Die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft

Sucharit Bhakdi Foto: Sachwerte Vermögenswerte mit Kompetenz Lizenz: CC BY 3.0

Der „Weltgesundheitsrat“ („World Council for Health“) hat dem als Gegner der Coronaimpfung bekannt gewordenen Mikrobiologen Sucharit Bhakdi soeben „den Preis für Mut, Wahrheit, Wissenschaft und Weisheit“ verliehen, wörtlich „Best of Mankind Award For Courage, Truth, Science and Wisdom“.  Von unserem Gastautor Ludger Weß.

Impfgegner feiern die Auszeichnung, während andere zu Recht einordnen, dass dieser ominöse Rat mit dem hochtrabenden Namen ein zweifelhafter Verein ist, der sich als Alternative zur WHO sieht und „Gesundheitsfreiheit“ fördert. Er kritisiert unter anderem die Corona-Maßnahmen und Impfungen und verbreitet absurde Informationen über Impfstoffe – mit anderen (modernen) Worten: Es handelt sich bei dem Zusammenschluss von mehr als 230 Vereinen aus über 45 Ländern um eine „zivilgesellschaftliche Initiative“, die einer kritischen Öffentlichkeit eine Stimme verleiht.

So hieß das jedenfalls, als ein Zusammenschluss von Schwurblern – darunter ebenfalls Impfgegner, Alternativmediziner und sogar ein 911-Truther  – 2017 das Monsanto-Tribunal veranstalteten. Sie kamen ganz bewusst in Den Haag zusammen, dem Sitz des Internationalen Strafgerichtshofs, um der Veranstaltung den Anschein eines regulären Untersuchungs- und Strafverfahrens zu geben. Und der Name wurde gewählt, um an die Russell-Tribunale zu Menschenrechtsverletzungen zu erinnern.

Um Wissenschaft ging es dem Tribunal genauso wenig wie um Objektivität; es sollte, so seine deutsche Botschafterin, die damalige grüne Bundestagsabgeordnete und Ex-Landwirtschaftsministerin Renate Künast, vor allem „Bilder über die Wahrheit“ produzieren, wie sie dem Deutschlandfunk zu Protokoll gab.

Zu Wort kamen Bauern, Imker, Anwälte, Gesundheits-„Experten“ aus dem alternativmedizinischen Bereich und aktivistische Wissenschaftler wie Peter Clausing vom Pesticide Action Network oder Gilles-Eric Séralini, dessen Aufsehen erregende Rattenkrebs-Publikation („GMO-Mais ist krebserregend“) zurückgezogen wurde und deren angeblichen Befunde in aufwändigen echten Studien nicht reproduziert werden konnten.

Dennoch war das Medienecho gewaltig – die Tagesschau berichtete gleich dreimal, der Bayerische Rundfunk, der Deutschlandfunk und die Deutschen Welle widmeten dem Tribunal Interviews und Kommentare; Wirtschaftswoche, Handelsblatt, taz und FR befassten sich mit dem Tribunal und das vermeintlich „kritische Lobbyismus-Lexikon“ Lobbypedia widmet dem paranoiden Spektakel ebenso wie der (Des-)„Informationsdienst Gentechnik“ bis heute warme Worte.

In beiden Fällen wird von der selbst ernannten Zivilgesellschaft also „Fringe Science“ verbreitet: Die Pseudoexperten des Weltgesundheitstags behaupten, die Corona-Impfung führe zu lebenslangem Siechtum mit Todesfolge; die des Monsanto-Tribunals behaupteten dasselbe vom „Gen-Mais“. Erstere propagieren als Gegenmittel das Entwurmungspräparat Ivermectin sowie eine Entgiftung mit pflanzlichen Präparaten, letztere (Séralini) haben Dig1, ein homöopathisches Präparat gegen Glyphosat- und Gentechnik-Vergiftungserscheinungen im Angebot. Und beide zivilgesellschaftlichen Initiativen schmücken sich selbstverständlich mit der Hochstaplerin Vandana Shiva, die sowohl dem Monsanto-Tribunal als auch der letzten „Better Way Conference 2023“ des World Council for Health die Ehre gab.

Man fragt sich, warum Deutschlands Medien, allzumal die öffentlich-rechtlichen, im einen Fall in der Lage sind, pseudowissenschaftliches Geschwurbel zu identifizieren und folglich zu ignorieren, im anderen Fall aber gleich großen Unfug unbesehen zu übernehmen und aktiv zu verbreiten, als handele es sich um seriöse Wissenschaft.

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