen, hätte Herr Drescher die Innenstadt größtenteils abreißen müssen, um das Centro Oberhausen so in die Innenstadt zu integrieren, dass es nach allen Seiten verglast und somit offen wäre und ein Teil der Innenstadt darstellen würde. Das war aber nicht möglich und konnte daher von vornherein nicht gelingen. Außerdem war es auch nicht gewollt. Herr Drescher war von Anfang nur daran interessiert, dem englischen Investor dieses große Projekt zu ermöglichen und alles, was mit der Stadt Oberhausen und sonstigen Städten dadurch passiert ist, war ihm völlig egal.

Ich kann natürlich nicht beweisen, welche persönlichen Interessen hinter diesem Bestreben lagen. Aber ein solches Handeln kann nicht ohne Streben nach persönlichem Vorteil vonstatten gehen. Es entspricht nicht dem menschlichen Wesen. Beweisen kann man das natürlich nicht, aber die Dinge liegen in diesem Fall so offenkundig auf der Hand, dass man eigentlich gar keine Beweise benötigt. Insbesondere die Tatsache, dass Herr Ex-Oberbürgermeister Drescher kurz vor seinem Abgang noch schnell dafür gesorgt hat, dass Kraft seines Amtes 30.000 qm Erweiterung genehmigt und somit machbar wurden, obwohl er sich selbst vor Beginn der Genehmigung des eigentlichen Shopping-Centers dazu veranlasst sah, eine Baulast eintragen zu lassen, die eine Erweiterung eigentlich nicht möglich machte. Also: Trick hin, Trick her! Das hat schon Dimensionen, denen man in diesem Zusammenhang Bedeutung zumessen muss. Und gleich, nachdem alles gelungen war, ist Herr Drescher in die Privatwirtschaft gewechselt, denn es hätte ja sein können, dass in seinen Amtsstuben doch noch kritische Stimmen aufgekommen wären, die ihm als Oberbürgermeister einen weniger guten Abgang beschert hätten.

Haben die gut 500 Fördermillionen aus öffentlicher Hand für das Centro irgendetwas für die Menschen im Ruhrgebiet gebracht?

Mit 500 Mio. Fördermitteln aus öffentlicher Hand hätte man, wenn ich beispielsweise den Planungsauftrag bekommen hätte, die Marktstraße sowie die Anfänge der Nebenstraßen zunächst vollständig saniert, Bäume gepflanzt, Bänke aufgestellt und durchaus einen Teil der Straßen mit Glasdächern überdachen können, aber absolut gesehen nicht auf ganzer Länge, sondern immer nur Einzelpositionen von vielleicht 20 m – 30 m. Danach hätten wieder 100 m offene Flächen angeschlossen. In eine Straße muss auch die Sonne ungefiltert scheinen können. Unter den verglasten Abschnitten hätten kleine Pavillons aufgestellt werden können, in denen man Cafés, kleine Gasstätten oder Sonderverkäufe platziert hätte. Diese Details hätte ich mit den Mitteln leicht finanzieren können und dann noch weiteres Geld in die Hand genommen, um auf der Länge der Straße Bronzeskulpturen aufzustellen, um eine künstlerisch hochwertige Skulpturenallee zu schaffen. Im Frühjahr und Herbst wären entsprechende Blumenbeete saisonal bepflanzt worden, genauso wie es andere Städte auch machen. In der Weihnachtszeit natürlich mit weihnachtlicher Bepflanzung, Beleuchtung und Ausstattung. Alles in allem hätten diese Verschönerungen ca. 50 Mio. ausgemacht.

Danach hätte ich die restlichen 450 Mio. gut angelegt und aus der Rendite, die jedes Jahr mindestens 20 bis 30 Mio. hätte bringen können, hätte ich in vielen Bereichen der Stadt, insbesondere im zentralen Bereich – ähnlich meinem Vorschlag – entsprechende Gestaltungen und Unterstützungen vorgenommen. Mit 500 Mio. hätte man eine Stadt dauerhaft als strahlende Einkaufsstadt darstellen können, durchaus auch mit der Möglichkeit aus diesem Topf den Einzelhändlern helfende Zuwendungen zukommen zu lassen, und sei es auch nur in Form von Krediten, die sonst nicht so leicht von den Einzelhändlern zu bekommen gewesen wären, oder Zinszuschüsse, die Kredite bei normalen Banken erleichtert hätten.

Alles mit voller Kraft und voller Absicht das Geld nur dafür einzusetzen, die Innenstadt und somit die gesamte Stadt zu aktivieren und zu fördern. Das hätte Oberhausen auf den ersten Rang der Ruhrgebietsstädte gesetzt.

Was aber stattdessen geschah, bedeutet, 500 Mio. verplempert zu haben, und zwar für einen privaten Investor, der die Innenstadt mit diesem Geld gleichzeitig zerstört hat.

Wurden wenigstens die versprochenen 10.000 neuen Arbeitsplätze in Oberhausen geschaffen?

Es wurden nicht nur 10.000 Arbeitsplätze versprochen. In einem Zeitungsartikel aus dieser Zeit äußerten die Investoren: „Sollte das Ladenschlussgesetz aufgehoben oder verlängert werden, werden sogar 12.000 Arbeitsplätze neu geschaffen.“ Das sollte heißen: Allein 2.000 Arbeitsplätze mehr nur im Centro. Heute wird argumentiert, man hätte zwar im Centro nur 3.000 Arbeitsplätze schaffen können, aber in Nachbarprojekten sind weitere Arbeitsplätze entstanden, was das Gesamte aufbessert. Aber selbst wenn es insgesamt 3.500 Arbeitsplätze sein sollten (was ich bezweifle, da hier genauso fehlinformiert wird, wie in anderen Bereichen), wird vermieden zu erwähnen, dass mindestens die gleiche Anzahl an Arbeitsplätzen im völlig zerstörten Einzelhandel der Innenstadt verloren gegangen sind, so dass unterm Strich ein Null-Summen-Spiel anzutreffen ist. Die von mir geschilderte „strahlende Innenstadt Oberhausen“ hätte aber tatsächlich neue Arbeitsplätze schaffen können, nicht aber das Projekt Centro Oberhausen.

Wie beurteilen Sie die Rolle von Herrn Drescher? Hat er dem Revier mit seinem Einsatz für das Centro genutzt oder geschadet?

Ich glaube, es versteht sich von selbst, dass die Einzelhandelsverlagerung aus Oberhausen, Mülheim, Essen, Bottrop und anderen nahe gelegenen Städten allen geschadet hat. Ein Shopping-Center in dieser Größe hat eine enorme Zugkraft auf den Einzelhandelsumsatz. Das konnte dem Revier keine positiven Impulse geben.

Die Landesregierung hatte festgelegt, dass die Verkaufsfläche auf 70.000 qm beschränkt werden sollte. Wurde diese Vorgabe eingehalten?

Ich habe die Ausführungspläne des Centro Oberhausen in meinem Büro. Wenn ich diese Flächen exakt nachrechne komme ich auf 97.000 qm Verkaufsfläche, wobei die Gastronomieflächen hierin eingeschlossen sind. Diese gehören natürlich auch zu einer Verkaufsfläche, denn die dort verkauften Waren werden ja nicht verschenkt. Also, auch die 70.000 qm wurden nicht eingehalten und hierüber hat sich auch niemals irgendjemand beschwert, schon gar nicht die Oberhausener Behörden. Im Gegenteil, sie haben die Größe genehmigt. Was sollten die Behörden auch anderes gegen die Anweisung des Oberbürgermeisters tun?

Heute gibt es in Essen den Limbecker Platz, andere Städte planen ähnliche Zentren. Welche Rolle spielt hier das Centro für den Wettlauf um das schönste Einkaufszentrum? Welche Auswirkungen hat der Wettlauf für die Innenstädte des Reviers?

Das von ECE am Limbecker Platz zusammen mit Karstadt errichtete innerstädtische Einkaufzentrum bewirkt durch die enorme Größe keine Stütze des innerstädtischen Einzelhandelsumsatzes. Natürlich werden die Kunden durch den Standort näher an die Innenstadt herangeführt, aber viele Kunden werden in dieser großen Fläche alle Kaufbedürfnisse befriedigt finden. Ein solches, in sich eingekapseltes Zentrum braucht die es umgehende Stadt gar nicht und leistet somit auch keinen positiven Beitrag zur Attraktivitätssteigerung einer Innenstadt.

Natürlich haben Sie recht, dass ein solches Projekt die Wettlaufbemühungen anderer Städte, ebenfalls ein Shopping-Center zu etablieren, beflügelt. So ist auch in Dortmund gemeinsam mit ECE geplant, ein innerstädtisches Einkaufszentrum am Westenhellweg zu bauen. Wenn solche Shopping-Center an zentraler Stelle liegen und nicht zu groß sind, dass sie sich selbst genügen und die umgebende Stadt noch brauchen und nur ein Teil der Sortimente anbieten, können sie natürlich positiven Einfluss auf die Stadt nehmen. Es ist immer eine Frage der Größe. Ich halte 20.000 qm Verkaufsfläche für die maximale Größe, um dem Einzelhandel der umliegenden Stadt noch eine Chance zu geben. Zudem sollte in solchen Projekten das Sortiment angeboten werden, das in der Innenstadt fehlt. So bildet sich aus vorhandenem und neuem Sortiment eine Einheit, die durch die Addition gesteigert wird.

Zahlreiche Gutachten sollten damals belegen, dass das Centro keine Gefahr für die Nachbarstädte darstellt. Haben sich die Gutachter alle geirrt? Und vor allem warum?

Es ist sehr offenkundig, dass die Gutachter in der Beurteilung des Centro Oberhausen unrichtige Aussagen tätigten. Es ist in Deutschland leider so, dass die Gutachter vom Investor bezahlt werden, weil die Städte hierfür angeblich kein Geld haben. Die 500 Mio. haben wohl nicht gereicht, ein paar Tausend hierfür auszugeben. Und so machen die Gutachter, was der Auftraggeber sagt. Wer die Musik bezahlt, bestimmt was gespielt wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Warum wurden eigentlich Projekte wie die Überdachung der Marktstraße nicht verwirklicht? Mit Hilfe dieser Initiativen sollte doch die Oberhausener Innenstadt gestärkt werden. Gab es überhaupt echte Anstrengungen von Drescher, dem alten Zentrum zu helfen?

Die Überdachung der Marktstraße war eine Täuschung der Bürger. Sie sollten eine neue, strahlende Innenstadt erwarten dürfen, aber Drescher hat alles dagegen getan, denn er hatte überhaupt kein Interesse, dass das Centro Oberhausen durch eine attraktive Innenstadt Konkurrenz bekommt. Sondern im Gegenteil, die Planung des Centro sieht klar vor, den Einzelhandel aus der nahen Innenstadt abzuziehen und in das Centro zu verlagern. Insofern waren die gesamten Gedanken zu Überdachungen, etc. reiner Schwindel. Das zur Verfügung stehende Geld wurde ausschließlich dafür eingesetzt, das Centro Oberhausen zu fördern. Man scheute auch nicht davor zurück, noch eine Straßenbahnlinie von Mülheim bis zum Centro zu bauen, damit die Mülheimer bequem dort hin gelangen konnten.

Die alte Innenstadt von Oberhausen sieht heruntergekommen aus. Aus A-Lagen wurden B-Lagen. Kann man sagen, dass hier Werte vernichtet wurden? Und falls ja, kann man eine Größenordnung der vernichteten Werte nennen?

Man kann feststellen, dass durch den Wegfall des Einzelhandels aus den früheren 1-A-Lagen die Gebäudewerte erheblich gemindert und dadurch vernichtet wurden. Ohne zu rechnen kann ich behaupten, dass die Summe der abgewerteten Immobilien erheblich ist. Beispiel: Wenn man auf der Königsallee ein Gebäude kaufen wollte, was ich verschiedentlich tat oder begleitet habe, musste man mit einer 24fachen Jahresmiete rechnen. Wenn man in einer guten Düsseldorfer Nebenstraße, auf der auch Geschäfte sind, ein Haus kaufen wollte, musste man mit der 18fachen Jahresmiete rechnen. Wenn man ein Haus ohne Ladenlokal im Erdgeschoss kaufen wollte, rechnete man mit der 12fachen bis 14fachen Jahresmiete.

Da sich die Häuser in der Oberhausener Innenstadt aber nicht als Wohnhäuser eigenen, als Büros nicht zu vermieten sind und das Erdgeschoss leer steht, kann man sich vorstellen, was man in diesem Fall überhaupt noch rechnen kann. Die Gebäude sind fast wertlos, es sei denn man bekommt einen Nahversorger ins Erdgeschoss, wie z. B. Aldi. Aber Aldi wird nur eine Miete zahlen, die sich bei netto sieben Euro je Quadratmeter bewegt, so dass auch dadurch keine deutliche Wertverbesserung eintritt. Nein, die Innenstadt ist vom Gebäudewert her ebenso zerstört worden, wie die Lebendigkeit der Stadt.

Es heißt, das Centro nutze der Stadt Oberhausen durch indirekte Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer. Stimmt das in Ihren Augen?

Die Frage bezüglich der Gewerbesteuer habe ich in meinem Buch eindeutig dargestellt. Es gab kaum positiven Effekte. Es ist ja so, dass die Einkommensteuer, die der Investor für den Überschuss aus den Mieten zahlen muss, mit der Abschreibung für das Gebäude kompensiert wird. Die Gewerbesteuer zahlen die meisten Mieter an dem Standort, an dem ihre Verwaltungen liegen, und da ein solches Shopping-Center meist aus großen Filialen besteht, sind die Verwaltungen dieser Filialketten meist nicht in Oberhausen ansässig. Auch hier kann man fast von einem Null-Summen-Spiel sprechen. Jedenfalls nicht von einem Ergebnis, von dem man sagen kann, dass das Projekt Centro Oberhausen die Finanzen der Stadt Oberhausen retten würde. Meinem Buch können Sie entnehmen, dass die Stadt Oberhausen vor Errichtung des Centro Oberhausen ein Zehntel so hoch verschuldet war, wie heute und nunmehr zu den ärmsten Städten des Ruhrgebiets zählt.

Wieso konnte Ihrer Ansicht nach das Centro überhaupt umgesetzt werden? Gab es eine moralische Verpflichtung des Landes, das Centro umzusetzen?

Wodurch das Centro überhaupt als Projekt erstellt werden konnte, geht eindeutig aus meinem Buch hervor. Weil ein früheres Projekt, das so genannte Triple Five gescheitert war, konnte die Landesregierung politisch zu einer Bringschuld verpflichtet werden. Das wurde ausgenutzt. Wenn es den Hauptinitiator, Herrn Heinz Schleußer, als damaliger Minister der Regierung in Düsseldorf, nicht gegeben hätte, der dort in Oberhausen seinen Wahlkreis hatte, gäbe es auch kein Centro Oberhausen.

Welches Motiv sahen Sie bei Drescher, dass Centro durchzudrücken?

Bezüglich Herrn Drescher’s Motiv möchte ich keine weitere Antwort geben.

Im damaligen SPD-geführten Landeskabinett gab es Widerstände gegen das Centro. Welche Rolle spielte es, dass dem Planungsminister Zöpel zunächst die Zuständigkeit für das Centro entzogen wurde, bevor er ganz aus dem Kabinett ausschied? Wer hat die Planungen im Kabinett warum unterstützt?

Das Ränkespiel im Landeskabinett bezüglich des Centro Oberhausen habe ich einige Zeit verfolgen können. Der SPD Minister Fahrtmann hatte sich damals energisch gegen das Centro ausgesprochen. Ebenfalls das CDU Mitglied Frau Thoben, aber offensichtlich ist Herr Schleußer mit seinem Ziel, das Centro Oberhausen mit Herrn Drescher zu verwirklichen, aus dem Machtkampf als Sieger hervorgegangen. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass sich Herr Zöpel, der sich vehement gegen das Centro eingesetzt hatte, eine „blutige Nase“ holte und schließlich aus der Landesregierung ausscheiden musste. Wer nun Herrn Schleußer unterstützt hat, kann ich nicht sagen. Möglicherweise Herr Rau persönlich. Aber das ist nur eine Vermutung. Auf alle Fälle kann ich feststellen, dass sich alle Beteiligten überhaupt nicht darüber im Klaren waren, was hier eigentlich gespielt wurde und welcher politische Schaden sich durch den Fall Oberhausen einstellte. Würden diese Personen noch einmal entscheiden müssen, wäre das Ergebnis sicher ein anderes.

Sie selbst haben Einkaufszentren geplant, etwa in Düsseldorf die Schadow-Arkaden. Oder in Mülheim beim Rhein-Ruhr-Zentrum. Sie waren auch im Gespräch als Planer für die Centro-Fläche. Kritisieren Sie das Centro jetzt nur, weil sie enttäuscht sind, das Sie hier nicht zum Zug kamen, wie das Drescher in seinem Leserbrief für die Immobilienzeitung nahelegte?

Als die kanadischen Investoren des gedanklichen Vorläuferzentrums zum Centro Oberhausen mit der Stadt Oberhausen Kontakt aufnahmen und wohlwollendes Entgegenkommen spürten, suchten sie einen Architekten und kamen zunächst zu mir. Ich habe den Herren erklärt, dass ich solche Zentren, insbesondere in dieser Größe, in meinem weiteren beruflichen Leben nicht mehr bauen werde, weil ich diese Initiative für falsch hielt und heute noch halte. Daraufhin haben sie mein Büro relativ spontan verlassen. Und auch die Landesregierung hatte es durch ein Votum geschafft, sich gegen diese kanadischen Investoren zu wehren und somit das Vorläuferprojekt zu verhindern. Da Drescher und Genossen meine Einstellung kannten, haben sie dafür gesorgt, dass die Centro Investoren gar nicht mehr bei mir vorsprachen, sondern andere Düsseldorfer Büros bevorzugten.

Darüberhinaus ist es richtig, dass ich vor 40 Jahren das Rhein-Ruhr-Zentrum für Stinnes geplant habe. Ich hatte damals ein Büro in New York und kannte die Szene der modernen Einkaufszentren in den U.S.A. sehr genau. Es waren auch andere Architekten aufgefordert worden, hierfür Pläne zu fertigen, aber meine Pläne wurden zur Ausführung herangezogen. Niemand hat vor 40 Jahren geahnt, welche negativen Auswirkungen solche Shopping-Center auf die Innen- und Nachbarstädte haben. Das Rhein-Ruhr-Zentrum sollte ja nicht den Einzelhandel aus Mülheim abziehen, sondern – an der Autobahn gelegen – eine alternative Einkaufsstätte für das gesamte Ruhrgebiet sein. Das dies nicht eintrat und mehr der Effekt zu Lasten der Stadt Mülheim eintrat, hatte mich dazu bewegt, mich an solchen Projekten nicht mehr zu beteiligen. Es geht sogar weiter. Ich habe daraus den Gedanken entwickelt, kleine Zentren ähnlicher Art, sogenannte Stadtgalerien, direkt in die Innenstadt einzubringen, und zwar an deren bester Stelle. So wie die Schadow-Arkaden und die Kö Galerie in Düsseldorf sowie ähnliche Projekte, die ich in vielen anderen Städten verwirklichen konnte. Hätte man eine solche Stadtgalerie mitten in die Marktstraße hineinplatziert, dann wäre ein anderer Effekt entstanden, nämlich ein positiver Beitrag zu einer blühenden Stadt Oberhausen.

Was sind die Unterschiede zwischen Ihren Planungen und dem Centro-Vorhaben?

Ich habe während meiner weiteren beruflichen Tätigkeit oft Anfragen erhalten, ob ich hier oder dort für große Konzerne ein Shopping-Center planen möchte. Ich habe alle Anfragen abgelehnt, mich aber durchaus dafür eingesetzt, meine Idee der Stadtgalerie – so wie ich sie genannt habe – in möglichst vielen Städten zu platzieren und halte es für eine hervorragende Chance für die Städte, den Einzelhandel attraktiver zu gestalten; natürlich unter vielen vorausgehenden Bedingungen. Und zu diesen Bedingungen habe ich bereits vor geraumer Zeit ein Buch mit dem Titel „Die Stadtgalerie – Ein Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstädte“ (Campus Verlag) geschrieben. Auch in diesem Buch stelle ich eindeutig klar, dass ich erkannt habe, dass große Einkaufszentren, sei sie auf der „grünen Wiese“ oder am Stadtrand, für Städte tödlich sind, und dass eine gute Stadtgalerie unter den verschiedenen, von mir dargestellten Voraussetzungen durchaus gegensätzliche, positive Wirkung erzielt.

Die Unterschiede zwischen meinen Planungen und dem Centro Vorhaben sind eindeutig. Centro und Rhein-Ruhr-Zentrum sind typische, nach amerikanischem Prinzip geplante Groß-Shopping-Center. Meine Planungen, die ich seit mehr als 30 Jahren durchführe, haben damit keine Ähnlichkeit, da die Projekte erheblich kleiner sind (oftmals nur ein Zehntel so groß) und sich nicht nur auf den Einzelhandel beziehen, sondern darüber hinaus auch viele Dienstleitungen aufnehmen, wie z. B. in der Kö Galerie in Düsseldorf ein Kino oder in den Schadow Arkaden, ebenfalls in Düsseldorf, ein kleines Theater oder in der Heuvel Galerie in Eindhoven (NL) eine große Philharmonie. Darüber hinaus in den Obergeschossen Büros und sonst dergleichen. Ich plane immer eine multifunktionale Stadtgalerie, die viele andere Impulse an die Innenstadt abgibt.

Heute hat der Regionalverband Ruhr die Planungshoheit für den Pott. Welche Schlüsse sollte er aus dem Centro ziehen? Was erwarten Sie vom RVR?

Mit Bezug auf den Regionalverband Ruhr habe ich noch keine Wirkung bei dem hier aufgeworfenen Problem erkennen können. Insofern kann ich mir hierüber kein Urteil erlauben. Sicher wäre es für diesen Verband ratsam, wenn er sich gründlich mit meinem Buch „Centro Oberhausen – Die verschobene Stadtmitte“ beschäftigen würde, insbesondere mit den Hintergründen, die zum Projekt führten.

Das Buch: Centro Oberhausen – Die verschobene Stadtmitte gibt es unter anderem hier: klack

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
20 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Ulrich Voß
14 Jahre zuvor

Naja, so schwarz/weiss ist die Welt nicht. Das Gerede von der neuen Mitte war natürlich irgendwo Quatsch. ABER Brune erzählt auch viel Mist.

Drescher hat insofern Recht, dass die Stadtmitte OB-alt schon immer problematisch war. Der Oberhausener ging zum Großeinkauf nach Duisburg, ins RRZ oder (zum größten Teil) nach Essen. Die Oberhausener Innenstadt hatte schon lange vor dem Centro erheblich weniger Einnahmen als an Kaufkraft in OB vorhanden war. Auch wenn es Brune anders sieht: Für mich als Oberhausener ist das Centro ein Gewinn. Auf jeden Fall fahre ich deutlich seltener nach Essen und quasi gar nicht mehr ins RRZ oder nach DU.

Auch vergisst Brune komplett, dass das Centro Kaufkraft von außerhalb anzieht. Düsseldorfer kamen früher nicht ins Ruhrgebiet, auch nicht in die Einkaufsstadt Essen. Heute kommen sie ins Centro. Wenn er behauptet, dass das beim RRZ anders sei und nicht funktioniert habe: D’accord. Aber das liegt am RRZ. Das Centro ist einfach größer und auch besser vermarktet.

Dass die Innenstädte leiden, stimmt auch. Aber zumindest in OB gab’s da auch nicht viel zu verlieren.

Wenn Brune Beispiele bringt, wie man eine Innenstadt erfolgreich umbaut, sind die nett. Aber das ist Düsseldorf! Da kann man aufwändig sanieren, umbauen und neue, kleine, hochwertige Geschäfte ansiedeln. Die Frage ist nur, ob das in Oberhausen funktioniert hätte. Wo soll der Investor herkommen? Wo sollen die Käufer herkommen? Es ist ja nicht so, als wäre die Überdachung nicht im Plan gewesen. Das Problem waren die Immobilienbesitzer, von denen große Teile nicht mitmachen wollte. Das übliche Problem an Einkaufsstraßen: Die ziehen nicht an einem Strang. Noch ein Beispiel: Teilweise konnte nicht einmal die Weihnachtsbeleuchtung finanziert werden. Wenn Brune das einfach unter den Tisch fallen lässt, macht er es sich genau so einfach wie Drescher …

Teilweise macht es sich Brune zu leicht. Wie die Nachbarstädte auch. Die sitzen auf kilometerlangen Einkaufsstraßen, die aus Zeiten unbegrenztem Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum stammen. Heute haben Städte wie Duisburg 100.000 Einwohner (und 20.000 Arbeitslose mehr) als vor 30 Jahren. Da ist es leichter auf das Centro zu schimpfen, statt sich an die eigene Nase zu fassen (wobei Duisburg kein gutes Beispiel ist, denn die tun ja jetzt auch was, statt zu jammern)

Sind die 500 Millione, die Brune in die Diskussion wirft, eigentlich durch irgendwas belegt? Wenn ja, wofür sind die geflossen? Nur für’s Centro, oder auch für Arena, Gasometer, Hafen …?

Olaf
Olaf
14 Jahre zuvor

Ich bin auch der Meinung das es sich Hr. Brune zu leicht macht mit seiner Kritik. Ok ich kenne die Hintergründe, Mauscheleien etc. bei der Planung und Bau des Centros nicht. Aber die Immobilienbesitzer einer alteingesessenen innerstädtischen Fußgängerzone dazu bringen das sie gemeinsam an einem Strang ziehen ist praktisch (fast) ein Ding der Unmöglichkeit. Hier in Castrop haben diese Leute sich im letzten Jahr beinahe die Köppe eingehauen als es darum ging eine gesetzliche Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) zu gründen.
Die meisten Immobilienbesitzer sind gedanklich noch in den fetten Jahren hängen geblieben wo man trotz Topmieten max. einen neuen Anstrich finanzieren musste.

Christoph
Christoph
14 Jahre zuvor

Brune behauptet in dem Interview, es könne keine Mitte sein, da es ab 22 Uhr keine Angebote mehr gäbe. In der Tat gibt es aber z.B. die Promenade, wo ich die Besucherzahlen sicher nicht kenne, aber von Leuten aus Duisburg weiß, dass sie hin und wieder dorthin fahren. Auch das Kino, die König Pilsener Arena oder die Musical Halle sorgen sicher noch für einen gewissen Betrieb nach 22 Uhr.

Innenstadt ist ja schön und gut aus Sicht des Stadtplaners, aber wenn ich wirklich Einkaufen gehen will, sind mir kostenlose Parkplätze wichtiger als eine Integration im Stadtkern.

Was aus denen von Bruner propagierten Stadtgalerien schnell werden kann, kann man sich in Bochum z.B. in der Stadtbadgalerie anschauen, die total verwahrlost ist.

Bruner macht mir einen etwas abgehobenen Eindruck…

Btw. etwaige Mauscheleien Seitens Drescher soll diese Kritik an Bruner mit Sicherheit nicht rechtfertigen!

trackback

[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von ruhrbarone, ruhrbarone, Sertic, tine , Städte SOZIAL planen und anderen erwähnt. Städte SOZIAL planen sagte: Ruhrgebietskiller Centro – ein Interview (Ruhrbarone): Vor ein paar Wochen hat der Raumplaner und… https://bit.ly/6qIrhQ #stadtentwicklung […]

trackback

[…] Oberhausen: Ruhrgebietskiller Centro – ein Interview (Ruhrbarone) – Ein Interview zum Oberhausener Einkaufszentrum Centro und seine Wirkung auf die Stadt Oberhausen und das gesamte Ruhrgebiet. […]

Thorsten
Thorsten
14 Jahre zuvor

Bei ehemals drei gewachsenen Zentren (Alt-Ob, Sterkrade und Osterfeld) – die alle drei nicht als A-Lage bezeichnet werden konnten und können – hat das Centro hier sicherlich Kaufkraft abgezogen. Das passiert aber auch in vielen anderen Vorort-Zentren im Ruhrgebiet. Leerstand durch die Discounter-Neubauten und die grüne Wiese. In Ob heißt die grüne Wiese nun mal Centro und ist trotzdem ein Gewinn für die gebeutelte Stadt.

In Oberhausen hat man es allerdings versäumt nach dem Ende von Zechen, GHH und Babcock eine Bildungsinfrastruktur zu etablieren. Die aktuelle Landesregierung hat zwar Mülheim und Bottrop mit einer FH bedacht. Oberhausen bleibt obwohl geographisch genau in der Mitte aber außen vor. Aber das ist ein anderes Thema.

B.Drescher
14 Jahre zuvor

Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass Herr Brune absolut daneben liegt: die Zahlen sind falsch, fakten verdreht, der Tenor tendenziös. Journalistisch ist es auch fragwürdig, wenn nur einer Stimme ein breites Forum geboten wird, die Stadt und der Angegriffene nur mit einigen Auszügen aus einem Leserbrief zu Worte kommt. Ich bin erreichbar.

teekay
teekay
14 Jahre zuvor

Ich bin wirklich begeistert wie sich hier eine spannende und relevante Diskussion entwickelt, die viele andere Plattformen und Medien nicht (mehr?) bringen wollen oder koennen. Natuerlich stehen hier zwei kontraere Meinungen gegenueber und ‚objektiv‘ wird man den Sachverhalt nicht loesen koennen. Blickt man tiefer in lokale Politik, dann wird man auch in Bayern oder Schleswig-Holstein sehr aehnliche Prozesse entdecken-das ist ja nix Ruhrgebiets- oder NRW-typisches.
Oberhausen und das Centro sind Teil eines groesseren ‚Nullsummenspiels‘ im Ruhrgebiet und ob jetzt in OB 500 neue Jobs enstanden, in Duisburg 463 wegefallen sind oder Touristen mehr in Duesseldorf als in Essen konsumieren ist relativ egal.
Traurig ist doch eigentlich nur, dass ‚Konsum‘ die einzige stadtplanerische Antwort zu sein scheint auf die urbanen Herausforderungen im Ruhrgebiet. Ob Centro, oder die ’neue‘ Duisburger Innenstadt oder die Projekte in Essen-am Ende des Tages sind das doch die gleichen Laeden, die gleichen Ketten. Hat halt Duisburg einen groesseren Media-Markt als Bochum oder Essen einen tolleren Karstadt als Bochum…wen juckt’s?! Natuerlich gibt es im Ruhrgebiet auch viel Kultur und der Duisburger Innenhafen, der Duesseldorfer Medienhafen oder der Gasometer sind ja Beispiele, dass das auch und gerade in der Naehe der Innenstaedte und neuen-alten Mitten statt finden kann. Aber wirklich kommunizieren tun diese Gebilde halt nicht mit einander. So bleiben viele leere Konsum-Blasen und unerfuellte Versprechen-aber auch die Anregung durch kritische Buecher wie hier besprochen nach besseren Loesungen zu suchen.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Ehe man das Für und Wider einer bestimmte Mall im Ruhrgebiet diskutiert sollte man sich erst mal darüber klar werden, wie eng die Geschichte dieser Region mit der „Mallisierung“ der Welt verknüpft ist, bzw. wieso das bislang größte Einkaufszentrum dieser Art in ganz Europa gerade hier „gelandet“ ist.

Es ist nicht nur die geballte Kaufkraft von 10-15 Millionen Menschen, je nach Umgebungsradius. Die Region hat sich geradezu systematisch auf den aktuellen Boom der Einkaufszentren vorbereitet.

Schon in den Sechzigerjahren, als die ersten Zechenschließungen große Brachen in stadtteil- und stadtzentralen Lagen freilegten, begannen in Ermangelung anderer Investoren dort verwaltungsseits zugelassene Groß-SB-Märkte massenhaft Kunden aus den gewachsenen Versorgungslagen abzuziehen. Die öffentliche, gegenüber dem Ausbau des Nahverkehrs massive bevorteilte Automobilisierung erleichtert gerade im dispersen Ruhrgebiet dann in den Siebziger- und Achtzigerjahren die Etablierung von Einkaufszentren, die auf Grund ihrer schieren Größe und Angebotsvielfalt selbst größeren Stadtzentren der Region Paroli zu bieten in der Lage waren.

Die Konkurrenz der Ruhrstädte vereitelte schon damals jede ernst zu nehmende Gegenstrategie. Die einzige regionale Institution die dazu in der Lage gewesen wäre, der damalige Kommunalverband Ruhr, wurde stattdessen politisch systematisch geschwächt und planerisch entmachtet. Statt gemeinsam weitere Einkaufsparks zu verhindern passten die Ruhrgemeinden ihre Zentren ebenfalls dem zunehmenden Autoverkehr an, uniformierten sie durch immer gleiche Fußgängerzonen und untergruben diese mit irre teuren Tiefgaragen.

Die weitere Schwächung des ÖNV bei gleichzeitigem weiteren Ausbau des regionalen (Stadt-)Autobahnnetzes zu einem fast flächendeckendes Raster aus 4-6 spurigen Straßen führt unausweichlich zu weiteren nicht integrierten Fach- und Supermärkten entlang und an den Kreuzungen respektive Abfahrten dieses „Grids“, vor allem entlang der „Regionalhaupstraße“ B1, beim „fahrenden Ruhrvolk“ und vielen anderen schon damals bekannt als Ruhrschleichweg.

Das CentrO war „nur“ der unausweichliche und auch nur der vorläufiger Höhepunkt dieser räumlichen „Amerikanisierung“ der Ruhrstadt. Seine Ansiedlung war so nur hier möglich, denn wo sonst in Europa hätte sich ein so dicht besiedelte Agglomeration angeboten, die mitten drin eine gut 90 Fußballplätze große Brache zur Verfügung zu stellen in der Lage war. Eine komplette Innenstadt plus 12.000! Parkplätze. Hierfür auf dem Weltkapitalmarkt fast 2 Milliarden DM zu sammeln wäre auch ohne die 350 Millionen Subventionsgelder schon „damals“ ein Leichtes gewesen. Mit war es erst recht ein Kinderspiel.

vw
vw
14 Jahre zuvor

Walter Brune vom Saulus zum Paulus? Mitnichten! Das Centro hat die Ruhrgebietseinkaufszentren im Westen Mülheim und und im Osten Bochum, doch erheblich unter Modernisierungsdruck gesetzt. Einem Modernisierungsdruck, dem der klassische Einzelhandel und die Immobilienbesitzer in den Zentren – die zumeist auch dort selbst nicht mehr ansässig sind – nicht gewachsen waren. Ein Druck, dem auch die Immobilien von Herrn Brune in Mülheim ausgesetzt waren.

Sicherlich läßt sich trefflich streiten, ob der Bau einer Einkaufsmall im westlichen Ruhrgebiet die richtige Regionalentscheidung war und der daraus entstandene Verkaufsflächenwettbewerb den Wirtschafts- und Lebensstandort Ruhrgebiet nachhaltig verbessert hat. Es war in jedem Fall keine nachhaltige Vision für die Region. Wenn es in den 90er Jahren für die Emscherregion eine nachhaltige Vision gab, war es die Internationale Bauausstellung Emscher Park. Die Weiterentwicklung der Parklandschaft, der Umbau der Emscher und die Kulturhauptstadt 2010 haben ihren Ursprung in dieser Vision. Projekte, die noch einen Nachhalll haben werden, wenn das Centro einer Neuinvestition weicht.

Es ist schwer zu sagen, welchen Weg der Underdog Oberhausen genommen hätte ohne den „Lottogewinn“ Centro. Ohne die letzmalige Investition von einer halben Milliarde öffentliche Mittel in die städtische Infrastruktur. Davon der größte Teil in die komplette Umgestaltung des ÖPNV. Gleichzeitig wurde eines der größten zusammenhängenden Industrieareale der Region einer neuen Nutzung zugeführt. Wie schwierig das ist, zeigt sich in Rheinhausen. Für die Stimmung der Stadt war es wie „Champagner“. Eingeheizt durch die öffentlichen Medien und einen Stadtmanager gab es eine Euphorie wie zu Goldgräberzeiten. Je abgedrehter die Vorstellungen, wie z.B. eine Veranstaltungshalle von Madison Square(the World’s Most Famous Arena in the heart of ruhrarea)heute Arena. Oder der Vergnügungspark Tivoli Garden heute Bruch Kirmes. Oder die Waterfront mit Oceanario a la Lissabon, heute Sealife und Heinz Schleußer Marina. Oder die gläsernde Flugzeugfabrik Walter Extra, heute Brache u.s.w.

New York, Toronto, Kopenhagen, Lissabon … Oberhausen das war eine „geile“ Zeit. Ich war noch niemals in Oberhausen, konnten damals nicht viele sagen. Und die Nachbarstädte? Ein Sturm der Entrüstung und ein Umgang ähnlich wie der FC Bayern mit Hoffenheim.

Und heute? Den Jackpot gewinnt man nicht zweimal!
Zweifellos ist das Ruhrgebiet mit dem CentrO um eine touristische Attraktion reicher geworden. Allerdings sind kaum neue Arbeitsplätze geschaffen worden, da die meisten Betriebe ihren Standort lediglich verlagert haben. Mittlerweile verlagern sich auch Krankenkassen, Ärzte oder andere Dienstleister ins Centro. Neuerdings gar das Finanzamt Die Folge u.a. das alte Zentrum der Stadt Oberhausen gerät in ein „downgrading“ eine funktionalen „Austrocknung“.

Blickt Brune bei den vielfältigen Probleme aber ausschließlich auf das Centro unterschlägt er (bewußt) städtebauliche Schieflagen, die durch die flächendeckende Ansiedlung der Diskounter Aldi, Lidl und Plus erzeugt werden. Und vielleicht gibt es doch einen qualitativ auch planerischen Unterschied zwischen der Erweiterung in der Fläche rund um die Metro Mülheim (Heifeskamp)und des ehemaligen Hüttenwerkes Neu Oberhausen/Centro.

Abschließend eine knappe Anmerkung zu den politischen Abläufen einer solchen Regionalplanung. 1996 eröffnete das Centro, drei Jahre später endete die IBA Emscher Park. Im selben Jahr verlor die SPD ihre jahrzehnte bestehende absolute Vorherrschaft in NRW.

Noch zwei Tips:
Ben Ruhr – Aufbruch im Revier gezeigt.Eine filmische Satire von Robert Bosshard (Oberhausen) aus dem Jahre 1988 mit Heinrich Pachl(Köln)als Imageberater Steiger.
Wilke, V. (1997): Schöne neue Einkaufswelt. CentrO – Mall of Oberhausen. In: AKP. Fachzeitschrift für alternative Kommunalpolitik, Nr. 18 (5), S. 36-37

Arnold Voss
14 Jahre zuvor

David, ich wollte mit meinen Betrachtungen nicht das CentrO selbst bewerten sondern nur die regionalhistorischen Hintegründe aufzeigen. Hinzu kommt, dass beim Centr0 einen Teil der Subvention zum völligem Umbau des örtlichen Nahverkehrssystem benutzt wurden, um die „neue“ Mitte eben nicht nur mit dem PKW sondern auch mit dem ÖPNV gut erreichbar zu machen, und das mit Erfolg.

Diese Summe kann deswegen nicht unbedingt als unmittelbare Fördersumme für das CentrO vereinnahmt werden bzw. ging diese zum Teil eben auch an die Stadt Oberhausen selbst.

Aufwertungen dieser Art haben immer auch Abwertungen anderer Standorte zu Folge und damit Vernichtung von privatem und öffentlich Kapital. Hinzu kommt der unvermeidliche Kaufkraftsaugeffekt jeder in dieser Art in sich gechlossenen und überdachten Großanlagen. Sie sind ja darauf angelegt, dass alles Geld nur in ihnen ausgegeben wird. Dieser mit solchen Systemem mit konzipierte gnadenlose Verdrängungswettbewerb wirkt übrigens auch in sogenannten integrierten Lagen wie z.B. am Limbecker Platz in Essen.

Solche Investments gelten in den USA schon seit langer Zeit als eine der sichersten Kapitalanlagen. Dass die dafür Verantwortlich natürlich noch gerne eine paar Subvention zusätzlich mitnehmen ist selbst in der offiziellen Regionalökonomie schon lange als eben solcher Mitnahmeeffekt bekannt. Das dass besonders leicht in Region geht in denen sich eine starke innere Konkurrenz um Investitionen mit ein insgesamt schwierigen Wirtschaftlage paart, liegt auf der Hand.

Da war dann der umtriebige Drescher aus Sicht der Investoren eigentlich nicht mehr und nicht weniger als ein Ausführungsgehilfe. Aus seiner Sicht jedoch hat er ohne Zweifel die einmnalige Chance beim Schopf ergriffen und rigoros durchgesetzt. Man kann es mit Fug und Recht sowohl als Glanz- als auch als Fehlleistung sehen.

Dirk E. Haas
Dirk E. Haas
14 Jahre zuvor

Sehen wir es mal so: Dem Bau des CentrO ist es zu verdanken, dass Alt-Oberhausen der ganze Zinnober aus mediokren Stadtgalerien, glasüberdachten Fußgängerzonen und billigefeuberankten Parkpaletten weitgehend erspart geblieben ist. Wer sich die stadträumlichen Qualitäten der Oberhausener Innenstadt genauer anschaut (https://www.sehenlernen-nrw.de/sehstation/oberhausen-standort00.html ), der dürfte froh sein, dass der unvermeidliche Disneyurbanismus woanders stattfindet. Jetzt, wo die Immobilienwerte in Alt-Oberhausen unten sind, aber die Grundstruktur erhalten geblieben ist, ist dort Raum für andere Entwicklungen.

So paradox es klingen mag: das CentrO hat sogar ein bisschen Ruhrgebiet gerettet. Wenn auch ohne Absicht.

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Interessante Sichtweise Dirk. Zumindest aus der Sicht zukünftiger Mieter/Nutzer. Aus solch einer städtebaulichen Entwertung ist übrigens in Bochum das Bermuda3eck entstanden.

trackback

[…] am Vortag: Oberhausen: Ruhrgebietskiller Centro – ein Interview (Ruhrbarone) – Ein Interview zum Oberhausener Einkaufszentrum Centro und seine Wirkung auf die Stadt […]

Avatar70
Avatar70
14 Jahre zuvor

Was zählt ist ob die Mehrheit der Leute solche Malls gut findet und dort einkaufen will. Und offentlich gibts die, sonst hätte man nicht auch noch in Essen und Duisbirg ähnliches gebaut.

Das hängt schlicht damit zusammen das man in solchen Malls bei jedem Wetter hingehen kann und eigentlich immer einen Parkplatz findet.

Ich kaufe aus dem Grund eigentlich nur noch in Malls ein, das die Geschäfte in den Innenstädten darunter leiden und teilweise schließen müssen ist eben ein natürlich Prozess.

Und mal ganz ehrlich, ich weine der Oberhausener Innenstadt auch keine Träne nach. Sie war auch schon vor dem Centro nicht. Um das zu ändern hätte man vermutlich mehr investieren müssen als ins Centro um sie wenigstens halb so interessant wie die weitaus schönneren Innenstädte in Essen oder Duisburg zu machen.

trackback

[…] Linktipp: Ruhrgebietskiller Centro […]

trackback
13 Jahre zuvor

[…] Apple Store, und weil wir grade bei den schönen Sachen im Leben sind, erwähne ich das zugehörige “Et tu, apple?” in Sachen Ruhrgebietsmord nur am Rande. Und überspringe zum Abschluss einige Buchstaben im Alphabet, weil eine […]

BobbyRS
BobbyRS
13 Jahre zuvor

man labert der ne scheiße. das Centro ist das beste was uns hätte passieren können. Die Innenstadt wäre früher oder später sowieso kaputt gegangen. Man kann nicht immer auf alles Rücksicht nehmen, es gibt immer Gewinner wie auch Verlierer. Nur der stärkste setzt sich durch -ENDE-.

Werbung