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TV-Serie Alpha 07: Stranger than Fiction…

Alpha 07 Der Feind in Dir Foto: SWR

Am 14. November startet auf dem SWR und wenig später u.a. auf 3SAT und ARTE die SciFi-Thriller-Serie “Alpha 0.7 – Der Feind in dir”. Die erste transmedial erzählte Serie Deutschlands, zeichnet ein düsteres Zukunftsszenario: Deutschland und die gesamte Europäische Union haben sich 2017 in einen gleichgeschalteten Überwachungsstaat verwandelt, der sogar die Köpfe seiner Bürger kontrolliert.

Die Idee und die Drehbücher zu der Serie stammen von Sebastian Büttner und Oliver Hohengarten, die für Alpha 0.7 als Transmedia-Producer auch die gesamte Internet-Welt entwickelt haben. In einem Gastbeitrag schreibt Sebastian Büttner über sein ungutes Gefühl, dass ihr dunkles Nahe-Zukunft-Szenario weitaus weniger Science Fiction ist, als er zu Beginn der Serienentwicklung angenommen hat…

Ist der Freie Wille des Menschen nur eine Illusion? Lassen sich unsere Entscheidungen mithilfe elektrischer Impulse steuern – wie bei einem Computer? Vor zwei Jahren hätte ich diese Frage noch eindeutig mit „Nein“ beantwortet und sie als verschwörungstheoretischen Unfug abgetan. Mittlerweile, nach über zwei Jahren Arbeit an unserem neuen SciFi-Thriller „Alpha 0.7“, tendiere ich eher zum „Jein“. Denn es gibt einige neurowissenschaftliche Versuche, die das  Modell des „Freien Willens“ auf den ersten Blick ziemlich alt aussehen lassen. So ist es dem deutsch-britischen Kognitionspsychologen John-Dylan Haynes 2008 beispielsweise gelungen, anhand der Aktivität zweier Hirnregionen exakt vorauszusagen, ob Versuchspersonen einen Knopf mit der rechten oder linken Hand drücken werden. Und dies 10 Sekunden bevor den Probanden ihre Entscheidung selbst bewusst wurde.

Natürlich gibt es auch Wissenschaftler, die die Stichhaltigkeit solcher Versuche (zu Recht) anzweifeln. Doch eine Sache lässt sich trotzdem nicht leugnen: die Neurowissenschaften haben begonnen die Funktionweise unserer Gehirne auszulesen, sie zu verstehen. Sie können anhand unserer Gehirnaktivitäten sehen, welche Handlungen wir ausführen – und einige von ihnen glauben sogar noch weitaus mehr in unseren Köpfen erkennen zu können…

Sind Straftäter in Wirklichkeit nur gehirnkrank?

In der Psychiatrischen Universitätsklinik Rostock wurde 2008 begonnen, die Gehirne von verurteilten Gewalttätern zu untersuchen. Gefängnisinsassen, die zu langjährigen Freiheitsstrafen wegen Mordes oder Totschlag verurteilt worden, sowie Patienten aus forensischen Kliniken wurden unter großem Sicherheitsaufwand an die Ostsee gebracht. Das Ziel des Experiments: Die Neurowissenschaftler wollten herausfinden, ob die Täter für ihr verbrecherisches Handeln wirklich selbst verantwortlich sind – oder ob sie in Wirklichkeit selbst Opfer sind, Opfer falscher Strukturen in ihrem Gehirn. Und tatsächlich kamen die Wissenschaftler zu einem überraschenden Ergebnis: Bestimmte Areals in den Gehirnen von Psychopathen sind schlechter durchblutet, als die der „gesunden“ Kontrollgruppe. Darunter auch jene Bereiche, die uns die Konsequenzen unseres Handelns vermitteln.

Demnach würden Mörder gar nicht amoralisch handeln. Sie wären einfach nur „gehirnkrank“. Das Schuldprinzip, eine der wichtigsten Säulen unseres Rechtssystems, würde demzufolge auf einem Irrtum basieren, dem Irrtum, dass der Mensch in seinem Handeln immer und jederzeit frei ist. Wäre es demnach nicht auch nur konsequent unser Rechtssystem sprichwörtlich auf den „Kopf“ zu stellen? Wäre es dann nicht klüger die Gehirne der Straftäter zu „reparieren“, anstatt sie in ein Gefängnis zu sperren und darauf zu hoffen, dass sie hinter Gittern lernen, wie falsch ihre Taten waren?

Der Brainscanner als natürlicher Nachfolger des Nacktscanners?

Wir fragten uns: Was würde geschehen, wenn ein großer Konzern im Jahr 2017 eine Scan-Technologie entwickeln würde, die in der Lage ist, rechtzeitig vor Fehlentwicklungen im menschlichen Gehirn zu warnen? Eine Technik (wir haben sie „Brainscanner“ getauft), die erkennt, ob ein Mensch die Anlage zum Straftäter hat. Könnte diese Technologie nicht Verbrechen verhindern bevor sie geschehen? Und wie würde die Bevölkerung Europas wohl auf diesen technischen Durchbruch reagieren würde? Würden wir uns freiwillig vom Staat in unsere Köpfe schauen lassen? Auch hier, war meine Antwort erst „Nein“ – doch dann wurden während unserer Arbeit an der Serie die Nacktscanner in Deutschland eingeführt…

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde uns endgültig klar, dass wir gar nicht ausschließlich an einer SciFi-Story über die wachsenden Möglichkeiten der Neurowissenschaften arbeiteten, sondern dass es in unserem Stoff um weitaus mehr ging. Der „Freie Wille“ war nur der Ausgangspunkt, der Motor für unsere Geschichte. In Wirklichkeit jedoch waren die „Brainscanner“ – genau wie die Nacktscanner 2010 – doch bloß Platzhalter einer viel größeren Frage. Der Frage danach, in welcher Art von Gesellschaft wir heute und in Zukunft miteinander leben wollen. In einer Gesellschaft, in der der Einzelne, analog zum technischen Fortschritt, immer weiter überwacht, vermessen und kontrolliert wird? In einem Staat der in „dubio contra reo“ in jedem Bürger einen potenziellen Straftäter sieht?

Ist Sicherheit die bessere Freiheit?

Keiner von uns hatte sich zuvor näher mit dem Thema „Überwachungsstaat“ beschäftigt. Klar: wir verfolgten den Ausbau der Maßnahmen zur Inneren Sicherheit seit dem 11. September 2001 genauso kritisch wie die meisten anderen in unseren eher linksliberalen Freundeskreisen. Aber lebten wir nicht trotzdem immer noch in einer Demokratie? Waren die zunehmenden Überwachungsmaßnahmen nicht bloß ein vorübergehender Trend, den man nach ein paar Jahren wieder abwählen konnte?

Inzwischen wissen wir, wie naiv wir damals waren: Ob  Raumortung, Gesichterkennung, Überwachung von Zahlungsvorgängen… Das Maß an Überwachung, das es 2010 schon im Alltag gibt, ließ uns wirklich frösteln. Vor allem der Blick nach Großbritannien erschrak uns immer wieder. Die Art und Weise, wie auf der Insel in den vergangenen Jahren die Bürgerrechte abgebaut wurden, fanden wir ungeheuerlich. Ungeheuerlich finden wir allerdings auch, das sich zunehmend Politiker in Deutschland das Vereinigte Königreich, das Land der Überwachungskameras, zum Vorbild nehmen – immer unter dem Gesichtspunkt mehr Sicherheit erreichen zu wollen. In Großbritannien wird die sicherheitspolitische Debatte von der angeblichen Sorge vor terroristischen Anschlägen dominiert. In Deutschland ist das anders. Hier ist die Angst vor Kinderpornografie das große Thema, mit dem man die Bürgerrechte aushebeln will. Die Spielräume des Einzelnen, die sich gerade in den vergangenen Jahren durch das Internet vergrößert hatten, sollen wieder massiv eingeschränkt werden.

Doch wäre dies wirklich der richtige Weg? Ist die Angst vor dem „Schlimmstmöglichen“ tatsächlich der beste Ratgeber für unsere politischen Entscheidungen? Opfern wir mit unserem Bestreben nach immer mehr vermeintlicher Sicherheit nicht vor allem eine der wichtigsten Errungenschaften unserer westlichen Zivilisation: die Freiheit?

Die Arbeit an „Alpha 0.7 – Der Feind in dir“, unsere Recherchen und Gespräche mit unschuldigen Opfern staatlicher Überwachungsmaßnahmen, haben unseren Blick auf unsere Gesellschaft nachhaltig verändert – ihn geschärft. Mittlerweile sind wir uns nicht mehr sicher, ob wir nicht wirklich eines Tages in einem Land aufwachen, in dem tatsächlich Brainscanner installiert werden. Zur Sicherheit. Um Verbrechen zu verhindern, bevor sie geschehen. Aber: Wollen wir das wirklich?  Es liegt an uns allen, zu entscheiden, ob wir es so weit kommen lassen wollen.

Disclosure: Stefan Laurin betreut die Blogs der Serie und hat einen Großteil der Online-Texte verfasst.

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Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Daß manche Menschen die Areale in ihrem Hirn, die für moralische Bewertungen zuständig sind, nie, oder nur selten benutzen, ist bekannt.
Daß diese Areale dann, wenn sie nicht aktiv sind, auch nicht besonders durchblutet werden, erstaunt doch niemanden wirklich. Aber zu behaupten, daß der Mensch, nur weil dieser Teil seines Gehirns nicht durchblutet wird, auch nicht verantwortlich wäre, für seine Aktivitäten, ist doch völlig absurd.
Es gibt eben Menschen, die legen keinen Wert auf moralische Bewertungen ihres Tuns. Deren Moralareale im Gehirn werden deshalb auch nicht durchblutet. Die meisten davon werden allerdings nicht kriminell, sondern terrorisieren ihre Umgebung mit nervraubenden Anmaßungen. Andere schaffen es, ganze Staatsgebilde zu übernehmen, wo sie dann mißliebige Kritiker kaltblütig ausschalten können. Sollen die alle nicht verantwortlich für ihr Tun sein?
Wenn das so ist, dann wären Hitler und Dschingis-Khan doch völlig normal gewesen, aber auch diejenigen, die Folter und Todesstrafe für Kriminelle fordern. Da wäre ja alles im Rahmen. Oder?
Und falls sich bestätigen sollte, was John-Dylan Haynes herausgefunden haben will, daß nämlich der Mensch grundsätzlich nicht über einen freien Willen verfügt,
gibt es auch keine Definition mehr dafür, was ein Verbrechen ist.
Dann sind Überwachung, Hirnscanner, Folter, Mord, Diktatur usw. völlig normal.
Dann aber hätten genau diejenigen Recht, die sich den Diktatoren als Helfer zur Verfügung stellen, oder gestellt haben.
Sind dann die anderen krank, die, bei denen die fraglichen Areale noch durchblutet werden?

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
13 Jahre zuvor

Meines Wissens ist JDH in seinen Äußerungen zu seiner Entdeckung eines (ich nenne es mal) Vorbewusstseins viel vorsichtiger als einige seiner Rezipienten. Mir kommt die Situation des Mannes vor wie die eines Columbus, der vorsichtig „Amerika“ postuliert, aber das Publikum ruft „Indien, Indien!“
Darüber hinaus ist grundlegende Skepsis erlaubt. Besondere Aktivität bestimmter Hirnareale sagt nichts über deren Qualität aus. Das Hirn ist ein massiv-paralleler-rückgekoppelter Rechner, da gelten keine einfachen linearen wenn-dann-Beziehungen.

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13 Jahre zuvor

Links anne Ruhr (09.11.2010)…

Waltrop/Datteln: Ministerpräsidentin Kraft ruft Bürgermeisterin Heck-Guthe persönlich an (Recklinghäuser Zeitung) – In der Diskussion um das E.On-Kraftwerk in Datteln hat sich die nordrhein-westfälische Ministerpräsi…

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[…] Alpha 07 gab es hier schon mehrere Artikel. Die SciFi Serie spielt im Jahr 2017. Deutschland ist auf dem Weg in den […]

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[…] 0.7 – obwohl ich den interaktiven Ansatz mit begleitenden Blogs (größtenteils verfasst vom Ruhrbaron Stefan Laurin) und das Rahmenthema schon mal ziemlich gut finde. All die erwähnten Serien leben natürlich nicht […]

sirius
sirius
13 Jahre zuvor

Super Projekt! Wirklich beeindruckend.
Die TV-Serie wird wohl eher auf konventionelle Art erzählt. Jedenfalls ist das bis jetzt (nach dem 2.Teil) mein Eindruck. Konstruktion mit gut/böse wie im Genre halt üblich.

Das apollon-Blog ist aber der Hammer… really breathtaking.

Zu den Hirnstrukturen vs. freier Wille: Meine These dazu wäre eine psychophysische Unschärferelation, wie bei den Heisenbergschen Lichtquanten. Also genau das, was man vermutet, wird man finden.
Was wiederum heißt, dass wir für unser Menschenbild die Realität selbst konstruieren. Wenn die Willensfreiheit verneint wird, dann verschwindet sie, ist nicht mehr auffindbar – alles wird zu einer Frage der Durchblutung, wie das Licht zum Photon wird, wenn es der Physiker erwartet.

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