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Stefan Stoppok: „Es wird eine Weile dauern, bis die unabhängige Kulturszene wieder ihr altes Selbstbewusstsein erlangt!“

Stefan Stoppok. Foto: thomas_willemsenlokomotiv.de

Als der Musiker Stefan Stoppok den Ruhrbaronen im März des vergangenen Jahres ein Exklusivinterview gab, da war er gerade in Begriff auf große Deutschlandtournee zu gehen, den Leuten sein erfolgreiches, neues Album ‚Jubel‘ live zu präsentieren.

Dann jedoch wurde Stoppok samt seiner Band von der Corona-Pandemie eingeholt und rüde ausgebremst. Die Tour musste nach wenigen Auftritten vorzeitig abgebrochen werden. Deutschland ging in den Lockdown.

Jetzt, ein Jahr später, hatte Ruhrbarone-Autor Robin Patzwaldt erneut die Gelegenheit sich mit dem in Essen aufgewachsenen Musiker auszutauschen. Im aktuellen Interview ging es in erster Linie um die Auswirkungen des vergangenen Pandemie-Jahres auf Stoppok und die gesamte Kulturbranche, aber auch um Wünsche in Richtung der Politik und um Pläne für die Zukunft.

Ruhrbarone: Vor einem Jahr, als du uns das letzte Interview gegeben hast, warst du gerade in Begriff deine Tour zu beginnen. Diese wurde dann wegen der aufziehenden Pandemie mittendrinn abgebrochen. Wie hast du das erlebt?

Stefan Stoppok: Komplett surreal. Bis zum letzten Moment, also der letzten endgültigen Absage, glaubte noch jeder von uns, dass wir unsere Tour noch größtenteils durchziehen könnten. Das völlig verrückte war, dass nach unserem Konzert in Remchingen am 12. März unser Drummer Wally Ingram sich Hals über Kopf einen Flug nach Los Angeles buchen musste, weil der bekloppte Trump angekündigt hatte, die Grenzen zu schließen. Wally hatte natürlich Angst nicht mehr zu seiner Familie zu kommen, was wir gut verstehen konnten. Wir gingen aber noch davon aus, dass wir doch noch ein paar Konzerte spielen würden und heuerten Sönke Reich als Ersatzmann an, der sich innerhalb ein paar Stunden unser komplettes Programm draufschaffte, um am nächsten Tag in München mit uns auf der Bühne zu stehen. Sönke reiste aus Berlin und wir aus Remchingen nach München, um dann bei unserer Ankunft zu erfahren, dass das Konzert doch abgesagt worden war. Immerhin waren wir dann in München nochmal bei einem leckeren Italiener essen….

Ruhrbarone: Seither hast du einige Veranstaltungen mit deutlich wenigen Fans vor Ort machen können. Wie ist dir dies in Erinnerung?

Stefan Stoppok: Naja, ich war einfach froh, überhaupt vor Publikum zu spielen. In einigen Fällen waren die Leute auch so euphorisiert, dass man das Gefühl hatte, der Saal wäre komplett voll.

Ruhrbarone: Aktuell geht leider nur noch das Streamen von Konzerten. Ich hatte kürzlich ein Interview mit dem Musikkabarettisten Bodo Wartke. Der hat uns gegenüber betont, dass man auch diesem Umstand durchaus etwas Positives abgewinnen kann. Geht dir das auch so?

Stefan Stoppok: Nicht wirklich. Natürlich kann man allem was Positives abgewinnen, aber für mich liegt das Glück in der Kommunikation und der Wechselwirkung zwischen Bühne und Publikum. Darin liegt bei mir die Kunst.

Ruhrbarone: Das Konzert zu deinem 65. Geburtstag fand ja kürzlich auch per Stream statt. Was wird dir davon in Erinnerung bleiben?

Stefan Stoppok: Dass wir das Beste aus der Situation rausgeholt haben, dank meiner tollen Band auf der Bühne, einem tollen Team vor Ort, tollen Einspielung der vielen Gratulanten und unfassbar vielen Menschen, die begeistert zu Hause dabei waren. Ein echtes Highlight und so sicher nicht zu reproduzieren. Da wir viele Nachrichten von Leuten bekommen haben, die bei der Live-Übertragung nicht dabei sein konnten, werden wir den Stream am 20.3.2021 ab 19:30 wiederholen. Natürlich zu günstigeren Preisen. Auch diesmal wieder so abgestuft, dass sowohl Menschen mit kleinem Portemonnaie, wie auch Menschen, die etwas mehr geben möchten, um die Crew zu unterstützen dabei sein können. Tickets gibt es unter: https://stoppok-tickets.reservix.de/tickets-stoppok-65-wiederholte-ausstrahlung-des-geburtstags-streaming-konzertes-in-hamburg-polittbuero-am-20-3-2021/e1654162

Ich werde diesmal live im Chat mit dabei sein und freue mich schon, den Gig mit all den tollen Gästen (Wolfgang Niedecken, Axel Prahl, Reinhard Mey, Inga Rumpf u.v.a.m.) mir nochmal ganz entspannt anschauen zu können.

Ruhrbarone: Insgesamt geht es der Kulturszene aktuell schlecht. Viele beklagen, dass die von der Politik in Aussicht gestellten Hilfen nicht ankommen bzw. nicht ausreichend sind. Was hörst du diesbezüglich von Kollegen aus der Szene?

Stefan Stoppok: Genau das, leider! Es scheint, dass das System da schon arg an die Grenzen kommt. Es ist klar, dass es schwer ist, die ganzen unterschiedlichen Biografien der Kulturschaffenden richtig einzuschätzen. Aber wenn die Bürokraten, die an den entsprechenden Stellen sitzen, mehr eigene Verantwortung und Empathie entwickeln würden, könnte man die finanziellen Mittel, die ja vorhanden sind, viel effektiver einsetzen und dadurch viele Soloselbständigen vor dem sozialen Abstieg retten.

Ruhrbarone: Was würdest du dir von der Politik für die kommenden Wochen und Monate diesbezüglich wünschen?

Stefan Stoppok: Das was ich mir vor der Pandemie auch schon immer gewünscht habe: Weniger Lobbyismus und mehr Einsatz für die Menschen, die die Politiker gewählt haben.

Ruhrbarone: Welche Pläne hast du für den Rest von 2021? An was arbeitest du gerade?

Stefan Stoppok: Musik, Musik, Musik. Ich bin zurzeit extrem kreativ und ziehe Projekte durch, für die ich vor der Krise überhaupt keine Zeit hatte. Was ich letztendlich in 2021 davon finalisieren werde, weiß ich aber noch nicht.

Ruhrbarone: Wie wird die Musik- und Kultur-Szene aussehen, wenn die Einschränkungen irgendwann hoffentlich einmal hinter uns allen liegen werden?

Stefan Stoppok: Ich glaube, es wird eine Weile dauern, bis die unabhängige Kulturszene wieder ihr altes Selbstbewusstsein erlangt. Viele Einrichtungen werden auf der Strecke bleiben, aber ich bin mir sicher, dass die Kreativen sich auf kurz oder lang berappeln werden.

Ruhrbarone: Danke dir für die gewohnt offenen Worte und die Zeit, Stefan!

Stefan Stoppok live in Dortmund. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

 

 

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EinAndererBochumerWeilDerBochumerJaSchonVergebenIst
EinAndererBochumerWeilDerBochumerJaSchonVergebenIst
3 Jahre zuvor

Tja, Stoppok.

Ein Beispiel dafür, warum man wohl das Werk des Künstlers von seiner Person trennen sollte.

Ich bin ein großer Fan von Stoppok, aber allein die Aussage "Das völlig verrückte war, dass […] unser Drummer Wally Ingram sich Hals über Kopf einen Flug nach Los Angeles buchen musste, weil der bekloppte Trump angekündigt hatte, die Grenzen zu schließen." zeugt von einer Egozentrik, bei der ich im Strahl kotzen könnte.

Es ging allen so, daß Reisebeschränkungen sie betroffen haben. Und das haben nicht nur der "bekloppte Trump", sondern in der Folge des Infektionsgeschehens auch die (vermutlich dann auch) "bekloppte" EU, das "bekloppte" Australien und auch viele andere "bekloppte" Staaten vollzogen.

Und das kann man gut finden oder nicht, aber diese weinerliche "Es hat unseren Drummer getroffen"-Attitüde ist m.E. nach oberpeinlich. Und diese Gratis-Mut-Opposition gegenüber Trump kann natürlich nicht fehlen, meine Güte …

Es kann Stefan Stoppok selbstverständlich egal sein, was ich über seine politischen Ansichten denke, aber ich hätte nicht gedacht, daß er im Rahmen einer erklärten globalen Pandemie so kleingeistig denkt, daß er Grenzschließungen, die möglicherweise die Verbreitung des Virus einschränken können, deshalb verurteilt, weil jemand aus seinem persönlichen Bekanntenkreis davon betroffen ist.

Nein, das Virus macht nicht vor Grenzen halt, wegen der Träger – aber man kann die Träger des Virus an der Grenze aufhalten. Das Virus kommt von selbst nämlich nicht über die Grenze, das schafft es alleine nicht mal 10 Meter weit (deshalb ja: Abstand).

Meine Meinung.

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