„Echte Fründe ston zesamme“

Die Kölner Ehrengarde bei den Kippa Köpp Foto: Laurin


Die „Kölsche Kippa Köpp“ sind der einzige jüdische Karnevalsverein der Welt. Im Januar starteten sie in der Kölner Synagoge in die heiße Phase des Karnevals.

Um Punkt 11.11 Uhr marschierte die Kölner Ehrengarde in ihren grün-gelben Uniformen in den Gemeindesaal der Synagoge an der Roonstraße ein.  Hier fand am 7. Januar „Falafel & Kölsch“, der Frühschoppen der Kölsche Kippa Köpp, statt. Die 2017 gegründeten Kippa Köpp sind weltweit der einzige jüdische Karnevalsverein, haben mittlerweile 50 Aktive und 20 Hospitanten warten darauf, Vollmitglied zu werden. Um diesen Kern herum gesellen sich noch zahlreiche Unterstützer. Nicht alle, sagt Pressesprecher, Lorenz Beckhardt, seien Juden oder Kölner: „Nur unter den Aktiven sind die Juden in der Mehrzahl. Aber längst nicht alle kommen aus Köln. Wir haben auch Mitglieder aus Düsseldorf.“ Die Fördermitglieder seien in der Mehrzahl keine Juden und kämen aus ganz Deutschland. Da seien auch Berliner und Münchener dabei.

Über 140 Vereine sind Mitglied im Festkomitee Kölner Karneval. Die Blauen Funken und die Prinzen-Garde Köln haben über 400 Mitglieder, „Die Grosse von 1823“ veranstaltet neun Sitzungen, unter anderem im Gürzenich, der guten Stube Kölns. Sie alle laufen auch im Rosenmontagszug mit, der jährlich eine Million Besucher anzieht. So weit sind die Kippa Köpp noch nicht: Neben einem Besuch des  jüdischen Friedhofs zum Holocaustgedenktag fanden zwei Veranstaltungen fanden 2024 statt. Und auch beim Rosenmontagszug sind sie noch nicht mit dabei: „Wir wurden“, sagt Beckhardt, „2023 als hospitierender Verein in das Festkomitee aufgenommen. Nach elf Jahren werden wir dann zu einer ordentlichen Gesellschaft und können im Rosenmontagszug mitlaufen.“ Die Kippa Köpp sind nicht die einzigen in der Warteschleife: Zurzeit stehen fast 40 Vereine an, um in den Kreis der ordentlichen Gesellschaften aufgenommen zu werden. Karneval in Köln ist nicht nur ein Spaß, sondern auch eine ernste Angelegenheit.

Zur Familie des Kölner Karnevals gehören die Kippa Köpp trotzdem dazu sagt Christoph Kuckelkorn, der Präsident der Festkomitees an diesem Sonntag in der Synagoge: „Karneval bietet Gemeinschaft.  Und ein Teil dieser festen Gemeinschaft sind die Kippa Köpp.“ Nur wenige Meter von ihm entfernt hängen auch während des Frühschoppens die Bilder der am 7. Oktober von der Hamas entführten Israelis. Wenn man die Vermissten sehe, stelle sich die Frage, ob man Karneval feiern dürfe: „Wir müssen das. Es ist eine Pflicht!“, sagt der Präsident. Der Karneval habe eine seelenheilende Wirkung. Aber er hat auch eine gesellschaftliche Bedeutung: Kuckelkorn und seine Karnevalisten demonstrierten 2017 gegen den AfD Bundesparteitag in Köln, den russischen Überfall auf die Ukraine und beim Karnevalsauftakt am 11.11 um 11.11 Uhr sagte er zu Aaron Knappstein, dem Präsidenten der Kippa Köppe: „Das Gespenst, das wir eigentlich besiegt gesehen haben, ist wieder zurück in unserer Zeit, und das macht mir richtig Angst.“

Spaß und Zusammenhalt, beides war auch im Saal zu spüren. Als Georg Haumann, der Präsident der Ehrengarde, den Besuchern versicherte „Wir stehen zusammen, durch und durch“ spielte die Kapelle der Ehrengarde auf dieses Stichwort hin den Hit der Karnevalsband „Höhner“ an: „Echte Fründe ston zesamme.“ Auf der Bühne lachte die Ehrengarde, der Saal feierte sie, das Kölsch floss. Da war es zu spüren, das besondere Köln-Gefühl, das immer da ist, wenn die Menschen dieser Stadt ganz bei sich sind.

Kurz darauf erinnerte Knappstein, dass der Terrorangriff der Hamas auf den Tag vor drei Monaten stattgefunden habe. „Wir wissen, dass Jüdinnen und Juden schon immer ihre Feste feiern konnten, zu denen auch der Karneval gehört und trotzdem nicht vergessen, was passiert und passiert ist.“

Frank Levy ist diese Solidarität wichtig: „Es bedeutet viel, dass sich die Stadtgesellschaft äußert“. Leyv ist Schatzmeister der Kippa Köpp. Seine ganze Familie ist im Karneval aktiv. Bruder Patric ist der Vizepräsident des Vereins, ihr Vater Carlos Levy der Gründungs- und Ehrenpräsident. Alle zusammen sind sie auch noch bei den Blauen Funken. Christoph Kuckelkorn habe vor fast zehn Jahren unter den jüdischen Karnevalisten nachgefragt, ob sie nicht einen eigenen Verein gründen wollten. Er wollte auch an vergangene Traditionen anknüpfen: Vor der Nazizeit gab es den Kleinen Kölner Kegelklub, in dem die jüdischen Karnevalisten zusammenkamen und dessen Geschichte 1933 endete, als die Nazis an die Macht kamen. Die drei Ks im Namen der Kippa Köpp sind auch eine Hommage an den kleinen Kegelclub.

„Ich bin mit der Entwicklung der Kippa Köpp zufrieden“, sagt Carlos Levy. Knappstein habe ihn gefragt ob er der Präsident werden will und er habe zugestimmt: „Aber ich habe auch gesagt, dass ich es nur ein paar Monaten machen werde. Ich stehe nicht gerne in der ersten Reihe.“ Levy wurde in Argentinien geboren, wohin seine aus dem Saarland stammenden Eltern vor den Nazis geflüchtet waren. Mit sieben Jahren zog die Familie nach Köln und Levy wuchs in den Karneval hinein. Er erinnert sich aber auch daran, wie die Synagoge 1959 mit Hakenkreuzen beschmiert wurde. „Für mich war Antisemitismus nichts neues. Auch in meinem Kindergarten in Buenos Aires ist so etwas passiert“, erinnert sich Levy.

„Es gibt immer einen Grund traurig zu sein. Aber wenn wir immer nur traurig wären, wie würden wir dann leben?“ sagt Jochen Sieper, während er vor der Synagoge eine Zigarette raucht. Sieper, geboren in Wuppertal, hat Jahrzehnte in Köln gelebt. Karneval gehört auch bei ihm seit Kindertagen zu seinem Leben. Bei den Kippa Köpp ist er fast von Anfang an dabei. Zum Frühschoppen ist er aus der Nähe von Cuxhaven angereist, wo er mittlerweile hinter einem Deich in einem alten Kapitänshaus lebt. „In den kommenden Wochen werde ich als Botschafter der Kippa Köpp die Sitzungen befreundete Vereine besuchen.“ Auch in dem norddeutschen Dorf in dem er seit 2021 wohnt, habe er schon Karneval gefeiert. „Dort gibt es sogar einen Faschingsball. Als ich da in einem richtig schönen Karnevalskostüm hinging, fiel ich allerdings auf. Alle anderen hatten höchsten eine Pappnase oder ein Hütchen auf“, erzählt er lachend. Er sei dort allerdings gut aufgenommen worden: „Nach dem 7. Oktober kamen meine Nachbarn zu mir und sagten: „Sorge dich nicht, wir passen auf““. Sie wussten, dass Sieper Jude ist.

Katja Müller-Paas ist keine Jüdin und kommt aus einer der unkarnevalistischsten Städte Deutschlands: Potsdam. Preußisch bis ins Mark und so närrisch wie eine Schaufel voll trockenem Brandenburger Sand. Seit fast 30 Jahren lebt sie in Köln. Ihr Mann und ihr Sohn sind bei den Roten Funken, sie ist bei den Kippa Köpp für die Veranstaltungsplanung zuständig. „Karneval ist für mich Lebensfreude, Spaß und Zusammenhalt.“ Der Bauarbeiter feiere neben dem Professor und der Maler mit dem Rechtsanwalt. Aber Müller-Paas ist trotz der Kamelleseeligkeit nicht zufrieden: „Der Karneval ist zu unpolitisch.“ Ihrer Ansicht nach hätte auch aus diesem Kreis der Karnevalisten nach den Massakern des 7. Oktobers schneller Position bezogen werden müssen. Doch die Kritik trifft nicht nur die Narren: Als Reaktion auf die Hamas-Morde gab es in Köln Anfangs nur zwei schlecht besuchte Israel-Solidaritätskundgebungen.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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