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Der Rücktritt von Anne Spiegel war unumgänglich – „menschliche Überforderung“ zählt nicht

Anne Spiegel Foto: Sven Teschke Lizenz: CC BY-SA 3.0 de

Der persönliche Druck durch den Schlaganfall des Ehemannes und die Belastung durch die Kinder steht außer Frage, darüber hat auch niemand zu urteilen. Auch die vier Wochen Urlaub: keine Rechtfertigung notwendig.

Es geht um den Zeitpunkt und die Kommunikation. Sie hatte während des Hochwassers das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität in Rheinland-Pfalz inne. Es war die Verantwortung ihres Ministeriums, dass nicht gewarnt wurde, dass ganz offenkundig nichts getan wurde, um Menschenleben durch Prävention zu retten.

134 Menschen sind tot.

Für die fatale und am Ende tödliche Fehleinschätzung trägt das Ministerium erhebliche Mitverantwortung. Wenn sich im Zuge journalistischer Recherche dann noch herausstellt, dass die Ministerin eben nicht zu erreichen war und an Sitzungen und Arbeitskreisen nicht wie erklärt teilgenommen hat, aka: sie gelogen hat, dann gilt „Überlastung“ nicht. Andere sind nicht überlastet, sondern tot und die Familien stehen vor dem völligen Nichts.

Dann muss sie ihrer Verantwortung gerecht werden und an der Aufarbeitung mitarbeiten, Urlaub hin oder her. Das war eine Jahrhundertkatastrophe und es gibt politische Eliten, damit sie in dem Moment funktionieren: das ist ihre eigentlich elementare Aufgabe. Funktionieren, wenn sie unbedingt müssen. Helmut Schmidt hat in Hamburg funktioniert, tagelang. Katastrophenschutz ist nichts anderes als Verteidigung. Und die Verantwortlichen müssen funktionieren, wenn die Bedrohung akut ist. Niemand fragt, ob die Bedrohung gerade passend kommt.

Mit der Zugehörigkeit zur politischen Elite geht nämlich ein Faktor einher: Geld. Wirklich viel Geld. Anne Spiegel hatte die Möglichkeit, ihre Kinder und ihren Mann vollkommen versorgt zu wissen, sich Hilfe zu holen und ihrer Familie so zu unterstützen. Das ist auch fair und richtig so, dafür macht sie den Job. Nur: sie muss ihn machen. Sie hat es nicht getan und dann offenkundig gelogen.

Auch ist fraglich, in welcher Form sie sich, schwer belastet, Entlastung damit erhoffte, von der Landespolitik in die Bundespolitik zu wechseln, womit der Tag praktisch nicht mehr selbstbestimmt ist. Das wirkt unglaubwürdig. Und noch dramatischer wird die Situation dadurch, dass sie bei der Aufarbeitung der Katastrophe bisher immer nur Verantwortung von sich gewiesen, nach übereinstimmenden Berichten die Unwahrheit erzählt und offenbar erst auf Druck der Presse überhaupt ein Statement abgegeben hat. Das Statement selbst war dann nur noch die Cherry on top: überfordert und der Ehemann hat Mitschuld.

Genau das Statement wollten nicht nur die Angehörigen der Opfer sondern auch alle Familien in Deutschland, nach zwei Jahren Corona-Zäsur, wirklich nicht hören. Und die Demokratie hat es nicht verdient.

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Lothar W. Pawliczak
1 Jahr zuvor

Das kommunikative Desaster von Frau Spiegel bleibt wohl noch zu analysieren. Warum hat Sie nicht einfach gesagt?: "Es war ein Fehler, nicht rechtzeitig bemerkt zu haben, daß ich wegen meiner schwierigen Familiensituation den Job als Ministerin nicht ordentlich ausführen konnte. Es tut mir leid. Ich trete zurück und kümmere mich um meine Familie." Ihr Insistieren auf Gendersprache und ausdrückliche Besorgnis allein um die Imagepflege war sicher eine Ursache. Aber die linksgrüne Abwertung der Familie als reaktionär spielt eine wesentliche Rolle. Sich dafür zu entscheiden, die Politkarriere fortzusetzen, obwohl ihre Familie sie dringend brauchte, ist wohl die tiefere Ursache ihrer Fehlhandlungen im Amt und ihrer unangemessenen Selbstdarstellung. Es ist zu erwarten, daß die Linksgrünen das zu verbergen suchen, denn die Konsequenz wäre eine Revision ihrer Ideologie. Die Verbergungsstrategie hat Frau Spiegel mit ihrer Rücktrittserklärung schon vorgebeben: Der Druck sei zu groß und deshalb trete sie zurück, nicht etwa, weil sie Fehler gemacht hat. Und die Medienkampagne dazu ist schon angelaufen: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/hexenjagd-auf-anne-spiegel-li.221863

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
1 Jahr zuvor

Wenn man ehrlich ist, sollte ein Ministerium auch in einer Jahrhundertkriese funktionieren, wenn die Ministerin in einem dringend benötigten Urlaub ist. Wenn das nicht so ist, machen wir etwas falsch.

Weswegen Frau Spiegel zu Recht zurückgetreten ist, sind die unnötigen Lügen und der Umstand, dass sie , aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen, mehr Ämter angenommen hat, als ein normalee Mensch bewältigen kann. Und ich glaube auch, dass das zumindest auch Frau Dreyer bewusst war. Sonst hätte sie sicherlich auf Frau Spiegel eingewirkt und auf mehr Präsenz in der Krise bestanden.

thomas weigle
thomas weigle
1 Jahr zuvor

Es macht einfach einen schlechten Eindruck,wenn die verantwortliche Ministererin im Urlaub ist,wenn in ihrem Verantwortungsbereich zu viele Dämme im Wortsinne brechen. Da gibt es kein Vertun. Und dass sie nur wg. des Druckes auf ihr Amt die Biege macht,zeigt,dass sie überhaupt nicht die Dimension ihres fehlerhaften Umganges mit der Krise und die Absurdität ihrer Ausflüchte begriffen hat. Wenn Menschen sterben,kann am Ende der Verantwortungskette Fehlverhalten nicht mit Krankheit und/oder Überforderung in der eigenen Familie begründet werden.Respekt hätte sie allerhöchstens verdient,wenn sie nach dem Hochwasser zurückgetreten wäre. Jetzt ist es nur noch politische Schadensbegrenzung,

ke
ke
1 Jahr zuvor

Erstaunlich ist eher, dass dem grünen Umfeld die Situation offensichtlich nicht aufgefallen ist bzw. dass es nicht als besorgniserregend erkannt wurde, wenn MinisterInnen in einem Gedöns Bereich eines kleinen Bundeslandes über Wochen fehlten, wenn es dann wichtig wird.

Eine Ministerin und ein Minister müssen ihr Leben so organisieren können, dass der Job funktioniert. 4 Wochen Urlaub sind zu viel. Das klappt nur in Ausnahmefällen.

Hier geht es wohl eher darum, irgendeine Fassade aufzubauen, statt einfach gute Politik abzuliefern. Als Bundesministerin ist sie auch nicht aufgefallen.

Die Ausreden der beiden MinisterInnen sind für ihr Joblevel unterirdisch.

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