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Das Drama um die Auslandskorrespondenten

Protest im Iran 2018 Foto: Fars News Agency Lizenz: CC-BY 4.0

Von unserer Gastautorin Anastasia Iosseliani.

Geehrte Leser,

Die Problematik ist mir aufgefallen, als ich mich mit einem Freund auf Facebook über die Berichterstattung der anti-klerikalen Proteste, die in diesem Jahr, im Iran stattgefunden haben, unterhalten habe. Es ging um das fast vollständige Fehlen jeglicher Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien über jene Proteste, die 2018 aufgeflammt sind. Dies hat, meiner Ansicht nach, mit einem ganz bestimmten Problem innerhalb der Medienwelt zu tun: Dem Auslandskorrespondenten, beziehungsweise dem Bereich, den ein Auslandskorrespondent heutzutage abdecken muss.

Ein Beispiel: Für die deutsche Zeitung «Die Zeit» berichtet Martin Gehlen aus Kairo für die ganze (!) MENA-Region. Der Ausdruck MENA-Region kommt aus dem Englischen und beschreibt das Gebiet des Mittleren- und Nahen Osten. Ich will hier nicht unnötig polemisieren und Herr Gehlens Werk schmälern, aber man muss sich das vorstellen: Der Mann muss in seiner Berichterstattung ein Gebiet vom Maghreb bis zum Hindukusch abdecken! Ein Gebiet mit verschiedenen Ethnien (Arabern, Juden, Persern, Turkvölkern etc.) und verschiedenen Sprachen, die nicht alle miteinander verwandt sind. Zwar sind Arabisch und Hebräisch beides semitische Sprachen, doch sind beispielsweise Persisch und Turksprachen keine semitischen Sprachen und auch nicht miteinander verwandt. Was ich persönlich für Wahnsinn halte!  Und gerade dies führt dazu, dass viele Dinge innerhalb der Berichterstattung in der MENA-Region auf der Strecke bleiben. Eigentlich wird aus der MENA-Region nur dann etwas berichtet, wenn ein israelischer Politiker etwas sehr Dummes oder Bizarres sagt, oder wenn es irgendwo einen Anschlag oder einen Aufstand gibt. Oder wie mein Freund es sagte: Alles was die lieben Vorurteile bestätigt. Dabei interessiert mich persönlich die MENA-Region sehr und deshalb versuche ich mich, so gut es eben geht, mit israelischen und anderen Medien darüber zu informieren. Aber gerade deshalb fällt mir diese gar dürftige Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien auf.

Aber die dürftige Berichterstattung der deutschsprachigen Medien beschränkt sich nicht nur auf die MENA-Region. Ich kann es beim besten Willen nicht anders formulieren, aber über den Kaukasus wird fast dreissig Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion so berichtet, als ob der «Eiserne Vorhang» noch stabil stehen würde. D.h. es berichtet oft ein Korrespondent aus Moskau, in vielen Fällen jemand der keiner Sprache mächtig ist, die im Kaukasus gesprochen wird und etliche Male, unbewusst oder nicht, ein pro-russisches Narrativ in seine Berichterstattung einfliessen lässt. Ganz ehrlich: Ich will hier niemandem unterstellen willentlich und wissentlich Fake-News und Fake-Reportagen a` la Claas Relotius zu verbreiten, aber mit einem solchen Ethos und einem solchen Hintergrund ist kaum objektiver Journalismus möglich. Ich konsumiere nicht nur deutschsprachige Medien, da ich fliessend Russisch kann und auch noch bin englischsprachige Publikationen zu lesen. Aber viele Menschen, die deutschsprachige Medien als ihre einzige Informationsquellenutzen, bleiben so zu wichtigen Dingen nicht richtig informiert. Was ich, wiederum, für nicht nur schade, sondern dramatisch halte. Denn eine halbe Wahrheit ist keine ganze Lüge, aber auch nicht die vollständige Wahrheit. Des weiteren untergräbt ein solcher Ethos die Glaubwürdigkeit von Medienschaffenden und dies sorgt dafür, dass tatsächliche Fake-News und damit einhergehende Verschwörungstheorien immer mehr Anklang finden und dies ganz generell zu einer Ablehnung von Demokratie, Bürgerrechten und Bürgerpflichten und der Hinwendung zu starken Führern zur Folge haben kann. Ausserdem führt das auch noch zu einer starken eurozentristischen Berichterstattung, da ganz offensichtlich über Gebiete am Rande Europas oder im Nahen- und Mittleren Osten nur unvollständig berichtet wird und so das Narrativ der Bevölkerung dort nicht richtig in den deutschsprachigen Medien wiedergegeben wird. Da wird, in meinen Augen, die Grenze zum Chauvinismus krass geschnitten. Sowas ist in der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts eine Ungeheuerlichkeit. Diese Ungeheuerlichkeit ist aber eine Tatsache, die es genau darum zu kritisieren gilt, bis sich etwas zum Positiven ändert. Mir ist bewusst, dass diese Einsparung bei Auslandskorrespondenten einen finanziellen Hintergrund hat, aber die Folgen davon sind dramatisch und darum nicht weiter hinnehmbar. Auch und gerade wegen der Glaubwürdigkeit der schreibenden Zunft.

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Jürgen
Jürgen
5 Jahre zuvor

Sehr geehrte Fr. Iosseliani,
da kann man Ihnen nur zustimmen. Aus Sicht der Verwaltungsräte von ARD und ZDF dürfte es jedoch so sein, dass man zur Ausweitung der Berichterstattung ja Personal einstellen müsste. Und Personal einstellen, womöglich auch noch fest, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das ist doch viel zu teuer. Und überhaut, wer will denn wirklich neues aus diesen Ländern erfahren, ist doch alles eine Mischpoke.

Ich möchte lieber mehr festangestelltes Personal für Berichterstattung und der Produktion von Sendungen und Beiträgen aus den Bereichen Kultur und Wissen, anstelle von neuen technischem Spielzeug aus dem Hause der Öffentlich-Rechtlichen Sender und Helene Fischer.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
5 Jahre zuvor

Es ist richtig, wer über das Ausland informiert sein will, kommt um Auslandsmedien nicht herum. Immerhin scheint die NZZ, als deutschsprachige Zeitung sich noch ein Korrespondentennetz zu leisten, daß vor schön eindimensionalen Relotium (,re: wieder; lotium: Urin; Relotium: immer wieder (der gleiche) Driss) bewahrt.
Die Zeitungsverlage argumentieren, nicht nachprüfbar, mit der dürftigen Ertragslage ihrer Blätter, wobei die Bonität der Eigner immer über jeden Zweifel erhaben ist. Der ÖR-Schundfunk beruft sich auf die Konkurrenz durch die Privaten. Sie teilen sich die Ausrede, das Publikum wäre ohnehin nicht in der Lage mehr als 2 tagespolitische Themen zu verfolgen, so kann man leicht Auslandsnachrichten von Relevanz vermeiden.
Beim ÖRS ist das Schlimme, sie haben die Leute vor Ort, nur werden deren Beiträge nicht gesendet. Wie auch bei Ela, dem Orkan 2014, lagen die Informationen in den Funkhäusern vor, schaffte es aber nicht, diese zu senden. Man fragt sich, wer da wie in den Programmdirektionen arbeitet. Jedenfalls ist von dieser Seite seit längerem und bis auf weiteres kein Qualitätsdruck auf die Verlage zu erwarten.

Fake-News und Lügenpresse sind Anwürfe, die nicht mehr ganz neu sind. Die hauptsächliche Gegenrede der Medienschaffenden dazu ist, das ist Nazi-Sprech. Dies klarzustellen ist richtig, aber wage Lamenti über die eigene Filter-Bubble sind auch noch kein GegenARGUMENT. Der Fall Relotius zeigt darum konsequent ein weiteres Mal, es fehlt an geeigneten Qualitätsmaßstäben.

Noch irritietender und zu Spekulationen animierender wird das Thema, wenn man mal die Themen betrachtet, bei denen Korrespondenten vor Ort sind. Wie erdrückend inzwischen die Informationslage zur A- und C-Waffenmordserie des GRU, inklusive dem blamablen Auffliegen ganzer Agentennetze plus Führungsebene, ist, ist anhand der Berichterstattung der Experten vor Ort und der Putin- (nicht Russland-) Versteher in den Chefredaktionen nicht erkennbar. Daß die obendrein gerne die staatliche Souveränität fast aller Staaten jenseits der Oder-Neiße-Linie als Teil der russischen Interessensphäre gerne in Frage stellen oder relativieren, wirft unschöne Hintergrundfragen auf.

Helmut Junge
Helmut Junge
5 Jahre zuvor

Daß die deutsche Auslandsberichterstattung fast bei Null steht, fällt schon jemanden auf, der ausländische deutschsprachige Nachrichten, liest. Aber wer sich in die englischsprachige Welt der Berichterstattung traut, kann über die deutsche einfältige Weltsicht nur entsetzt sein.
Ich bin wie @Jürgen der Meinung
"Ich möchte lieber mehr festangestelltes Personal für Berichterstattung und der Produktion von Sendungen und Beiträgen aus den Bereichen Kultur und Wissen, anstelle von neuen technischem Spielzeug aus dem Hause der Öffentlich-Rechtlichen Sender und Helene Fischer."
Ja, es gibt viele gebührenzahlende Bürger, die abschalten, wenn Sendungen auf dem Niveau von Helene Fischer "angeboten" werden. Die ziehen sich allerdings meist nur enttäuscht in die Welt anderer Medien zurück. Bei dem verbleibenden Rest liegen die staatlichen Sender mit ihrem riesigen finanziellen Einsatz in den Einschaltquoten vor den Privaten. Sie bedienen etwa den gleichen Zuschauertypus. Aber genau das ist nicht der Auftrag für dessen Erfüllung sie die Berechtigung haben, Gebühren einzunehmen. Der ist anders definiert.

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