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15-jährige Ehefrauen und die offene Gesellschaft

 

Protest gegen Frühehen. v.l.n.r.: Myria Böhmecke, Monika Michell (Referentinnen zu Gewalt im Namen der Ehre bei TERRE DES FEMMES), Marina Walz-Hildenbrand (Rechtsanwältin), MDn Kienemund (Abteilungsleiterin "Bürgerliches Recht"), Maja Wegener (Fachbereichsleiterin TERRE DES FEMMES), Dr. Wichard (Unterabteilungsleiter "Familienrecht"), Dr. Meyer (Referatsleiter "Familienrecht, Erbrecht"), Dr. Vollmer (Referentin von Dr. Meyer). Foto: © TERRE DES FEMMES
Protest gegen Frühehen. v.l.n.r.: Myria Böhmecke, Monika Michell (Referentinnen zu Gewalt im Namen der Ehre bei TERRE DES FEMMES), Marina Walz-Hildenbrand (Rechtsanwältin), MDn Kienemund (Abteilungsleiterin „Bürgerliches Recht“), Maja Wegener (Fachbereichsleiterin TERRE DES FEMMES), Dr. Wichard (Unterabteilungsleiter „Familienrecht“), Dr. Meyer (Referatsleiter „Familienrecht, Erbrecht“), Dr. Vollmer (Referentin von Dr. Meyer). Foto: © TERRE DES FEMMES

 

Am Freitag veröffentliche das Oberlandesgericht Bamberg einen Beschluss, durch den dem Jugendamt das Aufenthaltsbestimmungsrecht über eine junge, geflohene Syrerin aberkannt wurde. Die heute 15-jährige Alia soll zurück in die Obhut ihres 21-jährigen Ehemannes Amir dürfen. Die Ehe wurde für rechtmäßig erklärt. Zwar gedenkt das örtliche Jugendamt, weiter um das Mädchen kämpfen und erfährt hierbei auch Unterstützung aus der Politik, dennoch zeigt der Fall überdeutlich, wo die Schwächen in deutscher Asylpolitik und Willkommenskultur liegen.

Der Gleichheitssatz ist bereits eine Idee aus dem antiken Griechenland. Die Toleranz von abweichenden Lebensentwürfen ist ein viel jüngerer Gedanke und vielleicht gerade deswegen zur Zeit mehr en vogue: Der viel diskutierte Fall Alias und Amirs (die eigentlich anders heißen) wird oftmals damit bagatellisiert, dass es sich vielleicht um wahre Liebe und eine freie Entscheidung handeln könnte. Und in Deutschland ist es noch immer vorgesehen, dass für die Anerkennung einer Ehe die rechtlichen Bestimmungen im Herkunftsland über die Gültigkeit bestimmen, nicht die hiesigen. Die Gleichheit vor Gericht, jedoch auch die Gleichheit in der Gesellschaft, wird mit diesem Kulturrelativismus aufgehoben. Obwohl die Justizministerkonferenz demnächst darüber diskutieren wird, ob eine Ehemündigkeit erst ab 18 für alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendliche eingeführt werden soll, wird dieser Schritt, selbst wenn man ihn tut, viel zu wenig und viel zu spät sein: Andere Pärchen dieser Art, werden über ihre Ehe gar nicht erst informieren und sie heimlich fortsetzen. Trotz des bewilligten Asylantrages kann man in solchen Fällen maximal dem halben Ehepaar zu einer gelungenen Flucht gratulieren: Gleichberechtigte Liebe und freie Entscheidungen sind im Nahen Osten keine etablierten Konzepte für die Ehe; vor syrischen Zuständen flieht man nicht ohne Grund.

„Eherecht“ und „Frauenrechte“ in Syrien

Dass das extrem junge Ehepaar sunnitisch ist, muss nicht unbedingt etwas über die Fluchtgründe aussagen: Durchaus könnte, wie so oft in letzter Zeit reflexartig angenommen, auch die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat, die bekanntermaßen schon einen internationalen Sexring eingerichtet hat und junge Muslime damit anwirbt, dass bei ihnen der Sexjihad erlaubt sei, zu seiner Entscheidung beigetragen haben. Das beispiellose Patriarchat in Syrien gibt es unter der alawitischen faschistischen Al-Assad-Regierung jedoch schon viel länger. So sind nicht nur Mehrfachehen erlaubt und das Anheiraten von Kindern legal – auch können muslimische Männer per Gesetz heiraten wen immer sie möchten, während muslimische Frauen nur muslimische Männer heiraten dürfen und nicht-muslimische Frauen allgemein als „Freiwild“ gelten. Zusätzlich haben wir es mit einem Rechtssystem zu tun, in welchem für Vergewaltiger die Möglichkeit besteht, ihre Opfer nachträglich zu heiraten, um einer Strafverfolgung zu entgehen und einer Exekutive, die sich Vergewaltigungen seit Jahren, und auf Befehl hin, als (nicht nur) Propagandawaffe bedient. Eine Frau, die durch eine Vergewaltigung und damit den außerehelichen Geschlechtsverkehr „ihre Ehre“ verliert, wie es heißt, wird anschließend immer wieder zum Opfer sexualisierter Gewalt. Entsprechend häufig werden Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht; und entsprechend häufig sagen Frauen in Syrien ihre Meinung oder trauen sich überhaupt, sich eine eigene zu bilden. Im März äußerte sich die Chefredakteurin des einzigen Frauenmagazins in Syrien, Yasmine Merei, in einem Interview mit Zeit-Online folgendermaßen:

„Die Medien haben sich nie mit den Frauen befasst. Deswegen wissen viele nicht, was Frauenrechte sind. […] Wir haben seit Jahrzehnten die gleiche Verfassung, in der die Benachteiligung der Frau festgeschrieben ist. Es gibt keine Gleichberechtigung im Erbrecht, Ehrenmorde und Zwangsheirat sind an der Tagesordnung.“

Ehepraxis im Nahen Osten und auf der Flucht

Als immerhin Cousin und Kusine ist es mehr als wahrscheinlich, dass es sich bei der Beziehung zwischen Alia und Amir um eine arrangierte Ehe handelt. Dem europäischen Hochadel im Mittelalter nicht unähnlich, ist es im Nahen Osten sehr üblich, seine Kinder mit nahen Verwandten zu verkuppeln, in der Absicht, die Überlegenheit der eigenen Familie über mehrere Generationen zu wahren, ohne dass sie von außen verschmutzt werden kann. Die beiden Kinder haben dabei in aller Regel kein Mitspracherecht – besonders aber nicht das oftmals sehr viel jüngere Mädchen. Der Nah-Ost-Experte Thomas von der Osten-Sacken geht davon aus, dass ein Großteil des Elends vor Ort von ganz genau solchen Traditionen ausginge. In einem Vortrag wies er daraufhin, dass es zu den Aufgaben von Flüchtlingshelfern gehöre, den geflohenen Menschen klar zu machen, dass die Ehen hier auf beidseitiger Liebe, Lust und Freiwilligkeit beruhen müssen – Ein Konzept, welches in der Region alles andere als verbreitet ist.

Bis heute ist eine unverheiratete Frau ein Dorn im Auge vieler muslimischen Gesellschaften. In Syrien, wo die Situation für Frauen derzeit wohl mit am schlimmsten ist, hat sich darum in den vergangenen Jahren eine weitere Form der Unterdrückung, resp. Ehe entwickelt, die angeblich dem Schutze dieser wehrlosen Geschöpfe dienen soll. Damit sie anderweitig nicht angefasst werden, um zu überleben oder um besser für das Auskommen der anderen Familienmitglieder sorgen zu können, verkaufen Eltern ihre Töchter (oder diese sich selbst) an Alibi-Ehemänner, meistens aus anderen Staaten, die sich kurzfristig um ihr Wohlergehen zu kümmern versprechen, in vielen Fällen aber sehr bald wieder weg sind.

Diese Ehen können noch vor Ort geschlossen werden, zwischendurch auf der Flucht, oder auch in dem Land, in dem man schließlich ankommt; Syrische Frauen haben in der arabischen Welt den Ruf, ganz besonders brav und unterwürfig zu sein. Und der Tag der Hochzeit ist für eine Frau im Nahen Osten der Tag, an dem sie vom Besitz des Vaters, in den Besitz ihres Ehemannes übergeht. Dies ist ein Prinzip, das in Europa vor spätestens hundert Jahren abgeschafft wurde, es ist ein Handel. Mit einer Ehe, wie sie dem deutschen Recht nach mittlerweile sein sollte, hat all dies sehr wenig zu tun. Die Fehleinschätzung der deutschen Juristen, sie hätten das syrische Eherecht studiert, basiert somit auf einem einfachen Übersetzungsfehler.

Wenn Syrer behandelt werden wie Syrer

All diese Tatsachen müssen bekannt sein und berücksichtigt werden, wenn man vor Gericht über die Freiwilligkeit und Rechtmäßigkeit einer syrischen Ehe diskutiert. Wenn ein junges Mädchen, das in Syrien erzogen wurde, sagt, dass es ihr gut gehe, mit ihrem Ehemann, ist das zunächst einmal nicht ernster zu nehmen, als die Aussage, dass sie schon schlimmere Besitzer gehabt hätte. „Ja“ heißt nicht gleich ja, wenn es von jemandem ausgesprochen wird, dem nie beigebracht wurde, dass auch „nein“ überhaupt eine Option ist.

Wenn in einer vermeintlich westlichen Gesellschaft, Kinderehen anerkannt werden, aufgrund des Rechtsverständnisses in einem Terrorregime, so ist dies ganz sachlich falsche, menschenverachtende und rassistische „Toleranz“. Von echter Freiheit kann da kaum die Rede sein. Umso absurder wird dieses Vorgehen, wenn man sich vor Augen führt, dass Ehen zwischen erwachsen Homosexuellen in dem gleichen Staate zumindest noch nicht geschlossen werden können. Menschen, die aus einem Bürgerkrieg fliehen, haben mehr verdient, als in einem Staat zu leben, der ihnen zu liebe, Schritt für Schritt, die Lebensbedingungen an die für sie gewohnten Zustände anpasst. Jeder Geflüchtete hat Heimweh und die allermeisten werden auch gewisse regressive oder patriarchale Aspekte an ihrer Gesellschaft vermissen. Nichts aber rechtfertigt es, einen Failed State zu imitieren. Zum Wohle der Gesamtheit aller Flüchtlinge, gibt man ihnen stattdessen (und hier altersunabhängig) bedingungslos die Chance, ihre verpatzte Kindheit und Jugend in einer freieren Gesellschaft noch einmal nachzuholen. Wenn dem Frauenbild in der arabischen Welt hier weiterhin überhaupt eine Existenzberechtigung zugesprochen wird und man es wie eine „abweichende, aber gleichwertige Kultur“ behandelt, in welcher gewisse Missstände ganz einfach so sind, wie sie sind, dann sind die größten Leidtragenden nicht die Deutschen, die einiges davon vielleicht immerhin als „unsittlich“ zu erkennen vermögen, sondern diejenigen, deren Flucht auch objektiv am drängensten war.

Sollte das, was Alia und Amir zusammen hält, tatsächlich Liebe sein und nicht Ehre, Zwang oder islamisches Recht, so wird ihre Beziehung es überstehen, bis zur Volljährigkeit des Mädchens mit einer Verehelichung zu warten. Abgesehen jedoch von einer allgemein formulierten Regelung zur Ehemündigkeit müssen die Beziehungen zwischen 70- und 17-jährigen in Flüchtlingsheimen strenger überwacht werden; nachts besser aufgepasst werden und Aufklärung, auch in sexueller Hinsicht, diskret und anonym angeboten werden, für jeden, der neu hier herkommt. Nur ein solches Vorgehen bedeutete eine gelungene Flucht, bedeutete Jugendschutz und bedeutete – ganz besonders – auch Gleichheit vor Gericht. Strenggenommen könnte man schließlich soweit gehen, die Ehe zwischen Alia und Amir als verfassungswidrig zu bezeichnen. 

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sandra
sandra
7 Jahre zuvor

Diesig ist in diesem Artikel nicht nur die Sprache, sondern auch die Betrachtungsweise eines zugegebenermassen schwierigen und komplexen Themas. Mercedes meint zwar hiesig, aber sie meint auch, dass man 14 Jährigen (erstens prinzipiell und zweitens im Besonderen aus einem anderem Kulturkreis stammend) nicht zugestehen kann, selbsttätig zu denken. Mir jedenfalls scheint das leicht umwölkt zu sein, diesig eben: Klarheit sieht anders aus.
Dass dieses junge Mädchen immerhin eine lebensbedrohliche Flucht und die Reise bis hierher mit ihrem Mann gemeistert hat, ist kein Beleg für eigene Denkfähigkeit und den Zusammenhalt zwischen ihrem Mann und ihr – und zwar ohne persönliche Kenntnis der Person? Ich halte das für etwas paternalistisch.
Es ist schwierig, ja, denn man kann keine Regelung finden, die für alle Eventualitäten passend ist. Aber es wäre daher auch blöd, das zu versuchen. Man muss mit dem Menschenverstand agieren, man muss Richtlinien haben, entlang derer man sich hangeln kann. Aber eine grundsätzliche Regelung, ob und wie sehr man die Eheschliessungen von anderen Ländern im eigenen Land akzeptiert, ist nun mal leider nicht zu machen, man müsste von Land zu Land und hier wieder von Gegenwart zu Gegenwart entscheiden.
Es kann nicht sein, dass man grundsätzlich Ehen, die in Las Vegas, vielleicht im Vollrausch, geschlossen wurden, akzeptiert – aber eine Ehe aus dem Iran beispielsweise nicht, denn es könnte sich um Zwang handeln. Bestenfalls könnte man Richtlinien ausarbeiten, dass für eine Anerkennung zunächst festzustellen wäre, ob es sich bei der Eheschliessung um Zwang gehandelt hatte, aber auch das wird sich nicht immer belegen lassen. Und dann – wenn man sich überlegt, dass viele, vielleicht fast alle (aber das wissen wir nicht) Frauen aus streng muslimischen Familien zwangsverheiratet wurden – sollen wir dann nur jene Ehen annullieren, bei denen ein oder gar beide Eheleute minderjährig sind? Was mit 18 Jährigen Frauen und 80 Jährigen Männern? Oder auch ganz normal gleichaltrigen, aber dennoch in Zwang verheirateten? Wo setzen wir die Grenze? Wir KÖNNEN nur versuchen, im Einzelfall zu ergründen, ob es Zwang war oder nicht, ob die Ehe erwünscht ist oder nicht. Ich kenne persönlich Menschen, die haben im Zwang geheiratet und einander dann doch lieben gelernt und würden sich nicht trennen wollen. Beide nicht. Auch das kommt vor. Natürlich ist es furchtbar, wie mit Frauen umgesprungen wird, und es ist noch mal furchtbarer, dass Frauen aufgrund ihrer Sozialisation da mitmachen, sich oft nicht mal benützt fühlen. Aber mit Gesetzen kann man dem nicht beikommen. Man muss von Einzelfall zu Einzelfall entscheiden, man muss beiseite stehen (in beiderlei Wortsinn) – aber Gesetze brauchen wir nicht.

Thorsten Stumm
7 Jahre zuvor

@Sandra
Selten einen Text mit soviel kulturrelativistischen gequirlten Blödsinn gelesen….Menschenrechte sind in Gesetzen verbrieft…..die brauchen wir laut Dir ja nicht….

Angelika
Angelika
7 Jahre zuvor

Wie sagte doch Katrin Göring-Eckardt: "Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf!"

Ich nicht. Denn solche Artikel zeigen überdeutlich, dass man sich in unserem Land unnötig Probleme aufgeladen hat. Und um von diesen Problemen abzulenken, wird durch die Medien fortdauernd auf Chancen hingewiesen (Arbeitsmarkt, Rentenfinanzierung usw.).

Da muss (siehe Artikel oben) "…strenger überwacht werden; nachts besser aufgepasst werden und Aufklärung, auch in sexueller Hinsicht, diskret und anonym angeboten werden, für jeden, der neu hier herkommt…" ABER das alles muss bezahlt werden – und zwar von den Steuerzahlern. Diese Geld wäre m.E. für die Sanierung der maroden Infrastruktur (Straßen, Brücken usw.) besser angelegt.

sandra
sandra
7 Jahre zuvor

Thorsten, ich halte mich an GESETZE. Da sind die Menschenrechte bei uns eingeschlossen. Vielleicht solltest Du noch mal lesen, was ich geschrieben habe. NEUE Gesetze, wie Mercedes sie forderte, sind indes schwierig und nicht machbar. DAS ist es, was ich sagte. Und dass ich immerhin anderen Menschen zugestehe, dass sie selbsttätig denken können. (Obwohl das auch bei manchen Deutschen nicht immer der Fall ist) Ich finde es paternalistisch, wenn man Menschen nicht zugesteht, selbst zu wissen, was sie wollen. NATÜRLICH können sie verhetzt und instrumentalisiert worden sein, und man muss das erkennen und sich darum kümmern. Aber wir können auch nicht einfach sagen, WIR wollen jetzt, dass Du erkennst, dass es nicht richtig ist, was Du tust. Das ist überheblich.

Stefan Laurin
Admin
7 Jahre zuvor
Reply to  sandra

@sandra: Doch, wir können sagen " WIR wollen jetzt, dass Du erkennst, dass es nicht richtig ist, was Du tust", denn dies zu erkennen und das Verhalten zu ändern ist schlicht die Bedingung, die man zu erfüllen hat, wenn man in dieser Gesellschaft leben möchte. Und wir können noch etwas sagen: Diese Gesellschaft ist erfolgreich weil die Religionen an den Rand gedrängt sind, wir Gleichberechtigung und Emanzipation anstreben und eine der Grundlagen der Individualismus sind.

sandra
sandra
7 Jahre zuvor

Dann müssen wir das bei ALLEN sagen. Wir können uns nicht aussuchen, dass wir zB das Syrische Eherecht nicht anerkennen, aber Ehen von Sturzbetrunkenen in Las Vegas schon, und zB das Iranische, weil wir deren Öl wollen, auch. Man wird sich entscheiden müssen. UND dieser konkrete Fall lief noch mal anders, weil die junge Ehefrau, NACHDEM sie dem Jugendamt überantwortet worden war und nicht mehr bei ihrem Mann, dagegen geklagt hat.

Stefan Laurin
Admin
7 Jahre zuvor
Reply to  sandra

@sandra: Wenn die beiden sich freiwillige betrunken haben und erwachsen sind, ist das ihre Angelegenheit. Und wenn sie sich am nächsten Morgen nicht mehr leiden können, lassen sie sich nun einmal scheiden. Kinderehen sind etwas ganz anderes.

KE
KE
7 Jahre zuvor

Vermutlich ist es empfehlenswert, dass sich insbesondere Frauen in Deutschland mit der Situation von vor ca. 100 Jahre in D beschäftigen. Ebenso hilft es, zu sehen welche Rechte Frauen in vielen anderen Ländern haben.

Dann wird vielleicht klarer, was in unserer Gesellschaft verloren geht, wenn wir nicht aufpassen und unsere Freiheit als Selbstverständlich betrachten.

thomas weigle
thomas weigle
7 Jahre zuvor

In der Regel besaufen sich keine Minderjährigen in Las Vegas, was m. W. n.dort verboten ist, sondern Erwachsene. Also dient dieser Vergleich einmal mehr der Relativierung gesellschaftlicher Zustände in muslimischen Ländern, in denen z.T. Ehebrecherinnen gesteinigt werden können, sondern dies auch in anderen muslimischen Regionen mehrheitlich gefordert wird, in pal. Autonomiegebieten bspw. Hierzu hat @Stefan am Montag einen höchst interessanten Beitrag der Huffington Post im Ruhrspiegel verlinkt. Dafür noch mal Dank an dieser Stelle.

S.K.
S.K.
7 Jahre zuvor

Puh.
Was schlußfolgert nun aus so einem Artikel?
Die Forderung "unser Asylrecht gilt nur für den, der, wenn er hierher kommt, bereitwillig und ohne zu murren unsere Vorstellungen von Gesellschaft, Ethik und Moral zu 100% übernimmt"?

Es ist, gemessen an meinen Erfahrungen mit Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, aber auch aus afrikanischen Staaten, doch eine reichlich vermessene Art, so zu schreiben. Quasi kulturimperialistisch, wenn man es in seiner Gänze zuende denkt. Und damit genau das, was von Außen so häufig an "dem Westen" kritisiert wird – aber das will "der Westen" in seiner vermeintlich so überlegenen Moralität weder hören, noch anerkennen.

Die "syrischen Verhältnisse", vor denen die meisten fliehen, sind Krieg und physisches Elend. Man sollte sie nicht mit gesellschaftlichen Verhältnissen gleichsetzen, die zwar ein Fluchtgrund sein könnten, in der Regel aber nicht sind.

Ich frage mich, wie viele z.B. türkische Familien und deren Familienverhältnisse der Verfasser wohl kennen mag. Das Arrangieren von Ehen ist nämlich beispielsweise in türkischstämmigen Familien durchaus gebräuchlich. Die leben aber zuweilen schon in der 4. Generation in Deutschland, sind angepasst, praktizieren solche Gebräuche aber dennoch weiter und sehen darin zumeist auch keinen Konflikt mit der Gesellschaftsordnung des Landes, in dem sie leben. So gesehen löst also auch der Anspruch der "Ehe ab 18" solche lange geprägten Verhaltensweisen nicht auf. Ich möchte sehen, wie der Verfasser hunderttausende Ehen von Migranten für verfassungswidrig erklären lässt.

Stefan Laurin
Admin
7 Jahre zuvor

@S.K.: Der Verfasser des Artikels ist eine Verfasserin.
ich bin nebenbei der Ansicht das den meisten Staaten im Nahen Osten – und vielen anderen in der Welt – eine ordentliche Portion dessen, was Sie westlichen "Kulturimperialismus" nennen, gut tun würde. Denn dazu gehören Aufklärung und Menschenrechte. Die die stehen für mich über Stammesregeln und Religion, die die Menschen unfrei und arm machen. Und zu verlangen sich an die hier geltenden – und demokratisch legitimierten – Gesetze zu halten, ist schlicht eine Selbstverständlichkeit.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

S.K. # 11

Wenn ich in eine andere Gesellschaft, ob für einen Tag oder für immer, einreise/einwandere, habe ich mich den dortigen Gesetzen zu fügen. Nicht mehr und nicht weniger. Was ist daran so schwer zu begreifen?

Das Arrangieren von Ehen gibt es in allen Kulturen, aber nicht in allen Ländern gibt es Gesetze, mit denen eine arrangierte (oder nicht arrangierte) Ehe durch einen der Partner auch wieder aufgelöst werden kann, bzw. sofern das Arrangement auch Zwang entält, diese gesetzlich verhindert werden kann. Solche Gesetze sind ein großer Fortschritt, weil sie die Freiwiliigkeit der Ehe sichern, egal ob ein Paar nun darauf aus kulturellen Gründen wert legt oder nicht.

Wo kein Kläger da kein Richter. Da, wo aber ein Kläger oder eine Klägerin ist, gibt es in Deutschland auch einen Richter oder eine Richterin. Und sollten sie auch nur eine Ahnung davon haben, was das für die Menschen bedeutet, die aus ihren jeweiligen Heiratskulturen herauswollen, weil sie – aus welchem Grunde auch immer – darunter leiden, dann würden ihnen das Wort "Kulturimperialismus" einfach im Halse stecken bleiben.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
7 Jahre zuvor

Kurz und bündig: Sandras Position teile ich. Es ist meiner Ansicht nach die mit Menschenrechten am besten verträgliche Position. Der Staat hat nicht die Aufgabe, in Lebensverhältnisse um jeden Preis einzugreifen. Es müssten im Einzelfall besondere schwerwiegende Gründe vorliegen, die ein Eingreifen – nach Abwägung – erforderlich machen. Schwer wiegende Gründe sind im vorliegenden Fall ohnehin nicht gegeben.

Im übrigen ist die Festsetzung von Altersgrenzen nicht mehr als ein genereller Anhalt. Im Einzelfall können Menschen schon als Kinder sehr mündig sein. Und umgekehrt gilt dies auch.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

Mündig auch zu heiraten, Manfred? Das ist in vielen Kulturen für ein Mädchen eine Entscheidung für das gesamte restliche Leben! Und was ist mit pädophilen "Lebensverhältnissen"? Sollte da das Alter des Kindes auch nur ein "genereller Anhalt" sein, der im Einzelfall durch die besondere "Mündigkeit" des Kindes auch unterlaufen werden kann?

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
7 Jahre zuvor

@#14 Manfred Michael Schwirske: Es geht weiterhin um die *rechtliche* Anerkennung einer Ehe (wenn Sie so wollen: auf dem Papier), nicht um tatsächliche "Reife" der beteiligten Personen. Wenn Gerichte hier Parallel-Rechtswirklichkeiten schaffen wollen, muss ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat dem entgegenwirken, um sich nicht selbst aufzulösen – was so Manchem heutzutage allerdings gelegen käme…

Anna
7 Jahre zuvor

Wie gerne ich die Gesichter der Kulturrelativisten hier in den Kommentaren sehen würde, wenn ihre 14jährige Tochter nach Hause käme und sagte: "Verehrte Eltern, das ist Tom, er ist sechs Jahre älter als ich, wir heiraten morgen, denn ich bin bereits sehr mündig für mein Alter."
Ob freiwillig oder nicht ist doch vollkommen egal (abgesehen davon, dass man Dinge nur freiwillig tun kann, wenn man so etwas wie einen freien Willen jemals kennengelernt hat). Diese Ehe sollte nach deutschem Recht nichts als ein großer Witz sein.

Davbub
Davbub
7 Jahre zuvor

#17:
"Wie gerne ich die Gesichter der Kulturrelativisten hier in den Kommentaren sehen würde, wenn ihre 14jährige Tochter nach Hause käme und sagte: "Verehrte Eltern, das ist Tom, er ist sechs Jahre älter als ich, wir heiraten morgen, denn ich bin bereits sehr mündig für mein Alter."
Sie sprechen mir aus der Seele: Die gleichen Menschen, die ein deutsches Kind unter 18 nicht reif genug für Sex mit Älteren halten (m.M. nach auch zu recht), saldabern von "kulturellen Unterschieden",
"mündigen 14jährigen" etc. Das kann ein falsches Verständnis von Toleranz offenbaren; aber auch die Unfähigkeit, in relativistischen Zeiten Stellung beziehen zu müssen.
Wenn diese Menschen aus einem anderen "Kulturkreis" es vorziehen ihren Lebensmittelpunkt in unseren zu verlegen (und nicht zum Beispiel ins kriegsfreie Saudi-Arabien, Quatar, Oman oder Indonesien) , dann sollten sie unseren Kulturkreis respektieren. Sehen sie sich dazu nicht in der Lage, sollten sie über Alternative Reiseziele nachdenken.

S.K.
S.K.
7 Jahre zuvor

@Laurin @Voss:

Ich bitte um Verzeihung, das generische Maskulinum verwendet zu haben, auch wenn ich weiß, dass das arme Ding hierzulange vor dem Aussterben steht.

Wenn Sie sich auf Artikel 16 der allgemeinen Menschenrechte beziehen, so stellt sich in der Tat die Frage der Freiwilligkeit – die ist aber mitunter nicht von den jeweiligen lokalen Lebensumständen zu trennen und recht relativ. Von Liebe steht im gesamten Dokument aber mal rein gar nichts.
In Artikel 14 sehe ich ferner nicht, dass das Grundrecht auf Asyl irgendwelchen anderweitigen Einschränkungen unterliegt. Da steht nicht "vorausgesetzt, der Asylsuchende gibt seine Mehrfachehe auf". Der Terminus der Ehe und Familie in seinen vielen verschiedenen Erscheinungsformen ist hier nicht weiter definiert. Merkwürdigerweise regt man sich über die vielen Patchworkfamilien nur in konservativsten Kreisen auf. Im Grunde genommen haben wir in unserer "offenen Gesellschaft" Verständnis und Toleranz für alles Mögliche, sobald es um Dinge geht, die "anderen Kulturkreisen" entstammen, ist die Toleranz mitunter gleich Null. Diese Debatte trägt dann mitunter sehr bigotte Züge.

Das Recht auf Asyl ist nicht an irgendwelche Bedingungen geknüpft, außer an die Definition, wer Schutz vor Verfolgung genießt. Wir alle erwarten, dass innerhalb unseres Werte- und Rechtekanons unsere Maßstäbe anerkannt und erfüllt werden – einen Rechtsanspruch, so hart es klingt, haben wir darauf aber eigentlich nicht, die Bestimmungen gemäß Artikel 29 einmal ausgenommen – ich verweise diesbezüglich ausdrücklich auf Artikel 19.

Wir, die ach so treuen, fortschrittlichen Folger der Menschenrechte, könnten ja mal dafür Sorge tragen, dass hierzulande Artikel 23 eingehalten wird. Ach je. Auch bei Artikel 27 hapert es. Und überhaupt.

Was unbenommen bleibt, ist das Recht des Einzelnen auf seine freie Willensentscheidung, ggf. auch unter Hinzuziehung der Gerichte. Wie aber diese Willensentscheidung aussieht, das sollte schon dem Einzelnen überlassen bleiben.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

@ S.K.
Das Asylrecht nennt die Bedingungen unter den man Asyl bekommt, nicht mehr und nicht weniger. Deswegen sind die anderen Gesetze des asylgebenden Landes aber nicht für nichtig erklärt und/oder außer Kraft gesetzt worden. Sie gelten nachwievor und für jeden, der sich im Land befindet, mit Ausnahme für Diplomaten, die einen Immmunitätsanspruch genießen, und selbst der kann aufgehoben werden. Oder glauben sie ernsthaft, dass ein Ayslbewerber oder anerkannter Asylant in Deutschland einen Verbrechen begehen darf, ohne dass man ihn dafür zur Rechenschaft ziehen könnte, bzw. wollen sie das?

Ach ja,was genau ist an freiwillig relativ, außer das alles irgendwie relativ ist?

S.K.
S.K.
7 Jahre zuvor

@Voss:

Das man sich in einer anderen Gesellschaft aufgrund der dortigen Verhältnisse in Etwas hineinbegibt, in das man sich in unserer Gesellschaft z.B. nicht hinein begeben würde, weil z.B.
a) die Gegebenheiten
b) die rechtlichen Grundlagen
c) die sozialen Determinanten (wie z.B. Tradition)
andere sind. Wir tendieren hierzulande auf Basis unserer eigenen Gesetze und Regeln dazu, diese als Allgemeinverbindlich für Leute auch an anderen Orten hinzustellen, was aber nunmal nicht geht, weil wir unseren Gesellschaftsentwurf nunmal nicht als maßgebend für alle anderen hinstellen können. Bzw. – wir können es schon, aber das ist dann das, was ich als imperialistischen oder zumindest paternalistischen Ansatz betrachten würde. Der wiederum nicht liberal ist.

An dem Punkt dreht sich im Übrigen häufig die Argumentationskette um, so dass der, der "Links" schreibt, oftmals im Argumentekanon "Rechts" landet. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und ja, Sie haben natürlich Recht: es gilt für den Flüchtling ebenso wie für den Migranten oder den Einheimischen das selbe rechtliche Grundgerüst. Artikel 29, wie gesagt. Zumindest im strafrechtlichen Bereich gibt es da nichts zu diskutieren, beim zivilrechtlichen Bereich wird es hingegen zuweilen schwierig, denn da sind wir dann an dem Punkt, den meines Erachtens auch der Artikel fordert – und das ist dann z.B. die Annulierung von Ehen oder Lebensgemeinschaften, die unter anderen rechtlichen/gesellschaftlichen Grundlagen geschlossen wurden.
Da wiederum bin ich der Meinung, dass es nicht Aufgabe des Staates sein kann, solcherart vorzugehen, es sei denn dass tatsächlich aus Gründen von Zwang oder MIßbrauch einer der Partner aus der Ehe auszusteigen gedenkt.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

@ S.K.
Haben sie hier irgendwo von mir gelesen, dass ich unsere gesellschaftlichen Vorstellungen gegen den Willen der Betroffenen auch in den Ländern durchgesetzt haben möchte, wo diese auf Grund anderer Tradition und Gesetze nicht gelten?

Ich bin allerdings der Meinung, dass die in unserem Lande geltenden Rechtsvorschiften auch für die gelten, die zu uns kommen, und das natürlich auch was das Zivilgesetz betrifft. Dabei geht es z.B. bei einer Ehe, die hier deswegen nicht gilt, natürlich nur um ihre rechtliche Anerkennung/Nichtanerkennung und nicht um ihre moralische oder sonstige gesellschaftliche Wertung.

Im Übrigen kann eine nicht anerkannte Ehe, sofern die denn praktisch und freiwillig als Beziehung bis zum dem Zeitpunkt hält, wo sie auch nach unseren Gesetzen gültig sein kann, dann – sofern der beidseitige Heiratswille dann immer noch besteht – auch entsprechend legalisiert werden. Mir erschließt sich deswegen nicht, worin in diesem Fall die staatliche Willkür besteht.

Helmut Junge
7 Jahre zuvor

Über die konkret bekannten Fälle hinausgedacht, müßten die Richter sich bei einer Anerkennung solcher Ehen, darauf einrichten, daß es dann zu einem Heiratstourismus mit dem Ziel kommen wird, genau solche Ehen im Ausland zu schließen. Auch diese Ehen müßten dann entsprechend von deutschen Gerichten als schützenswert eingestuft werden.
Ich empfehle sowieso immer, einen kleinen Schritt über den Tagesablauf hinaus zu denken. So schwer kann das doch nicht sein.

Arnold Voss
7 Jahre zuvor

Für den von S.K. und anderen hier propagierten Wohlfühlhumanismus ist das aber sehr schwer, Helmut. Wohlfühlhumanisten sind gesellschaftliche Lernprozesse und die damit verbunden Konflikte ein Graus, und die Tatsache, dass dabei Opfer auch Täter sein können, und das sogar beides gleichzeitig, passt einfach nicht in ihr Weltbild. 🙂

Helmut Junge
7 Jahre zuvor

Wenn das anders wäre, Arnold, hätten wir ja kaum Ansätze zu diskutieren. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn mir nicht den Verdacht gekommen wäre, daß genau diejenigen, die sonst ganz scharf gegen kinderpornografische Fotos vorgehen, in solchen Fällen, in denen Erwachsene wirklichen Sex mit Kindern treiben, keine Probleme sehen, nur weil eine Empörung darüber nicht in ihr Weltbild paßt.
Dann bin ich doch gelegentlich ziemlich baff.

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