Das Märchen von Wimbledon war einmal – die Tragikomödie des Boris Becker

Im Tennissport war Boris Becker früher ein As. Quelle: Wikipedia; Foto: James Phelps; Lizenz:CC BY 2.0

Der 7. Juli 1985 ist für Millionen von Menschen ein Datum, das sie nie vergessen werden. Viele wissen noch immer ganz genau, wo sie heute vor genau 40 (!!!) Jahren waren und was sie gemacht haben. Zu dieser Gruppe gehöre auch ich.

Bei wem es bei der bloßen Nennung dieses Datums noch nicht „klingelt“, der weiß spätestens dann, was ich meine, wenn ich erwähne, dass Boris Becker an diesem Tag zum ersten Mal das Tennisturnier von Wimbledon gewonnen hat. Ein Ereignis, das nicht nur Tennisfans in seinen Bann zog, sondern weit darüber hinaus ausstrahlte.

Damals war ich mit meinen Eltern in einem unserer letzten gemeinsamen Familienurlaube. Ich war 14 Jahre alt und verbrachte ein paar Wochen in Dänemark. Für Tennis hatte ich mich zuvor nicht wirklich intensiv interessiert. Doch als Boris Becker zum großen Finale auf dem heiligen Rasen antrat, saßen auch wir – die ganze Familie – gebannt vor dem Fernseher.

Den ersten Satz des Spiels sahen wir noch in der Fußgängerzone von Aarhus vor der Schaufensterscheibe eines Elektrofachmarkts. Den überwiegenden Teil von Beckers vielleicht größtem Karriereerfolg verfolgten wir dann in der angemieteten Ferienwohnung am Bildschirm.

Meine Identifikation mit dem an diesem Tag geborenen neuen Tennishelden war wohl auch deshalb von diesem Tag an so groß, weil Becker nur gut drei Jahre älter war(ist) als ich – also quasi ein Jugendlicher auf Augenhöhe. Zumindest empfand ich das damals so. Der aufgehende Tennisstern lieferte auch in den Folgejahren viele Gründe, ihm die Daumen zu drücken und den Fortgang seiner Karriere mit Sympathie und Wohlwollen zu verfolgen.

Ich verbrachte nächtelang vor dem Fernseher – unter anderem bei Beckers legendärer Tennisschlacht beim Davis-Cup-Duell in Hartford gegen die USA, als er sich mit ‚Tennisrüpel‘ John McEnroe ein historisches Match lieferte. Auch bei vielen von Beckers weiteren Erfolgen war ich mit dabei. Dazu gehörten allerdings auch bittere Niederlagen, wie die gegen Michael Stich in einem späteren Wimbledon-Finale.

Becker machte mich – zusammen mit Steffi Graf – zu einem Tennisfan, der regelmäßig die großen Turniere dieser Welt verfolgte und dem Sport viele Stunden widmete.

Das alles ist lange her. Für Tennis interessiere ich mich inzwischen kaum noch – was auch ein Stück weit an den fehlenden Identifikationsfiguren der Gegenwart liegt.

Auch mit Boris Becker mag ich mich heute nicht mehr so recht identifizieren. Sein über Jahre vollzogener Absturz – auf und neben dem Platz – war für mich erschreckend mitzuerleben. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere fügte Becker, streng genommen, nur noch eine Peinlichkeit an die nächste: Pleite, Inhaftierung, diverse Liebeleien und Trennungen – das alles konnte einem gehörig auf den Wecker gehen. Es zeigte, dass ein großartiger Tennisspieler nicht automatisch auch ein großartiger Mensch sein muss.

Inzwischen kokettiert Becker in einem TV-Werbespot sogar mit seiner verschwenderischen Lebensweise („Schmeißen Sie Ihr Geld nicht aus dem Fenster“) und präsentiert damit ganz offen und ungeniert sein krachendes Scheitern im Leben nach der Karriere.

An all das muss ich heute denken – 40 Jahre nach seinem ersten Triumph in seinem später selbsternannten „Wohnzimmer“ von Wimbledon.

Mensch Boris, was ist nur aus dir geworden?

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