Liga der Schädlinge

Heute startet die Zweite Bundesliga in eine frühe Spielzeit. Befürchtet wird eine Gewaltsaison, die SZ widmet sich den „Randalemeistern“ aus Dresden, Braunschweig, Frankfurt, St. Pauli. Dabei ist Gewalt nur ein Ausdruck einer veränderten Lage auf den Kurven. Die Fanszene hat sich gewandelt, radikalisiert. Rund um Ultras ist eine Art Bewegung entstanden für „lebendige Fankultur“, gegen Sicherheitsapparat, Fußballvermarkter und Sportmedien.

Ein Essay zum Ligastart

„Hooligans sind keine Verbrecher“, skandiert der Blonde durch blitzweiße Zähne. Ein Redeflash auf der Bremer Brücke in Osnabrück: Das sei so krass gewesen, 2.000 Mann hätten gesungen, als die „Bullen“ die Bo-City Leute rausgefischt hätten, 2.000 hätten gewartet, bis Bo-City wieder frei kam, müsse man sich vorstellen, auch wenn die Hools doch nicht ins Stadion rein durften, hätten alle gewartet, bis alle frei waren, alle, gewartet, echt …

Der atemlose Blonde ist auf Adrenalin. Im vergangenen Jahrhundert hätte so einer Tennis gespielt. Er reckt den Kopf, als ein älterer Fan übers Absperrgitter will. Ein Ordner steht im Weg, Tritte von oben, der Blonde brüllt: „Wir-krie-gen-euch-all-le“. Dazu Vermummte, einer mit Clownsmaske, die sich auf den Zaun zum Spielfeld schwingen, bengalische Feuer anzünden, ein Transparent entrollen, das zur Akzeptanz von „Emotionen“ aufruft. Vorher Flugblätter, T-Shirts mit Slogans, politische Sprechchöre, Spuckis. Vor dreißig Jahren wäre das als Demonstration durchgegangen.

Piraten der Kurve

Fußballfans, vor allem die jüngeren, die auf Stehkurven und Auswärtsfahrten sind Teil einer Bewegung. Ob sie es wollen oder nicht. Vor allem die seit den 1990er entstandenen Ultras organisieren nicht nur Support im Stadion, sie sorgen für fanpolitisches Grundrauschen, fordern Bewegungs- und Aktionsfreiheit auf den Fußballtribünen, mehr Mitsprache in ihren Vereinen, prägen eine eigene Ästhetik des Widerstands.

Die Themen der Kurve erinnern dabei an die von Netzaktivisten oder Piraten: weniger Verbote, Überwachung, Kriminalisierung, Aussperrungen und Polizeistaat, für Bürgerrechte, Freiheit, Freiräume, Mitbestimmung. Aber natürlich kämpfen die Fußball-Bewegten auch gegen die sportliche Konkurrenz, um Mannschaften mit Identität, Spieler mit Mumm, Trainer mit Erfolg, um Titel oder mindestens um den Klassenerhalt.

History repeated

Aus zaghaften Anfängen – als sich Mitte der Achtziger Jahre Linke, Punks, Autonome vor allem beim FC St. Pauli auf die Tribünen trauten und gegen Rassismus, Neonazis und im Zusammenspiel mit neuen Fanprojekten für den Erhalt einer neu entdeckten, neu titulierten „Fankultur“ stritten – wuchs etwas eigenes, starkes, freilich weniger ideologisch politisches heran. Eine Jugendkultur, Jugendbewegung, Subkultur – auch weil sie aneckt.

Den  Aktiven auf den Fankurven ergeht es heute ähnlich wie den Atomgegnern der 1970er, den Linksautonomen der 1980er Jahre. Dissidenz und Aktivismus, Eskalation und Radikalität wachsen in dem Maße, in dem der Mainstream ablehnt. Geschichte wiederholt sich.

Ohnmacht in der Fußballwelt

Im Staatsrundfunk und Gazetten wurde seinerzeit selbst über Latschdemos gegen Nato-Doppelbeschluss mit gestutzten Zahlen und in abschätzigem Tonfall berichtet. Und mit jeder Sendeminute stieg die Verdrossenheit auf Staat und Apparat. Nach dem deutschen Herbst, in Wendezeiten wurde noch jede Provinzkundgebung mit Hundertschaften in Kampfmontur begleitet. Für die auf der Straße waren die Fronten klar. Der Gegner saß am Mikrofon, im Bundestag oder hatte ein behelmtes Gesicht, Schlagstöcke, Pferde. ACAB, bei Fußballfans findet sich das heute wieder – ob Ultra oder hartnäckiger Auswärtsfan, sie sind Dissidenten, draußen, ausgegrenzt.

Fans auf Zäunen, Fans auf dem Platz, Fans blockieren Mannschaftsbusse, Fans mit Bengalos. In Sportschau, auf Sky oder Sat 1 werden die, die sich so zeigen, unisono verurteilt als des Fußballs „hässliche Fratze“. Wer Rauchmittel zündet, ist „Chaot“, „so genannter Fußballfan“ – „Szenen, wie wir sie im Fußball nicht sehen wollen“, empört sich die Reporterbank im kollektiven Beißreflex. Dabei ist es dreist, nein: letztlich unverantwortlich, einem Jugendlichen, der sich mit kaum etwas außer Fußball beschäftigt, ausgerechnet das abzusprechen, was ihn ausmacht, Fußballfan zu sein. Weil es trotzdem geschieht, entsteht Ohnmacht in der Fußballwelt.

Gewalt gegen Kamera

Eine Jugendbewegung wuchs heran, die sich nicht verstanden fühlt in ihrer Besessenheit, ihren Abgrenzungen, Ritualen und Konkurrenzkämpfen, in Provokation und Ausschreitung. Eine Szene, die zunehmend – und anders, ungeregelter als die Hooligans – ausrastet gegen Sachen, Ordner, Polizisten. Es ist auch eine Eskalation von Leuten, die im Abseits stehen. Etwa im Frankfurter Commerzbankstadion, ein Spielfeldsturm,  eine zertrümmerte Spezialkamera.

Doch wer Ultras weitgehend nur als „hirnverbrannte Idioten“ hinstellt, darf sich nicht wundern, wenn sie sich genauso verhalten. Erstaunlicherweise ging nach der Sachbeschädigung an der Ultra-HD-Kamera ein Aufschrei durch die Medienlandschaft. Lauter, als wenn Ordner und/oder Polizisten und/oder Fans und/oder Publikum ins Krankenhaus geprügelt werden; – vielleicht ist das zu sehr Alltag.

Heile Fußballwelt

Es tobt ein ungleicher Kampf um den Fußball, nicht weniger als der Konsensapparat einer stark zerklüfteten Gesellschaft. Bundesliga, Nationalmannschaft, nun auch Fußballfrauen, sind das ganz große Joint Venture von Staat, Verbandswesen und Konzernwirtschaft. Im Fußball findet das Land zur Einheit, freilich eine pseudo Gemeinschaft aus VIP-Logen und Stehrängen, die spätestens bei An- und Abreise zerfällt in angebelltes eingepferchtes angerittenes umzingeltes Fuß(ball)volk , gequetscht in Bahnen und Bussen, im Rückstau – während Logenpächter, Fußballermöglicher und Vereinsfunktionäre noch miteinander anstoßen.

Früher hatte offene Politik das Stadion zu meiden. Das harsche Publikum wollte keine Instrumentalisierungen. Heute sind sie es selbst, ist der Fußball zum Spielfeld der Träume geworden von Politik, Wirtschaft, Werbung. Hier wird sie ausgebrütet die ideale Gesellschaft, Utopia, Geschichten aus dem Sommer-Märchenbuch. Hier soll sich Fußballdeutschland feiern, seine besten Söhne und Töchter, multikulturell, weltoffen und heimatverbunden, patriotisch und gastfreundlich, taktisch-technisch-temporeich auf Weltniveau, Adlerträger, Konsumfreude.

In der Datenkrake

Und eigentlich ist dagegen nichts zu sagen, wenn „the beautyful game“, die demokratischste und globalste der Sportarten zur ebensolchen Vorlage der Gesellschaft wird. Das Problem – es ist ein Schwindel, wenn die engagiertesten Fans einerseits für Stimmung sorgen sollen, andererseits kriminalisiert werden.

Ultras und Co. sind Störenfriede, wenn sie mehr sein wollen als eine Tonspur, emotionales Hintergrundrauschen, mehr als Beauty Shots, abgemischt. Störenfriede mit Problemen, wenn sie Transparente ins Stadion bringen wollen, Doppelstockhalter. Wie auf Kollektivbewährung dürfen sie sich nichts zu schulden kommen lassen in Fußballeinsätzen, wenn sie keine Lust auf Gefährderansprache haben, auf Hausbesuche vom Schutzmann, auf bundesweite Stadionverbote durch Liga und Clubs, auf eine mehrjährige Speicherung in einer komplett intransparenten Datei für rund 11.000 Fußballauffällige, gepflegt von einer polizeilichen, nicht richterlich kontrollierten Zentralstelle in Düsseldorf.

Wenn ein Ultra wechselt

Ausgerechnet die aktivsten, fanatischsten, größten Fußballfans erleben die Entwicklungen ihres Lebensmittelpunktes als Entfremdung. Beim Branchenprimus FC Bayern bricht der Widerspruch besonders heftig auf. Eine der smarteren deutschen Ultragruppen, die Schickeria München, gerät auch mal ins Nachrichtenfieber an der Säbener Straße – bei Eintrittspreisen, Rettungsfonds für die kickende Stadtkonkurrenz oder zuletzt bei der Neuverpflichtung des Schalkers Manuel Neuer. Dass das Unmut brachte, der auch noch anhalten wird, auch das ein Ausdruck der radikaleren Kurvenlandschaft. Mit Neuer wechselt ja tatsächlich der erste bekennende Ultra im deutschen Fußball.

„Wider den modernen Fußball“ haben nicht nur bei den Bayern die Fans hinterm Tor aufgehängt. Ein fast rührender Appell in der Alianz-Arena, unter dem Kranz von Logen der Großindustrie und Hochfinanz, im Hightechumfeld der 30 Kameraperspektiven, tief unter einer Ehrentribüne, so prominent, bayrisch staatstragend besetzt, dass die Gesten der Konzernchefs, Fernsehköche, Politiker, Chefredakteure und Vereinsspitzen relevant sind wie die Kopfbälle der Stürmer.

Bayrischer Kapitalismus

Mitten drin zwischen Rummenigge und Markwort sitzt das menschgewordene Joint Venture der Fußballwelt, Vertreter dieses bayrischen Kapitalismus‘, in dem die Großkopferten dafür sorgen, das die Fans günstig ins Stadion kommen und trotzdem Spitzensport sehen. Ein sportlicher Korporatismus, die soziale Marktwirtschaft in einem sportökonomischen Abermillionengeschäft, die aber nur funktioniert, wenn das Fußvolk brav ist, die Füße still hält.

Weil es ein Widerspruch ist zwischen Sportbesitzern auf der Ehrentribüne und den Spielmachern in den Kurven wird die Bewegung und Dissidenz eher weiter wachsen, sich weiter radikalisieren. Auch in der heute Abend beginnenden Zweitligasaison. Weit mehr als eine Randalemeisterschaft.

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Martin Böttger
Martin Böttger
13 Jahre zuvor

Klasse, Christoph! Nach allem, was ich darüber weiss, hast Du die Lage super erfasst.
Aber jetzt freue ich mich erst mal noch auf die zwei Frauen-WM-Spiele, bevor ich mich wieder für Jungs-Fußball interessiere 😉

lebowski
lebowski
13 Jahre zuvor

„Eine Jugendbewegung wuchs heran, die sich nicht verstanden fühlt in ihrer Besessenheit, ihren Abgrenzungen, Ritualen und Konkurrenzkämpfen, in Provokation und Ausschreitung.“

Aha, die ganzen idiotischen Randale sind nichts anderes als ein verzweifelter Schrei nach Liebe.

Markus
13 Jahre zuvor

„Mitten drin zwischen Rummenigge und Markwort sitzt das menschgewordene Joint Venture der Fußballwelt[…]“

Danke, alleine für den Satz.

BioBlubb
BioBlubb
13 Jahre zuvor

@Lebowski: Super, sie demonstrieren eindrücklich, dass sie die Ultrabewegung und deren Probleme mit Liga, Vereinen und Staatsmacht nicht verstanden haben.

trackback

[…] Ein Essay zum Ligastart von Chrostoph Schurian. Heute startet die Zweite Bundesliga in eine frühe Spielzeit. Befürchtet wird eine Gewaltsaison, die SZ widmet sich den “Randalemeisters” aus Dresden, Braunschweig, Frankfurt, St. Pauli. Dabei ist Gewalt nur ein Ausdruck einer veränderten Lage auf den Kurven. Die Fanszene hat sich gewandelt, radikalisiert. Rund um Ultras ist eine Art Bewegung entstanden für “lebendige Fankultur”, gegen Sicherheitsapparat, Fußballvermarkter und Sportmedien. Lies mehr… […]

bertbert
bertbert
13 Jahre zuvor

Was eigentlich noch schlimmer als diese unsägliche, schwarz gekleidete, dauersingende und hüpfende weil vom Event-Charakter völlig verblödete Ultra-Pest in den Stadien nervt ist die dauernde Romantisierung der selben.

Ich will Fußball, sehen, riechen, fühlen! Ich will keine Bengalos, ich will keine dämlichen Dauergesänge, ich will keine Pappschildchen hochhalten, ich will kein gehüpfe. Ich will nicht diese unendliche Geseiere über missverstandene Jugend, welche ich lt. Autor ja geradezu in die Gewaltspirale zwinge.

Liebe Ultras, liebe Ultra-Liebenden Autoren, bitte wechselt den Rahmen, geht von mir aus zum Handball die brauchen mal ein bisschen Aufregung. Aber lasst den Fussball in Ruhe, Euch wird es nicht schwerfallen und den Fans wird es gefallen.

BioBlubb
BioBlubb
13 Jahre zuvor

Lieber Bertbert, bitte wechseln sie den Rahmen, gehen sie von mir aus in einen anderen Block, z. B. in den Sitzplatzbereich. Oder zum Tennis, da hüpft auch keiner.

Ich will die Ultras nicht generell in Schutz nehmen, manches ist auch für mich daneben, aber das schiebe ich dann einfach mal auf mangelnde Reife.

Aber wenn sie von der „vom Event-Charakter völlig verblödeten Ultra-Pest“ schreiben, dann kann ich ihnen versichern, dass die Ultras die allerletzten sind, die Fußball als Event verstehen.

Heinz Ketschup Schleuser
Heinz Ketschup Schleuser
13 Jahre zuvor

Dass die Süddeutsche sich auf dieses BILD-Niveau begeben hat, ist bitter, aber bezeichnend für die Entwicklung der Münchner Prawda für Ökospießer und Bobos. Jeder Fußballfan weiß, dass die „Randaleliga“ ein reines Medienklischee ist.

Ansonsten: Ich würde mir auch den alten Fußball zurück- und den modernen wegwünschen… Allein, was hilfts? Früher waren auch die Filme besser, und die SPD, und George Harrison lebte noch, und und und. Nützt also nichts.

Freue mich trotzdem auf Fortuna gegen Bochum.

lebowski
lebowski
13 Jahre zuvor

@BioBlubb
„@Lebowski: Super, sie demonstrieren eindrücklich, dass sie die Ultrabewegung und deren Probleme mit Liga, Vereinen und Staatsmacht nicht verstanden haben.“

Natürlich habe ich die nicht verstanden. Das war der ganze Witz bei meinem Kommentar. Mit der Ultra-Bewegung ist es wie mit dem Liebesleben von Pippa Middleton: Irgendwie uninteressant für den Rest der Welt.

„Das Problem – es ist ein Schwindel, wenn die engagiertesten Fans einerseits für Stimmung sorgen sollen, andererseits aber kriminalisiert werden.“

Ja, und die Ultras machen bei diesem Spielchen brav mit. Schön die Hintergrundkulisse abliefern, damit irgendein Gelddödel von der Gänsehautatmosphäre schwafeln darf.

bertbert
bertbert
13 Jahre zuvor

Lieber Herr BioBlubb,

und genau das ist meine Kritik: Ob jetzt permanent die Hermes House Band spielt oder die Ultras 90 Minuten durch singen und Fähnchen schwingen macht in meinen Augen nicht den geringsten Unterschied. Beide HHBand und Ultras interessieren sich offenkundig nicht für das Spiel, und nerven die Leute die sich für Fußball interessieren. Sie gliedern sich sich klasse in den „modernen“ und Event-orientierten Fussball ein und sind sogar stolz auf ihre Choreos. Wo soll hier der Unterschied sein zur vereinsseitigen Familienbespaßung, doch höchstens die Zielgruppe? Das lamentieren dagegen ist nur Folklore.

Und wenn diese sonnenbebrillten Kiddies mit ihrem uniformen Auftreten und ihrem faschistoiden Gehabe mir dann auch noch erzählen sie wären die wahreren und reineren Fans, unterschreib ich jede Petition für dauerhafte Stadionverbote.

Heide
Heide
13 Jahre zuvor

Fussballfans feiern ihre Mannschaft und das Spiel. Ultras feiern nur sich selbst.

David Schraven
Admin
13 Jahre zuvor

Toller Text, danke Schuri!!

trackback
13 Jahre zuvor

Links anne Ruhr (16.07.2011)…

Duisburg (Loveparade 2010): Abwahlverfahren: SPD Duisburg sucht Kandidaten für Nachfolge von OB Sauerland (DerWesten) – Dortmund: Ullrich Sierau angehalten: Wütender Oberbürgermeister stauchte Polizisten zusammen (Ruhr Na…

BioBlubb
BioBlubb
13 Jahre zuvor

Zunächst einmal sollte ich vielleicht klarstellen, dass ich kein Mitglied einer Ultra-Gruppierung bin noch dies jemals war. Weiterhin beziehen sich alle meine Äußerungen auf den VfL Bochum und „seine“ Ultras.

@ Lebowski: „Mit der Ultra-Bewegung ist es wie mit dem Liebesleben von Pippa Middleton: Irgendwie uninteressant für den Rest der Welt.“

Der Vergleich hinkt. Pippa Middleton ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch der Meinung, dass ihr Liebesleben keinen was angeht – hier sind es die Medien, die dies so brennend interessiert.
Nur weil die Ultra-Bewegung für Sie – und sicherlich auch andere Stadionbesucher – irgendwie uninteressant ist, gilt dies weder für die Ultras selbst, noch automatisch für alle Stadionbesucher, die sich nicht zu den Ultras zählen.

„Ja, und die Ultras machen bei diesem Spielchen brav mit. Schön die Hintergrundkulisse abliefern, damit irgendein Gelddödel von der Gänsehautatmosphäre schwafeln darf.“

Nö, nicht zwangsläufig. Es gab durchaus schon Spiele, wo die Ultras entweder draußen geblieben sind oder eine Halbzeit komplett leise waren. Meistens übigens um gegen „irgendwelche Gelddödel“ (sofern wir sowas in Bochum haben) oder die Vereinsführung zu prostestieren.

@Bertbert

„Ob jetzt permanent die Hermes House Band spielt oder die Ultras 90 Minuten durch singen und Fähnchen schwingen macht in meinen Augen nicht den geringsten Unterschied“

In meinen Ohren macht es einen RIESIGEN Unterschied, ob ich „Country Roads“ höre oder „Unten auf dem Rasen kämpft ihr für unsere Farben!“. Bei Letzterem singe ich dann auch gerne mit. Da geht’s dann nämlich auch um den Verein. Und dass von Zeit zu Zeit auch mal neue Lieder in der Kurve auftauchen, die sich angenehm vom sonstigen Einheitsbrei, der in allen Stadien gesungen wird, unterscheiden, ist meist auch den Ultras zu verdanken.

„Beide HHBand und Ultras interessieren sich offenkundig nicht für das Spiel, und nerven die Leute die sich für Fußball interessieren“

Fangesänge und das kollektive Anfeuern der Mannschaft „nerven“ Sie und andere Leute also. Damit wäre ich dann wieder bei meinem Tennisargument. Gehörten „Schlachtenbummler“ und Fangesänge nicht schon immer dazu? Wie ist denn Ihre ideale Vorstellung von einem Stadionbesuch?
Auch würde mich interessieren, wie Sie darauf kommen, die Ultras würden sich „offenkundig nicht für das Spiel interessieren“. Haben Sie mit welchen gesprochen? Ja, der Vorsänger steht auf dem Zaun mit dem Rücken zum Feld. Sonst würde das Vorsingen auch schwierig. Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass ja schon die Vorsingerei Schwachsinn sei, aus meiner Erfahrung kommt es dann allerdings dazu, dass überall kleine Grüppchen verschiedene Sachen singen, die dann nicht auf dem Platz ankommen.

„Wo soll hier der Unterschied sein zur vereinsseitigen Familienbespaßung, doch höchstens die Zielgruppe“

Ganz einfach: Die vereinsseitige Familienbespaßung dient weniger dem Zwecke der Unterhaltung als viel mehr der Werbung. Schon mal Familienbespaßung ohne Sponsorenlogo gesehen? Ich nicht. Im Gegensatz dazu entstehen die Choreos der Ultras häufig in wochenlanger Vorbereitung, finanziert aus eigenen Mitteln, und zeugen von Herzblut und Liebe zum Verein.

„Und wenn diese sonnenbebrillten Kiddies mit ihrem uniformen Auftreten und ihrem faschistoiden Gehabe mir dann auch noch erzählen sie wären die wahreren und reineren Fans, unterschreib ich jede Petition für dauerhafte Stadionverbote.“

Zugegeben, das uniforme Auftreten in schwarz stößt auch mir bisweilen auf. Aber ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es sich da um eine recht homogene Altersgruppe handelt? Die Identifikation über Kleidung ist bei Jugendkulturen nun mal sehr verbreitet. Und was ein 15 – 18 jähriger von mir als Fan hält, geht mir ehrlich gesagt am Ar… vorbei.
Sie würden also eine Petition für eines der undemokratischsten Mittel, welches sich IMHO außerhalb der Rechtsstaatlichkeit bewegt und die Unschuldsvermutung aufhebt, unterstützen? Interessant.

Ich komme zu dem Schluß, dass wir wohl einfach sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem Stadionbesuch haben. Meine Stadionsozialisation begann, als die Ultras schon da waren, ich kenne es nicht anders. Ich stehe immer zwei Blöcke von den Ultras entfernt. Wenn ich mitsingen will, kann ich das tun, wenn nicht, macht mich auch keiner blöd an. Wo ist also das Problem?

Ich glaube nicht, hier noch eine Antwort zu erhalten, aber das musste noch mal gesagt werden.

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