
Am 8. August bricht Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit der Staatsräson der Bundesrepublik und den Traditionen seiner Partei: Im Krieg gegen die Hamas soll Israel keine Rüstungsgüter mehr bekommen, die im Gazastreifen eingesetzt werden können. Ein Verrat mit Vorgeschichte und Nachspiel.
Am 14. Mai geht Bundeskanzler Friedrich Merz erstmals öffentlich auf Distanz zu Israel. Noch im Januar hatte er auf einer Veranstaltung der Körber-Stiftung gesagt, als Kanzler werde er das faktische Exportembargo der Bundesregierung umgehend beenden. Künftig werde gelten: „Was Israel zur Ausübung seines Selbstverteidigungsrechts benötigt, wird Israel auch bekommen.“ Deutschland stehe nicht zwischen den Stühlen, sondern fest an der Seite Israels. Im Bundestag klingt Merz, nun Kanzler, anders: „Uns erreichen heute Nachrichten, dass eine akute Hungersnot in Gaza drohen könnte. Es sei eine humanitäre Verpflichtung aller Beteiligten, dass eine Hungersnot in der Region schnellstmöglich abgewendet wird.“ Merz stand, so berichtete der Spiegel, unter dem Eindruck eines Artikels in der New York Times, in dem israelische Offiziere vor einer Hungersnot warnten. Merz war von seinem Redemanuskript abgewichen. Er folgte nun seinem Außenminister Johann Wadephul (CDU), der schon zuvor auf Distanz zu Israel gegangen war.
Ende Juli fliegt Wadephul im „Auftrag des Kanzlers und des Sicherheitskabinetts“, wie es auf der Seite des Außenministeriums steht, nach „Israel und in die Palästinensischen Gebiete“.
Einen Tag später sagt Wadephul in den Tagesthemen: „Es muss sich fundamental verbessern für die Menschen im Gazastreifen. Darauf schaut die ganze Welt.“ Die humanitäre Situation im Gazastreifen sei „unerträglich“. Mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar sei er fast täglich in Kontakt.
Am 8. August beschließt das israelische Sicherheitskabinett einen von Regierungschef Benjamin Netanjahu vorgelegten Plan, nachdem die Armee den gesamten Gazastreifen besetzen solle. Die IDF soll die Kontrolle über Gaza-Stadt übernehmen. Nach wie vor wird Israel aus Gaza angegriffen, und die Hamas hält dort Geiseln fest. Sie kontrolliert weiterhin weite Teile der Stadt. Wenige Tage zuvor war ein Video veröffentlicht worden, in dem der deutsch-israelische Rom Braslavski weinend um seine Freiheit bittet. Braslavski wurde auf dem Nova-Festival entführt und berichtet von starken Schmerzen, Hunger und Durst. Ein weiteres Video zeigt den abgemagerten Evyatar David, wie er sein eigenes Grab schaufeln muss. Zu Netanjahu sagt er in dem Video: „Ich bin von Ihnen, mein Premier, völlig verlassen worden, von Ihnen, der sich um mich und all die anderen Gefangenen kümmern müsste.“
Wenige Stunden nach dem Beschluss des israelischen Sicherheitskabinetts veröffentlicht das Bundeskanzleramt eine Erklärung des Kanzlers. Sie wird mit Worten der Solidarität eingeleitet. Israel habe das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen, die Freilassung der Geiseln und zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand hätten für die Bundesregierung oberste Priorität. „Die Entwaffnung der Hamas ist unerlässlich. Die Hamas darf in der Zukunft von Gaza keine Rolle spielen.“
Doch das israelische Sicherheitskabinett habe in der Nacht ein noch härteres militärisches Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen beschlossen: „Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.“ Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil begrüßt die Entscheidung des Kanzlers und stellt sich hinter Merz. Wieder einmal hat Merz die Position des kleineren Koalitionspartners übernommen. In der Union hingegen wird seine Entscheidung nicht so positiv aufgenommen: In der CSU ist man entsetzt. Söder wurde von Merz im Vorfeld nicht informiert und trägt den Kurswechsel nach einem Bericht der Bild nicht mit.
Auf X stellte sich Roderich Kiesewetter, der Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, gegen den Kanzler: „Die Aussetzung von Waffenlieferungen an Israel halte ich persönlich für einen schweren politischen und strategischen Fehler Deutschlands.“ Deutschland breche die gewachsene Freundschaft mit Israel, und die Staatsräson bleibe eine leere, unglaubwürdige Hülle.
Johannes Winkel, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Jungen Union, twitterte: „Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen.“
Am Sonntag wurde dann ein Papier des Bundeskanzleramts öffentlich, das zuerst nur an die Kabinettsmitglieder versandt worden war. In ihm machte Merz deutlich, dass nicht nur die Lage in Gaza für ihn entscheidend für den Bruch mit der Staatsräson war: „Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei, die wir auch im Sinne unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel vermeiden müssen.“
Welt-Herausgeber Ulf Poschardt entlarvte das Denken hinter dieser Zeile in einem Kommentar: „Israelis dafür verantwortlich zu machen, dass ihr Vorgehen im Gazastreifen die Konflikte in Deutschland verschärfe, ist eine geradezu perverse Verdrehung des Gedankens von ‚Nie wieder‘.“
Am Montag meldete sich dann auch Hessens Ministerpräsident auf X zu Wort: Die Position der hessischen CDU sei klar: „Wir stehen uneingeschränkt an der Seite Israels. Die Sicherheit Israels ist und bleibt deutsche Staatsräson. Wir unterstützen deshalb das Recht Israels, der einzigen Demokratie in der Region, auf Selbstverteidigung gegen den Terror.“
Jens Spahn, Vorsitzender der Unionsfraktion stellte sich hinter Merz, betonte aber, die Lieferungen sobald wie möglich wieder aufzunehmen.
Doch Merz erhält auch Unterstützung: Ein Sprecher des Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitees, das nach Ansicht des Verfassungsschutzes der Hamas und PFLP nahesteht, begrüßte auf einer Veranstaltung der Linken in Neukölln, dass Deutschland „bis auf Weiteres keine Waffen oder militärische Ausrüstung mehr liefern wird, die in Gaza eingesetzt werden könnten“. Auch Majid Nili Ahmadabadi, der Botschafter des Irans, sprang Merz bei: Die Entscheidung sei zwar zu spät getroffen worden, aber selbst ein kleiner Schritt könne „ein kleiner Trost für die tiefen Wunden der wehrlosen Menschen in diesem gläsernen Freiluftgefängnis sein“.
Auch AfD-Chef Tino Chrupalla stärkt Merz den Rücken, will keine Waffenlieferungen an Israel und ist der Ansicht, dass von israelischer Seite Verbrechen im Gazastreifen begangen werden.
Anfang der Woche wurde dann immer deutlicher, dass Merz’ Volte auch unangenehme Konsequenzen für Deutschland haben könne: Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder wies auf X darauf hin, dass die Warnungen „befreundeter Dienste“ zu terroristischen Aktivitäten in Deutschland zu 95 Prozent aus den USA oder Israel kamen.
In dieser Zeitung schließlich wies Militärexperte Carlo Masala darauf hin, dass Merz’ Embargo ein politischer Bruch mit Israel sei, der kaum praktische Auswirkungen habe, da schon seit einiger Zeit keine Getriebe für den Merkava-Panzer mehr exportiert würden, weil eine NGO gegen eine bereits vorliegende Exportanfrage aus Israel Klage eingereicht hätten. Allerdings sei Deutschland von israelischen Rüstungslieferungen mehr abhängig als Israel von deutschen Rüstungslieferungen: „Da geht es nicht nur um Arrow 3, sondern auch um die Bewaffnung der Drohnen vom Typ Heron TP sowie einige andere Projekte, die zwischen israelischen und deutschen Firmen und der Bundeswehr in den vergangenen Monaten abgeschlossen wurden.“
Der Artikel erschien bereits in der Jüdischen Allgemeinen

In den letzten 15 Jahren haben sich die Holocaust-Gedenkveranstaltungen doch zu reinen Selbstzweckveranstaltungen des Zeigens der eigenen höhergestellten Moral entwickelt, besonders wenn dort höhere Partei- und Bundes-/Landespolitiker dran teilnahmen. Dort geht es im Kern schon lange nicht mehr um das Gedenken der Opfer. Sonst würde sehr viele Politiker ja nicht den grassierenden Antisemitismus in Deutschland und Europa ignorieren oder gar offen unterstützen.
Nehmen wir mal die Iranpolitik, sehr viele Politiker haben ein sehr positives Verhältnis zum Mullah-Regime. Und dieses Regime propagiert seit 1979 gegen Juden und Israel, sogar mit einer Countdown-Uhr.
Und es werden in Europa werden Juden wieder doch offen negative Aktionen (Siehe Kaufboykotte in Irland, der Umgang mit jüdischen Flugzeuggästen in Spanien, in Frankreich die Vorfälle um El-Al) ausgegrenzt und keinem dieser Moralaposteln regt sich darüber auf. Aber im nächsten Frühjahr werden wieder die Tränen laufen beim Ausschwitzgedenken. Ich würde ja als Vertreter eines jüdischen Verbandes oder Synagoge jede Veranstaltung fernbleiben, wo solche Moralaposteln auftreten konsequent meiden und nur noch auf kommunaler Ebene ohne Landes-/Bundepolitiker und ohne Parteipolitiker innerhalb der Gemeinde und zugeneigten Bürgen gedenken.
Veranstaltungen, wo Krokodilstränen vergossen werden und am Morgen danach wieder Israel verdammt wird oder innerhalb der Partei toleriert wird, kann man nicht mehr Gebrauchen. Vor allem da es ja in weiten teilen die Singularität des Holocaust (also die industrielle durchdachte und dich entwickelnde Vernichtung) immer offener in Frage gestellt wird.
[…] die deutsche Regierung auf den propagandistischen Zug der HAMAS aufgesprungen ist, ist ganz sicher ebenfalls eine Folge des […]