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Update: Der MSV Duisburg, der Bauunternehmer Hellmich und das Geld

hellmiWir haben eine Geschichte, die ist spannend für die Fans vom MSV Duisburg, von Alemannia Aachen und den FC St. Pauli. Es geht um einen Sonnenkönig vom Rhein. Es geht um den Bauunternehmer Walter Hellmich. Er baute das Stadion der Alemannia, er baut das Stadion des FC St. Pauli und er ist Präsident des MSV Duisburg.

Wir werden heute zunächst über Hellmich und den MSV berichten. Später werden wir über Hellmich und die anderen Clubs schreiben.

Zunächst also zum MSV aus Meiderich. Wie immer beim Fußball geht es um Hoffnungen, aber auch um Geld. Beides suchen die Fans der Zebras im Umfeld des 65-Jährigen Hellmich. Sie setzen darauf, dass Hellmich dem Club ein stabiles Fundament gibt, um im Oberhaus der Liga bestehen zu können. Doch damit liegen sie wohl daneben. Hellmich scheint nämlich auch ein Interesse daran zu haben, den MSV für sich zu nutzen, und nicht nur Geld für die Kicker zu spenden, wie unsere Recherchen nahe legen. Aus Unterlagen, die den Ruhrbaronen vorliegen, geht hervor, dass der MSV seinem Präsidenten Hellmich schon als Kreditgeber diente und zudem ausgerechnet die Marketingfirma des Präsi-Sohnes die lukrativen Sponsorenrechte mit einer großzügigen Provisionsregel verwalten darf.

Doch der Reihe nach: Nachdem Hellmich im Jahr 2002 zum Präsidenten gewählt wurde, sah zunächst alles glänzend aus. Ein neues Stadion wurde gebaut und prominente Trainer und Kicker verpflichtet. Unter Trainer Norbert Mayer gelang sogar der Aufstieg. Die Euphorie des Beginns verflog allerdings schnell, als der MSV sich nicht in der ersten Bundesliga halten konnte. Wieder wurde es mit dem Geld eng. Zuletzt verzichtete der Manager Björn Bremer darauf, seinen Vertrag in Meiderich zu verlängern. In dieser Situation scheint es interessant, zu sehen, wer alles von den Einnahmen des Clubs profitiert.

Und da kommt ausgerechnet die Hellmich Marketing Managment (HMM) GmbH zum Zuge. Die Firma gehört Marc Hellmich, dem Sohn des MSV-Präsidenten.

Das 1997 gegründete Unternehmen war bis 2002 vornehmlich mit der Vermarktung des Tennisclubs Blau-Weiß Dinslaken beschäftigt. 2002 kam mit dem MSV ein weiterer Kunde dazu. Und was für einer: Marc Hellmichs Unternehmen bekam alle Vermarktungsrechte am Fussballclub, und kann seither unter anderem den Haupt- und Trikotsponsor aussuchen, die Bandenwerbung vermarkten, Logen und Business-Seats vermieten und auch die Namensrechte am Stadion veräußern. Für jeden von ihr ausgehandelten Sponsorenvertrag erhält die HMM zusätzlich 20 Prozent Provision. Selbst für die Zukunft hatte man vorgesorgt: Wenn eines Tages die zentrale Vermarktung durch den DFB fallen sollte, darf Hellmichs Sohnemann auch mit den TV-Rechten des MSV handeln.

1.250.000 Euro zahlte die Firma für nahezu alle Vermarktungsrechte an den Club. Zudem gewährte die Compagnie dem MSV ein Darlehen über eine Million Euro – zurückzahlbar in Raten zu je 114.000 Euro am 1. Juli über neun Jahre lang, wie aus vertraulichen Papieren des Clubs hervorgeht.

Soweit so gut. Spannend wird es aber, wenn man sieht, wie die Firma des Hellmich-Sohnes nicht nur für ihre Arbeit entlohnt wird, sondern auch noch direkt am Erfolg des MSV beteiligt ist: zehn Prozent der Nettoeinnahmen aus der zentralen Fernsehverwertung der Fußballrechte gehen beispielsweise direkt als Provision an den Vermarkter, wenn der MSV zweitklassig spielt. Das steht in den internen Vereinsdokumenten. Damit hängt der Hellmich-Spross direkt an der wichtigsten Einnahmequellen des Clubs. Das bleibt auch so bei einem Aufstieg in die erste Liga – mit einem leicht sinkenden Prozentsatz. Sollte der MSV allerdings im Laufe der Vertragslaufzeit bis 2012 dreimal nicht aufsteigen, kann sich der Hellmich-Zögling trotzdem freuen. Laut Vertrag steigt dessen Anteil an den TV-Einnahmen dann auf üppige 15 Prozent: Eine Belohnung bei Misserfolg? Der Sinn hinter der seltsam anmutenden Vereinbarung könnte auch sein, die absoluten Provisionen für den Vermarkter selbst bei sinkenden Gesamteinnahmen stabil zu halten.

Auf die Frage, warum das so ist, wollten weder der Duisburger Zweitligisten noch die Marketing Management GmbH eine Antwort geben. Genauso wenig wollten die Manager erklären, warum der Vertrag zwischen dem Präsidenten-Sohn und dessen Fussball-Club im Jahre 2008 frühzeitig bis 2017 verlängert wurde, ohne auch nur ein neues Angebot einzuholen. Die fehlende Ausschreibung verblüfft vor allem deswegen, weil die Hellmich Marketing Management GmbH nicht zu den großen Namen im Sponsoring zählt.

Auch die Sponsorenliste des MSV-Duisburg zeugt nicht von großen Erfolgen, die eine überlange Vertragslaufzeit rechtfertigen könnten: Mit der Sparkasse, dem Duisport Logport und den Stadtwerken kommen gleich drei der neun wichtigsten Sponsoren aus dem direkten städtischen Umfeld – dazu mit dem Hauptsponsor Rheinpower die kommunale Stromfirma, deren Energieangebot schon im nahen Köln nicht mehr zur Verfügung steht. Auch die anderen Sponsoren kommen zum größten Teil aus Duisburg: Sinalco, Klöckner oder die Hellmich Gruppe selbst – keine Unterstützerliste, die nicht auch ein anderer zusammenbekommen könnte.

Ohnehin scheint das Verhältnis der Hellmichs zum MSV eher pragmatisch zu sein. Während ein Unternehmer wie Dietmar Hopp seinen Heimatverein TSG Hoffenheim mit Millionen unterstützt und auch Schalke Präsident Clemens Tönnies den finanziell angeschlagenen Blau-Weißen hin und wieder Kredite gibt, diente ausgerechnet der notorisch klamme MSV dem Bauunternehmer Hellmich mindestens einmal als Darlehensgeber. Wie aus einem Testat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hervorgeht, gewährte der Fußballverein der Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH 2005 ein Kredit in Höhe von 500.138,89 Euro, dass Hellmich bis zum Jahresende nicht zurückgezahlt hatte. Nur um das klar zu machen. Hellmich hat nicht dem Verein Geld gegeben, sondern der Verein Hellmich.

Dabei könnte der MSV einen finanzstarken Präsidenten gut brauchen: denn in Duisburg droht ein Sparpaket der Kommune, die Hauptsponsoren des Vereines auszutrocknen. Könnte schon sein, dass in Zukunft das Geld aus den Stadtwerken eher in Schulen als in Spieler gesteckt wird.

In der nächsten Folge unserer Berichterstattung über Hellmichs Aktivitäten werden wir uns der wirtschaftlichen Situation des Bauunternehmens widmen und wie das so in Aachen und Pauli aussieht.

Update:

Mittlerweile hat der MSV reagiert:

MSV-Chef Walter Hellmich weist Zeitungsbericht zurück
MSV-Chef Walter Hellmich weist die Inhalte eines Zeitungsberichtes zurück, in denen über dubiose Verträge beim MSV Duisburg berichtet wird. „Ich möchte klarstellen, dass der MSV zu keinem Zeitpunkt Kreditgeber für die Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH war. Zum Zeitpunkt des Kreditvertrages hatte mein Unternehmen eine finanzielle Forderung von über fünf Millionen Euro an den MSV, die aus dem Stadionbau resultierte. Die Hellmich Unternehmensgruppe unterstützt den MSV zudem seit vielen Jahren finanziell und hat ein Sponsoringaufkommen in Millionenhöhe,“ stellte Hellmich die Sachlage am Sonntag klar.

Zudem verweist der Aufsichtsratsvorsitzende darauf, dass der Vermarktungsvertrag zwischen dem MSV und der Hellmich Marketing GmbH in einer völlig korrekten Ausschreibung zu Stande gekommen ist. Zu diesem Zeitpunkt war Walter Hellmich noch kein Aufsichtsratsvorsitzender beim MSV. Im Bereich der Vermarktung ist die Hellmich Marketing GmbH einer der erfolgreichsten Marketingpartner in der 2. Bundesliga.

Also: …dass der MSV zu keinem Zeitpunkt Kreditgeber für die Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH war. Zum Zeitpunkt des Kreditvertrages hatte…

Seit dem 3. Juli 2002 ist Hellmich Vorstandsvorsitzender des MSV Duisburg. Der Vertrag mit der Firma seines Sohnes ist seit dem 1. Juli 2002 gültig und wurde 2008 vorzeitig verlängert.

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Letztes Update: Dresden: Gedenken, Trauern und Demonstrieren

dresden_nazifreiZum 65. Jahrestag der Bombardierung Nazi-Dresdens ist die Situation vor Ort heute grob in dreieinhalb Lager einzuteilen: Die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland samt Verbündeten ruft „Gegen Bombenkrieg, Terror und Vertreibung“ auf die Straße. Dagegen protestiert das Bündnis „Dresden Nazifrei“ und will diesen „Trauermarsch“ unterbinden und in Teilen auch die Aktionen der Stadt Dresden kritisieren, daher das Motto „Keine Versöhnung mit Deutschland. Gegen jeden Geschichtsrevisionismus. Deutsche Täter/innen sind keine Opfer. Naziaufmarsch verhindern“. „Erinnern und Handeln für Dresden“ heißt es von Seiten der Kommune plus Anhang, Aktionsform ist hier vor allem die beliebte Menschenkette mit Lichtern. Im Folgenden hier ständige Updates vom Tage. Außerdem der Hinweis auf den taz-Liveticker und auf den Livestream des Dresdner uhunabhängigen Radios ColoRado. Sowie den Dresden-Twitter.

04.00 Uhr: Die Busse erreichen wieder die Heimatorte. Ein kurzer Kommentar: Gegen 17 Uhr spielte sich die Situation noch ein wenig fast künstlich hoch, als die Polizei die Blockierer (s. Foto) rund um den Bahnhof Neustadt wiederholt zum Räumen aufforderte, dies aber nur peu á peu geschah. Da die Erlaubnis für den Marsch der Rechten nur bis zu genau dieser Zeit galt, aber diese Gruppe ja auch wieder irgendwie vom Bahnhof weg musste, ohne auf die Linken zu treffen, war die Polizei schwer gefragt, nun erst recht keine Übergriffe zuzulassen. Kurze Zeit später erklärten sich die Gegendemonstanten dann zu den Siegern des Tages: Der Marsch sei verhindert worden. Und wenn das Geleiten einiger rechter Gruppen durch die Polizei zum Bahnhof Neustadt, direkt neben den Gegendemonstrationen auf einer Parallelstraße, nicht als Marsch gilt, dann stimmt das wohl auch einfach. Es gab sehr wenig Gewalt, fast erstaunlich wenige Festnahmen, zum Großteil eher bunte Proteste als eine Dominanz der schwarzen Blöcke. In den Abendstunden wurde es noch einmal sehr unübersichtlich, weil viele, viele Gruppen gleichzeitig die Heimreise antraten – aber es passierte wieder nur wenig, rechts und links gingen sich eher aus dem Weg. Dass dieser Tag die Dresdner Polizei „viel Kraft gekostet hat“, wie sie sagen, das darf geglaubt werden. Es wird sicher Lob von Seiten der Stadt geben – im Grunde hatten alle Seiten sicherlich mehr Eskalation erwartet gehabt. Ein-Satz-Resümee: Eine gute Arbeitsteilung von Recht & Ordnung und linken Interventionisten in diesem Jahr, aber im Laufe des Tages auch eine sehr anstrengende Sache. Das letzte Wort hat ausnahmsweise die Tagesschau.
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23.30 Uhr: Die Polizei erklärt sich zum Tage. Die Nazis erklären ihr Scheitern.

17.00 Uhr: Die Polizei erklärt die Nazikundgebung für beendet, die Nazis hatten nur bis 17.00 Uhr eine richterliche Genehmigung.

16.00 Uhr: Laut Rechts-Propaganda beginnt nun doch noch ein „Marsch“, und zwar, wie es aus linken Kreisen heißt, in Richtung eines Industriegebietes nahe dem Bahnhof Neustadt. Da in der Nähe sind durchaus auch noch eine Menge derjenigen Linken, die nicht am Albertplatz hängengeblieben sind. Es ist auch von „Auflösungen von Blockaden“ die Rede, aber dies nur, weil es längst nicht mehr um die alten Routen geht. Nachdem die Polizei einige rechte Gruppen zunächst gen Bahnhof geleitet zu haben schien, um sie abreisen zu lassen, wird’s nun doch nichts mit dem Feierabend für die meisten Beteiligten. Wirft die Exekutive den Rechten doch noch ein größeres Stöckchen hin als die „Veranstaltung“ am Bahnhof und den „Geleitschutz“? Im Moment ist die Initiative anscheinend nach rechts gerutscht, während die Menschenkette im anderen Teil der Stadt weiter einfach ein ungesehenes Mahnmal bleibt – wenn auch eines mit äußerst hoher Beteiligung.

14.50 Uhr: Laut taz-Ticker wäre beim Sammelplatz der Nazis „durchgesagt worden, daß die Demo nicht stattfinden kann, weil die Sicherheit der Demonstranten nicht gewährleistet werden kann“. Der Nazi-Twitter dresdengedenken vermeldet ebenso: „Es wird wohl keinen Trauermarsch geben, Polizei kann nicht die Sicherheit der Teilnehmer gewährleisten“. Der Naziticker spricht von „5000+ Teilnehmern“.

14.40 Uhr:  15 000 Einheimische und Auswärtige beteiligten sich an einer Menschenkette, die gerade in Auflösung begriffen ist. Laut Sächsischer Zeitung. Dresden Nazifrei sprach außerdem vor rund zwei Stunden von rund 10 000 Blockadebeteiligten in der Dresdner Neustadt.

13.30 Uhr: Nazitwitter dresdengedenken gibt bekannt, es wäre „fast amtlich, daß der Gedenkmarsch wegen Notstands untersagt“ würde. Mit tweet von 13.10 Uhr rufen die Nazis zu „Spontanversammlungen und Aktionen“ auf. Und das sieht dann – laut Dresden-Twitter – so aus: „ca 1000 Nazis auf Hechtstr, 2000 Grossenhainer Str, ca. 1000 Nazis am Neustaedter Bhf“. Jetzt muss die Polizei eigentlich „durchziehen“.
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13.00 Uhr: War es das schon im Groben? Wahrscheinlich haben einige Autonome aus Berlin + X erfolgreich ein paar Gleise blockiert, dafür spricht schon die erbärmliche Anzahl an versprengten Rechten, die auf dem Schlesischen Platz am Bahnhof Neustadt mittlerweile nur eine „Veranstaltung“ abhalten dürfen (s. Foto).
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Dort war auch Bodo Ramelow kurz anwesend (s. Foto), kurze Zeit später durften Passanten auch endlich wieder ohne Polizeikontrolle vom Bahnhof Neustadt gen Innenstadt gehen. Am Albertplatz weiter Reden und bunter „Protest“ in Richtung Polizei (s. Foto).
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Falls nicht gerade Unmengen von Rechten auf Umwegen gen Neustadt und Innenstadt randalieren kommen, wird bald Erfolgsmeldung von links kommen können: Aufmarsch nahezu verhindert, keine direkte Gewalt gegen Menschen, große zahlenmäßige Überlegenheit.

11.31 Uhr: Bislang 7000 Gegendemonstranten in Dresden. Vier Straßenblockaden sowie zwei Gleisblockaden, weitere Buskonvois von Nazigegnern würden erwartet. Laut Zusammenfassung von Dresden Nazifrei.

11.30 Uhr: Die Linke sammelt sich zum Teil am Hinterausgang des Bahnhofs Neustadt und wird von der Polizei dort festgehalten. Nicht weit entfernt, aber für viele der angereisten Demonstranten unerreichbar, findet am Albertplatz zur Zeit eine von der Polizei tolerierte Kundgebung statt. Noch sind wenig Nazis da. Die die da sind, werden von der Polizei auf einen abgesperrten Teil des Schlesischen Platzes gelotst, der für etwa 500 Personen Platz hätte. Ein simples Bild: Im Westen des Bahnhofs einige linke Gruppen, dazwischen der von der Polizei kontrollierte Bahnhof, dann auf dessen Vorplatz zur Hälfte Rechten-Terrain, dann wieder Polizeigebiet, nach 500 m etwa dann der Albertplatz mit der linken Kundgebung (s. Foto). Dann noch einmal einige hundert Meter weiter werden ab 13 Uhr die Aktionen der Kommune stattfinden. Das ist alles sehr ökonomisch geregelt und findet sehr, sehr friedlich statt.
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11.15 Uhr: Es mehren sich die Scharmützel zwischen Gegendemonstranten und Polizei rund um den Bahnhof Neustadt: Aufforderungen, die nicht genehmigten Versammlungen aufzulösen, kaum körperliche Gewalt. Dies sind eher Nebenschauplätze. Der Bahnverkehr zwischen dort und Hauptbahnhof ist inzwischen zusammen gebrochen. Am Albertplatz redet Katja Knipping vor mittlerweile einer ganzen Menge an (offensichtlich von der Polizei bislang tolerierten) Gegendemonstranten.

10.00 Uhr:
Erstaunlich nahe an den mutmaßlichen Versammlungspunkt der Rechts-Touristen hat die Polizei die Busse der Gegendemonstrationen gelassen, nämlich auf die Westseite des Bahnhofs Neustadt. Aus den fünf ursprünglich geplanten Blockadepunkten ist mittlerweile ein einziger offizieller Treffpunkt für „Dresden Nazifrei!“ geworden, und zwar der Albertplatz, fußläufig fünf Minuten von ebenjenem Bahnhof entfernt.
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Während also auf der einen Seite des Bahnhofs allzu offenkundige Gegendemonstranten, darunter auch einiges an DGB (s. Foto), nicht weiter vordringen können und Parolen rufen, präsentiert sich am Albertplatz ein entspannteres Bild: Persönlich motivierte Kleingruppen (s. Foto), ver.di-Kleingruppen, eine etwas größere JuSo-Gemeinde und einige andere versprengt bzw. locker organisiert wirkende Gruppen lassen es nicht auf eine größere Versammlung ankommen.
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Tatsächlich macht das Polizeiaufgebot um den Bahnhof Neustadt herum (s. Foto) und in Richtung Albertplatz schon Eindruck – es gibt aber bislang kaum Anlass zu direkter Konfrontation: Keine Spur von organisierten Rechten, keinerlei Ausschreitungen von links. Dennoch bewegen sich hin und wieder hektisch Mannschaftswagen von hier nach da. Es geht so sachte auf die angekündigten Kundgebungszeiten zu.
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Eine kurze Einordnung der Inhalte: Vieles dreht sich darum, ob in Deutschland einfach so Faschistinnen und Faschisten gedacht werden darf. Die Oberbürgermeisterin der Stadt, Helma Orosz, hat den Ausdruck „nationalsozialistische Verbrecherclique“ gewählt, um die Verursacher des Bombardements zu benennen. Das geht „Dresden Nazifrei“ nicht weit genug, schließlich knüpft die Rechte genau an dem Punkt an, dass ja so viele unschuldige Opfer zu betrauern seien – wobei Dresden nun einmal eher ein Hort williger Nationalsozialist/innen war.
Insofern also eine klassische Ausgangssituation: Das Bürgertum und nahe stehende Freundinnen und Freunde der real existierenden sozialen Marktwirtschaft und Demokratie trauert, mahnt und hält sich von Rechts und Links möglichst fern. Eine Linke von Autonomen bis zu Gewerkschaft und SPD sucht die Konfrontation mit der obrigkeitsstaatlichen Interpretation des Gedenktages wie natürlich auch die mit den Rechten. Die Rechte wiederum kalkuliert mit der gemeinsamen Schnittmenge zu Staat und Bevölkerung, indem sie vor allem Opfer- und Trauerhaltung einnimmt.
Nach einigem gerichtlichen Vorgeplänkel wird – stärker als in Dortmund im letzten Jahr – mit viel Bewegung zu rechnen sein: Ausgerechnet im an Gedenkstätten reichen Neustadt-Viertel könnte es zu Zusammenstößen kommen. Zusätzliche Brisanz erhält das Wochenende durch die Tatsache, dass in Sachsen neuerdings erprobt wird, das Demonstrationsrecht für Rechts gegen Links auch dadurch durchzusetzen, dass im Vorfeld Plakate eingezogen wurden, die zu einer Blockade aufriefen (s. Foto oben). Weitere Informationen auch hier und hier.

Vielen Dank an das tolle Ruhrbüro, vor allem Stefan und Thomas, für wichtige Hinweise und Ergänzungen!

Westerwelles merkwürdiges Sozialismusbild

Wenn man den Artikel von Westerwelle in der Welt liest, wirkt die ganze Aufregung um den Text arg bemüht. Westerwelle hat nur geschrieben, was er immer sagt. Was mir aber aufgefallen ist: Westerwelle hat ein erstaunlich illusorisches Bild vom Sozialismus. Mit der Praxis der heute zumeist ehemaligen sozialistischen Staaten hat es wenig zu tun.

Allgemein hält sich die Auffassung, Sozialismus wäre vor allem für Arbeiter und Arbeitslose eine prima Sache, ziemlich hartnäckig. Das mag für die Papierform noch zutreffen, für die Praxis nicht – und wir alle wissen ja: Entscheidend ist auf´m Platz.

Außenminister Guido Westerwelle, im Nebenerwerb Chef der FDP, sieht im Sozialismus vor allem eine große Umverteilungsmaschinerie, von der vor allem diejenigen profitieren, die nicht arbeiten.  Dabei war es Lenin, der schrieb „Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen“. Ursprünglich wohl  gemünzt  auf die Klasse der Großgrundbesitzer wurde er zum Credo aller sozialistischen Staaten. Aus dem Recht auf Arbeit wurde in der Praxis die Pflicht zur Arbeit.

Mit der Umverteilung zugunsten derjenigen die, aus welchem Grund auch immer, nicht arbeiteten, hatte es keines der sozialistischen  Länder. In der DDR bestand eine Arbeitspflicht: „‚Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit.‘ (Verfassung der DDR) Die Arbeitspflicht wurde z.B. in Form eines ‚Dienstes für Deutschland‘ 1952/1953 als Jugendarbeitsdienst umgesetzt, oder sie konnte darin bestehen, dass Arbeitnehmer bis zu 6 Monate verpflichtet wurden, in einem anderen Betrieb am gleichen Ort zu arbeiten.“

Arbeit hatte einen hohen Wert für die sozialistischen Diktaturen: Vor allem  Gefangene in Lagern sollten angeblich durch Arbeit zu besseren, zu proletarischen Menschen werden. In Wirklichkeit ging es nur darum, möglichst billig und ohne jede Rücksicht auf menschliche Verluste, Großprojekte wie Eisenbahnlinien oder Kanäle zu bauen und das Volk durch Angst vor dem Lager gefügig zu machen.

Für den französischen Philosophen André Glucksmann ist dann auch das Lager das Symbol des praktizierten Sozialismus. In Köchin und Menschenfresser, (Wagenbach, 1976) schreibt er: „Die Lager sind geheime Kommunikationsinstrumente zwischen Herren und Sklaven, Ausbeuter und Ausgebeuteten. Auch wenn die Plebs nicht eingesperrt ist, liegt doch die Drohung und ein versteinertes Schweigen in der Luft, in denen die Stimme des Herrn unausgesprochen da ist. Jeder deportierte oder nicht deportierte Russe bewohnt „die Lagerzone.“

Die sozialistische Praxis hatte mit Westerwelles Sozialismusbild, in dessen Zentrum  großzügigen staatlichen Alimentierung steht,  nichts zu tun. Der sozialistische Staat ist der Ausbeuter, nicht der großzügige Helfer des Individuums und die Arbeit war eine seiner Waffen. Aber das ist das Problem von Phrasendreschmaschienen wie Westerwelle: Es geht ihnen nie um den Inhalt, immer nur um den Effekt und sie haben keine Ahnung wovon sie reden.

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Dresden – es geht um die Opfer – immer

Die tausenden Kinder, Frauen und Männer von Dresden waren so unschuldig wie die Toten von Sheffield oder Guernica. Es geht darum, Krieg zu verhindern. Nicht Opfer zu Tätern zu machen, oder Täter zu Opfern. Aus diesem Grund sind wir gegen Faschisten.

Wie wichtig es ist, sich rechtzeitig Gedanken über Bombenkrieg zu machen, zeigt auch der Angriff bei Kunduz. Es war nicht mutig, Menschen aus der Luft zu töten und nachher beten zu gehen. Unschuldige Menschen starben, weil Einzelne Morden mit Videospielen verwechseln und Verantwortliche ihre Verantwortung auf andere Abwälzen. Und nachher beten.

Billers Beschwerden


Es ist das Schicksal des Maxim Biller, dass ausgerechnet sein bestes Buch Esra vor einigen Jahren vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde. Weder vorher noch nachher ist dem in Prag geborenen Autor ein vergleichbares Werk gelungen. Nun legt Biller sein neues Werk vor: „Der gebrauchte Jude“. Eine Kritik.

Als Maxim Billers erster Roman Die Tochter im Jahr 2000 im Literarischen Quartett vorgestellt wurde, charakterisierte Marcel Reich-Ranicki den Sohn russischer Emigranten als einen „unerhört aggressiven, provozierenden Autor“. Seine journalistischen Texte seien intelligent geschrieben und, was nicht als Kompliment zu verstehen sei, durch „große Aggressivität“ gekennzeichnet. Gemeint war Billers inzwischen geradezu legendäre Kolumne 100 Zeilen Hass in der mittlerweile eingegangenen Monatszeitschrift Tempo. Dass Maxim Biller seitdem nur unwesentlich umgänglicher geworden ist und nach wie vor nur allzu gerne provoziert, belegt sein neues Buch Der gebrauchte Jude. In diesem an eine Autobiografie erinnernden Selbstporträt beschreibt der Autor, wie er zu der Person wurde, die er heute ist. Dabei dauert es nicht lange, bis Biller die Unmöglichkeit erwähnt, als Jude in Deutschland ein glückliches Leben zu führen.

„Ich merkte nicht, dass ich als Deutschenhasser benutzt wurde“, schreibt er rückblickend über seine Arbeit als Journalist. Man habe ihm die 100 Zeilen Hass angeboten, um aus ihm einen jüdischen Nazi zu machen, „in dessen publizistischer Lederjacke zwei Hass-Runen eingenäht sind“. Dass Biller, sollte seine Vermutung überhaupt zutreffend sein, diese Rolle nur zu gerne ausfüllte, scheint er dabei komplett auszublenden. Stets sind es „die herzlosen Deutschen“, die ihn von Beginn an bestenfalls ignoriert, erfahrungsgemäß aber instrumentalisiert, marginalisiert und diffamiert hätten.

Eine scheinbar unbedeutende Anekdote indes verrät mehr über den Charakter des Schriftstellers, als ihm womöglich recht ist. Als Biller im Sommer 1980 für drei Wochen in einen Kibbuz geht, wird er nach wenigen Tagen rausgeschmissen, weil er sich weigert, um fünf Uhr morgens aufzustehen und arbeiten zu gehen. Billers Reaktion auf den Rauswurf spricht für sich: Um sich zu rächen, pinkelt er, trotzig wie ein Kleinkind, in den kibbuzeigenen Zitronenhain und verschwindet. Seit dieser Szene sind fast drei Jahrzehnte vergangen, doch das Prinzip Biller funktioniert immer noch nach diesem Muster. Erst stößt er jemandem vor den Kopf, woraufhin dieser naturgemäß mit Ablehnung reagiert, worauf Biller wiederum aus einem Gefühl der Beleidigung heraus sein Gegenüber zu verletzen versucht. Hält er sich dann auch noch in Deutschland und nicht in Israel auf, steht für ihn fest: Derjenige, der ihn kränkt, muss Antisemit sein. Man weise ihn ab und begegne ihm mit Geringschätzung, weil er Jude sei und es ihn in Deutschland eigentlich gar nicht geben dürfe, so erklärt er sich die Welt und seine missliche Lage. Aus diesem Grund küssen die Mädchen an der Universität, stets „groß, deutsch und zu Hause ein Bett aus Daunen“, auch nicht ihn, sondern lieber ihre deutschen Freunde. Dabei gibt Biller an anderer Stelle zu: „Ich bin Jude, weil ich eines Tages merkte, wie sehr es mir gefällt, die anderen damit zu verwirren, dass ich Jude bin.“

Die Lektüre von Philip Roths Roman Portnoys Beschwerden erlebt der junge Biller als eine Art literarisches Erweckungserlebnis: „Ich konnte es nicht glauben. Es gab wirklich Menschen auf der Welt, die genauso nervös, witzig und tyrannisch waren wie meine eigene Familie, und man schrieb Bücher über sie.“ In den Geschichten des amerikanischen Romanciers erkennt er die Möglichkeiten der eigenen literarischen Arbeit. „Warum schrieb ich nicht über so was?“, fragt er sich und verfasst seitdem in Roths Stil Geschichten, die in jüdischen Kreisen spielen. Wie in den Romanen seines Vorbilds hadert auch Biller mit seiner jüdischen Identität und den Meschuggas seiner Familie. Indes: Auch wenn der Autor sich als deutscher Philip Roth geriert, trennt beide ein unüberbrückbarer Gegensatz: Denn was beim amerikanischen Großmeister der Beschreibung existenzieller (jüdischer) Krisen stets originell und trotz der Schwere seiner Themen ungemein leicht daherkommt, klingt bei Biller nicht selten bemüht und unbeholfen. Bei der Lektüre seines Selbstporträts drängt sich einem unweigerlich das Gefühl auf, dass sein Plan als Schriftsteller einzig und allein darin besteht, die Nöte der Figuren Roths auf deutsche Verhältnisse zu übertragen. In Der gebrauchte Jude vermögen lediglich die Passagen beim Leser auf Anhieb einen Sog zu entwickeln, in denen Biller seine Begegnungen mit Henryk M. Broder, Rachel Salamander oder Marcel Reich-Ranicki beschreibt. Allerdings liest man diese Schilderungen mit demselben Gefühl, mit dem man beim Hausarzt Personality-Magazine durchblättert: Man möchte mehr vom Leben der Prominenten erfahren. Große Literatur ist es deshalb noch lange nicht.

Maxim Biller: Der gebrauchte Jude. Selbstporträt. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, 174 S., 22,90 €

Die Rezension erschien auch in der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“.