
Im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund ist noch bis Februar kommenden Jahres eine Multimedia-Show über Günther Netzer zu sehen.
Ein spärlich beleuchteter, 1000 Quadratmeter großer Raum, Leinwände an allen Seiten und die Stimmen der Fußballlegenden der 70er-Jahre: Franz Beckenbauer, Wolfgang Overath, Rainer Bonhof und Paul Breitner, der über Günther Netzer sagt, Netzer habe dafür gesorgt, dass der Fußball und die Spieler in der Gesellschaft die Stellung einnahmen, die sie bis heute haben. Günther Netzer, dessen Spielerkarriere 1963 in Mönchengladbach bei der Borussia begann und nach einer dreijährigen Zwischenstation in Madrid 1977 bei Grasshopper Club Zürich endete, galt unter den vielen Ausnahmefußballern seiner Zeit, unter anderem Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Paul Breitner und Berti Vogts, als Rebell, als Intellektueller, als Inspiration. Im Rückblick erscheint es so, als ob die damalige Journalistengeneration jenseits der Sportredaktionen Netzer und die Überhöhung seiner Person brauchte, um überhaupt über ihn zu schreiben. In der Ausstellung Netzer – Die Siebzigerjahre kommt vor allem einer zu Wort: Günther Netzer. Der hat sich eigentlich nach jahrelanger Dauerpräsenz in den Medien – erst als Spieler, dann als Manager und später als TV-Kommentator – aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, doch für Manuel Neukirchner, den Direktor des Deutschen Fußballmuseums, hat er eine Ausnahme gemacht. In den Gesprächen geht es in erster Linie um Fußball, in zweiter ums Geschäft und in dritter um den Kult, der um Netzer gemacht wurde. Auf eine halbe Stunde konzentriert stehen Netzers Worte im Zentrum einer Multimediashow, die seine Erzählungen kongenial begleitet, ohne sich trotz aller gut eingesetzten Effekte in den Vordergrund zu drängen. Zwischen den Gesprächen Netzers werden Stationen aus seinem Fußballerleben gezeigt: das legendäre 7:1 von Borussia Mönchengladbach gegen Inter Mailand (Netzer: „Die wussten nicht mal, wo Mönchengladbach liegt“), das bis heute als bestes Spiel der Vereinsgeschichte gilt. Netzer schoss zwei Tore, aber das war alles egal: Wegen einer von einem Fan geworfenen Cola-Dose, die den Inter-Spieler Roberto Boninsegna traf, wurde das Spiel für ungültig erklärt.
Oder die zwei Meisterschaften, die Borussia auch dank Netzer 1970 und 1971 gewann. Sein Spiel in dieser Zeit wurde mit Sätzen wie „Der aus der Tiefe des Raumes plötzlich vorstoßende Netzer“ von Karl Heinz Bohrer in der FAZ beschrieben. Er selbst kann damit nicht viel anfangen: „Ich habe mir da keine Gedanken gemacht. Ich wollte einfach nur von hinten nach vorne laufen – da standen ein paar im Wege, die ich überwinden musste – und dann wurde es eine Situation, die außergewöhnlich war. Sie ist aber einfach aus der Situation und meinen Fähigkeiten entstanden. Einem Fußballreporter wäre diese Aktion nicht so aufgefallen, das wäre nicht so bebildert oder beschrieben worden, wie Karl Heinz Bohrer das gemacht hat.“ Teamplayer sei er gewesen, dem die Mannschaft und der Verein wichtig waren. Die Borussia war ihm wichtiger als die Nationalmannschaft, mit der er 1972 Europameister und 1974, wenn auch nur mit einem 22-Minuten-Einsatz gegen die DDR, Weltmeister wurde. „Der Stellenwert der Nationalmannschaft“, schreibt Manuel Neukirchner im Begleitband zur Ausstellung, „war bei ihm eher untergeordnet, wohl wissend, dass die Erfolge im Nationaldress den Marktwert eines jeden Topspielers bestimmen.“ Die Ausstellung thematisiert aber auch das wohl düsterste Kapitel in Netzers Karriere, den Wechsel zu Real Madrid. Für Netzer war das die Erfüllung seiner fußballerischen Träume. Nur herrschte in Spanien 1973 noch der faschistische Diktator Francisco Franco. Real Madrid war sein Lieblingsverein, jedes Spiel gegen Barcelona, heißt es in der Show, sei wie die Fortsetzung des Spanischen Bürgerkriegs gewesen, als die Metropole Kataloniens eine Hochburg der Anarchisten war. Netzer ist bei dem Thema ungewohnt schmallippig: Er habe den Anschlag auf den damaligen spanischen Regierungschef Carrero Blanco ebenso mitbekommen wie die grausamen Hinrichtungen der Regimegegner: „Ungeachtet dessen ging der Fußball weiter. So war das damals.“ Netzer lotste sogar noch seinen Freund Paul Breitner zu Real.
Netzer stieg erst bei Real Madrid mit einem Jahreseinkommen von 295.000 DM in die Gruppe der Spitzenverdiener auf. Bei Mönchengladbach verdiente er deutlich weniger als die Stars von Bayern München, dessen Rivale in den 70ern die Borussia war. Doch Netzer wusste sich zu helfen. Während Spieler wie Uwe Seeler oder Ernst Kuzorra nach dem Ende ihrer Karriere eine Tankstelle übernahmen oder eine Lottobude eröffneten, investierte Netzer in die Diskothek Lovers Lane und das Restaurant „La Lacque“. „Ich habe den führenden Barkeeper in Mönchengladbach kennengelernt. Und der kam plötzlich auf die Idee: ‚Lass uns doch zusammen eine Diskothek machen. Ganz in Schwarz, in schwarzem Lack und mit Möbeln.‘ Netzer ging dann zu seinem Trainer: ‚Herr Weisweiler, ich muss Sie wenigstens informieren. Ich eröffne übermorgen dahinten eine Diskothek, und Sie sind herzlich eingeladen.‘ Dann hat er nur gesagt: ‚Das ist das Ende.‘“ Weisweiler habe gedacht, Netzer stehe mit den Gästen da jede Nacht an der Theke und saufe flaschenweise, um Umsatz zu machen. „Tatsächlich habe ich meine beste Zeit als Fußballer gehabt. Ich bin zweimal Fußballer des Jahres hintereinander geworden. Das war eine wunderbare Zeit. Ich habe in der Ecke gestanden und habe die Leute studiert. Das ist unfassbar wichtig für mich gewesen.“ In dieser Zeit war Netzer ein Role Model, wurde von Fotografen begleitet, stand für einen extravaganten Lebensstil und fuhr Ferrari. Zahlreiche Fotos aus der Zeit sind in der Ausstellung jenseits der Multimediashow zu sehen. Auch was die Mode betraf, war Netzer damals für viele ein Vorbild – allerdings gegen seinen Willen: „Manches habe ich aber auch nur mitgemacht, was meine Freundin damals wollte. Zum Beispiel in Fragen der Mode. Mode hat mich nicht interessiert. Teilweise habe ich mich geschämt, auf die Straße zu gehen, so wie sie mich eingekleidet hatte. Und das in Mönchengladbach!“ Auch seine langen Haare hatte er nur, weil seine Freundin der Ansicht war, dass er mit kurzen Haaren „bescheuert“ aussah.
Und auch das Image des Rebells, der Inspiration für linke Politiker, sah Netzer nie: „Dass ich so in der Nähe der 68er angesiedelt wurde – was natürlich nicht der Fall war; da entstand das Wort Rebellion, Revolutionär; dabei habe ich mich nur mit meinem Trainer gestritten.“ Sein persönliches Umfeld habe mit der Protestbewegung nichts zu tun gehabt.
Der Text erschien in ähnlicher Form bereits in der Jungle World

Immer dieser Hype um Netzer. Was hat Er denn wirklich gebracht für die Nationalmannschaft? Europameisterschaft 1972 und das wars. Keine WM wirklich gespielt. Wird total überbewertet.Overath 10 Jahre der Spielmacher der Nationalmannschaft, Erster, zweiter und dritter wo Er der absolute Weltklassespieler war. Das kann man doch wohl nicht vergleichen.
Und die WM hat einen ganz anderen Stellenwert als eine EM.