G20 in Hamburg – Eskalation surreal

Am Tag nach den Krawallen betrachten Kinder die Spuren der Ausschreitungen Foto: Felix M. Steiner Lizenz: Copyright


Der G20-Gipfel ist zu Ende. Für die meisten hat sich wohl ihre jeweilige Erwartung erfüllt. Polizeigewalt, Blockaden und Plünderungen. Insgesamt bot sich allerdings ein gerade surreales Bild, vor allem im Zentrum der Eskalation. Von unserem Gastautor Felix M. Steiner. 

Eigentlich ist ja alles bereits geschrieben, was man über die vier Tage G20-Gipfel bzw. zu den Gegenprotesten schreiben kann. Tausende Journalisten waren vor Ort und noch mehr Gaffer rahmten mit ihren Handys die Geschehnisse. Das Positive: Es haben sich wohl nahezu für alle die eigenen Erwartungen erfüllt. Das herbeibeschworene Gewalt-Szenario ist eingetreten, Barrikaden brannten, Geschäfte wurden geplündert und es gab Straßenschlachten mit der Polizei. Andererseits: Die Sicherheitsorgane setzten von Anfang an auf die für ihren großen Erfolg bekannte Strategie „Deeskalation durch Machtdemonstration“. Auf der Strecke blieb zu Anfang vor allem die Angemessenheit. Gezeigt hat sich dies schnell, als die Polizei unverständlich hart die „Welcome to Hell“-Demonstration attackierte und mit harter Gewalt gegen die Demonstranten vorging. Fast panisch flohen die Menschen eine Mauer hoch, um der Polizei zu entkommen. Beamte schlugen auf am Boden liegende Menschen ein, es gab bewusstlose Protestierende. Die Szenen der Gewalt waren bereits an diesem Tag erschreckend.

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Normalität und Ausnahmezustand

Solidarität mit den Hamburger Protesten, am Dienstag in Düsseldorf

Bis zum Beginn des G20-Gipfels in Hamburg sind es noch immer zwei Tage. Doch die Polizei hat die Stadt jetzt schon in den Ausnahmezustand versetzt. Am Dienstagabend wurden erstmals Wasserwerfer gegen feiernde Menschen eingesetzt. Was sonst normal und allgemein akzeptiert ist, wird in Hamburg jetzt unterbunden.

Am Sonntag waren es noch fünf Tage, bis die Staats- und Regierungschefs der G20 in Hamburg ankommen sollten. Doch schon da setzte die Polizei auf Eskalation. Ein Protestcamp auf einer weit abgelegenen Halbinsel wurde gestürmt, um 11 Zelte zu beschlagnahmen. Ein Eingriff in die Versammlung, der zu diesem Zeitpunkt mindestens fragwürdig war, denn einen Gerichtsbeschluss, der Schlafzelte verbot, erlangte die Polizei erst am nächsten Morgen. Inzwischen haben die antikapitalistischen Camper ihre Zelte abgebrochen. Sie wollen sich nun Freiräume in der Stadt suchen. Dass die Polizei gegen “wild campende” Linke vorgehen wird, steht außer Frage.

Eine Debatte darüber, ob das Verhalten der Hamburger Polizei rechts- oder gar verfassungswidrig ist, ist ausgebrochen. Doch zielführend ist diese Diskussion nicht. Es lohnt sich mehr, einen Blick auf die Protestrealität in Deutschland und anderen Demokratien, zu werfen. Seit Jahren gehören Protestcamps zum üblichen Prozedere bei Gipfeln oder auch einfach so, um sich für einige Tage zu treffen und ein politisches Streitthema zu bearbeiten. Bei diesen Camps geht es nicht immer so zu, wie sich Polizeiführungen dies wünschen. Manche Aktion, die von Campteilnehmern ausgeht, ist schlichtweg illegal. Trotzdem steht es einer Demokratie gut zu Gesicht die politischen Zeltlager zu akzeptieren. Gegen Straftaten, kann die Polizei gezielt vorgehen. Dafür ist das Personal geschult und gut ausgestattet. Auch der Punkt, dass Schlafen kein politischer Akt sei, wie es die Hamburger Richter anführen, trifft schlichtweg so nicht zu. Die Diskussionen und der Austausch mit wildfremden Menschen beim gemeinsamen Campen sind sehr wohl ein hochpolitischer Akt. Außerdem stellen Camps, dies stellten zuletzt bayrische Richter anlässlich des G7-Gipfels 2015 fest, eine notwendige Infrastruktur zur Verfügung, die den Menschen ihre mehrtägigen Proteste erst ermöglicht. Nicht jeder kann sich ein Hotelzimmer leisten und Protest darf nicht vom Geldbeutel abhängen.

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