Islamischer Religionsunterricht in NRW: Gescheiterten Versuch endlich beenden

Franziska Müller-Rech im Parlamentsgebäude NRW Foto: Fmr1607 Lizenz: CC BY-SA 4.0


Unsere Gastautorin Franziska Müller-Rech  ist Stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Schule und Bildung der FDP-Landtagsfraktion NRW.

Nordrhein-Westfalen ist kulturell wie religiös ein vielfältiges Bundesland. Diese Vielfalt zeigt sich auch an unseren Schulen. Unser Anspruch an Bildung ist es daher, gemeinsame Werte zu vermitteln und Respekt für Andersdenkende einzufordern. In diesem Kontext war die Einführung des Islamischen Religionsunterrichts (IRU) im Jahr 2012 ein ambitioniertes Projekt. Es sollte muslimischen Schülerinnen und Schülern ein aufgeklärtes religiöses Bildungsangebot machen, das Integration fördert und Radikalisierung verhindert.

Doch 13 Jahre nach seiner Einführung müssen wir feststellen: Der IRU hat seine Ziele verfehlt. Was gut gemeint war, hat sich in der Praxis als dysfunktional und integrationshemmend erwiesen – und Radikalisierungstendenzen zum Teil sogar gefördert. Es ist an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen: Der Islamische Religionsunterricht in NRW muss abgeschafft werden.

Gerade einmal rund sechs Prozent der muslimischen Schülerinnen und Schüler in NRW nehmen am IRU teil. In zahlreichen Gesprächen mit Eltern wird deutlich, dass viele muslimische Familien dem IRU skeptisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen. Der Unterricht sei nicht authentisch genug, viele stören sich an vermeintlich zu liberalen und progressiven Inhalten. Viele Schulleitungen berichten uns von Kindern aus konservativen islamischen Elternhäusern, die deshalb vom IRU abgemeldet werden – ausgerechnet die Kinder, die am meisten davon profitieren würden.

Radikalisierungstendenzen & fragwürdige Einflussstrukturen

Auch die Kooperation mit konservativen islamischen Verbänden wie DITIB, die von ausländischen Regierungen beeinflusst werden, führt nicht nur zu einer faktischen Mitsprache dieser Verbände an unseren Schulen, sondern auch zu permanenten Konflikten über Zuständigkeiten und Inhalte. In keinem anderen Schulfach würde man es hinnehmen, dass sich ausländische Regierungen auch nur potenziell in die Unterrichtsgestaltung an deutschen Schulen einmischen könnten – erst recht in so einem sensiblen Fach wie dem IRU ist das ein untragbarer Zustand.

Zudem fehlt es noch immer an einem nachvollziehbaren Verfahren zur Auswahl und Qualitätssicherung der Lehrkräfte. Der Skandal um gefälschte Lehrerlaubnisse (Idschazas) hat das Vertrauen in die institutionellen Strukturen des IRU weiter erschüttert.

Besonders alarmierend sind wissenschaftliche Erkenntnisse über problematische Einstellungen unter angehenden IRU-Lehrkräften. Eine vielbeachtete Studie der Universität Münster zeigte 2024: Teile der Studierenden für das Fach Islamische Theologie vertreten homophobe, antisemitische und teils antidemokratische Positionen. Rund die Hälfte lehnte das Existenzrecht des Staates Israel ab. Zwar erfordert die Einstellung in den Schuldienst ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung – doch die dahinterstehenden Werte müssen gelebt und nicht nur unterzeichnet werden. Die Schule darf kein Ort sein, an dem radikale religiöse oder politische Überzeugungen verbreitet werden – schon gar nicht vom Lehrerpult aus. Unsere Kinder haben ein Recht auf werteorientierte Bildung, die sich an den Grundprinzipien unseres Zusammenlebens orientiert: Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit.

Zeit für einen Neuanfang

Nordrhein-Westfalen braucht deshalb einen klaren Schnitt: Die Abschaffung des Islamischen Religionsunterrichts. Stattdessen sollte es einen verpflichtenden Ethik- oder Philosophieunterricht für alle Schülerinnen und Schüler geben, die nicht am christlichen oder jüdischen Religionsunterricht teilnehmen möchten. Ein solches Fach fördert den Dialog zwischen unterschiedlichen Weltanschauungen, sollte Elemente eines vergleichenden Religionsunterrichts enthalten und ohne dogmatische Grenzziehungen auskommen. Es bietet Raum für lebendige Diskussionen über Moral, Verantwortung, Toleranz, Gerechtigkeit und Pluralität. Dabei geht es nicht um Beliebigkeit, sondern um die Vermittlung des klaren Wertefundaments, das in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verankert ist.

Ein solcher Werteunterricht muss flankiert werden durch präventive Angebote gegen Antisemitismus, zur Extremismus-Aufklärung, für Medienbildung, aber auch durch Gedenkstättenfahrten, Projekttage zur politischen Bildung und außerschulische Kooperationen. Ein Werteunterricht erfordert zudem bestens qualifizierte Lehrkräfte mit geisteswissenschaftlicher oder philosophischer Ausbildung und besonderer interkultureller Kompetenz. Die Qualität der Lehrinhalte und der Didaktik muss dabei oberste Priorität haben.

Falsche Richtung der Landesregierung

Die schwarz-grüne NRW-Landesregierung hat den IRU erst kürzlich trotz aller offenkundigen Probleme bis zum Jahr 2031 gesetzlich zementiert. Sie plant sogar, das Angebot auszuweiten – ein bildungspolitisches Armutszeugnis. Statt kritische Analysen ernst zu nehmen und strukturelle Probleme zu lösen, wird ein gescheitertes System ausgesessen. Das ist nicht nur bildungspolitisch fahrlässig, sondern integrations- und insgesamt gesellschaftspolitisch kontraproduktiv bis gefährlich. Denn Integration gelingt nicht durch Parallelstrukturen, sondern durch gemeinsame Lern- und Erfahrungsräume. Die Abschaffung des IRU wäre daher kein Akt der Ausgrenzung, sondern ein Schritt zu mehr Gemeinsamkeit.

Der Islamische Religionsunterricht in Nordrhein-Westfalen war ein gut gemeinter Versuch, religiöse Bildung für muslimische Kinder staatlich zu organisieren – doch dieser Versuch ist gescheitert. Es ist die Verantwortung von Politikerinnen und Politiker, aus Fehlern zu lernen und neue Wege zu gehen. Nordrhein-Westfalen muss deshalb umsteuern: Ein gemeinsamer Werteunterricht wäre der richtige Weg. Er schafft Zusammenhalt statt Separation, Dialog statt Dogma, Verantwortung statt Ideologie und stellt Gemeinsamkeiten statt Unterschieden in den Fokus. Wer Integration wirklich will, muss den Mut haben, den IRU hinter sich zu lassen.

 

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Henni
Gast
Henni
3 Monate zuvor

Gleichzeitig schafft NRW es nicht Praktische Philosophie an den Grundschulen einzuführen. Lehrplan ist da, Bücher sind da, qualifizierte Lehrkräfte dürfen AGs anbieten.

Jörg Ballnus
Gast
Jörg Ballnus
3 Monate zuvor

Dieser Vorschlag ist für mich als Muslim kein guter. Warum soll das Grundgesetz mit dem Artikel 7.3 für mich keine Gültigkeit besitzen? Ich fühle mich ausgeschlossen und diskriminiert. Dr. Jörg Ballnus

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