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Des Euros Kern

Oh nein, bitte nicht! Nicht schon wieder. Nicht noch einen Artikel über den Euro. Oder besser gesagt: über die Eurokrise, die, wie man auch hört, eigentlich gar keine Eurokrise sei, sondern eine Schuldenkrise. Eine europäische Schuldenkrise. Oder eine griechische. Griechenland – ich kann es nicht mehr hören! Oder Irland, Portugal, und alle die.
Eurokrise – das ist irgendwie so wie Fukushima: gar nicht ungefährlich, keine Frage. Sogar richtig schädlich. Aber erstens für uns nur so am Rande, und zweitens geht davon die Welt nicht unter. Und außerdem zieht sich die ganze Geschichte inzwischen ganz eindeutig zu lange hin.

Es passiert ja im Grunde genommen auch nichts Neues. Die Schreckensmeldungen aus den einzelnen PIGS-Ländern, dass alles noch viel schlimmer sei als zuvor angenommen, treffen in schöner Regelmäßigkeit ein. Dazwischen immer wieder mal eine der drei Ratingagenturen, die zwar auch nicht viel mehr wissen als mein Nachbar. Doch wenn eine von denen die Kreditwürdigkeit eines der besagten PIGS herunterstuft, ist das schon eine Meldung wert.
Dann reagieren die Finanzmärkte. Die sind nämlich einerseits allmächtig, andererseits aber ziemlich empfindlich. Dann steigen die Zinsen der Staatsanleihen nicht nur des einen PIGS-Landes, sondern gleich aller. Das heißt: diese Länder können sich nun überhaupt nicht mehr (re-)finanzieren, die Kurse fallen auf Ramschniveau, die Hausaufgaben sind nicht erledigt, und die Herrschaften aus Hochfinanz und großer Politik treffen sich.
Mal angekündigt, mal unangekündigt. Mal offiziell, mal heimlich. Mal sind sie sich einig, meist nicht. Ja, die Sache ist ernst; aber diese Nummer wird langweilig. Aber was sollen die Leitartikler allerorten machen? Sie müssen etwas schreiben, und sei es eine Kolumne über die Eurokrise. Und abends trifft man sich in einer Talkshow.

Merkel und Sarkozy haben einen „Kompromiss“ gefunden. Et het noch immer joot jegange …, zu Deutsch: es ist noch immer gut gegangen. Der Kompromiss – immerhin gut genug als Hauptmeldung in den Abendnachrichten. Berlin wollte die Gläubiger einspannen (irgendwie links), Paris – und Brüssel – die Banken schonen (voll kapitalistisch); der Kompromiss: „volontaire“.
Frau Merkel ist der Hinweis „ganz wichtig“, dass das Wörtchen „freiwillig“ sozusagen im Kern dieses Kompromisses stehe. Das Volk steht vor der Tür des Kanzleramtes – nicht bestellt, wie Merkel versichert, also wohl ebenfalls freiwillig – und jubelt. Ganz zufällig steht eine deutsch-französische Mischfamilie direkt bei Merkel und Sarkozy. Europa kann schön sein. Die Eurokrise ist langweilig.
Spätestens in zwei Wochen wird sich kein Mensch mehr an diesen „Kompromiss“ erinnern. Nicht einmal eine Station in dieser sich gefühlt unendlich hinziehenden Eurokrise. Dennoch wird die Geschichte weitergehen – irgendwie so wie Fukushima.

Dabei ist das Thema eigentlich durch. Alle Argumente sind vorgetragen, jeder hat sich irgendwie seine mehr oder weniger fundierte Meinung gebildet, in den seltensten Fällen eine maßgebliche. Echte Politfreaks kennen auch die abseitigsten Nebenargumente. Je größer das Detailwissen, umso leichter lässt es sich um den Kern der ganzen Angelegenheit herumdiskutieren.
Und dieser Kern besteht letztlich einzig und allein aus der Frage, ob man eine europäische Währungsunion möchte oder nicht. Ob man für den Euro ist oder dagegen. Eine Währungsunion ist auf Dauer nicht möglich ohne eine Wirtschafts- und Finanzunion. Eine Tatsache, die nicht ernsthaft bestritten werden kann, und im Grunde auch nicht ernsthaft bestritten wird. Weder von den entschiedenen Befürwortern noch von den entschiedenen Gegnern der Gemeinschaftswährung.
Das Problem besteht bei denjenigen, die eine „Position“ irgendwo dazwischen vertreten. Zwar behaupten auch sie nicht, eine Währungsunion sei ohne eine – Achtung: Schreckenswort – Transferunion zu machen. Doch sie verweisen darauf, so sei der Euro aber nicht vereinbart worden.

Dieser Hinweis jedoch ist so zutreffend wie sachfremd. Es wurden – aus Motiven, die nicht allzu schwer zu ergründen sind – Vereinbarungen getroffen, die gar nicht umgesetzt werden können. Dieses oder jene Detail, etwa wo Griechenland noch mehr sparen könnte, oder welches Finanzinstrument kurzfristig hier oder dort etwas Abhilfe verschaffen könnte, lenkt von diesem Dilemma nur ab.
So berechtigt diese Einzelanalysen und so konstruktiv die Vorschläge, die aus ihnen resultieren könnten, auch sein mögen, sie erübrigen nicht die Antwort auf die Kernfrage. Sie lautet nicht: „Wie hältst Du es mit der Solidarität mit Griechenland?“ Sie lautet: „Willst Du den Euro oder nicht?“ Ohne deren Beantwortung ist jedes Palaver über Eurokrise oder Schuldenkrise, über Griechenland oder die PIGS-Staaten einfach nur eins: ermüdend.

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Stefan Wehmeier
12 Jahre zuvor

„Unser Geld bedingt den Kapitalismus, den Zins, die Massenarmut, die Revolte und schließlich den Bürgerkrieg, der erfahrungsgemäß mit unheimlicher Schnelligkeit zur Barbarei zurückführt. …Wer es aber vorzieht, seinen eigenen Kopf etwas anzustrengen, statt fremde Köpfe einzuschlagen, der studiere das Geldwesen…“

Silvio Gesell (Geld oder Krieg)

Es ist irrelevant, was die „hohe Politik“ beschließt oder nicht beschließt. Wenn das Geld selbst fehlerhaft ist, gibt es keine wie auch immer geartete „Finanzpolitik“, um den bevorstehenden Zusammenbruch des Zinsgeld-Kreislaufs aufzuhalten. Seit Herbst 2008 verbleiben genau drei Möglichkeiten:

Das Ende mit Schrecken (finaler Atomkrieg)
Der Schrecken ohne Ende (globale Liquiditätsfalle)
Die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft)

„Genau drei Möglichkeiten“ heißt: eine vierte gibt es nicht. Über die erste Möglichkeit gibt es nichts zu sagen, die zweite ist das Lieblingsthema aller Crash-Phantasten und die dritte ist wahrscheinlich. Der Crash-Phantast, der „zur Sicherheit“ noch ein paar Goldklötzchen bunkert, weiß nicht, was es bedeutet, wenn in einer globalisierten Zinsgeld-Ökonomie mit über 6.500.000.000 Menschen der Geldkreislauf – und damit die Arbeitsteilung – mitgekoppelt zusammenbricht. Die Heilige Schrift bezeichnet dieses Ereignis als „Armageddon“.

Für die Beendigung der „Finanzkrise“ und den anschließenden, eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation bedarf es der „Auferstehung der Toten“. Als geistig Tote sind alle Existenzen zu bezeichnen, die vor lauter Vorurteilen nicht mehr denken können. Die Basis aller Vorurteile war (und ist noch) die Religion.

„Man bedenke, es handelt sich nur um einen Roman. Die Wahrheit wird – wie stets – weit erstaunlicher sein.“

Arthur C. Clarke (Vorwort zu „2001“)

Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert:
https://www.deweles.de/willkommen.html

Höddeldipöpp
Höddeldipöpp
12 Jahre zuvor

Mööööh, noch so’n Artikel nach dem Strickmuster: „Wer A sagt muss auch B sagen“:

„Willst Du den Euro oder nicht?“

„Bist Du solidarisch mit Griechenland oder nicht?“

Das ist doch genau das False Dilemma , mit dem uns die Mainstream-Meiden jeden Tag paralysieren.

Leider verfängt dieses Argumentationsmuster gerne auch bei links-alternativ angehauchten Medien, die nicht explizit wirtschaftsorientiert sind. Da kommt so eine Gutmensch-Softi-Wenig-Ahnung-Argumentationslinie immer gut an. Wir leben aber nicht in einer Binär-Welt, in der es nur entweder-oder gibt.

(Sorry, bei aller Sympathie, aber das muss einmal gesagt werden, lese sonst immer gerne die Jurga-Artikel hier).

Empfehle diesen Artikel zum Thema:

https://le-bohemien.net/2011/06/18/den-euro-retten/

TheJoke
TheJoke
12 Jahre zuvor

Wäre noch Adenauer, Brandt, Schmidt, Kohl oder Schröder, mir wäre nicht bang um den Euro. Die ahlglatte Wende von unserer FDJ Kanzler zum Atomaustieg hat mir diese Zuversicht genommen. Warum sollte man Ihr noch überhaupt trauen? Wenn die nächste Whal kommt opfert die alles, auch den EURO wenn sie sich davon ein paar Stimmen verspricht.

Ich halte den EURO für ziemlich genial. Nicht perfekt, sicher. Aber da kann man ja weiter dran arbeiten.

trackback

[…] Finanz-Faust I: des Euros Kern … ruhrbarone […]

trackback

[…] In der Nacht von Sonntag, den 19. Juni, auf Montag, den 20. Juni, streiten die Euro-Finanzminister beim Krisentreffen in Luxemburg Einigung über weitere Milliardenhilfen für Griechenland. Man ist sich nicht einig, in wie weit private Gläubiger wie Banken und Versicherungen an dem Hilfspaket beteiligt werden sollen. Freiwillig, versteht sich. […]

Katharina
Katharina
12 Jahre zuvor

1. Wenn die Wirtschaft, Banken und Unternehmen das Sagen haben und Politik
machen, können wir uns dann die Politiker und das ganze Wahlgedöns sparen.
Politiker kosten dem Steuerzahler viel Geld, nicht nur die aktuellen Bezüge, auch die Renten usw..Wahlen kosten dem Steuerzahler viel Geld.

2. Gibt es in Deutschland noch das Verursacher-Prinzip?
Wer die Krise, die Katastrophe verursacht, zahlt.
(Banken und Atomlobby ausgeschlossen, da dürfen die kleinen Leute es richten)

3. Die Griechen sind selbst schuld, deswegen kriegen sie keine Hilfe, sie haben
es nicht verdient.
Ja, sie haben gepfuscht. Aber wer? Die Politiker oder die kleinen Leute, die heute für die Krise büßen müssen.
Mal kurz ´ne Frage: “Wer war für den 2. Weltkrieg verantwortlich und hat Millionen Menschen getötet – und nicht nur auf dem Schlachtfeld?”
Haben wir Deutschen den “Marshallplan” verdient? Nein, sicher nicht.
Und trotzdem gab es diese Hilfe für uns.

4. Es wird heute so getan, als ginge es NUR um´s Geld in EUROPA, für EUROPA.
Wieviel ist Europa eigentlich wert, wenn wir bei der erstbesten Krise ein Mitglied rauswerfen, fallenlassen. Nichts! Wer ist der Nächste? Spanien, Italien,Portugal?
Dann war EUROPA ein kurzes Intermezzo!!! Schade, schade, schade.
Schade um die IDEE eines vereinten EUROPAS. Soll den Bach runter gehen, nur
weil irgendwelche Finanz-und Geldjongliere den Hals nicht vollkriegen.

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