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„Deutschland ruiniert mit extremistischer Klimapolitik eigene Industrie“

Hans-Werner Sinn Foto (Ausschnitt): Romy Bonitz, ifo Institut Lizenz: CC BY-SA 3.0


Ex-Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn: „Die Erderwärmung zu bremsen ist wichtiger als die Frage, wo welche Ländergrenzen gezogen werden“.

Ex-Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hat die Energiewende der Ampelregierung massiv kritisiert und ein Ende deutscher und europäischer Alleingänge beim Klimaschutz gefordert. „Deutschland ist dabei, durch seine extremistische Klimapolitik die eigene Industrie zu ruinieren, und wir setzen damit ein Negativbeispiel für die ganze Welt“, sagte der Ökonom im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). China und andere Schwellenländer würden „einen Teufel tun, uns zu folgen, wenn wir unsere Unternehmen mit Energieverboten aus dem Land jagen und den Lebensstandard der Bevölkerung ruinieren“, sagte der Ökonom und fuhr fort: „Das Gerede von der Vorbildfunktion und den Wettbewerbsvorteilen, die wir durch diese Politik angeblich generieren, ist Propaganda.“

Deutschland habe „keine Chance“, das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, bis 2045 komplett aus der fossilen Energie auszusteigen, sagte der Wirtschaftsprofessor. Trotzdem werde „eine ganze Volkswirtschaft mit 83 Millionen Einwohnern zum Versuchskaninchen für alternative Technologien gemacht“, beklagte Sinn in der „NOZ“. Nur eine weltweit koordinierte Einschränkung der Ölnachfrage könne seinen Worten zufolge zu weniger CO2-Ausstoß führen. „Alleingänge bedeuten lediglich, dass andere Teile der Welt exakt so viel mehr Öl kaufen und CO2 emittieren, wie wir einsparen. Wer in Europa trotzdem einen unilateralen Totalausstieg fordert, desavouiert die gesamte grüne Bewegung.“

Sinn schlug deswegen eine Kehrtwende der deutschen Außenpolitik vor. Berlin müsse „sofort mit einer neuen Entspannungspolitik gegenüber den großen Mächten dieser Erde beginnen“, den „außenpolitischen Moralismus unterlassen und den Ausgleich mit China suchen“, so der Ratschlag des Münchner Ökonomen. „Die Erderwärmung zu bremsen ist wichtiger als die Frage, wo welche Ländergrenzen gezogen werden. Die würden sowieso überrannt, wenn es auf der Erde zu heiß würde.“

Der Ukraine-Krieg mache die „neue Entspannungspolitik“ umso dringlicher. Denn das Gas und Öl, das Europa Russland nicht mehr abnehme, fließe nach China. „Mit unserer grünen Politik senken wir die Weltmarktpreise und subventionieren Chinas schmutzige Industrie. China profitiert von unseren Sanktionen und wird noch stärker“, so die Analyse Sinns. Seine Befürchtung: „Wer mit einem moralischen Zeigefinger nach China fährt und die Spannungen zwischen den Blöcken verstärkt, lässt die Bereitschaft der Chinesen, das verbilligte Öl, das wir ihnen überlassen, aus Umweltgründen nicht zu kaufen, gegen null sinken.“

Ausdrücklich lobte der Wirtschaftswissenschaftler die Bemühungen von Bundeskanzler Olaf Scholz um internationale Zusammenarbeit: „Schnell einen weltumfassenden Klimaklub mit den USA, China und Indien zu gründen ist die einzige Option, die wir haben. Wenn das nicht klappt, dann klappt gar nichts“, sagte Sinn in dem Interview.

Link zum Interview: www.noz.de

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Psychologe
Psychologe
1 Jahr zuvor

„Sinn schlug deswegen eine Kehrtwende der deutschen Außenpolitik vor. Berlin müsse „sofort mit einer neuen Entspannungspolitik gegenüber den großen Mächten dieser Erde beginnen“, den „außenpolitischen Moralismus unterlassen und den Ausgleich mit China suchen“
  
Was will Sinn eigentlich sagen? Präzisiert er dies? Oder haut er undifferenziert in eine populäre Kerbe? Will er auch die bequeme Welt zurück, in der man durch elegantes Wegschauen lediglich von Ukrainern bis Uiguren alles ans Messer liefern muss? „Entspannung“ könnte man so auch schlicht als Bequemlichkeit bezeichnen; Als Akzeptanz des Recht des Stärkeren. Mir ist im Endeffekt völlig unklar, wo Sinn wirklich hier die Grenzen zieht, ob er Grenzen zieht, oder ob ihm eigentlich alles völlig egal ist, so lange alles bleibt, wie es immer war.
  
„Der Ukraine-Krieg mache die „neue Entspannungspolitik“ umso dringlicher. Denn das Gas und Öl, das Europa Russland nicht mehr abnehme, fließe nach China. „Mit unserer grünen Politik senken wir die Weltmarktpreise und subventionieren Chinas schmutzige Industrie. China profitiert von unseren Sanktionen und wird noch stärker“,“
  
Wovon spricht Sinn? Von grünem Moralismus, von grüner Umweltpolitik oder von Sanktionen? Oder ist für ihn irgendwie alles dasselbe?
Bewusst oder unbewusst nährt Sinn natürlich auch das inhaltlich falsche Narrativ, nachdem die Sanktionen Ursache des Rückgangs der Gaslieferungen sind („was wir nicht mehr abnehmen“). Fakt ist, dass Russland (wie so oft) vertragsbrüchig geworden ist und die Abhängigkeit als ökonomische Waffe eingesetzt hat. Das ging schon vor dem Einmarsch in die Ukraine los. 
  
Was Sinn will, ist, sich mit Despotismus zu arrangieren. Sein Argument, dass mit einer in Eigenregie niedergerungenen Wirtschaft kein Blumentopf zu gewinnen ist und man so auch nicht als Vorbild dient, würde ich sogar noch teilen. Was Sinn aber nicht sagt, ist, dass dies nicht nur in Eigenregie geschieht. Die Ursachen sind dann doch komplexer. Sinn verschweigt zudem, dass die Transformation in eine nachhaltigere Wirtschaft auch Chancen bieten kann. Er bezeichnet diese Möglichkeit ohne jeden Beleg als „Propaganda“. Und ein Wirtschaftswissenschaftler, der nicht gerade im Verdacht steht, als Sozialist den Wettbewerb zwischen den besten Einfällen und mutigen Entscheidungen zu verteufeln, spricht plötzlich von den gefährlichen Alleingängen.
 
Ich sage gar nicht mal, dass Sinn nicht auch in einzelnen Punkten gute Argumente hat. Auch ich halte die Idee, dass die Welt auf uns schaut und nur darauf wartet, uns als Vorbild zu folgen, für reichlich blauäugig. Das hat schon beim Atomausstieg nicht funktioniert. Doch was darüber hinaus geht, ist eine Ansammlung von scheinbar durchdachten Argumenten, die sich in Wirklichkeit nur in ihrer Ablehnung von Veränderung überlappen. Sinn zweifelt an, dass Veränderung durch die Vorbildfunktion gelingen kann, soweit OK. Aber wie die Veränderung geschehen soll, bleibt bei ihm völlig im Dunkeln. Was in seinem „Klimaklub“, wie er es nennt, geschehen soll, weiß er selbst nicht. Sinn erwartet wohl ein Wunder, das plötzlich aus dem Hut gezogen wird. Aber auch das wäre vermutlich auch nur vorgeschoben. Im Grunde sind seine Ergüsse lediglich ein Manifest des „weiter so“, das unter dem Deckmantel der Klimasorge verkündet wird.

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