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SPD und Fatah: Interview mit Tilman Tarach

Der israelische Staatspräsident Schimon Peres (links) mit dem Fatah-Mitbegründer Jassir Arafat, Davos 2001. Foto: (CC BY-SA 2.0) flickr/ World Economic Forum

Die Debatte um den „strategischen Dialog“ der SPD mit der palästinensischen Fatah reißt nicht ab. Zuletzt hatte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Wort gemeldet: Er verweist darauf, dass die Fatah das Existenzrecht Israels schon seit langem anerkenne. Außerdem sei die Partei ein wichtiger Partner im Nahost-Friedensprozess. Gabriel wehrt sich damit gegen Kritik an einem Treffen der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles mit einem Vertreter der Fatah vergangenen Donnerstag. Die beiden Parteien bekräftigten ihre „gemeinsamen Ziele“ und wollen ihre „Partnerschaft“ weiter vertiefen. Der Buchautor Tilman Tarach klärt im Ruhrbarone-Interview auf über Hintergründe der ehemaligen Guerilla-Truppe und ihre Beziehung zur SPD.

Ruhrbarone: Die SPD festigt ihr Bündnis mit der Fatah. Sagen sie doch bitte kurz etwas zu den Anfängen der palästinensischen Partei.

Tilman Tarach: Nun, zunächst ist die Frage, ob der „strategische Dialog“ zwischen SPD und Fatah wirklich etwas Neues darstellt. Es waren schließlich die Sozialdemokraten Bruno Kreisky und Willy Brandt, welche die Fatah Ende der 1970er Jahre in Europa maßgeblich erst salonfähig gemacht haben; kurz darauf wurde die Fatah Mitglied der „Sozialistischen Internationale“. Kontakte zur Fatah pflegte die SPD in Wahrheit seit damals. Im Jahr 2004 veranstaltete die Friedrich-Ebert-Stiftung in Beirut eine Tagung mit der islamofaschistischen Hisbollah. Insbesondere der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel und der SPD-Fraktionsvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern Norbert Nieszery haben auch in jüngster Zeit im Windschatten der antiisraelischen Verleumdungen von Günter Grass gegen den jüdischen Staat polemisiert. Von daher ist verwunderlich eher, daß dieser Dialog nun ernsthaft Erstaunen hervorruft.

Die Fatah wurde 1959 unter anderem von Jassir Arafat gegründet und hatte als Ziel die „Befreiung Palästinas“ und die Zerstörung der jüdischen Souveränität. Der glühende Antisemit, NS-Anhänger und Mufti von Jerusalem, Hajj Amin el-Husseini, finanzierte und beriet die Partei von Anfang an.

In der Mitteilung der Sozialdemokraten heißt es, dass „Beide Parteien beteuerten, dass die Zwei-Staaten-Lösung die einzige Lösung für einen gerechten und umfassenden Frieden ist, mit dem endgültigen Ziel eines unabhängigen palästinensischen Staates, Seite an Seite in Frieden und Sicherheit mit Israel.“ Will die Fatah die Zwei-Staaten-Lösung wirklich?

Nein, dann müßte sie beispielsweise endlich ihre Blut-und-Boden-Position hinsichtlich des sogenannten Rückkehrrechts aufgeben. Die unlängst erfolgte Erklärung von Mahmud Abbas, er persönlich bestehe nicht mehr auf seinem Rückkehrrecht (so wie Hunderttausende aus arabischen Ländern geflohene Juden sich längst mit den Realitäten abgefunden haben), hat diese Position erfreulicherweise etwas aufgeweicht, aber eine neue politische Position in dieser für eine Zwei-Staaten-Lösung wichtigen Frage ergibt sich daraus noch nicht.

Weiter schreibt die SPD: „Beide Parteien bekräftigten ihre gemeinsamen Werte, ihr gemeinsames Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung und ihre Überzeugung, dass nur auf politischem und gewaltfreiem Weg dieses Ziel im Einklang mit dem internationalen Recht verwirklicht werden kann.“ Noch 2011 haben die „Al Aqsa Märtyrer Brigaden“, der bewaffnete Arm der Fatah, Anschläge verübt. Hat die Fatah dem bewaffneten Kampf gänzlich abgeschworen?

Nein, wie der bestialische Mord in Itamar im März 2011 zeigt. Es ist aber dennoch wichtig zu verstehen, daß eine existentielle Gefahr für Israel heute weniger von der Fatah ausgeht, sondern vor allem vom iranischen Regime und seinen Stellvertretern. Es spricht nach meinem Dafürhalten übrigens durchaus nicht grundsätzlich etwas dagegen, mit der Fatah über das (angebliche) „gemeinsames Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung“ zu sprechen, das Problem ist vielmehr, daß die SPD alles andere tut, als die Fatah in irgendeiner verbindlichen Art darauf zu verpflichten.

Palästinenser-Präsident Mammud Abbas will für die Palästinenser eine Mitgliedschaft in der UN erwirken. Warum sperren sich Israel und die USA dagegen?

Es handelt sich zwar nur um eine Mitgliedschaft als Beobachterstaat, dennoch widerspricht ein solcher Schritt den Oslo-Vereinbarungen, nach denen eine UN-Anerkennung nur Folge von Verhandlungen sein kann. Es ist zudem durchaus zu befürchten, daß eine solche Mitgliedschaft lediglich zur Fortsetzung des Kampfes gegen Israel genutzt wird, nicht aber dazu, endlich eigene rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen. Insofern wäre möglicherweise sogar eine vollständige UN-Mitgliedschaft noch eher zu begrüßen. Es darf aber bezweifelt werden, daß die maßgeblichen palästinensischen Funktionäre wirklich eine Staatsgründung anstreben; schließlich würden die Palästinenser dadurch auch in die Pflicht genommen werden und ihren bequemen Opfer-Status riskieren.

Im letzen Jahr haben Hamas und Fatah ein „Versöhnungsabkommen“ unterzeichnet, dass die Annäherung beider Gruppen festigen soll. Was bedeutet das für Israel – wird der Ton dann rauher, oder wird Fatah mäßigend auf die Hamas einwirken?

Weder noch. Dieses Abkommen ist ein Papiertiger.

Die Fatah verpflichte sich, so heißt es in der SPD-Erklärung weiter, „ihren Beitrag zu leisten, um den Dialog zwischen Bewegungen (…) auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Werte Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Gleichheit und Achtung von Minderheiten zu befördern.“ Wie modern ist die Fatah heute im Vergleich zu ihrer Anfangszeit? Wird sie diesem Anspruch gerecht?

Wie modern oder unmodern die Fatah ist, hängt zuvörderst davon ab, wie sehr die palästinensische Bevölkerung für ein eigenes gutes Leben statt für die Zerstörung Israels kämpft. Im Westjordanland gibt es durchaus dahingehende Tendenzen. Mitunter wird aber auch von Menschen, welche die Notwendigkeit der Verteidigung Israels erkennen, so getan, als seien Araber dazu grundsätzlich nicht willens oder in der Lage. Eine solche Einstellung ist im Grunde rassistisch, führt zu einer geradezu apokalyptischen Hysterie und hat mit einer Kritik am antisemitischen Wahn gegen Israel nichts zu tun.

Vielen Dank für das Interview!

(Tilman Tarach ist Jurist und lebt in Freiburg im Breisgau. Er ist Autor des Israel-Buches „Der ewige Sündenbock“ und schreibt unter anderem für Konkret, Jerusalem Post und die Jüdische Allgemeine.)

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Freidenker
Freidenker
11 Jahre zuvor
Stefan Laurin
Admin
11 Jahre zuvor

@Freidenker: Schöner Artikel von Tobias Kaufmann, allerdings hat er ein anderes Thema. Die beiden Artikel kann man daher nur schlecht miteinander vergleichen.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Niemand auf dieser Welt ist unter den gegebenen Bedingungen derzeit in der Lage, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser zu lösen, weder mit friedlichen noch mit kriegerischen Mitteln.

Und wenn das so ist, besteht foglich latent die Gefahr eines Krieges, auch wenn durch den keine dauernde Konfliktlösung möglich erscheint. Daß ein solcher Krieg nicht auf Israel-Palästina beschränkt bleiben wird, ist herrschende Meinung.

Es spricht nichts, aber auch gar nichts, sondern es spricht alles dafür, daß jede politsche Kraft in Deutschland, in Europa,in der Welt die Möglichkeit zu einem Gespräch mit einer der unmittelbar am Komflikt beteiligten Parteien nutzt. Das geschiet jetzt u.a.zwischen SPD-Vertretern und Vertretern der Fatah.

Willy Brandt hat seinerzeit mit Unterstützung seiner SPD das Gespräch mit Repräsentanten der DDR gesucht und ausgebaut und vor allem, er hat durch die Gespräche unmittelbari etwas für die Menschn in der ehemaligen DDR erreicht. U.a. deshalb wurden seinerzeit Brandt und seine SPD beschimpft, bekämpft und in diversen Wahlkämpfen als „Freunde der Kommunisten“ diffamiert. Dieses politische „Getöse“ kam u.a. aus dem Lager, das sich jetzt veranlaßt sieht, auf die SPD „einzuprügeln“, weil ihre Leute mit der Fatah sprechen.

Ich hoffe, daß „meine“ SPD auch mit Blick auf W.Brandt und die von ihm verantworteten Gespräche mit der DDR sowie rückblickend auf das seinerzeit gezeigte politische Stehvermogen wider alle Anfeindungen auch jetzt dabei bleibt, mit jeder Konfliktpartei im sog. Nahen Osten zu sprechen, wenn Bereitschaft dazu signalisiert wird.

der Harry
der Harry
11 Jahre zuvor

#3 | Walter Stach

Volles ACK,

mit einer Einschränkung: Mit kriegerischen Mitteln lässt sich das sehr wohl lösen!

Und mit dieser Meinung sehe ich mich nicht als singuläres Ereignis – allein, wenn ich nach dem gehe, was ich hier zum Thema lesen darf, präferiert der größere Teil der hier Anwesenden (Aufrechner) wohl diesen Weg.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Der Harry -4-:

Ich bleibe bei meiner Befürchtung, daß auch ein Krieg das K e r n problem nicht lösen kann.
Und warum nicht?
Keine der derzeit gedachten, bedachten, diskutierten Lösungen, unterstellt, eine davon, welche auch immer, würde mittels eines Krieges durchgesetzt, wird eine dauerhafte Akzeptanz bei allen Beteiligtgen, bei allen Betroffenen finden. Und Beteiligte/Betroffene sind ja nicht nur die Israelis und die Palästinenser, sondern alle Staaten der Region und wegen ihrer Eigentinteressen in der Region eben auch die USA,Rußland,China , die EU bzw. deren Mitgliedstaaten.

Deshalb denke ich, den Inhalt meines ersten Satzes unter -3-nicht korrigieren zu sollen.

Ausschließen kann ich nicht, daß die derzeit gegebenen Bedingungen, auf die meine Meinung fußt, sich irgend wann ändern -lokal, regional,international. Da die derzeit gegebenen Bedingungen, daran will ich hier lediglich erinnern, aber derart komplex sind, lassen sich zum Ob, zum Wie,zum Warum und zum Wann solcher substantieller Änderungen/Veränderungen der derzeit gegebenen Bedingungen m.E. keine Voraussagen treffen.

Was bleibt dann derzeit aus meiner Sicht zu tun?

Wenn das K e r n problem nicht zu lösen ist, weder friedlich noch durch Krieg, dann muß es darum gehen, auf der Basis des status quo vorrangig zunächst das Leben aller Menschen in der Region gegen Gewaltakte jeder Art zu schützen und zudem allen Menschen, und das gilt angesichts der derzeitigen Gegenbenehiten maßgeblich für die Palästinenser, dauerhaft ein würdiges Dasein zu ermöglichen (Was alles zu einem „würdigen Dasein“ gehört, lasse ich hier ‚mal offen – eben darüber wäre zu sprechen, z.B. auch zwischen SPD und Fatah.)

Haben Brandt und seine (auch meine) SPD nicht ähnlich gedacht und gehandelt, als sie seinerzeit feststellen mußten, daß unter den damaligen Bedingungen das
deutsche K e r n p r o b l e m, nämlich die Teilung des Landes, nicht zu lösen war?
Und trotzdem oder gerade deswegen hat „man“ miteinander gesprochen, nämlich der Menschen wegen, besonders der Menschen in der DDR wegen.
Unser K e r n problem konnte erst rd.2o Jahre nach Brandt friedlich gelöst werden, nicht der besseren Einsicht der unmittelbaren Kontrahenten wegen, sondern weil sich die Bedingungen für eine friedliche Problemlösung fundamental geändert hatten. Und das kann, vielleicht in 2o Jahren, duchaus vergleichbar auch im sog.Nahen – Osten der Fall sein.

Aber egal, wie unterschiedlich wir hier im Blog und darüberhinaus die gegebenen Bedingungen interpretieren, wie unterschiedlich unser Meinungen zu den Möglichkeiten und den Mitteln einer Problemlösung sind, bekanntlich gilt seit altersher:
„Solange Gegner, solange Feinde,solange Todfeinde miteinander sprechen -direkt oder über Dritte-bleibt der gewaltsame Konflikt, bleibt das Töten außen vor;zumindest das massenhaften Töten in einem Krieg.“

Und wenn ein weiteres Gespräch zwischen Vertretern der SPD und der Fatah dazu einen kleinen Beitrag leisten kann, dann ist das das gut so.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

Lese so eben bei SPIEGEL online über neue gewaltsame Auseinandersetzungen zwichen Israel und der Hamas. Zumindest „kriegsähnlich “ hat man das wohl zu nennen.

Steht uns jetzt der Krieg bevor? Oder gibt es stattdessen Gespräche -wann,wo und zwischen wem auch immer-?

Und im Falle eines erneuten Krieges -eines „kleinen“, auf die Region begrenzten ,oder eines „großen“, der auch Europa, zumindest Teile Europas zum Kriegsgebiet werden lassen könnte, frage ich mich:
a.)nach dem Kriegsziel, den Kriegszielen
b) nach dem Wie des Kriegsendes und
c.)nach dem Inhalt eines Friedensvertrages.
-sh.dazu meine Anmerkungen unter -3-und unter-5- mit meinem Resümee:

„Ein Krieg kann und wird nicht das K e r n problem lösen , egal ob, wann und wie der Krieg endet.“

derHarry
derHarry
11 Jahre zuvor

Nach dem die US-Wahl gelaufen ist, wird der israelische MP den Druck auf Obama verstärken und nunmehr aktives Handeln einfordern.

Er trifft auf einen US-Präsidenten, der mit den Republikanern, unter sonst fast gleichen Bedingungen wie vor der Wahl, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen muss.

Und dass ihm gerade zwei Gschänerells von der Fahne gingen, wird es wohl nicht einfacher machen.

Edi
Edi
11 Jahre zuvor

walter stach: sehr „hoffnungsvoll“ ihr ansatz! hat leider mit der diskursbereitschaft der sozialdemokraten nichts zu tun, bzw ausser „hoffnung“ keinen bezug zur realität! schade-marmelade! die spd muss man ZWINGEN zu handeln, weil sie voller karierristInnen ist, die ihren parlamentsessel herbeisehnen, bzw diesen nicht verlassen wollen. da geht’s doch nur noch um individuelle karrieren und (leider?) nichts weiter! der alltägliche kontakt beweist dies! und diese karrieristInnen haben nicht den charakter, um irgendwas zum besseren zu verändern! lampenputzer…

derHarry
derHarry
11 Jahre zuvor

#8 | Edi

Cool Bleiben – keine Panik!

Lösung: Einfach `ne andere Partei wählen.

Walter Stach
Walter Stach
11 Jahre zuvor

-8-Edi

Ich habe grundsätzlich, völlig losgelöst von der SPD oder sonstwem, dafür plädiert, über Gespräche zu versuchen, in kleinen und kleinsten Schritten den Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser zu entschärfen und dabei vor allem nicht darauf zu setzen, daß das K e r n problem derzeit lösbar sein könnte, sondern stattdessen alles zu tun, um trotz des oder gerade wegen des m.E.derzeit unlösbaren Kernproblemes allen Menschen in der Region ein würdiges Leben zu ermöglichen, ein Leben, das nicht tagtäglich existentiell bedroht ist.

Anlaß für diese von mir geäußerte Meinung war das Gespräch von SPD-Vertretern mit der Fatah, das ich wegen meiner grundsätzlichen Position, die ich dargelegt habe, wie jedes andere Gespräch mit den Konfliktparteien nicht nur für sinnvoll, sondern für unbedingt notwendig halte.

(Mir ist relativ egal, was die Gesprächspartner, z.B.die Vertreter „meiner“ SPD, dazu motiviert hat.
Und wenn es dabei auch um die Befriedigung persönlicher Eitelkeiten gegangen ist, um Profilierungsbemühungen innerhalb und außerhalb der Partei? Das ist nun ‚mal im Poltikbetrieb parteiübergreifend und international üblich;mich stört das nicht:wie hat H.Kohl gesagt: „Entscheidend ist, was hinten ‚raus kommt“.

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