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Ein Mensch der Klanggeneration. Das Porträt eines Internetradiomachers

Was ist Radio für sie? Musik, Unterhaltung, schöner Hintergrund? Für Michael Kubica aus Essen ist Radio mehr als nur das. Es gibt dem Leben Sinn und macht sogar süchtig.

Die rote Lampe ist an, Kopfhörer auf, tief einatmen. Los geht’s! „Moin, moin! Micha ist hier. Ich habe heute viele spannende Themen für euch vorbereitet,“ so startet Michael seine Moderation beim Internetradio „Soundgeneration FM“. Er sitzt vorm Mischpult in seinem improvisierten Studio. An den Wänden hängen Fotocollagen und Ausschnitte aus den Zeitungen. Auf dem Tisch befindet sich ein Laptop mit dem Sendeprogramm und Blätter mit den vorbereiteten Nachrichten und Wetteraussichten. In der anderen Hälfte des Zimmers stehen ein Bett und ein Bücherregal mit den Harry Potter-Bänden und Karl May-Geschichten. In der Ecke ruht eine Gitarre.

Michael wohnt in Essen Kray. Seine Hörer sind in ganz Deutschland verteilt. Der junge Moderator wirft einen Blick auf seinen Rechner und stellt fest: „Wir haben momentan 310 Zuhörer. Die Zahl wird sicherlich noch steigen, wenn Leute hören, dass ich on air bin“.

Als erste meldet sich Anna. Sie wohnt ein paar Straßen entfernt und hört immer zu, wenn Michael moderiert. Sie hat einen Liedwunsch in der Wunsch- und Grußbox des Senders hinterlassen.

„Anna, wenn du diesen Wunsch hast, erfülle ich dir den sofort. Wenn ihr euren Freunden sagen wollt "Schatz ich liebe dich" oder "Mama du kochst lecker", dann meldet euch. Ich lese hier alles vor, “ Michas Stimme klingt freundlich. Der 17jährige freut sich, dass er den Menschen ihre Wünsche erfüllen kann.

Michael macht eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation. Sein Leben war nicht besonders aufregend bis er einmal auf eine Idee kam. „Ich wollte etwas anderes machen. Ich habe danach gesucht. Ich habe mich beim Webradio beworben. Es wurde schnell ein Mischpult gekauft. Dann ging es los“, erzählt der junge Moderator.

Michael kann sich heute noch ganz genau an seine erste Sendung erinnern. Das war vor einem Jahr bei einem kleineren Internetsender. „Ich hatte damals 16 Zuhörer. Das war absoluter Rekord bei dem Radio. Meine ganzen Freunde haben zugehört. Das war ziemlich aufregend. Mir ist zwei Mal mein Rechner abgestürzt und ich habe ziemlich viel falsch gemacht. Meine Eltern fanden das allerdings gut, sie haben im Wohnzimmer mitgehört“, erinnert sich Michael.

Heute hören die Eltern nicht mehr unbedingt zu, wenn Micha moderiert. Doch die wissen ganz genau, wenn die rote Lampe von seinem Zimmer leuchtet, dann muss man leise sein und besser nicht reingehen.

Sein komplettes Studio konnte Michael mit weniger als 500 Euro ausstatten. Dank dem von der Oma geschenkten Computer und den ebay-Schnäppchen. Bis jetzt verdient er kein Geld mit dem Radiomachen. Er investiert nur. Nach seiner Ausbildung möchte Michael am liebsten ein Praktikum bei einem Rundfunksender machen und dort bleiben. Wenn es nicht klappt, hat er auch einige Alternativen. „Ich habe insgesamt drei Optionen. Einmal Radio machen, etwas BWL-mässiges studieren oder zur Luftwaffe gehen und fliegen“, sagt Michael.

Doch wenn ein Angebot von einem Sender kommt, wird er alles andere vergessen und leidenschaftlich Radio machen. Bis dahin, sagt Michael, soll er noch ziemlich viel lernen. Er meint, dass seine Moderation noch etwas abgehackt ist und dass es noch einiges an Hintergrundwissen in der Musik, Politik und Wirtschaft fehlt. Dafür seien seine sprachlichen Kenntnisse in der letzten Zeit viel besser geworden. Das Radio habe ihn auch persönlich geändert. Er sei viel offener geworden.

Während der Vorbereitung dieses Artikels hat Michael inzwischen den Radiosender gewechselt. Beim „Soundgeneration FM“ hat ihm etwas nicht gepasst und er hat den Sender verlassen. Doch lange ohne Radiomachen blieb er nicht. Michael macht jetzt beim größten Internetradio Europas „Rautemusik.fm“ mit. Gehalt gibt es da zwar auch nicht, aber dafür jede Menge Spaß. Vor kurzem bekam Michael vom Sender eine Einladung zur Grill-Party. Aber das Wichtigste für ihn ist, dass er weiterhin regelmäßig ON AIR auftauchen kann. Denn er gibt zu, dass er radiosüchtig ist und dass ihm ohne Radio etwas fehlen würde.

Ein Mensch der Klanggeneration eben.

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Jens Kobler
14 Jahre zuvor

Gutes Thema! Was ich sehr interessant finde an dieser (kommenden) Menschengeneration, die im Grunde ALLE ihren eigenen Fernsehsender haben werden, das ist dass es ihnen im Grunde wichtiger ist zu senden, als empfangen zu werden. (Feedback ist da schon etwas Tolles, natürlich, auch deshalb zieht es ja immer mehr Journalist/innen ins Netz.) Aber dieser sehr eingeschänkte Begriff von Selbstverwirklichung als Zurschaustellung von Interessen und eines bestimmten Wissens? Das ist natürlich dann auch ein sehr selbstgenügsamer „Journalist/innen“-Typus, der sich da entwickelt.
Natürlich nichts gegen M.K., ich hab auch mal kurz (Lokal-)Radio gemacht und jahrelang Zeit und Geld in ein Campusradio geschoben. Und auch da: Kaum war die „Demokratisierung der Produktionsmittel“ geschafft, wunderte man sich für welch einen Kram sich das „Volk“ so interessiert – während andere mediale Strukturen weiter funktionieren wie zuvor, der Rest diente quasi zur Ablenkung. Naja, ich glaub ich muss da mal nen Artikel drüber schreiben, haha.

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