„Dass das gesamte Ruhrgebiet oder gar Nordrhein-Westfalen insgesamt blau wird, davon sind wir noch weit entfernt“

Oliver Lembcke Foto: Privat Lizenz: Copyright


Oliver Lembcke, Professor für Politikwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, geht nicht davon, dass die AfD bei der Wahl am Sonntag das Ruhrgebiet erobert. Mittelfristig könnte das allerdings anders aussehen. Lembcke hat klare Vorstellungen, was geschehen muss, um diese Entwicklung zu verhindern.  Mit Oliver Lembcke sprach Stefan Laurin.

Ruhrbarone: Die AfD wird aller Voraussicht nach bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am 14. September deutlich zulegen. Wird das Ruhrgebiet jetzt blau?

Oliver Lembcke: In gewisser Weise hatten wir diese Diskussion schon nach der Bundestagswahl. Bei den Landtagswahlen im Osten im vergangenen Herbst, dem letzten großen Lackmustest vor der Bundestagswahl, zeigte sich ein deutlicher Unterschied: ein blauer Osten und, hurra, ein Westen, der glaubte, davon nicht oder jedenfalls nicht so stark betroffen zu sein.

Doch schnell wurde klar: Wenn man genauer hinschaut, sieht man jedoch, dass der Westen auch „blauer“ geworden ist. Unter der Oberfläche waren die Strukturen schon sichtbar. Dann kam die nächste Debatte: Ist die AfD nun wirklich ein Ost-Phänomen oder nicht? Viele sagten damals, sie habe im Westen nur leicht zugelegt, sei aber vor allem im Osten stark. Das hat sich durch die kontinuierlichen Erfolge der AfD relativiert.

Gerade Gelsenkirchen und andere Städte im Westen entwickelten sich zu Hochburgen. Das hatte einen leichten Schockeffekt, weil man plötzlich erkannte: Strukturell ähnelt die Lage hier der in manchen Regionen im Osten. Die SPD-Hochburg bricht zusammen – und wird blau.

Aber: Dass das gesamte Ruhrgebiet oder gar Nordrhein-Westfalen insgesamt blau wird, davon sind wir noch weit entfernt. Das wird auch bei der anstehenden Landtagswahl nicht passieren. Ein Grund ist, dass die AfD in NRW bislang keine gewachsene politische Kraft war – und im Grunde immer noch nicht ist. Bei der Kommunalwahl 2020 kam sie auf fünf Prozent. Sie wird diesmal zwar deutlich zulegen – aber nicht, weil sie starke Leute vor Ort hat, sondern weil sie kräftig Rückenwind von bundes- und landespolitischen Konstellationen bekommt.

Ruhrbarone: Wenn man Steffen Mau oder Ilko-Sascha Kowalczuk liest, sagen beide: Im Osten gibt es eine andere Mentalität als im Westen. Dort sind es nicht nur soziale Probleme, die ja tendenziell sogar abnehmen, sondern auch eine tiefe Ablehnung des Westens und ein autoritäres Denken, das zum Erfolg der AfD beiträgt. Ist es hier im Westen nicht eher eine Reaktion auf Probleme und eher Protestwahl?

Lembcke: Es gibt definitiv Unterschiede, aber sie sind in mancher Hinsicht eher graduell als grundsätzlich. Ein kategorialer Unterschied ergibt sich durch die DDR-Erfahrung vieler Ostdeutscher. Diese spezifische Prägung wirkt bis heute nach.

Hinzu kommt ein Phänomen, das Mau sehr plausibel beschreibt: die gewachsene Ost-Identität. Vergleichbar mit Migrationsgenerationen, bei denen die zweite oder dritte Generation oft eine viel stärkere Identität entwickelt als die Eltern oder Großeltern. Eine Art „reloaded Ost-Identity“. Das unterscheidet den Osten klar vom Westen.

Aber ich würde nicht sagen: Im Westen haben wir nur soziale Probleme und deshalb Protestwähler, während im Osten ein extremistisch unterfütterter Populismus herrscht, weil die Leute Antidemokraten seien. In beiden Regionen sehen wir eine Melange aus Rechtsextremen, politisch Heimatlosen, Unzufriedenen und Protestwählern.

Auch im Westen wählen Menschen die AfD nicht mehr nur aus Protest, sondern weil sie sich gedanklich vom etablierten Parteiensystem verabschiedet haben. Sie sind politisch heimatlos und ordnen sich auf der Rechts-Links-Skala autoritär ein. Das können auch Leute sein, die ursprünglich von links kamen und autoritär geworden sind. Es sind Menschen, die ausgestiegen sind, weil sie unzufrieden mit den Regierungen sind.

Ruhrbarone:Das sind ja quasi dann System-Oppositionelle.

Lembcke: Und die gibt es im Westen auch, nur nicht in dem Maße wie im Osten. Wir reden über unterschiedliche Prozentzahlen, das ist völlig richtig. Aber das Phänomen, dass es einen eigenen ideologischen Zuspruch zur AfD gibt, eine Art Stammwählerschaft – das existiert auch im Westen. Beeinflusst und getrieben durch soziale Probleme und Unzufriedenheit.

Die Gründe liegen nicht nur im Gefühl des Abgehängtseins, sondern sehr stark auch in der Angst davor. Damit sind wir mitten in den Mittelschichten, die ebenfalls AfD wählen – aus Angst vor dem Abstieg. Im Osten ist das stärker ausgeprägt, sowohl die Angst vor der Zukunft als auch die Krisenaversion. Aber auch im Westen gibt es diese Abstiegsängste. In einer Transformationsgesellschaft wie im Osten tritt das nur akuter hervor.

Industrieruine im Ruhrgebiet Foto: Laurin

Ruhrbarone: Das Ruhrgebiet ist ja im Prinzip auch eine Transformationsgesellschaft.

Lembcke: Völlig richtig – und nicht alle finden, dass das gut gelaufen ist. In gewisser Weise ist das, was im Osten passiert, auch ein Vorbote für das, was im Westen passieren wird. Im europäischen und auch im deutschen Vergleich ist das Ruhrgebiet abgehängt. Daher ist es kein Wunder, dass hier „tief im Westen“ die Wahlmuster östlicher werden.

Ruhrbarone:Schon 2017 war Gelsenkirchen bei der Bundestagswahl die Hochburg der AfD in Westdeutschland. Die Politik hatte sehr viel Zeit, darauf zu reagieren – und hat es zum Teil auch getan, aber zu spät. Spricht man mit Gelsenkirchenern, sagen sie, ihre Probleme hätten sehr viel mit der Zuwanderung aus Südosteuropa zu tun. Das gilt auch für Duisburg und Hagen. Die Städte reagieren darauf, gehen gegen Schrottimmobilien vor, in denen die Menschen leben. Aber der Bund hat die Möglichkeit, solche Immobilien schneller in städtische Hände zu bekommen, erst kürzlich geschaffen. Viele Städte haben sich eingeredet, dass sie bunt sind. In Köln wiederum haben sich die demokratischen Parteien darauf geeinigt, das Thema Migration aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

Lembcke: Die Kölner Entscheidung wirkt auf den ersten Blick wie ein Scherz. Politisch muss man das Selbstbewusstsein haben, sich Problemen zu stellen – und parteipolitisch müsste eigentlich man das Selbstbewusstsein haben zu sagen: Wir können es besser als die AfD. Diese Chance hat die SPD immer wieder verpasst.

Die Folgen einer herausfordernden Migrationspolitik sind kommunal längst angekommen. Insbesondere die SPD hat es versäumt, diese Themen aufzugreifen. Mehr noch: Sie hat sie geradezu beschwiegen – und damit ihren Status als Kümmererpartei zerstört.

Ruhrbarone:Gibt es da nicht einen großen Unterschied zwischen der kommunalen Ebene? In Gelsenkirchen und Duisburg wird so etwas schon lange kommuniziert und gefordert. Aber man hat das Gefühl, die SPD ist bei vielen Problemen, auch bei den Folgen der Energiewende, in Berlin extrem weit weg von den Menschen, die sie mal gewählt haben.

Lembcke: Genau das geht zu Lasten der Partei, die lange Zeit diese Themen hätte besetzen können. Heute büßt sie an Glaubwürdigkeit ein, weil sie die Probleme – jedenfalls in den Brennpunkten – allenfalls noch rhetorisch benennt, und selbst das nur selektiv.

Es hängt an einzelnen Personen, die sich eine solche Ansprache trauen. Der Mainstream in der SPD aber folgt stärker der Berliner Blase. Und so verliert man kommunalpolitische Glaubwürdigkeit. Das ist einer der Gründe, warum die SPD jetzt so zitternd ihrem Ergebnis bei der Kommunalwahl entgegenblickt.

Ruhrbarone: Was sind die anderen Themen, neben Migration, bei denen die AfD punktet?

Lembcke: Kommunalpolitisch entfaltet sich das Thema Migration und Integration in viele weitere Bereiche, die sich immer wieder bündeln lassen: Fragen wie „Wie lebe ich, wo wohne ich?“, Sicherheit, basale Ordnungsprobleme der Lebensführung vor Ort.

Hinzu kommt eine allgemeine Stimmung. Sie lässt sich nicht allein mit Gegenwind aus Berlin oder mit den sozialen Brennpunkten erklären. Es ist die Haltung: Politik macht keinen Unterschied, Politiker kümmern sich nicht, sie sind unfähig oder sorglos. Diese Stimmung hat inzwischen auch auf kommunaler Ebene Zugkraft – und zwar nicht nur in den sozialen Brennpunkten im Ruhrgebiet, sondern gerade auch in ländlichen Räumen. Dort gibt es eine gewisse Verödung, vor Ort passiert oft nichts mehr. In diesen Regionen gibt es eine populistische Grundierung. Sie ist real.

Ruhrbarone: Und das betrifft dann auch Westfalen, das Sauerland?

Lembcke: Selbstverständlich. Die AfD ist im Kern eigentlich eine Partei, die stark in ländlichen Regionen ist. Weil sie dort – um es mit Carl Schmitt zu sagen – „Landnahme“ betreibt. Sie ist dort ansprechbar, sie füllt diesen Raum, der kulturell, aber auch politisch oft ausgezehrt wirkt.

Der Gegensatz zwischen Stadt und Land wurde in den vergangenen Jahren stark politisiert – auch von der AfD selbst. Es ist eigentlich ein sehr alter Gegensatz, aber er hat neue Kraft bekommen, und davon profitiert die AfD. Sie wird daher in der Fläche kräftig zulegen. Rathäuser wird sie nicht erobern, aber sie wird in den Kreistagen sitzen – und man wird nicht mehr an ihr vorbeikommen. Das ist ein Phänomen, das wir schon vor zwei Kommunalwahlzyklen in Ostdeutschland beobachten konnten.

Oliver Lembcke Foto: Privat Lizenz: Copyright

Ruhrbarone: Dieser Stadt-Land-Gegensatz war ja auch der zwischen denen, die sich als Teil einer globalen urbanen Elite gesehen haben – was sie zumeist nicht waren. Wer in einem Kulturamt in Berlin arbeitet, hat nicht den Hauch einer Chance auf einen Job in San Francisco oder Tokio. Es gab eine unheimliche Verachtung gegenüber dem angeblich „einfachen Menschen“. Jetzt erleben wir in allen westlichen Gesellschaften einen Vibe-Shift: in den USA, in Frankreich, in England. Es ist kein deutsches und schon gar kein Ruhrgebietsphänomen, dass es keine gute Idee war, den Menschen zu sagen, ihre Zeit sei vorbei – und die Welt werde in ein paar hippen Stadtteilen wie Williamsburg oder Prenzlauer Berg entschieden. Dort sitzen die Klugen, der Rest sind die Abgehängten und Doofen.

Lembcke: Es ist wirklich nicht überraschend, dass sich das nicht durchsetzte und es nun einen Backlash gibt. Dass aus dieser Haltung Kulturkämpfe entstehen konnten, war klar. Da müssen sich viele selbst an die Nase fassen.

Dieses Stück wurde in vielen Ländern mit unterschiedlichen Begriffen aufgeführt. Man sprach von Kosmopoliten gegen Kommunitarier – ein Begriff, der eigentlich etwas hart ist für den Kommunitarismus. Aber wenn man ihn etwas zurechtschneidet, funktioniert er halbwegs.

Wenn man unter Kommunitariern versteht, dass sie das Primat gewachsener Ordnung betonen – auf nationaler Ebene etwa den Nationalstaat –, dann gilt das auch für Lebensformen und Praktiken vor Ort. Themen wie Mieten oder Nahverkehr waren früher für den Erfolg der AfD irrelevant. Heute profitiert sie davon, dass bestehende Konflikte kulturalisiert werden.

Die AfD gewinnt nicht durch Glaubwürdigkeit oder Kompetenz, sondern weil sie die andere Seite repräsentiert.

Denn dieser Stadt-Land-Gegensatz führt zu einer Polarisierung, bei der selbst Banalitäten zu kommunalpolitischen Themen werden. Plötzlich kann die AfD genau dort reüssieren. Ich glaube, diese Kommunalwahl ist ein Brennglas für die Konkretisierung solcher Gegensätze, die die AfD erfolgreich besetzen kann.

Ruhrbarone: Wir haben eine propagierte Verkehrswende, es werden Parkplätze zurückgebaut. Allerdings habe ich keine Alternative, weil der Nahverkehr nicht vernünftig funktioniert.

Lembcke: Genau. Und ganz in diesem Sinne: Es wird viel zu wenig gebaut. Also könnten auch Raum- und Regionalplanung leicht zu Themen werden, die den Erfolg der AfD beflügeln.

Das Thema Mieten hat ja ohnehin eine Renaissance erfahren. Aber auch dieses Feld kann schnell in den beschriebenen Stadt-Land-Gegensatz hineinfallen – und dann zahlt es sich für die AfD aus. Denn die Unzufriedenheit ist enorm und betrifft viele Bereiche.

Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel Migration: Die AfD hat Migration mit Terrorismus oder – etwas „softer“ – mit Kriminalität verknüpft. Diese Verbindung hat einen realen Kern. Doch die demokratische Mitte hat sich hier nicht mit Ruhm bekleckert. Sie hat kaum gezeigt, wie man dieses Thema politisch verantwortungsbewusst diskutieren kann. Im Gegenteil: Man hat es oftmals aktiv beschwiegen. Ergebnis: Die AfD besetzt das Thema, gewinnt Glaubwürdigkeit und wird auch dadurch populärer.

Es geht nicht nur um einen Zeitgeist, sondern um eine Stimmung – und diese Stimmung ist Programm.

Ruhrbarone: Die AfD wird nicht wieder verschwinden. Aber was kann man tun, um ihr Wachstum zu stoppen oder sie vielleicht sogar wieder kleiner werden zu lassen? Was müssen die demokratischen Parteien tun?

Lembcke: Das ist eine schwierige Frage. Aber im Grunde genommen könnte man damit beginnen, zu sagen: Geht in den Nahkampf! Das Problem wird sich nicht von allein lösen. Parteien sind Vertreter von Grundkonflikten, auch die AfD. Und genau das verleiht dieser Partei eine enorme Beharrungskraft.

Ruhrbarone: Allein deshalb wird sie bleiben.

Lembcke: Genau. Und deshalb ist auch „Protest“ die falsche Beschreibung. Die AfD ist Vertreterin der anderen Seite großer gesellschaftlicher Konflikte. Parteien bewirtschaften diese Konfliktlinien für ihre Wählerschaft, und hier hat die AfD ein riesiges Reservoir.

Entscheidend ist, wie Parteien ihre Wählerschaft organisieren. Deshalb kommt es sehr darauf an, wie sich SPD-Lokalpolitiker etwa beim Thema Migration positionieren. Und hier muss man leider sehr oft sagen: „Too little, too late“. Sie kennen die Konflikte, trauen sich aber nicht, öffentlich zu diskutieren – zum Beispiel, wie Flüchtlinge gerechter in einer Stadt verteilt werden könnten. Wenn es geschieht, passiert es nach innen, nicht nach außen. Aber das muss öffentlich debattiert werden, die Wähler müssen es hören und sehen.

Dann könnte die SPD wieder die Partei der Kümmerer werden. Doch da ist viel weggebrochen – auch Glaubwürdigkeit. Dafür glaubwürdig einzustehen, wäre entscheidend. Und zugleich gilt: die andere Seite angreifen, solange es noch möglich ist. Im Moment geht das noch. Die AfD hat keine bekannten Kandidaten und kaum jemanden mit Expertise vor Ort. Deshalb muss man sie mit dem gesamten Programm und Personal attackieren – keine Ausweichmanöver, kein Ausladen, sondern volle Konfrontation und Auseinandersetzung.

Die Idee, man könne die AfD mit Beschweigen oder durch den Entzug von Plattformen in den Griff bekommen, ist an der Realität gescheitert. Und mutet, offen gesagt, auch politisch naiv an.

Hinsichtlich der kommunalpolitischen Kraft in NRW erinnert noch manches an die Zeit früher in Thüringen: Die Leute schämten sich, für die AfD anzutreten. Es war schwer, Kandidaten zu finden. Heute ist das gerade auf dem Thüringer Land ganz anders: Die AfD tritt mit neuem Selbstbewusstsein auf. Aber so weit ist sie hier noch nicht. Viele Kandidaten sind Zugezogene, in ihrer Stadt nicht verwurzelt. Und genau da muss man angreifen. Das ist nicht schön, eher die dunklere Seite politischer Strategie. Aber es ist notwendig. Der Schwachpunkt der AfD ist ihr fehlendes kommunalpolitisches Personal. Also: Attacke! Nicht nur inhaltlich, sondern auch praktisch zeigen, wie man mit Themen wie Flucht, Migration, Wohnen oder Schrottimmobilien als SPD vor Ort richtig umgeht – und Lösungen anbieten.

Ruhrbarone: Das würde aber auch bedeuten, dass sich die SPD vor Ort in Gelsenkirchen, Bochum oder Dortmund gegen die aktuelle, stark grün geprägte Programmatik stellen müsste?

Lembcke: Ja, das müssen sie. Im Grunde hat die SPD nichts mehr zu verlieren. Warum sollten sie für die Parteispitze in Berlin Kommunalpolitik machen?

Das bedeutet: Wahlkampf führen, der für Herne passt – auch wenn er nicht für die Berliner SPD passt. Man muss mit dem Pfund wuchern, das man hat, und das vor Ort aufbauen.

Ruhrbarone: Im Ruhrgebiet wie in ganz NRW und Deutschland herrscht eine pessimistische Grundstimmung.

Lembcke: Eine pessimistische Grundstimmung ist gut für die AfD – und ziemlich schlecht für diejenigen, die Ämter, Würden und Regierungen verteidigen müssen.

Ruhrbarone: Es gibt ja durchaus Gründe für diese pessimistische Stimmung. Wir erleben Deindustrialisierung, steigende Energiepreise …

Lembcke: Es gibt reale Gründe, die Zweifel nähren, ob die bisherigen Verantwortlichen die richtigen sind. Diese Stimmung ist stark – und sie zahlt sich für die AfD aus. Dem muss man etwas entgegensetzen.

 

Ruhrbarone: Was kann man ihr entgegensetzen?

Lembcke: Ein „Das Land wird bunt, Vielfalt, Freude, Eierkuchen“ ist vorbei. Für diese Art der „Vergrünung“ zahlt die SPD schon lange einen hohen Preis.

Was man entgegensetzen kann, ist keine Stimmung, sondern Vertrauen. Und dazu gehört auch Zutrauen gegenüber Personen. Ein Wort, das oft übersehen wird, das ich aber für politisch relevant halte: Kann ich dieser Person politisch etwas zutrauen? Wird sie einen Unterschied machen, etwas bewirken, was für mich gut ist?

Das ist die Chance der etablierten Parteien. „Etabliert“ bedeutet ja: Sie sind verwurzelt, bekannt, präsent. Sie waren schon immer da. Daraus muss man Kapital schlagen – etwa um Leute anzusprechen und einzubinden.

Es gibt also Abwehrmittel gegen Pessimismus. Aber bloße Wahlkampfrhetorik oder inszenierter Optimismus– zieht nicht. Wenn sich jemand 20 Jahre glaubwürdig für die Menschen eingesetzt hat und dann sagt: „Leute, wir können das und das verbessern, dafür setze ich mich ein“, dann entsteht echtes Zutrauen. Das ist kein wolkiges Irgendwas, sondern greifbar. Und genau hier bietet die kommunalpolitische Ebene enorme Chancen.

 

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mike_mh
mike_mh
2 Monate zuvor

„Eine pessimistische Grundstimmung“
Es wird doch seit Jahren Klimaangst, Coronaangst, Atomangst, Pestizidangst etc cc. geschürt. Dazu Ängste in der Veränderung der Arbeitswelt. Die SPD, die Grünen noch mehr als die SPD, arbeiten mit Ängsten. Und da wundern Sie sich über eine pessimistische Grundstimmung?
„Ein „Das Land wird bunt, Vielfalt, Freude, Eierkuchen“ ist vorbei. Für diese Art der „Vergrünung“ zahlt die SPD schon lange einen hohen Preis.“
Die Vergrünung ist ja kein SPD Alleinstellungsmerkmal, das trifft ja die CDU, FDP etc. genauso, die AFD ist ja gerade der scharfe Gegenpunkt der Vergrünung. Und die Vergrünung steht nunmal nicht für eine Problemorientierte Politik, sondern für das reine Durchsetzung einer Ideologie mit teilweise menschenfeindlichen Auswirkungen.

„Der Schwachpunkt der AfD ist ihr fehlendes kommunalpolitisches Personal.“
Das muss man natürlich für die Städte individuell betrachten. In Mülheim z.B. sind bei SPD, CDU, Grüne durch Jahrelange Kommunalpolitische Tätigkeit der Parteien das Personal schon sehr geschliffen, so dass die berühmten Exoten und Charaktere mit Ihren Grabenkämpfen und teilweise Ideologischen Unterschieden nicht existieren, während der Linke Rand in den letzten 20 Jahren mehrere Teilungen mitgemacht hat und die AFD hier ebenso, weswegen die AFD in Mülheim keine ernsthafte Wahloption ist, da man nicht weiß ob es die Fraktion im nächsten Jahr noch so gibt. Für andere Städte kann ich nicht sprechen, aber ich vermute im Osten wird das wieder anders aussehen, da dort in der kommunalpolitischen Arbeit und der etwas anderen Struktur der Partei die AFD dort festere Strukturen hat.

„Wir haben eine propagierte Verkehrswende, es werden Parkplätze zurückgebaut. Allerdings habe ich keine Alternative, weil der Nahverkehr nicht vernünftig funktioniert.“
Das lässt sich auch auf Energiewende, Wärmewende, Wohnungswende etc. ausdehnen, heute Politiker sind nur noch Ankündigungsweltmeister, keine Macher und Pragmatiker. Schauen Sie mal nach Niedersachsen zum Neubau einer Strecke zwischen Hamburg und Hannover. Da wurde durch ein Dialogforum, wo kein Experte für Bahninfrastruktur drin war, beschlossen die Bestandstrecken zu ertüchtigen und auszubauen, obwohl alle von der Bahn angefertigten Gutachten einen Neubau zwingend als erforderlich ansahen. Und wer ist unter anderen gegen einen Neubau (der Widerstand ist im Übrigen Parteiübergreifend)? Lars Klingbeil!!!
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/heidegipfel-buerger-protestieren-gegen-bahnstrecke-hannover-hamburg,bahn-918.html

 „Die AfD hat Migration mit Terrorismus oder – etwas „softer“ – mit Kriminalität verknüpft.!“
Schauen Sie sich mal die Kriminalstatistik und laufen Sie mal mit offenen Augen durch das Land.
Bei bestimmten Migrantengruppen gibt es nun mal erhebliche Probleme mit Kriminalität, aber anstatt das Thema mal anzugehen wird man lieber als Rassist oder Ausländerfeind bezeichnet. Das ist übrigens auch eine Folge der Vergrünung. Und über die ganzen Folgen der Pro-Pali-Demos ist noch ein ganz anderes Thema.

paule t.
paule t.
2 Monate zuvor

Bezüglich des Kölner Fairnessabkommens: Das ist nicht neu, sondern es gibt es seit Jahren (m.W. 1998!). Und es beinhaltet nicht, dass man im Wahlkampf nicht über Migrationsthemen sprechen dürfe, sondern lediglich, dass man nicht auf dem Rücken von Migranten Wahlkampf macht, also mit rassistischer Hetze oder pauschalen Zuweisungen, die Migranten für allgemeine Gesellschaftsprobleme verantwortlich machen. Demokraten, die Art. 3 GG (Diskriminierungsverbot) kennen und beachten, sollten damit kein Problem haben. Ganz konkrete, tatsächliche Probleme zu thematisieren und Lösungen zu diskutieren, wird dadurch in keiner Weise eingeschränkt.

Falschbehauptungen über dieses Abkommen, so als sei das ein neues „Schweigegebot“, zahlen nur auf das Konto der AfD ein. Warum machen auch die Ruhrbarone und Herr Lembcke dabei mit?

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