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Norbert Walter-Borjans Kärrnerarbeit in der Fußgängerzone

Norbert Walter-Borjans (Mitte) in Wattenscheid

Für SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat der Bundestagswahlkampf schon begonnen. Im Bochumer Vorort Wattenscheid sucht er das Gespräch mit Genossen und Bürgern.

Es ist heiß an diesem Montag. Endlich ist der Sommer da. Auf dem Alten Markt in Bochum-Wattenscheid stehen ein roter Mercedes Sprinter, ein Partyzelt und ein paar Bierbänke. Die SPD-Bundestagsfraktion tourt unter dem Motto „Gekommen um zu hören!“ durch das Land. Zuhören wollen hier der Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, der Landtagsabgeordnete und Bochumer SPD-Chef Serdar Yüksel und Norbert Walter-Borjans, der Chef der SPD. Und sie haben gute Gründe, das Gespräch zu suchen: Bochum war wie das ganze Ruhrgebiet früher eine SPD-Hochburg. In Schäfers Wahlkreis trat 1949 der spätere SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer an. Als Schäfer hier 2002 zum ersten Mal kandidierte, holte er noch souveräne 57 Prozent der Stimmen. 2017 waren es dann nur noch 37,2 Prozent.

Während Yüksel versucht die gut 20 Besucher des Standes in Stimmung zu bringen. Die meisten sind altgediente Genossinnen und Genossen. Die Menschen auf die sich die SPD und guten wie in schlechten Zeiten verlassen kann, für die sie eine Lebenshaltung und keine Partei ist.

Hätte nicht noch vor 20 Jahren ein SPD-Vorsitzender den Platz bis auf den letzten Platz gefüllt? Walter-Borjans zuckt mit den Schultern: „Ja, das hätte er, aber die Zeiten sind nicht mehr so wie damals. Auch für die anderen Parteien nicht.“ Damit dürfte er Recht haben. Auch CDU-Chef Armin Laschet würde hier nicht 2000 Schlüpfer werfende Jungunionisten zusammen bekommen. Walter-Borjans will mit seinen Parteifreunden reden und den Bürgern in der Fußgängerzone. Und weil er nicht eitel  ist, gelingt ihm das auch. Ihn umgibt keine abschreckende Aura der Herrschaft. Mit ihm kann man reden. Nicht die schlechteste Eigenschaft für einen SPD-Vorsitzenden.

Walter-Borjans redet über Finanzpolitik. Es ist sein Thema. In NRW hatte durch den Ankauf von Steuer CDs der Landeskasse Milliardeneinnahmen besorgt. Unter dem Strich war er der wohl einzige SPD-Minister im Kabinett Kraft, der beim Bürger punkten konnte. Der ausgeglichene Haushalt war seine Sache nicht. Für Kraft waren Schulden ein Kernbestandteil ihrer Politik. Die Steuer CDs beschertem ihm den Ruf eines roten Robin Hoods.

Walter-Borjans redet über die Geldsorgen der Städten. „Die Städte tragen ihre Last ohne eigenes Verschulden. Bochum hat seine Schulden nicht, weil die Stadt in Saus und Braus gelebt hat, sondern weil der Strukturwandel dafür gesorgt hat, dass hier mehr Menschen leben, die abhängig von der Hilfe des Staates sind als in Städten, die so einen Umbau nie betreiben mussten.“

Er will, dass die Städte ihre Altschulden loswerden, dass der Bund und die Länder sie ihnen abnehmen. „CDU und CSU blockieren eine solche Lösung.“

Ein Genosse ist mit der Arbeit der SPD in der Bundesregierung zufrieden, aber nicht mit der Öffentlichkeitsarbeit. „Hier kommt nichts an. Ihr macht viele gute Gesetze, aber wenn es einen Erfolg gibt, tut die CDU so als ob es ihr Verdienst wäre.“ Die bei der Partei in Berlin wüssten wohl nicht, wie man die eigene Arbeit darstellt.

Walter-Borjans gibt ihm teilweise Recht. Die SPD hätte viel gegen „die Schwatten“ durchgesetzt. Die Union wüsste zwar, wie man mit Maskenprovisionen gut verdient, aber wenn es darum ginge, besonders belasteten Menschen zu mehr Einkommen zu verhelfen, würde es heißen, dass das nicht ging. Er lobt die SPD-Minister und listet die Schwächen der schwarzen Kabinettsmitglieder wie Spahn und Scheuer auf. „Was Anja Karliczek macht, weiß kein Mensch,“ sagt der SPD-Vorsitzende.

Aber es sei nun einmal so, dass wenn etwas klappt, sei es das Team-Merkel. Viele Medien würden ohnehin mit Schwarzgrün liebäugeln. Er ist aber so fair, daran zu erinnern, dass das auch daran liegen würde, dass die SPD der kleinere Partner sei: „In NRW wurde auch vieles uns und Hannelore Kraft zugerechnet.“

Walter-Borjans wirkte heute in Wattenscheid nicht wie der Vorsitzende der ältesten Partei Deutschlands. Einer Partei, die drei Bundeskanzler stellte und den besseren Teil der Geschichte des Landes in den vergangenen fast 160 geprägt hat. Ein bescheidener und bodenständiger Mann, ein Experte im Bereich roter Finanzpolitik, sucht das Gespräch mit seiner Parteibasis und den Bürgern. Er tut es nicht von oben herab, er hält keine großen Reden. Kärrnerarbeit in der Fußgängerzone der einstigen roten Hochburg. Er kann es gut, es liegt ihm. Seine Partei braucht so etwas. Denn groß ist sie nur noch in den Geschichtsbüchern.

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Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Stefan Laurin,
erfreulich, wenn Du losgelöst von parteipolitischen und personalpolitischen Präferenzen 'mal am Beispiel Borjans zu vermitteln versuchst, was es einem Politiker (auf Bundesebene, auf Landesebene, aber auch in der Kommune) abverlangt, auf "Straßen, Wegen und Plätzen" , jenseits der digitalen Welt, das Gespräch zu suchen -mit "Freund und Feind".
Gut so, daß es diese Politiker noch gibt und das dazu auch solche gehören, die politische Spitzenämter innehaben und gut so, daß sie allesamt, so auch Borjans, dazu beitragen, den politischen Diskurs nicht gänzliche verkommen zu lassen und sie insofern auch nicht der Mehrheit "diesem unserem Lande" folgen, nämlich statt hinzugeben.

Stefan Laurin,
im übrigen ist es wohl eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft, sich vornehmlich für eine Sache, für eine Person , u.a. eben auch für eine Partei, dann öffentlich zu engagieren, sich zu ihr zu bekennen, wenn sie Erfolg hat -zumindest solchen vermuten läßt.

Im Gegensatz dazu gibt es erfreulicherweise in der SPD -iimmer noch?- Menschen, die sich in ihrer Kommune öffentlich zu ihr bekennen und vor Ort für sie streiten. . Es stärkt ihr Engagement , wenn z.B. Borans vor Ort erscheint und mit ihnen spricht.
Unstrittig dürfte es zudem sein, daß es "gut tut", wenn z.B. bei einer solchen Gelegenheit an Erfolge in der Vergangenheit, erinnert wird , das schließt z. B. bei mir die Erinnerung an bedeutsame Persönlichkeiten in der jüngeren Geschichte "meiner" SPD ein und damit auch in der deutschen Geschichte.

Aber…….
alleine damit läßt sich keine Wahl gewinnen und trotzdem oder gerade deshalb……..,,,,,

Stefan Laurin,
durch mich als Sozi also meinen Dank an Dich für Deinen Beitrag!

Walter Stach
Walter Stach
2 Jahre zuvor

Ergänzung:
Absatz 2 lezter Satz…..
"nämlich sich stattdessen dem unsäglichen tagtäglicihem Gequatsche in den a-sozialen Netwerken hinzugeben".

discipulussenecae
discipulussenecae
2 Jahre zuvor

"Ein bescheidener und bodenständiger Mann, ein Experte im Bereich roter Finanzpolitik …"
Welch böses und vergiftetes Lob!

"Er tut es nicht von oben herab, er hält keine großen Reden."
Hier gilt das Gleiche! Denn die drei Kanzler der SPD konnten jeweils die (damals noch gut gefüllten!) Säle zum Toben bringen …

Und mit der Wahl der westdeutschen Kopie von Margot Honecker als Partnerin beim Parteivorsitz hat sich NoWaBo für mich grundsätzlich disqualifiziert!

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