Unser 1. Geburtstag

Heute setzen wir alle unsere Partyhütchen auf: Seit einem Jahr gibt es die Ruhrbarone.

Foto: Flickr/hfb

Vielen Dank an alle, die uns lesen, mögen, nicht mögen und uns trotzdem lesen. Und an alle, die hier kommentieren und so der ganzen Sache Leben einhauchen. Es macht Spaß mit Euch. Wir hoffen, es macht Euch auch Spaß mit uns.

Eure Ruhrbarone

Pendlerpauschale kehrt zurück

Schlechte Nachricht für die Städte: Das Bundesverfassungsgericht hat die Pendlerpauschale erst einmal wieder eingeführt.

Dorf Foto: Wikipedia

Die 2007 gültig gewordene Änderung der Pendlerpauschale ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ungültig. Für viele Arbeitnehmer ein Grund zu Freude: Die Fahrtkosten zur Arbeit sind wieder ab dem ersten und nicht erst ab dem 21 Kilometer voll absetzbar. Der vom Gesetzgebeber angeführte Grund für die Änderung der Pendlerpauschale – die Haushaltskonsolidierung –  überzeugte die Richter nicht.
Für die Städte kein Grund zu jubeln: Leben auf dem Land und arbeiten in der Stadt wird wieder ein lohnender Lebensentwurf. Die Subventionierung des ländlichen Raums geht damit erst einmal weiter.  
Komisch, dass niemand der in der Stadt wohnt seine höheren Mietkosten von der Steuer absetzen kann.

Finanzkrise: Wie viele Städte können wir uns leisten?

Eigentlich sollte eine Resolution von Rot-Grün zur Finanzsituation der Städte auf der gestrigen Verbandsversammlung des RVR verabschiedet werden.

RVR-Gebäude Foto: RVR

Daraus wurde nichts: Auf Bitten von CDU und FDP wurde die Abstimmung über die Resolution auf die erste Sitzung im kommenden Jahr verschoben. FDP und CDU wollten mehr Zeit um sich mit dem Thema Finanzsituation auseinander zu setzen – und hoffen wohl auch, dass die Landesregierung bis dahin ihr Hilfspaket für die Städte geschnürt hat.

Rot-Grün fordern in der Resolution unter anderem einen Entschuldungsfonds für die klammen Städte, die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips (Wer Leistungen bei den Kommunen bestellt, muss sie auch bezahlen) und dass der infrastrukturelle Lastenausgleich zwischen ost- und westdeutschen Kommunen wieder gesamtdeutsch konzipiert wird – also nicht mehr die geographische sondern die finanzielle Lage über Zahlungspflicht der Städte entscheidet.
Die Resolution wendet sich an die Bundesregierung und den Bundestag sowie die NRW-Landesregierung und den NRW Landtag.

Gegen die meisten Forderungen in der Resolution kann man kaum Einwände haben. Warum das klamme Herten Zonen-Städte finanziert, denen es finanziell längst besser geht, ist nicht mehr nachvollziehbar.

Aber dauerhaft wird sich die Finanzsituation der Städte im Ruhrgebiet auch auf diesem Weg nicht lösen lassen. Würden die Ruhrgebietsstädte, wo immer möglich, miteinander kooperieren, Behörden und Abteilungen  zusammenlegen könnte viel Geld gespart werden.
Und wiir müssen uns die Frage stellen, ob wirklich jede Stadt im Revier auch künftig eine eigene Stadt bleiben muss mit all den Kosten für eine eigene Verwaltung.

Auch wenn die Ideallösung, die Bildung einer „Ruhrstadt“, nicht wirklich auf der Tagesordnung steht, stellt sich die Frage: Warum müssen Kommunen die nicht lebensfähig sind, sich auf alle Zeiten weiter durch ihr ärmlichen Leben schleppen? Bürger wollen gute Schulen, Büchereien und Schwimmbäder. Auch den Personalausweis sollte man in der Nähe abholen können. Aber brauchen die Bürger wirklich all die Verwaltungen und Rathäuser oder geht es nicht eine Nummer kleiner? Die Kleinstädterei im Ruhrgebiet, die viel gelobte polyzentristische Struktur des reviers, sollten wir  hinterfragen – wir können sie nicht mehr bezahlen und eine wirkliche Stärke des Ruhrgebiets ist sie auch nicht. Polemisch gesagt: Niemand braucht all die Waltrops und Hertens. Und vielleicht braucht auch niemand Oberhausen.

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Land plant Entlastungen für Pleite-Städte

Die Oberhausens, Hagens und Waltrops des Landes dürfen hoffen: Das Land arbeitet an einem Rettungskonzept für Pleite-Städte.

Landtag NRW. Foto: nrw.de

Nach unseren Informationen plant das LAnd NRW einen Rettungsfonds für Pleite-Städte. So soll die Lebensfähigkeit von Kommunen gesichert werden, die unter dem Nothaushaltsrecht des Landes stehen. Auch Städte wie  Hagen, die ihre schlechte Haushaltssituation unter anderem durch Zockergeschäfte mitverursacht haben, könnten so wieder Luft zum Atmen bekommen. Durch das Geld des Landes soll vor allem sichergestellt werden, dass Kommunen den Eigenanteil aufbringen können, den sie benötigen, um Fördergelder zu erhalten. Städte die seriös gehaushaltet haben lernen nun: Sparen lohnt sich nicht.

Klink: Nur nicht anecken

Gleich hält RVR-Chef Klink seine Rede vor dem Ruhrparlament: Ihre Überschrift: "Zukunft des RVR"

Visionäres hat ohnehin kaum jemand von Heinz-Dieter Klinks Rede erwartet – und diese eher geringe Erwartungshaltung enttäuscht Klink nicht: Vor allem ist seine Rede, deren Manuskript mir vorliegt, geprägt von Rücksichtnahme auf die Städte. Was ist das Ruhrgebiet?  Klink: "„Metropole Ruhr“ ist in diesem Sinne keine allein administrative Einheit, schon gar keine hierarchische Begriffskategorie einer Überordnung der Region gegenüber den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets, es ist auch keine einfache Addition der kommunalen Potentiale, sondern „Metropole Ruhr“ ist eine politische Strategie, die die Qualitäten, Dynamiken und Perspektiven der Kommunen der Region durch Vernetzung und gemeinsame Profilschärfung in einen größeren Bezugsrahmen stellt, der auch externer Aufmerksamkeit sicher sein kann. So verstanden, kann und will Metropole Ruhr ihre Städte nicht ersetzen, sondern gestaltet eine gemeinsame Qualität von Urbanität, ein Mehr gegenüber den Teilen, aber ein Nichts ohne ihre Teile."
Naja, für mich ist das Ruhrgebiet allemal eine hierarchische Begriffskategorie, es steht über den Städten  – wäre es anders, man müsste sich noch nicht einmal die Mühe geben, es zu benennen – und schon gar nicht mit dem immer etwas peinlichen Begriff Metropole, den Klink in seiner Rede ständig verwendet.

Klink eiert, wo er Position beziehen müsste – zum Beispiel beim Thema Nahverkehr, einem der großen Probleme der Region und einer, bei der das Versagen der Städte, die nach belieben kooperieren könnten und es dennoch kaum tun, offensichtlich ist. Klink kritisiert nicht das Versagen der Kommunen und ihrer Nahverkehrsunternehmen – sondern das Land, dass den Kommunen noch immer das Recht, den Nahverkehr zu organisieren überlässt – allerdings auf etwas schwurbelige Art:

"So gibt es z.B. nur für den Teilbereich des Schienenpersonennahverkehrs eine ausgewiesene regionale Kompetenz, die beim VRR liegt. Dies behindert aktuell noch die Entwicklung und Durchsetzung von Gesamtkonzepten für den ÖPNV in der Metropole Ruhr. Die Stadtgrenzen stellen leider immer noch zu oft auch Attraktivitätsgrenzen für den ÖPNV dar. Der Verband ist dennoch gewillt in diesem Bereich, regionale Aktivitäten zu inszenieren. Seine Tochter – die Wirtschaftsförderungsgesellschaft – hat hier bereits Vorarbeiten geleistet."

Die Vorarbeiten waren ein Gutachten, und das Papier seiner eigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft hätte Klink vielleicht einmal lesen sollen – es stellt dem ÖPMV in der Region ein verheerendes Zeugnis aus.

Und dann ist da noch die Planung. Klink wollte sie nie, seine Partei, die SPD, wollte nicht, dass der RVR sie bekommt, und jetzt ist sie da. Gut, dagegen sein kann er jetzt nicht mehr, aber nutzen will er sie auch nicht – am liebsten wäre Klink, man könnte die Schlüsselkompetenz gleich wieder an die Städte weiterreichen – die bei der Erstellung des Regionalen Flächennutzungsplan bekanntlich gepatzt haben:
"Hierzu zählt auch das Instrument des Regionalen Flächennutzungsplans. Die Kooperation der sechs Städte hat zu einer an Intensität kaum vergleichbaren interkommunalen Kooperation geführt, zu einer Einübung regionaler Konsensfindung beigetragen und so einen hohen regionalen Mehrwert erzeugt.
Deshalb habe ich mich bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Landesplanungsgesetzes dafür eingesetzt, die Kommunalisierung der Regionalplanung künftig gesetzlich stärker zu verankern. Hier sind wir leider nicht durchgedrungen. Ich sehe daher eine vordringliche Aufgabe des Verbandes darin, in den kommenden Wochen und Monaten und insbesondere im Dialog mit dem Land zu erreichen, die kostbare ruhrgebietsspezifische Planungskultur in  die Regionalplanung zu integrieren."

Die Rede ist lang – sehr lang (hier klicken, wer das alles lesen will). Das Wichtigste kennt ihr jetzt ja schon.

Wie die Rede ist? Ich bin positiv überrascht. Kein Wort gegen die Pläne des Landes, einen eigenen Bezirk-Ruhr zu schaffen, (damit hatte ich fest gerechnet) und an einer Stelle fordert er sogar weitere Kompetenzen vom Land ein. Aber Klink nimmt ansonsten zu viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Städte und weigert sich, für den RVR eine zentrale Rolle für das Revier einzufordern. Es fehlt jede Idee für das Ruhrgebiet, es ist kein Mut in dieser Rede und kein Wille zur Gestaltung. Für Klink ist es eine gute Rede. Für das Ruhrgebiet ist sie – wie Klink – nicht gut genug.
 

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Ex-WAZ-Chef Uwe Knüpfer: „Der Fisch stinkt vom Kopf“

Uwe Knüpfer, von 2000-2005 Chefredakteur der WAZ, zum Stellenabbau bei der WAZ-Gruppe und den Perspektiven von Regionalzeitungen. Mit er der WAZ als Tageszeitung ist er aufgewchsen.

Uwe Knüpfer Foto: Privat

Ruhrbarone: Die WAZ hat am Freitag das Aus für 260 Redakteure  verkündet. Wäre so etwas in Ihrer Zeit denkbar gewesen?
Uwe Knüpfer: Nein, die WAZ war damals eine erfolgreiche Zeitung, die in
einem erfolgreichen Verlag erschien. Außerdem verstand sich die WAZ immer als „entschieden sozial“, und Anneliese Brost achtete in der Tradition ihres verstorbenen Mannes, des WAZ-Gründers Erich Brost, darauf, dass mit den Mitarbeitern menschlich umgegangen wurde.

Ruhrbarone: Aber die WAZ-Gruppe macht im Ruhrgebiet Verluste.
Knüpfer: Es werden von der Geschäftsführung Zahlen genannt, die nicht überprüfbar sind. Aber man darf nicht vergessen: NRZ, WR und WP wären seit Jahrzehnten defizitär, wenn sie nicht  in der WAZ Gruppe aufgegangen wären. Aufwändige  Lokalausgaben im ländlichen Raum und in Konkurrenzgebieten erhält  man nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sie wurden aufrecht erhalten, weil man darin einen publizistischen Auftrag sah.

Ruhrbarone: Künftig sollen die Mantelteile von WAZ, NRZ und WR von einem gemeinsamen Newsdesk erstellt werden und in keiner Stadt es soll mehr zwei Lokalteile geben.
Knüpfer: Dass die WAZ Mediengruppe in Strukturen der 1970er Jahre erstarrt war und sich daraus befreien muss, weiß jeder, der sich über das Zeitungs-Angebot im Ruhrgebiet ärgert. Aus  einer Ansammlung zechenfixierter  Industriedörfer ist hier eine komplexe Riesenstadt geworden. Wenn das Publikum sich rasant ändert, das publizistische Angebot aber kaum, entsteht ein wachsendes Problem. Nur sollte man, wenn man ein hergebrachtes Porzellangeschäft renoviert, tunlichst nicht damit beginnen, sämtliches Porzellan im Laden zu zerdeppern. Newsdesk ist ein Modebegriff. Dahinter steht die Idee, Zeitung so zu produzieren wie Brötchen: Da ist ein Teig, und aus dem knetet man nach Bedarf Semmeln oder Baguettes. So funktionieren Zeitungen aber nicht. Zeitungen sind lebendige Organismen, sie sind wie Bäume, sie wachsen langsam und brauchen Wurzeln.

Zeitungen werden geprägt von den Menschen, die sie machen: den Redakteuren, den freien Mitarbeitern und auch den Boten. Mit diesen Menschen werden Zeitungen identifiziert. Wer glaubt, beliebige  Zeitungen mit wechselnden Mitarbeitern von einem Newsdesk aus machen zu können, hat nicht verstanden, wie Zeitungen funktionieren.

Ruhrbarone: Mit 209 Stellen fallen die Personalkürzungen im
Lokalbereich besonders drastisch aus.
Knüpfer: Die Lokalteile sind die Stärke der Zeitungen der WAZ-Gruppe. Die Geschäftsgrundlage von NRZ, WAZ, WR und WP ist die Verankerung in den Städten und Stadtteilen. Geben die Titel diese Verankerung auf, gefährden sie ihre Existenz. Das konnte man ja gut im Vest Recklinghausen sehen, wo die
WAZ die Schließung der Lokalredaktionen offenbar mit heftigen Auflagenverlusten bezahlt hat.

Ruhrbarone: Wie werden die Leser reagieren?

Knüpfer:: Treue Leser lassen sich viel gefallen. Der wichtigste Grund für die Kündigung eines Abonnements ist die unpünktliche Lieferung. Die Toleranz ist sehr groß, wenn sich die Leser ernst genommen fühlen. Leser leben mit den Zeitungen, sie reden nicht umsonst von „ihrer Zeitung“. Das ist eine ganz andere Bindung als die zu einem Schuhgeschäft oder einem Friseur – und viele kennen ihren Zusteller persönlich, kennen gerade in den kleineren Städten Mitarbeiter der Zeitung und verbinden Menschen und Gesichter mit ihr.
In dem Maße, in dem diese persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen und den Mitarbeitern abbrechen, bricht auch die Beziehung zur Zeitung ab und es fällt dem Leser leichter, das Abo zu kündigen.

Ruhrbarone: Regionalzeitungen verlieren überall an Auflage. Wie sollten sie sich positionieren, um zukunftsfähig zu sein?

Knüpfer: Ihr Kerngeschäft pflegen: soliden Journalismus und Kundenpflege. Guter Journalismus wird immer gebraucht, das wird sich herumsprechen, wenn der Blog-Hype sich gelegt haben wird. Und Menschen wollen immer wissen, was um sie herum geschieht.  Also: Lokales und Regionales hat Zukunft.

Verleger und Journalisten müssen akzeptieren, dass Zeitungen  nicht mehr eine solche Rolle  spielen und so profitabel sind wie in den 1950er bis 1980er Jahren. Das Rubrikengeschäft findet im Internet statt. Aber: Die Auflage der WAZ ist schon zu meiner Zeit und der meines Vorgängers gesunken; schon allein, weil die Bevölkerungszahl im Ruhrgebiet sinkt. Damit muss man umgehen können. Die offenbare Verschärfung der krisenhaften Entwicklung bei der WAZ-Gruppe ist die Folge katastrophaler personeller, organisatorischer und publizistischer Fehlentscheidungen der Verlagsleitung – nicht der Redakteure, Fotografen und Freien oder gar der Boten, die dafür jetzt bluten sollen. Jeder Markthändler weiß: Der Fisch stinkt vom Kopf.

SPD kontra WAZ-Sparpläne

Der Landesvorstand der SPD hat sich mit einer Erklärung gegen die Pläne der WAZ gestellt, Lokalredaktionen zu schließen und Redakteure zu entlassen.

Die Sozialdemokraten befürchten, dass die  Pläne der WAZ-Gruppe zu einem "demokratisch fragwürdigen Meinungsmonopol führen." Zudem erklärte die SPD, dass wegen des bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres eigentlich ein Ausbau des journalistischen Angebotes nötig wäre.