Büchereiensterben: Eine Frage des Einflusses

Immer mehr Städte sparen an ihren Büchereien. Aussenstellen werden geschlossen, Bücherbusse stillgelegt. Imageträchtige Großprojekte werden hingegen weiter gefördert. Alles eine Frage des Einflusses.

Bis Mitte 20 war ich ständig in Büchereien. Als Jugendlicher war mein erster Leseausweis die der Schlüssel für eine neue Welt. Ich genoss die in meinen Augen schier unendliche Vielfalt des Angebots, las mich durch die Regale. Irgendwann begann ich mir alle Bücher die ich lesen wollte zu kaufen – ich war einfach zu schlunzig mit der Rückgabe und die Strafgebühren wurden mir zu hoch. Auf mein Angebot, die Gebühren einfach von meinem Konto abzubuchen,  wollte die zustände Fachkraft leider nicht eingehen. Ich mag Bücher. Und es macht mich nicht nur traurig, sondern auch wütend, wenn ich einen Artikel wie den auf Der Westen lese, der vom Niedergang der Stadtbüchereien berichtet. In Duisburg ist gar kein Geld mehr Neuanschaffungen da. In vielen Städten werden Stadtteilbüchereien geschlossen. Die Bücherbusse werden stillgelegt. Sicher, die Städte haben kein Geld, aber das ist nicht der Hauptgrund. Der eigentliche Grund für die Schließung der Büchereien ist die Schwäche ihrer Benutzer. Sie haben keine Lobby. Die Büchereien und ihre Leser sind nicht glamorös.

In Duisburg haben sie eine neue Konzerthalle gebaut, in Dortmund für Millionen den U-Turm ausgebaut in Bochum träumt immer noch von einem neuen Konzerthaus. In anderen Städten ist die Lage nicht anders. Für imageträchtige Repräsentationskultur ist immer noch eine Menge Geld da. Für Büchereien nicht mehr. Eigentlich sollte auf jedem Konzerthausplatz ein Zettel liegen, auf dem steht: „Für das Geld, dass die Stadt für Ihre Eintrittskarte hingelegt hat, hätten man auch zehn Bücher für die Stadtbücherei kaufen können.“

Aber das wird nicht geschehen. Konzerthäuser, Theater und Festivals gelten als Standortfaktoren.  Ein SPD-Ratsherr begründete den Konzerthausbau in Bochum einmal sehr ehrlich: Man müsse was für die Großkopferten tun.  Und die  Großkopferten gehen nicht in die Stadtbücherei. Sie müssen sich keine Mathebücher ausleihen, wenn sie das Abitur nachholen. Für ihren Nachwuchs ist die Kinderecke nicht die einzige Chance, überhaupt an Bücher ranzukommen und sie brauchen auch keinen öffentlichen Bestand an Romanen und Gedichtbänden um ihren Lesehunger zu befriedigen. In Bochum gab es Milionenspenden für ein absolut überflüssiges Konzerthaus. Grönemeyer gab ein Konzert im Ruhrstadion und spielte ein paar Stücke in der Innenstadt. Die Gebühren eines Parkplatzes in der Innenstadt kommen dem Konzerthaus zu Gute. Die Debatte um das Konzerthaus wurde so intensiv und leidenschaftlich geführt , als hinge die Zukunft Abendlandes von seinem Bau ab. Prominente rührten die Werbetrommel. Wenn es um die Sicherung der eigenen, teuren Kulturnedürfnisse geht, kann die selbsternannte Elite sogar rabiat werden.

Auch die Kulturhauptstadt hat sich nicht für Stadtbüchereien interessiert – allerdings auch nicht für Off-Theater, kleine Konzertveranstalter und alles andere, wo man sich nicht selbst  feiern kann. Wäre ein schönes Thema gewesen. Wie so vieles andere auch, das auf der Strecke blieb.

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Bürokratenfeind
Bürokratenfeind
13 Jahre zuvor

Guter Artikel!
Er wird leider das Verhalten der Großkopferten nicht ändern. Ein lebendiges Gemeinwesen im Revier ist nur noch ein Metropolentraum, dessen hohles Versprechen nie in Erfüllung gehen wird. Dieses museale, verwalterische nach rückwärts gerichte Denken der Reviereliten hat und wird die Region noch weiter zugrunde richten. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Ich hätte da einen schönen Aktionsvorschlag. Ein khaki-farbenes T-Shirt mit der Aufschrift: Ich gehe meilenweit für ein Buch. Könnte man an alle Erstklässler verteilen. Von einem der aussieht wie der Camel-Mann.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Und noch eine T-Shirt Aufschrift: Metropole Ruhr – Wir haben alles, außer Bücher.

Arnold Voss
13 Jahre zuvor

Parteibuch schöne Buch. Nix lesen. Aber wichtich.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Stefan, das ist ein wichtiges Thema!
Wer in der Jugend nicht zur Bücherei geht, wird als Erwachsener vermutlich auch keine Bücher kaufen und lesen.
Viele Politiker können sich nicht vorstellen, daß manch einer, der in so einer kulturlosen Umgebung leben muß, das gar nicht lustig findet.
Ohne breites Kulturangebot zieht manch einer erst gar nicht in so eine Stadt rein, oder aber bald wieder weg.
Gemeinschaften, die überleben wollen, müssen schon was für diejenigen tun, die später fähig sein sollen, kreativ, innovativ, also an neuen Ideen zu arbeiten.
Mit Micky Maus allein wird das nicht gehen.

crusius
crusius
13 Jahre zuvor

Die Leseräume aus Kindheit und Jugend sind allesamt verschwunden:

Die Pfarrbibliothek. Sich hochlesen vom Bilderbuch zu „Robbi-Tobbi und das Fliewatüüt“ und „Kater Mikesch“. Geöffnet sonntags nach dem Gottesdienst und mittwochs nachmittags zwischen drei und fünf. Die Kirche ist nun ein Altenheim.

Gruga-Dauerkarte. Mitten im Rhododendron-Tal der „Lesegarten“. Ein Pavillion voll mit Büchern, gehütet von einer älteren Dame – in der Erinnerung immer die selbe. Stühle auf dem umlaufenden Balkon. Neulich war ich noch einmal dort: Ich glaube, es gab Kunst.

Die Stadtbibliothek an der Hindenburgstraße. Gesondert, die wissenschaftliche Abteilung. Karteikästenmeter, die Entdeckung des Schlagwortkatalogs. Viel gelesen, wenig verstanden. Es gab Kopernikus im Original…

„Wie alle Menschen der Bibliothek bin ich in meiner Jugend gereist; ich habe die Fahrt nach einem Buch angetreten; vielleicht war es der Katalog der Kataloge; […] Wenn ich tot bin, wird es nicht an mitleidigen Händen fehlen, die mich über das Geländer werfen; mein Grab wird die unauslotbare Luft sein; mein Leib wird immer tiefer sinken und sich im Zugwind seines unendlichen Falles zersetzen und auflösen.“ (Borges)

trackback

[…] Büchereiensterben: Eine Frage des Einflusses (Ruhrbarone) – Für Konzerthäuser soll das Geld fließen, für Büchereien nicht – eine Frage der fehlenden Lobby… […]

rote rosa
rote rosa
13 Jahre zuvor

Lieber Stefan,
so hoffnungslos wie Du sagst, ist die Lage nie. Gerade bei den von Dir so „unsexy“ beschriebenen Sozialdemokraten gibt es die Mehrheit der Verfechter der öffentlichen (Stadtteil-) Büchereien, aber sie brauchen Unterstützer und bürgerschaftliches Engagement. Also an alle: Mitglied werden bei den „Freundeskreisen“, Teilnahme am Kulturausschuss, Spenden für Bücher und Ausstattung und weitere Forderungen LAUT! formulieren, undundund. Oder wie es im Pott heißt: Endlich den Arsch hochkriegen!
P.S. Das gilt im übrigen auch bei mir den von mir so heiß geliebten Schwimmbädern… aber das ist ein anderes Thema.

Olaf Mertens
Olaf Mertens
13 Jahre zuvor

Schon richtig, was Rote Rosa da sagt, aber – öffentlich die Frage stellen ob prestigeträchtige Konzerthallen wirklich wichtiger sind als öffentliche Büchereien ist schon auch Engagement, finde ich. Das ist nämlich eine gute Frage, gerade dann, wenn man in anderen Zusammenhänge gerne von „bildungsfernen Schichten“ schwadroniert über die man sich dann erhebt!

Angelika
Angelika
13 Jahre zuvor

Der Artikel spricht mir aus dem Herzen!

Ohne die Stadtteilbibliothek in Oberhausen-Osterfeld, die Stadtbücherei in Oberhausen-Mitte wäre ich (Jg. 1956) als Schülerin (die Eltern hatten keinen Bücherschrank) aufgeschmissen gewesen. Hätte ich Referate halten können, wie der Klassenkamerad X (Vater Akademiker – mit Bücherschrank …)? Wohl nicht.

Ohne die Stadtbücherei Duisburg (Hauptstelle) hätte sich mein Studium in Duisburg (die geisteswiss. Bibl. war damals, Mitte der siebziger, Anfang der achtz. Jahre, nicht gut ausgestattet) schwieriger gestaltet. Und die Fachkräfte war Stadtbücherei (DU) waren damals sehr kompetent u. sehr nett.

Aktuell: Ich weiß von Kindern aus Bottrop, dass sie ihre Stadtteilbücherei (noch da! …) heiß und innig lieben – die Bücher, die kl. Veranstaltungen (Lesungen u.a.), die dort stattfinden. Und sie profitieren von dieser Bücherei so, wie es bei mir zu meiner Schulzeit war.

Sven
Sven
13 Jahre zuvor

auf die SPD konnte der niedersächsische Bücher-Leser sich in dem speziellen Falle der Stadtbücherei sich nicht verlassen. Hier in Osnabrück haben alle Parteien DIE LINKE gemeinschaftlich ausgegrenzt weil sie den Standort der Stadtteilbibliothek erhalten wollte, aber natürlich zuerst weil sie die Partei ist, die sie ist. Die Rathausfraktionen haben da lange ein riesiges Geheimnis draus gemacht. Im Endergebnis fährt hier jetzt nur noch ein Bücherbus von Zeit zu Zeit. Aber natürlich nicht mit dem Umfang an Angebot wie die ehemalige Stadtteilbibliothek. Und wenn sich der Bus auch nicht „rechnet“ wird er dann wahrscheinlich auch wieder gecancelt.

Leseratte
Leseratte
13 Jahre zuvor

Ich habe zwar einen Ausweis der Stadtbücherei. Allerdings komme ich über Umwege z.B Bookcrossing und selber kaufen schneller und günstiger an die Bücher dran.
Ich liebe Bücher. Der Ausweis lohnt sich für mich nur noch bedingt. Zum Leseverhalten gibt’s eine Studie der Stiftung Lesen. Mit einem lesenden Elternhaus ist es leichter die Kinder auch zum Lesen zu bewegen.
Ich betreibe in meinem Stadtteil Bookcrossing. Ich registriere sie und lasse sie frei. Wenn Nichtleser bzw. Kein Leser sie finden und lesen super. Hauptsache überhaupt aufmerksam machen. Das ist Leseförderung der anderen Art.
Bei Viellesern gibt solche Probleme nicht. Zum Beispiel die ganzen Bahnfahrer die immer ein Buch in der Hand haben. Die anderen dazu zu kriegen ist schwieriger.

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