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Dortmund: Familie flieht vor Nazi-Terror… DerWesten

Städteranking: Hamm vor Hagen, Bochum und dem ganzen Rest… Pottblog

BVB: Lachnummer in Saarbrücken… Handelsblatt

Gelsenkirchen: Rolf Rüssmann beigesetzt Ruhr Nachrichten

Razzia: Nur 1,50 Euro Stundenlohn… RP-Online

WAZ-Mediengruppe: Der Kampf um das Lokale geht weiter (interessante Kommentare!)… Medienmoral-NRW

Opel: Standort Bochum in Gefahr… DerWesten

Kreis Unna: Haushaltssperre… Ruhr Nachrichten

Bratwurst-TV: André Zalbertus vergibt Presseausweise… JakBlog

Fassbinder in Mülheim: Ein ästhetisches und ethisches Desaster

Als der letzte Satz gesprochen und das Licht auf der Bühne allmählich erloschen war, deutete nichts darauf hin, dass im Mülheimer Theater an der Ruhr soeben eines der umstrittensten Schauspiele der deutschen Theatergeschichte uraufgeführt worden war. Anders als 1985, als im Frankfurter Schauspiel Fassbinders Drama Der Müll, die Stadt und der Tod zum ersten Mal inszeniert werden sollte, gab es dieses Mal keine Proteststürme oder aufgebrachte jüdische Demonstranten, die die Bühne blockierten und die Aufführung verhinderten. Nicht einmal ein Buh-Ruf war zu vernehmen.

Stattdessen setzte, als der Vorhang fiel, begeisterter, minutenlang andauernder Beifall ein. Die Zuschauer – neben Pressevertretern ausschließlich geladene Gäste – riefen Bravo, stampften mit den Füßen und verstärkten ihren Applaus noch einmal hörbar, als Roberto Ciulli, der Regisseur der Inszenierung, die Bühne betrat, sich verbeugte, seinem Publikum gut gelaunt dankte und unzählige Glückwünsche entgegennahm.

TRAVESTIE-SHOW Auch in den meisten Feuilletons war anschließend zu lesen, Ciulli habe eindrucksvolle Bilder für den in der Gesellschaft nach wie vor vorhandenen Antisemitismus gefunden. Geraten Theaterkritiker sonst nicht selten wegen marginaler Detailfragen in Streit, herrschte diesmal weitgehend Einigkeit. Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung urteilte, dass Ciullis Inszenierung »eine leidenschaftliche Klage über die Kälte in der Welt« sei. Der Regisseur habe gezeigt, dass Fassbinders Drama in den vergangenen Jahrzehnten »sinnlos« Angst und Wut hervorgebracht habe. Die Welt sprach gar davon, der Zentralrat der Juden in Deutschland habe nicht aus Entrüstung über das Stück dessen Verbot gefordert, vielmehr sei es nur eine Pflichtübung gewesen. Doch keineswegs ohne Grund war Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, nach einem Besuch der Proben der Meinung gewesen, das Schauspiel solle nicht aufgeführt werden, da es die »Charaktere schablonenhaft und mit den üblichen Klischees behaftet« darstelle. Kramers Worte waren noch diplomatisch formuliert. Tatsächlich war Ciullis Aufführung – die schauspielerischen Leistungen der Darsteller ausgenommen – ganz und gar missraten. Sie glich einer geschmacklosen, auf billige, vor allem antisemitische, Kalauer abzielenden Travestie-Show: Eine lustvoll dargebotene Ästhetisierung antisemitischer Tiraden und Stereotype, deren Hintergrund das Geräusch einströmenden Gases und der sich in regelmäßigen Abständen öffnende Ofen von Auschwitz bildete.

AUFKLÄRUNG? Da half es auch nichts, dass das Drama in zwei weitere Stücke von Fassbinder eingebettet wurde und der Judenhass hier im Gewand der Aufklärung daherkam. Ciulli hatte im Vorfeld davon gesprochen, dass sein Stück auf den latenten Antisemitismus in Deutschland aufmerksam machen werde und stellte die kühne Behauptung auf, dass »in jedem von uns ein Antisemit steckt«. Seine Inszenierung sei notwendig, um das zu ändern. Angesichts dieser geschmacklosen, auf billige Effekte setzenden Aufführung eines Provinztheaters wird das wahrscheinlich kaum geschehen. »Es gibt eine moralische Verpflichtung, dass, wann immer man sich diesem ungeheuren Thema Holocaust nähert, das Ergebnis extrem gut sein sollte«, hat der Schriftsteller Daniel Kehlmann vor Kurzem in einem Interview mit dieser Zeitung gesagt (vgl. Jüdische Allgemeine vom 27. August, S. 17). Genau dies ist bei Ciullis Inszenierung nicht der Fall. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Jüdische Gemeinde Mülheim-Oberhausen-Duisburg hatten in einer gemeinsamen Erklärung darum gebeten, das Theater möge »aus Respekt vor den wenigen Überlebenden des Holocaust und den Millionen von Toten auf die Aufführung verzichten«. Proteste wie weiland in Frankfurt/Main hatte man aber nicht organisieren wollen. Gemeindevorsitzender Jacques Marx sagte, er wolle nicht, dass Mülheim mit dieser Inszenierung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werde. So geriet der vergangene Donnerstagabend zu einem jener verstörenden Momente im deutsch-jüdischen Verhältnis, die einen, wieder einmal, ratlos zurückließen.

AUSVERKAUFT Für das Mülheimer Theater dagegen war es ein rundum gelungener Abend. Ciullis Inszenierung wurde allerorten gefeiert, ARD und ZDF berichteten von der Premiere. Das idyllisch in einem Stadtwald gelegene Schauspielhaus konnte sich anschließend vor Kartenwünschen kaum retten. Die nächsten Vorstellungen sind allesamt ausverkauft.

 

Diese Rezension erschien zuerst am 8.Oktober 2009 in der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung sowie einen Tag darauf auf www.achgut.com

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Freund Hein

 

 

Stan Libuda, Rüdiger Abramczik, Andi Möller, Jens Lehmann, Rolf Rüssmann

Der Baron vom Deich schreibt hier darüber, wie die Bundesliga sein sollte, wenn es nach ihm ginge. Aber es gibt Tage an denen mehr als klar wird, daß das Leben kein Wunschkonzert ist und auch im Fußball ein Spiel nicht immer die vollen neunzig Minuten dauert. Ich will gar nicht erst versuchen, einen Nachruf auf Rolf Rüssmann zu schreiben, zum einen kann ich das gar nicht, zum anderen haben es andere schon getan (und ich bin mir nicht so ganz sicher, wer da eventuell von wem abgekupfert haben könnte).

Rüssmann kam zu einer Zeit nach Dortmund, in der ich die Spieler "meiner" Mannschaft langsam als Individuen wahrgenommen hatte, ich hatte damals noch nicht wirklich realisiert, daß er aus der "verbotenen Stadt", aus Gelsenkirchen, nach Dortmund gekommen war und nach der Beendigung seiner Karriere als Spieler habe ich ihm dann immer irgendwie übelgenommen, daß er anschließend bei den "falschen" Vereinen tätig war, Schalke, der falschen Borussia aus Gladbach, Stuttgart…

Als ich letzte Woche mal wieder in Dortmund war, las ich in der gedruckten Ausgabe der Westfälischen Rundschau von seinem Tod und ich war… betroffen, auch betroffen darüber, daß ich ihn "vergessen" hatte.

Zur Rivalität zwischen Dortmund und Gelsenkirchen hat Jürgen Klopp sinngemäß gesagt, daß Schauspieler, die am Samstag den Othello gespielt haben, am Montag nicht mit dem Schwert aufeinander losgingen. Stimmt! Bei aller Rivalität, bei allem was uns trennt, da ist verdammig viel mehr das uns eint!

Rolf Rüssmann wird am heutigen Freitag, im Anschluss an die Trauerfeier, auf dem Evangelischen Altstadtfriedhof in Gelsenkirchen beigesetzt…

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Wo der Frikadellenmann sich die Brötchen holt

Hermann Schulte-Hiltrop, Herr der Frikadellen des in Dortmund ansässigen Bauverbandes sollte mittlerweile jedem hinlänglich bekannt sein. Der Mann, der wegen zwei aufgegessenen, belegten Brötchen und einer Frikadelle seine Chefsekträrin entlässt, hat – wie hier zu sehen zu sehen – schon eine neue. Das Frikadellenthema ist ja nun hinlänglich durchgekaut und wenn Schulte-Hiltrops Geldgeber ihm nicht klarmachen, dass das nicht geht, wird es wohl zum Prozeß kommen. Was die ganze Nummer aber noch ein bisschen spannender macht: Schulte-Hiltrop ist auch Aufsichtsrat – und zwar hier.

 

Foto: www.ds-foto.de.ms

Diese Beratungsfirma, die zu Teilen der öffentlichen Hand und zu Teilen der Privatwirtschaft gehört, hat sich zum Ziel gesetzt, Public Private Partnership oder hier ÖPP genannt, als Win-Win-Geschäftsmodell an die öffentliche Hand und den privaten Sektor zu verkaufen. Im Rahmen des Zukunftsinvestitionsgesetzes (hier die dazugehörige Vereinbarung als PDF ), das als Teil des Konjunkturpaketes II von der schwarz-roten Bundesregierung verabschiedet wurde, sollen durch ÖPP Mittel aus diesem Topf in private Hände zugunsten der Öffentlichkeit gehen. Schönes Beispiel dazu hier (PDF). Zitat:

 

"Es ist nicht zwingend, ÖPP-Projekte vollständig durch private Partner finanzieren zu lassen. Hier gilt es in jedem Einzelfall ein Optimum für beide Seiten zu finden. Es ist möglich, dass die Öffentliche Hand im Rahmen einer im ÖPP-Vertrag geregelten „Anschubfinanzierung“ die Bauphase teilweise oder vollständig bezahlt. Dann verbleiben als von den Privaten zu finanzierende Bestandteile die Raten für eventuelle weitere selbständig abgrenzbare Teilprojekte und für den Betrieb."

Verstehe ich das richtig? Das vom Konjunkturpaket II bereit gestellte Geld eignet sich hervorragend dazu, sich öffentliche Aufträge an Land zu ziehen, sie von der öffentlichen Hand bezahlen zu lassen und nachher Miete dafür zu kassieren? Und weiter:

"Da ÖPP-Projekte auch die Planung der Projekte beinhalten, sind sie ein sicherer Weg, die mit dem Zukunftsinvestitionsgesetz zur Verfügung stehenden Mittel bei den anzunehmenden Planungsengpässen der öffentlichen Verwaltung innerhalb des möglichen „Zeitfensters“ vollständig zu verwenden."

Aha. Die ÖPP bemüht sich also auch darum, dass möglichst alle Mittel aus dem Topf Konjunkturpaket II abgeschöpft werden, da die Planer in den staatlichen Behörden wohl zu langsam sind, dazu einen Bedarf zu generieren. Ok. So weit, so gut. Wer sind nun aber die privaten Investoren bei der ÖPP? Voilà. Da haben wir nun also unter anderem die mit staatlichem Geld geretteten Banken HypoVereinsbank, BayernLB und die vom Staat mit 18,2 Milliarden Euro gestützte Commerzbank.

Zur Wiederholung: Aufsichtsrat dieser lustigen Unternemung ist Hermann Schulte-Hiltrop, der Mann der "das Vertrauensverhätnis ja, was wir uns hundertprozentig drauf verlassen" (WDR-Stream ab sec. 20) gestört sieht, wenn jemand 2 halbe Brötchen und eine Frikadelle vom Konferenztisch ißt. Und nun die abschließende Frage zu der ganzen Recherche: Wer sollte seinen Job wohl mal ganz schnell ruhen lassen, wegen Vertrauensvorschuss und so?

Hungermodels und Ernährungskampagnen

Foto: Thorsten Schraven

Hatte Marilyn Monroe Übergewicht? Wer sie mit heutigen Models oder Star-Schauspielerinnen wie Jessica Alba, Angelina Jolie oder Nicole Kidman vergleicht, müsste wohl zu diesem Schluss kommen. Nach einem Vorstoss der Frauenzeitschrift "Brigitte", die auf den Abdruck von professionellen Hungermodelfotos verzichten will, hat das Thema wieder Eingang in die öffentliche Debatte gefunden.

Noch 20 Jahre nach dem Tod der Monroe wurden in Karikaturen die fiesen Kapitalisten als Dicke in Anzug und mit Zigarre gezeichnet; in manchen Versionen zogen sie mittels eines Flaschenzuges einen Korb mit Nahrung vor den hungrigen Arbeitermassen hoch. Das ist heute alles umgewertet: die fiesen Kapitalisten sind heute durchtrainierte Männermodels à la René Obermann. Die Dicken sind die, die von ihnen rausgeschmissen werden. Ums Essen geht es auch nicht mehr, das macht weniger als 15 Prozent der privaten Haushaltsbudgets aus.

Vernachlässigt wird in landläufigen Ernährungskampagnen, dass es nicht nur viele Übergewichtige, sondern vielleicht noch mehr Essgestörte gibt. Von konkreten Strategien gegen die Ausbreitung dieser Massenkrankheit ist leider nirgends die Rede. Schon vor einigen Jahren hat eine Studie der Universität Jena ergeben, dass ein Drittel der 10-31-jährigen Frauen und Mädchen von Essstörungen betroffen ist oder war. Eine vom Robert-Koch-Institut veröffentlichte Studie zur Kindergesundheit kommt zu einem ähnlichen Ergebnis für 11-17-jährige: 28,9 Prozent der Mädchen und 15,2 Prozent der Jungen seien betroffen. Adipositas-betroffen sind dagegen nur 8,9 Prozent der 14-17-jährigen, beziehungsweise noch weniger in jüngeren Altersgruppen.

Bei Übergewichtigen lautet das Klischee, sie ließen sich gehen, würden sich selbst vernachlässigen. Da ist es stimmig, wenn Politik und Medien als Umerzieher auftreten und den unter Übergewichtigen stark vertretenen Unterschichtlern vorhalten, sie seien an ihrem Schicksal selber schuld und sollten sich erst mal selbst läutern, bevor sie Staat und Krankenkasse auf der Tasche liegen. Bei den Essgestörten sieht das Bild anders aus. Auch bei ihnen sind die Armen und die mit Migrationshintergrund (letztere laut RKI über 50 Prozent) überrepräsentiert. Sie versuchen, das Leben mit übersteigerter Selbstkontrolle in den Griff zu bekommen, sie üben zu viel Selbstdisziplin. Warum nur? Sigrid Borse vom "Frankfurter Zentrum für Ess-Störungen" beschreibt es als Versuch, "aus einer Ohnmacht heraus den Körper zum Bereich eigener Handlungsmacht" zu machen. Es fehle den Betroffenen an – schöner Begriff! – "innerer Sicherheit"! Und es gibt sie über 90 und unter acht Jahren, die Tendenz geht zur durchschnittlichen Verjüngung.

Es ist also unumstritten, dass Ess-Störungen eine Massenerkrankung, eine Volkskrankheit sind. Doch es ist merkwürdig, wie wenig das politische Debatten beschäftigt. Die Essgestörten sind schlimme Opfer herrschender Individualisierung. Sie treiben sie gegen sich selbst auf die Spitze, und kommen zu allerletzt auf die Idee, sich gar politisch dagegen zu organisieren. Foren, in denen sie sich zu immer höheren Hungerleistungen anspornen, gibt es dagegen wie Sand am Meer. In Wohngemeinschaften junger Frauen, besonders natürlich wenn sie "schön" sind, gehört das Kotzen zur gemeinsamen Alltagskultur. Sie finden nichts dabei, so wenig wie Alkoholiker ihr Saufen bemerkenswert finden. Den Regierungen fällt offensichtlich nichts dazu ein. Selbst in den Debatten der Feuilletons kommt es selten vor. Sind zu viele in der Branche selbst betroffen? Wer mag schon über sich und seine ganz persönlichen Fehler disputieren?

Doch es ist nicht "ganz persönlich". It´s the economy, stupid! Der Halt, den Berufstätigkeit und Arbeit gegeben haben, wurde und wird demontiert. Heute versuchen alle, nach Kräften zu funktionieren, weil sie nur dann durch Gehalt und soziale Anerkennung belohnt werden. Bei wem das Funktionieren gefährdet wird, verbirgt das lieber – darum auch die abnehmenden Krankheitstage. Das lässt sich der Körper nicht gefallen. Er reagiert bei jedem und jeder anders. Die einen fressen, die andern hungern, wieder andere tun beides. Die häufigste Krankheitsursache, sagt Wiglaf Droste, ist die Arbeit. Wer also gesund leben will, sollte als Erstes das Arbeiten, aber nicht Essen und Trinken einstellen.

But it´s not only the economy. Die Deutschen sind durch eine lange preußische und faschistische Genussfeindlichkeit geschädigt. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. (Sic!) War das nicht sogar ein Slogan von sozialdemokratischen Revolutionären? Die Hartz IV-Politik lässt sich jedenfalls genau davon leiten. Hier wird Essen als Nahrungsaufnahme zwecks Funktionieren des Körpers verstanden. Und das ist genau das große Missverständnis. Wenn der Mensch gesund bleiben soll, braucht er Lust und Genuss. Am Mittelmeer wurde das traditionell immer besser verstanden. Weil es dort mehr Licht gibt? Während im winterlich dunklen Skandinavien trotz prohibitiver Steuern und Preise erheblich haltloser gesoffen wird?

Heute existieren längst soziale, technische, wissenschaftliche und kulturelle Instrumente, die aus diesem archaischen Abhängigkeitsverhältnis von der Natur befreien können. Genuss kann gelernt werden, in Frankreich sogar in der Schule. Die internationale Slowfood-Bewegung bemüht sich darum, die sich bedauerlicherweise in Deutschland mehr als elitäre Gourmet-Vereinigung darstellt, als es diesem eigentlich hochpolitischen und sozialen Gedanken gut tut. Global engagiert sie sich unter italienischer Führung für regionale Erzeuger gegen die Patentpolitik der internationalen Saatgutkonzerne und für "das Recht auf Genuss". Auf jeden Fall kann man den nicht autoritär durch Regierungsdekret vermitteln, sondern nur durch Mitmenschen, die Freude und Genuss selbst vorleben können und dürfen. Furcht, Angst, Strafe haben da keinen Platz. Sie breiten sich aber gerade aus. Das ist das Ernährungsparadox unserer Tage. Wer da nicht dran will, wird weder Übergewichtigen noch Essgestörten helfen können.

Informationen über Essstörungen:

www.essstoerungen-frankfurt.de

www.bzga-essstoerungen.de

Milliarden aus NRW für amerikanische Studenten

Die NRW.Bank soll den Mittelstand in Nordrhein-Westfalen fördern, heißt es. Sie soll anders als die WestLB nicht Milliarden verzocken. Sie soll staatlich bleiben und unter dem Einfluss der Regierung Gutes für die Menschen in Nordrhein-Westfalen tun. Warum aber finanziert die Bank dann mit vier Milliarden Euro US-Studenten und nicht deutsche Lehrbegierige oder zumindest unsere Unis? Warum macht sie Cross-Border-Geschäfte und warum muss das Landesbauvermögen von 18,7 Mrd Euro in die Bank gepumpt werden?

 

NRW.Bank iun Düsseldorf Foto: NRWBank

Die Antworten führen zu folgendem Vorgang. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unter Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers will die staatliche NRW.Bank auf Druck der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stützen. Das Wohnungsbauvermögen des Landes (WfA) in Höhe von 18,7 Mrd Euro soll demnach vollständig in das reguläre Eigenkapital der Bank übertragen werden. Dadurch soll das staatliche Geldhaus gegen Risiken abgesichert werden, hieß es.

Auch bislang verwaltet die NRW.Bank das WfA-Vermögen. Allerdings ist der Zugriff des Institutes auf das Geld beschränkt. Durch eine gesetzliche Zweckbindung dürfen aus diesem Sondervermögen des Landes nur Kredite für den sozialen Wohnungsbau vergeben werden. Die Gewinne aus Geschäften mit dem WfA-Vermögen müssen zudem zurück in den Fonds fließen. Nach Ansicht der BaFin ist der NRW.Bank durch diese Zweckbindung der direkte Zugriff auf das WfA-Vermögen entzogen. Die Aufsicht zählt die Milliarden deshalb größtenteils nicht zum so genannten Kernkapital, eine der wichtigsten aufsichtsrechtlichen Kenngrößen. Um dies zu ändern, will die Landesregierung die Zweckbindung aufheben.

Ein Sprecher der NRW.Bank bestätigte, dass die BaFin bisher nur rund vier Mrd. Euro des WfA-Vermögens als Kernkapital anerkennt. In Zukunft rechnet die NRW.Bank damit, dass sie durch die Aufhebung der Zweckbindung rechnerisch rund sechs Mrd. Euro an zusätzlichem Kernkapital erhält, so dass dann insgesamt 10 Mrd. Euro des WfA-Vermögens als vollwertiges Eigenkapital anerkannt würden. Die verbleibenden gut 8,7 Mrd. Euro würden weiterhin zur Deckung der
bisherigen Wohnungsbau-Kredite dienen.

Wie zu hören ist, macht die BaFin seit Beginn der Finanzkrise Druck, das Eigenkapital der NRW.Bank deutlich zu erhöhen. Zwar weist das staatliche Geldhaus in ihren Geschäftsberichten ein Eigenkapital von 19,7 Mrd. Euro aus. Allerdings sind davon die angesprochenen 18,7 als WfA-Vermögen blockiert. Bleibt ein reines Eigenkapital ohne Zweckbindung von nur
knapp einer Mrd. Euro.

Demgegenüber stehen erhebliche Risiken. So hält die Bank etwa Kredite von zwei Mrd. Euro, die nach Angaben der Ratingagentur Fitch nicht mehr zu guten oder sehr guten Bonitätsklassen zu zählen sind. Außerdem stecken rund eine Mrd. Euro in verschachtelten Kreditverbriefungen, wie
sie bei zahlreichen anderen Banken zu hohen Verlusten geführt haben – auch wenn die NRW.Bank versichert, ihr Portfolio weise vergleichsweise geringe Risiken auf. Dazu kommen rund 22 Mrd Euro als so genannte Eventualverbindlichkeiten aus speziellen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps), die als einer der Auslöser der Krise gelten. Dieses Portfolio hatte die Bank allein im vergangenen Jahr um mehr als 50 Prozent ausgebaut. Allerdings hat die Bank zu mehr als 90 Prozent Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand abgesichert, wie ein Sprecher betont. Darunter auch erhebliche Risiken aus den Cross-Border-Geschäften der Kommunen, die im Zuge der Finanzkrise Not leidend geworden sind.
Weiter stehen in den Bilanzen der Bank rund vier Mrd Euro, die als Kredite an US-amerikanische Studenten vergeben wurden.

Nach Ansicht der Ratingagentur Fitch sind die Schwierigkeiten zwar noch beherrschbar, da die NRW.Bank sich vor allem im öffentlichen Sektor engagiert, trotzdem sei das "Risikoprofil" des Geldhauses gestiegen. Deshalb war die BaFin offenbar trotz der im Branchenvergleich durchaus soliden Kernkapitalquote von knapp zwölf Prozent beunruhigt.

Bereits im November hat die Bankenaufsicht schriftlich gefordert, das Eigenkapital der NRW.Bank zu stärken. Als Grund wurde hier unter anderem auch Verluste bei der WestLB genannt. Die NRW.Bank hält einen Anteil von 31 Prozent an der WestLB. Er ist derzeit mit 2,2 Mrd Euro bewertet. Nach Ansicht der BaFin hätte eine Wertberichtigung des WestLB-Anteils die Bilanz der NRW.Bank erheblich belastet oder aber eine Unterstützung des Landes erfordert, das den Wert der Beteiligung garantiert hat. Am 17. Dezember 2008 ist es dann zu einem Gespräch zwischen NRW.Bank, BaFin und Landesregierung NRW gekommen. Im Verlauf der Unterhaltung habe die Bafin erklärt, sie werde auch in Zukunft das WfA-Vermögen nicht vollständig als Kernkapital der NRW.Bank anerkennen, solange die Zweckbindung bestehe.

Im Gespräch habe die BaFin folgende Optionen vorgeschlagen: Zunächst sei die vollständige Trennung der WestLB von der NRW.Bank denkbar, um die Risiken zum reduzieren. Dies war nicht politisch gewollt. Dann schlug die Bafin vor, die Landesregierung und die anderen öffentlichen Gewährträger der NRW.Bank könnten dem Geldinstitut eine Summe von mehreren Milliarden Euro an frischem Kapital zuschießen. Dies lehnten sowohl die schwarz-gelbe Landesregierung als auch die anderen Gewährträger ab. Blieb nur der dritte Weg: Das WfA-Vermögen sollte in vollwertiges Eigenkapital der NRW.Bank umgewandelt werden. Dazu musste auf Verlangen der BaFin allerdings die Zweckbindung abgeschafft werden.

Im Folgenden brachte die NRW-Landesregierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg. Öffentlich wurde erklärt, die Zweckbindung des WfA-Vermögens solle aufgehoben werden, um die Fördermöglichkeiten der NRW.Bank für den Mittelstand zu steigern. Gleichzeitig versprach die Regierung, diese Entscheidung werde keine Auswirkungen auf den sozialen
Wohnungsbau haben, für den das Geld eigentlich gedacht war.

Vor allem der Landesrechnungshof NRW kritisiert dieses Vorgehen. In einer schriftlichen Stellungnahme, die der Welt vorliegt, heißt es, durch die Auflösung der Zweckbindung werde das WfA-Vermögen unter Umständen dem ursprünglichen Sinn entzogen. "Durch Verluste der NRW.Bank könnte das bislang geschützte Landeswohnungsbauvermögen in Zukunft
vermindert oder aufgezehrt werden." Gleichzeitig griff der Landesrechnungshof die NRW.Bank und das Düsseldorfer Finanzministerium scharf an. Diese würden eine Überprüfung der Bank aktiv verhindern. Dieses Verhalten sei "wegen der unbeschränkten Haftung des Landes und des damit einhergehenden unkalkulierbar hohen Risikos des Landes (…) besonders schwerwiegend."

Das Finanzministerium NRW, die Bafin und die NRW.Bank wollten diese Informationen nicht kommentieren.

Das Gesetz zur Aufhebung der Zweckbindung über das WfA-Vermögen soll in
den kommenden Wochen beschlossen werden.

3 FÜR 7 – Konzert-Special

Um dem (standortfaktormäßig sicherlich sinnvollen) FZW-Hype mal ein wenig entgegen zu wirken (und auf angenehmere Veranstaltungsort-Architektur und weniger martialische Sicherheitskräfte hinzudeuten), hier und äh heute ein paar Konzert-Tipps für diese Woche aus: Duisburg, Essen und Düsseldorf.

Drone-Folk oder was? Also, zwischen all den im Grunde anstehenden Diskussionen á la a) "Ist die Mystik/Rechts-Crossover Diskussion in Bezug auf Heavy und so mittlerweile irgendwie egal und für manchen Dark Folk etc. irgendwie ungültig?", b) "Ist in der amerikanischen Provinz inzwischen doch LSD ins Grundwasser geraten?" und z.B. c) "Ist das alles für (und vielleicht sogar ganz) Deutschland inzwischen aufgegeben worden, weil das auch nicht mehr ins Gewicht fällt?", neben also all jenen Diskussionen, die wohl auch nur dazu führen würden, dass hiesige Spezialisten die Ergebnisse dann dem Goethe-Institut zum Klonen neuer Bandgezüchte aus deutschen Landen überantworten würden, ab davon also spielt mit Balmorhea eine interessante und "unverdächtige" Variante im Steinbruch und hat mit Bogatzke sogar tatsächlich so einen deutschen Musikingenieur als Support dabei.

Der Goldclub haut inzwischen Bands aus Berlin deren selbst erschaffenen Auftrittskonditionen um die Ohren. Paula spielen also für 3 Euro Mindestverzehr im Rahmen der halt so funktionierenden Donnerstagsreihe, in der in diesem Monat u.a. auch noch Dangerboy auftreten. Vorgruppe von Paula sind die aberwitzig trockenen Familie Staub.

Düsseldorf? Klavier und klingende Namen: Ryuichi Sakamoto (am Freitag in der Tonhalle), Peter Broderick und Nils Frahm (beide am Donnerstag im Salon des Amateurs), Eve Risser (Foto: approximation), Dustin O’Hallaran und auch Acid Pauli. Sowie noch ganz andere. Alles im Rahmen eines fünftägigen Festivals, das ist schon "Wow!".

Balmorhea im Duisburger Steinbruch am Dienstag (also ggf. heute bzw. gleich) mit Türen um 20 Uhr.
Paula und Familie Staub im Essener Goldclub am Donnerstag mit Türen um 21 Uhr.
Das Approximation Festival im Salon des Amateurs (Ausnahme s.o.) findet von Mittwoch bis Sonntag statt.

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Sportjournalismus im TV? – Es gibt ihn noch!

Sport im Fernsehen heisst heute in erster Linie "Produktpräsentation". Die Bundesliga ist hierzulande die Avantgarde des Berlusconismus. Nichts ist ihr wichtiger als die Kontrolle der Bilder. Private und öffentlich-rechtliche Sender lassen sich beliebig vorschreiben, welche Bilder sie zu senden haben, und welche nicht. Bei Ersteren erwartet man nichts Anderes, bei Letzteren ist es ein politischer Skandal. Dass das dennoch niemand juckt, sagt viel über die öffentliche Wertschätzung dieser Sender aus. Ein gallisches Dorf des Sportjournalismus im TV gibt es jedoch, es sendet heute um 22.45 Uhr im WDR-Fernsehen: "Sport inside".

 

 

Hier hat die viel zitierte "ARD-Dopingredaktion" eine ihrer wenigen Abspielstellen. Mir persönlich hat sich ein Beitrag von Vincenzo Delle Donne besonders eingeprägt, der die Dopingpraktiken im italienischen Fußball darstellte. Zu sehen war ein wie ein Schlosshund heulender Ruud Gullit, der einen im Rollstuhl sitzenden ehemaligen Mannschaftskameraden bei dessen Benefizspiel begrüßte.

Heute geht es in "Sport inside" u.a. um die ökonomischen Interessen, die sich hinter der Ausbreitung von Kunstrasenplätzen verbergen, und – da wird Gelsenkirchen wegzappen müssen – um den Brasilianer Dede, der seit 1998 beim BVB unter Vertrag steht.