Diesel: Der grüne Zeigefinger

Dieselmotor in einem alten Indianapolis 500-Rennwagen Foto: I, The359 Lizenz: CC BY-SA 3.0


Die Anti-Diesel-Kampagne moralisiert gegen die Grundlagen der modernen Lebensweise. Von unserem Gastautor  Johannes Richardt.

Es liegt eine erhellende Ironie im Umstand, dass der große Diesel-Gipfel mit dem diesjährigen „Earth Overshoot Day“ zusammenfiel. Während Politik und Autobosse vorgestern in Berlin konferierten, gedachte die globale Öko-Community der Endlichkeit irdischer Ressourcen. Alles, was wir ab diesem Tag an Wasser, Fleisch, Eisen oder Erdöl „verbrauchen“, laufe „auf Pump bei Mutter Erde“. Aktuell sind wir bereits bei „eineinhalb Planeten pro Jahr“ angekommen, so die Warnung.

Wir haben bei Novo immer wieder darauf hingewiesen, wie viel solcherlei Rechenspiele mit Panikmache und wie wenig sie mit tatsächlichen Fakten zu tun haben. Die grünen Weltuntergangpropheten vergessen regelmäßig menschliche Kreativität und Erfindungsgabe in ihre Gleichungen mit aufzunehmen. Klar ist aber auch, dass sehr viele Menschen in diesem Land von der Richtigkeit dieser Botschaften überzeugt sind.

Die Erzählung vom gierigen und verblendeten, modernen Menschen, der seine Grenzen nicht erkennt und dabei ist, seine eigenen Lebensgrundlagen zu ruinieren, ist zentraler Bestandteil des kulturellen Inventars unserer Gesellschaft. Hätte der erhobene Zeigefinger eine Farbe, sie wäre nach wie vor grün. In der Debatte um den „Dieselskandal“ hatte dieser grüne Zeigefinger einmal mehr Hochkonjunktur.

Für grüne NGOs, Verbraucherschützer, Politiker und ihnen nahestehende Journalisten war und ist sie die große Bühne, um ihre moralische und politische Agenda voranzutreiben. „Der Fukushima-Moment“, mit den Worten des Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir, der ihnen die Möglichkeit bietet, in einer aufgekratzten Diskussionsatmosphäre ordentlich Stimmung für die eigene Sache zu machen.

Nur wenig Produkte sind emotional so aufgeladen wie das Auto. Es ist Statussymbol, Lebensraum, an dem viele persönliche Erinnerungen hängen – Knutschen mit Freundin, Kinder von der Kita abholen, Urlaubsfahrten usw. – und nicht zuletzt auch Freiheitsmaschine, die vielen Spaß und allen Mobilität bringt. Hier liegt jenes „Skandalisierungs- und Eskalationspotential“, das es nach Meinung des Geschäftsführers der umstrittenen Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, braucht, um erfolgreiche Kampagnen zu führen.

Und so ging es in der Debatte um die Tricksereien der deutschen Autohersteller von Beginn an nur vordergründig um eher banale technische oder juristische Fragen wie das Nicht-Einhalten von Emissions-Grenzwerten. Aus dem staubtrockenen, eher langweiligen und unspektakulären Sachverhalt lässt sich die Aufgeregtheit jedenfalls nicht erklären.

Dass Stickoxide in hohen Dosen gefährlich sein können, ist unbestritten. Welche reale Gefahr von den Grenzwertüberschreitungen ausgeht, hingegen nicht. Dennoch kursierten in der Diesel-Debatte immer wieder horrenden Zahlen angeblicher Todesopfer. Dass es sich dabei nicht um reale Tote, sondern um „statistische Tote“ handelte, die durch Rechenmodelle zustande gekommen sind, dass wir ehrlicherweise nicht genau sagen können, wie groß die Gefahr ist, wurde – Stichwort: „Skandalisierung und Eskalation“ – in den wenigsten Fällen dazu gesagt.

Den Vogel schoss dabei ein Tweet des ARD-Energieexperten“ Jürgen Döschner ab, für dessen historisch völlig danebene Wortwahl er sich im Nachhinein entschuldigte: „Deutsche Automafia vergast jedes Jahr 10.000 Unschuldige“. Bedächtigere Stimmen, die etwa darauf hinwiesen, dass die Luft in deutschen Städten noch nie so sauber sei, wie heute, und dabei auch die Stickoxidwerte seit Jahren zurückgehen – in den letzten 25 Jahren um deutlich mehr als die Hälfte! –, wurden durch die Hysterisierung an den Rand gedrängt.

Denn letztlich saß die mächtige deutsche Autolobby nicht nur wegen tatsächlicher Verfehlungen auf der Anklagebank, sondern vor allem stellevertretend für alle jene Aspekte des modernen Lebens, aus deren Ablehnung die meinungsstarken grün-bürgerlichen Kreise dieser Republik ihre gesellschaftliche (und nicht selten auch finanzielle) Position begründen.

Angeklagt wurde „die Industrie“, die uns angeblich nur aus reiner Profitgier manipuliert und vergiftet; Massenkonsum und -mobilität, die angeblich für die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen verantwortlich sind und die technische Intelligenz und Rationalität, in der sich die angebliche Hybris und der Machbarkeitswahn des modernen Menschen ausdrücken.

Die „Dreckschleuder Diesel“, dieses vorgebliche Relikt des fossilen Zeitalters, steht sinnbildlich für die Sünden der Moderne, die uns die grünen Mahner, Abmahner, Moralisten, Bevormunder, Ablasshändler usw. in Ministerien, Verwaltungen, Redaktionsstuben, NGO-Geschäftsstellen und wo das Geschäft mit dem grünen Gewissen sonst noch betrieben wird, austreiben wollen.

Auch wenn sie das Gegenteil von sich behaupten: Diese Kräfte stehen nicht für Mobilitätsfortschritt, sondern für den gesellschaftlichen Rückwärtsgang. Gerade in einem Industrieland sollte man ihnen nicht länger die moralische Deutungshoheit überlassen.

 

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
7 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
ke
ke
6 Jahre zuvor

Nach dem in der Schule vermittelten Wissen der 70er Jahre dürfte heute kein Öl mehr in so großen Mengen vorhanden sein.

Die Weltuntergangspropheten unterschätzen regelmäßig den Erfindergeist bzw. sie Ignorieren Entwicklungen.

Der Diesel ist und bleibt ein effizientes Mittel, um mit dem Auto von A nach B zu kommen.

Der Diesel zeigt auch ein Staatsversagen:
1) Es fehlt die Fähigkeit, die Grenzwerte von Fahrzeugen sinnvoll festzulegen
2) Es fehlt die Fähigkeit , die Grenzwerte zu überwachen
3) Es fehlt bspw. in Stuttgart der politische Wille die Grenzwerte in der Stadt einzuhalten.
4) Politik und Gewerkschaften sind in vielen Gremien und müssten eigentlich nah dran sein.

Insgesamt handelt es sich um einen langjährigen Prozess, in dem die Politik und der Staat keine gute Figur abgeben.

Insbesondere wundert es mich, dass die dt. Hersteller so im Fokus sind, obwohl auch viele andere Autos ähnliche Probleme haben.

Es kommt einfach das Gefühl auf, dass es Gruppen gibt, die gerne den Wohlstand genießen, aber große Freude daran empfinden, wenn die heimischen Unternehmen Strafzahlungen/Pleiten etc. erleiden.

Philip
Admin
6 Jahre zuvor

Was daran "modern" sein soll, morgens die Eingänge und abends die Ausgänge von Großstädten zu verstopfen und nebenbei die Anwohner zu verpesten, die sich keiner fremden Infrastruktur bedienen, um ihr günstiges Haus im Grünen zu bewohnen, wird nicht ausreichend erklärt.
Die Alternative zur Abkehr vom Auto kann nur den Abriss von Wohnblöcken bedeuten, es ist schlicht kein Platz für noch mehr Autos.
Das Zeitalter des motorisierten Individualverkehrs ist vorbei, der "moderne" Mensch aus dem Text ist so modern wie der, der gerade das Farbfernsehen erfunden hat.

ke
ke
6 Jahre zuvor

@2:
Wie soll die Alternative aussehen? Wie soll die Nachfrage nach Mobilität erfüllt werden?

Neue Bahnen? Aber natürlich nicht durch Wohngebiete, Grünflächen, … (siehe Stuttgart)
Neue Busse? Sie sind meistens nicht gefüllt, verursachen Lärm, müssen parken …
Neue Radfahrwege? (siehe Bahn)

Bei automatisierten Fahrzeugen sind Ampeln etc. an Kreuzungen überflüssig. Die Autos fahren automatisiert einfach durch die Lücken.
Offen ist, ob der Individualverkehr wirklich ein Eigentum von Fahrzeugen bedeutet. Das wird vermutlich nicht so sein.

Seit meiner Kindheit wird gefordert, dass kleine Strecken mit den Füßen oder mit dem Fahrrad erledigt werden. Das funktioniert in einigen Städten. In Dortmund eher nicht.

Ein guter Anfang wäre, wenn Schulen das Parken vor den Schulen bzw. die Eltern-Begleitung mit dem Parken des Autos im Irgendwo unattraktiv machen würden (z.B. Kontrollen, Keine Elternbegleitung auf dem Grundstück …). Dann könnten Kinder schon früh an das Gehen/Fahrrad fahren gewöhnt werden.
Leider sind hier die Schulen und Ämter nach meinem Gefühl im Laissez-faire Modus auch wenn sie natürlich alle eine ökologische … Erziehung bevorzugen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

Wer die Hysterie im Diesel-Gate sucht, wird sie sicherlich auch finden. Mein persönlicher Eindruck ist aber eher der einer Diskussion um "banale technische oder juristische Fragen wie das Nicht-Einhalten von Emissions-Grenzwerten". Den teutschen Autofreak und die ebenso ideenlose Transport-/Logistik-Branche interessiert jetzt, ob und wie lange der Diesel noch wirtschaftlich Sinn macht, wer die Umrüstungs-Zeche zahlt und in was man zukünftig investieren soll. Einige Kommunen fragen ja bei den großen Herstellern schon nach dem E-Ersatz für ihre Diesel-Flotte im ÖPNV (also dort, wo "E" wirklich richtig Sinn macht), aber da kann anscheinend kaum einer liefern. Das ist alles sehr rational und nicht emotional gedacht.

Es geht schlicht um eine Kernindustrie in unserem Land, die ähnlich der Energieindustrie Jahrzehnte technologischer Entwicklung und damit auch zukünftige Arbeitsmarktchancen schlicht verpennt hat, weil Behörden und Politik dem Geplärr und dem Einfluss der Auto-Gewerkschaften in trauter Zweisamkeit mit den falschen Versprechungen der Hersteller-Lobby auf den Leim gegangen sind. Es geht um Betrug am Kunden und dem bewussten, verschleierten Brechen von Gesetzen. Die heute gesetzeskonforme Abgasregelungs-Technologie ist vorhanden, denn sie wird in Ländern, die sich nicht zum Sklaven der Automobilhersteller machen lassen (weil sie dort nicht oder nur zum Teil derart volkswirtschaftlich diktierend ist wie hier), seit vielen Jahren von den gleichen Herstellern in den selben Produkten angewendet.

Was an dieser Kritik "hysterisch" sein soll, erschließt sich mir in diesem Artikel nicht.

Mad
Mad
6 Jahre zuvor

Servus,
der Artikel spricht mir so aus der Seele und erinnert mich an eine alte, aber doch aktuelle Begebenheit.
Joschka Fischer wollte vor 20 Jahren, dass Benzin 5DM kostet. Natürlich haben ihn die Medien zerrissen, aber seine Idee aus dem Kontext genommen. Seine Rechnung war folgende:
Ein Auto verbrauchte damals ca. 10L auf 100Km. Bei einem Benzinpreis von 1,5DM machte das 15DM auf 100Km.
Er wollte ein 3L Auto. Damit wären der Preis pro 100Km auch 15DM. Ersparnis 7L Benzin auf 100Km und somit deutlich weniger Verbrauch.
Rot / Grün gewann die Wahl und hatte 8 Jahre Zeit die Entwicklung eines 3L Autos voran zu treiben.
Nichts, da kam gar nichts und betrachtet man heute die Entwicklung, Kumpanei und Nachrichten, dann ergibt alles einen Sinn. Leider….
Mad

Arnold Voss
6 Jahre zuvor

An diesem Artikel aus Novo Argumente ist nichts novo. Er ist vielmehr schlechter Lobbyismus in guter alter FDP Manier.

jhs
jhs
6 Jahre zuvor

Freiheit ist immer auch Freiheit der anderen. Ihre "Freiheitsmaschine" KFZ schränkt in hohem Maße die Freiheit anderer ein. Nur ein Beispiel: Wie viele Kinder werden heute mit dem Auto auch auf Wegen gefahren, bei denen das wegen der Weglänge nicht nötig und vor einiger Zeit auch noch nicht üblich war. Grund vieler Eltern: Aufgrund der auf das KFZ ausgerichteten Infrastruktur und viel befahrener Straßen fürchten sie um die Sicherheit ihrer Kinder.

Werbung