
Kreativwirtschaft, Lastenräder, Callcenter, Tourismus: Seit Jahrzehnten jagen die Wirtschaftsförderer des Ruhrgebiets eine Sau nach der nächsten durch das mit fünf Millionen Einwohnern recht große Dorf. Mal sollten Scheichs und ihr Anhang Millionen bei Krankenhausbesuchen ausgeben, dann der Ruhrtalradweg 3.000 neue Jobs schaffen oder Werber, Musiker und Grafiker die Städte zum Boomen bringen. Großen Versprechungen folgten geringe wirtschaftliche Effekte. Immer wieder platzten die bunten Seifenblasen.
Nun hat Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, auch bekannt als Wirtschaftsweise, nach einem Bericht der WAZ bei einem Besuch in Duisburg vorgeschlagen, das Ruhrgebiet solle sich darum bemühen, im Bereich der Rüstungsindustrie neue Jobs zu schaffen: „Forschung und Entwicklung im Verteidigungsbereich ist über den Rüstungssektor hinaus wachstumsfördernd“, sagte Schnitzer der WAZ. „Wir brauchen Unternehmen, die Kapazitäten entwickeln, um im Bedarfsfall große Stückzahlen zum Beispiel von Drohnen produzieren zu können. Davon kann auch das Ruhrgebiet profitieren.“
Kann, nicht wird – Schnitzer bleibt aus guten Gründen im Konjunktiv, aber der Bau von Rüstungsgütern jeder Art passt zur Wirtschafts- und Hochschulstruktur der Region und der Zulieferer in ihrem Umland. Es ist eine Chance – mehr nicht –, aber sie ist realistischer als all die Versprechungen der vergangenen Jahrzehnte. Schnitzer ist übrigens nicht der Meinung, das Ruhrgebiet würde – wie zu gut bezahlte Dümmlinge immer wieder behaupten – der große Gewinner der grünen Transformation sein: „Das Ruhrgebiet ist von der fortschreitenden Dekarbonisierung der Industrie besonders betroffen. Insbesondere Duisburg mit seiner Stahlindustrie wird gegen eine negative Beschäftigungsentwicklung zu kämpfen haben.“
Ein Selbstläufer wird auch die Ansiedlung von Rüstungsbetrieben nicht. Die Städte werden sich anstrengen und im Wettbewerb mit anderen Regionen behaupten müssen. Und natürlich wird es auch im Ruhrgebiet Proteste der Putin-treuen und den Westen hassenden sogenannten Friedensbewegung geben. Die Politik sollte den Mumm haben, sich darüber hinwegzusetzen.
In den vergangenen Jahrhunderten war das Ruhrgebiet die Rüstungsschmiede für das Kaiserreich und die Nazis. Die Demokratie zu bewaffnen, ist für das Ruhrgebiet auch gelebte Wiedergutmachung.
