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Wir kommen um den Kampf gegen die autoritären Regime nicht herum

Screenshot einer Aufzeichnung des russischen Marschflugkörperangriffs auf ein Einkaufszentrum in Krementschug

1942 veröffentlichte der amerikanische Regisseur Frank Capra den Film „Why we fight“. Im Auftrag des Office of War Information (OWI) versuchte er, seinen Mitbürgern zu erklären, warum es für sie, warum es für die USA wichtig ist, in den Krieg gegen Deutschland und Japan zu ziehen. Die Amerikaner sind traditionell Isolationisten. Sie wollen nicht in Kriege auf der ganzen Welt hineingezogen werden. Eine Regierung, die in den Krieg zieht, muss ihn vor den Menschen gut begründen. Auch vor dem zweiten Weltkrieg war nur eine Minderheit der Amerikaner bereit, die Briten im Kampf gegen Deutschland aktiv zu unterstützen. Der Angriff Japans auf Pearl Harbour und die Kriegserklärung Deutschlands zwangen das Land schließlich in den Kampf. Es war Capra, der versuchte, den Menschen klarzumachen, worum es in diesem Krieg ging: Nicht nur um Rache für den Angriff auf einen Stützpunkt in Hawaii oder die Abwehr möglicher deutscher Attacken , sondern um die Verteidigung der Freiheit vor der Tyrannei. Würde dieser Kampf verloren gehen, würde sich das Leben eines Farmers im Iowa ebenso ändern wie das einen Intellektuellen in New York. Er zeigte den Menschen, was ihnen droht, wenn Amerika den Krieg verliert.

Die Situation der Demokratien heute ist der in jener Zeit nicht unähnlich: Russland hat mit der Ukraine ein Land angegriffen, das sich auf den Weg hin zu einer demokratischen Gesellschaft gemacht hat. Es wird von den meisten demokratischen Staaten dieser Welt unterstützt, von den USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Australien, Neuseeland und den Mitgliedern der Europäischen Union. Aber auch Russland steht nicht alleine da. China ist auf seiner Seite und auch autokratische Politiker wie der indische Premierminister Narendra Modi haben die Wirtschaftsbeziehungen ihrer Länder zu Russland ausgebaut. Wer das demokratische Gesellschaftsmodell als Gefahr ansieht, setzt auf Putin und hofft darauf, dass sich der Westen als schwach erweist.

Viele, die das Interesse an Russlands Krieg gegen die Ukraine verlieren und beginnen, ihre Niederlage einzupreisen, wollen nicht sehen, dass sich genau dadurch der Krieg ihren Ländern nähert. Der Sieg der Ukraine über Russland, die Wahrung seiner Eigenstaatlichkeit und Demokratie wäre ein Zeichen, dass der Westen zu seinen Freunden und zu seinen Werten steht. Und dass er stark genug ist, sie auch zu verteidigen. Erweisen sich die demokratischen Gesellschaften als schwach, werden ihre Gegner das ausnutzen. Es ist nicht so, dass der Westen die Wahl hat, sich in eine Auseinandersetzung mit Russland und China zu begeben oder nicht. Die Wahl hatten die USA im zweiten Weltkrieg nicht. Auch wenn viele Amerikaner es nicht wahrhaben wollten, gab es für das Land nie eine realistische Option auf Neutralität. Deutschland und Japan wollten den Sieg. Mag sein, dass Hitler sich mit den Vereinigten Staaten irgendwann arrangiert hätte. Aber diese USA wären keine mächtige Demokratie mehr gewesen, sondern ein von Deutschland und Japan geduldeter Vasallenstaat. Ein Modell, das die Nazis auch für Großbritannien vorgesehen hatten.

Die Lage ist heute ähnlich: Autoritäre Regime haben an Zahl und Macht gewonnen. Der weltweite Siegeszug der Demokratie, der vor 30 Jahren mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Diktaturen in Osteuropa begann, ist vorerst gestoppt. Doch Geschichte ist dynamisch. Sie kennt keinen Stillstand. Wer auf eine dauerhafte friedliche Koexistenz mit undemokratischen Staaten setzt, wird enttäuscht werden: Diktaturen sehen alleine ihre Existenz als Bedrohung. Sie sind ein Versprechen, dass es ein Leben gegen kann, indem der Einzelne über sich selbst bestimmt und die Ketten von Herkunft und Religion gesprengt werden können. Demokratie, Aufklärung, Individualismus und das Wohlstandsversprechen des Kapitalismus sind eine zu attraktive Mischung für die Menschen, als dass jene, die ihre Macht auf Unterdrückung stützen, sie dulden könnten.
Der Kampf der Ukraine ist auch der Kampf des Westens. Es ist der Kampf aller Demokratien. Von seinem Ausgang wird abhängen, ob die Menschen, die von Freiheit träumen, hoffen können oder ob wir uns bald in die Schar der Unterdrückten einreihen müssen.

Capras Film wirkt aus der Zeit gefallen. Aber sein Thema ist aktueller denn je seit dem Ende des zweiten Weltkriegs: Wir werden kämpfen oder als freie Gesellschaft irgendwann unter gehen. Nicht heute oder morgen, aber in nicht allzu ferner Zeit. Und deshalb macht es Sinn, sich klarzumachen, warum man kämpfen sollte. Mag jemand so leben wie die Menschen in Russland oder China? Wie im Iran oder in Afghanistan? Will jemand in einem übermächtigen und korrupten Land sein Dasein fristen, in dem es keine unabhängigen Gerichte gibt und niemand der Regierung kontrolliert? In einer Welt unter der Tyrannei von Glauben und Tradition? Sicher, für AfD, Linkspartei, NPD und DKP mögen das attraktive Gesellschaftsentwürfe sein. Nicht aus Zufall stehen die Feinde von Demokratie und Freiheit mehr oder weniger offen auf der Seite Putins und plädieren für einen Frieden, der dem Leben auf einem Friedhof gleichkäme.

Wir können uns dem Konflikt nicht entziehen. Neutral zu bleiben, wird nicht möglich sein. Entweder stehen wir zu unseren Werten, gewinnen ihn und geben Millionen Menschen Hoffnung oder wir versagen vor der Geschichte.

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Helmut Junge
Helmut Junge
1 Jahr zuvor

@Stefan Laurin,
der „Eintritt“ der USA in den WK 2 begann nach der Zerstörung von Pearl Harbor durch die Japaner und der Kriegserklärung seitens Deutschlands.
Rein vom Zeitablauf befand die USA sich schon ein paar Tage mitten im Krieg, bevor sie „eintrat“.
Zu dem Zeitpunkt war der Krieg aber schon 2 Jahre im Gange.
2 Jahre Krieg ist eine lange Zeit mit viel Geduld.
Wenn du schreibst:“Wir kommen um den Kampf gegen die autoritären Regime nicht herum „, frage ich mich sofort, wen du mit „wir“ meinst.
Ich fürchte nämlich, daß du Deutschland meinst, weil du nirgends sagst, daß die USA ganz vorne stehen müßten, und weil du nur deutsche politische Parteien erwähnst. So, als käme es nur auf diese Parteien an. Es gibt aber auch in den USA und anderen westlichen Ländern Parteien, die sich ähnlich verhalten wie die von dir genannten.Auf die käme es nämlich an, wenn es um den „Westen“ geht.

Helmut Junge
Helmut Junge
1 Jahr zuvor

Ergänzung zu meinem vorigen Kommentar.
Die Nato hat immer wieder Rußland als Hauptgegener bezeichnet. Das bedeutet doch, daß Rußland für die Nato, trotz ihres riesigen Waffenarsenals immer ein gefährlicher Gegnr war.
Und dann läßt man die Ukraine mit unzulänglichen Waffen gegen d iesen Hauptgegner der Nato kämpfen. Und wenn die Ukraine verliert, muß Deutschland dran? Hat sich das jemand so vorgestellt?
Wenn also die Ukraine an telle der Nato den Kampf gegen Rußland führen soll, müßte man ihr logischerweise alle Waffen der Nato geben. Das aber tut kein Staat, weil das ja bedeuten würde, selber ohne Waffen, quasi nackt dazustehen. Was wird denn seitenz der Nato geschehen, wenn Putin Litauen überfällt? Die tausend Bundeswehrsoldaten werden das Land nicht retten können. Kommen dann die Verbündeten und holen unsere Soldaten wieder raus? Oder entdecken unsere Verbündeten, daß die Versorgungswege zu lang sind? Ich tippe aufs Letztere. Aber sind diese Fragen überhaupt jemals diskutiert worden? Vrmutlich nicht.

Axel
Axel
1 Jahr zuvor

@Helmut Junge Wann und wo hat die NATO Russland als Hauptgegner bezeichnet? Im Gegenteil wurde ja die NATO-Russland-Grundakte aufgesetzt, um eine Annäherung zu vollziehen. Wie auch immer: gegenwärtig ist die NATO nicht im Ukraine-Krieg aktiv involviert … Ihre Spekulationen sind daher fragwürdig.

Helmut Junge
Helmut Junge
1 Jahr zuvor

@Axel, es gibt ungezählte Quellen, die das berichten.
Ich habe 3 ganz frische herausgesucht, Von gestern sogar.

https://www.watson.ch/international/analyse/356883723-russland-zum-hauptgegner-erklaert-die-nato-geht-auf-gefechtsstation
https://www.wiwo.de/politik/deutschland/nato-gipfel-nato-stellt-sich-auf-neue-konfrontation-mit-russland-ein/28465634.html
https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/news/rumaeniens-praesident-russland-ist-hauptgegner-der-nato/

und danach noch eine Quelle vom 2.12.2019 aus der „Welt“

https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus203987822/Militaerbuendnis-Die-Nato-hat-einen-neuen-Hauptgegner.html

Sie haben zwar mich gefragt, aber
googgeln Sie einfach genau den Teil Ihrer Frage ….. NATO Russland als Hauptgegner.

Da gibt es unglaublich viele Artikel, die ihre Frage sogar in der Überschrift benutzen.
@Axel, ich spekuliere nicht.

Helmut Junge
Helmut Junge
1 Jahr zuvor

Sogar heute im Teletxt der ARD steht das (als Hauptbedrohung)

NATO berät über Sicherheitsfragen

Die Staats- und Regierungschefs der NA-
TO-Staaten sind am letzten Tag ihres
Gipfeltreffens in Madrid zu einer Ar-
beitstagung zusammengekommen. Dabei
wollen sie über Sicherheitsfragen in
Nordafrika und dem Nahen Osten beraten.

Zudem stehen die durch Russlands Krieg
gegen die Ukraine ausgelöste Lebensmit-
telkrise sowie der zunehmende Einfluss
Russlands und Chinas zum Beispiel in
Afrika auf der Tagesordnung.

Gestern hatte die NATO das Strategie-
konzept aktualisiert, in dem Russland
als Hauptbedrohung bezeichnet wird.

Axel
Axel
1 Jahr zuvor

Ich finde, dass hierbei die Wortwahl nicht beliebig ist. Hauptgegner ist etwas anderes als Hauptbedrohung – letztere ist offensichtlich. Gegner- und Feindschaft, das sind passende Ausdrücke, wenn es zur handfesten Konfrontation kommt. Die haben wir aktuell jedoch nicht.

Helmut Junge
Helmut Junge
1 Jahr zuvor

Die anderen Links, die ich erwähnt habe reden von „Hauptgegner“ Nur die ARD spricht von Hauptbedrohung.
Das Thema wird in den nächsten Tagen sowieso noch hochgekocht. Da werden einige von Bedrohung reden, andere vom Gegner.
Aber ich persönlich verstehe im Privatleben, jemanden, der mich bedroht eigentlich auch als Gegner. Das ist m.M die gesündere Einstellung für den Fall, daß es zum Kampf kommt. Diese Einstellung werde ich aber nicht missionarisch verkünden. Muß jeder selber wissen.
Auch wenn es im Fall der Ukraine zu Verhandlungen kommt, und davon gehe ich aus, wird sich jeder der Verhandlungspartner in voller Stärke zeigen.

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