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Hohe Löhne sind für die Städte auch eine Chance zu rationalisieren

Demonstration von verdi 2015 in Schwerin Foto (Ausschnitt) Bernd Schwabe in Hannover Lizenz: CC BY-SA 4.0

Immer wenn ich das Büro, eine Stadtverwaltung besuche und die Computer sehe, mit denen dort gearbeitet wird, erfüllt mich Mitleid: Mir fällt es schwer, mich daran zu erinnern, wann ich zuletzt an so kleinen Monitoren saß. Sätze wie „Einen Moment, da hakt das Netz“ oder „Der Computer ist heute wieder langsam“, die man immer wieder hört klingen für mich, als ob sie aus einer Zeit kämen, in der Droschken gerade durch Motorfahrzeuge ersetzt wurden.

Staatliche Verwaltungen, das sind die Orte, an denen neben dem Gummibaum das FAX-Gerät regiert, wo Menschen mit schlechten Computern arbeiten müssen, ohne den Spaß zu kennen, mit einem guten Rechner arbeiten zu dürfen. Corona hat noch einmal gezeigt, wie vorsintflutlich die IT in Ministerien und Ämter ist. Davon, dass dieses Problem nun mit großer Leidenschaft angegangen wird, war kaum etwas zu hören. Hohe Löhne sind für die Städte auch eine Chance zu rationalisieren

Das könnte sich nun ändern, denn Verdi, die mächtige und politisch mit SPD und Grünen bestens vernetzte Gewerkschaft des Öffentlichen-Dienstes hat mit ersten Streiks begonnen, um eine Lohnerhöhung von 10,5 Prozent, bei der Post sind es sogar 15 Prozent, für seine Mitglieder zu erkämpfen. Karin Welge (SPD), die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen, die neben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei den Verhandlungen die Arbeitgeberseite vertritt, sagte im Spiegel, sie sei eine „ausgemachte Freundin eines gesunden Gewerkschaftslobbyismus“, aber verband das Lob mit einer Mahnung: „Wenn wir in den Abschlüssen überzeichnen, werden wir weniger der notwendigen Investitionen in die Zukunft leisten können.“ Welge weiß, wovon sie spricht: Ihre Stadt Gelsenkirchen ist das Armenhaus Deutschlands und jetzt schon immer am Rand der Pleite.

Aber hohe Löhne können nicht nur eine Belastung, sondern auch ein Modernisierungsturbo sein: Zahlreiche Aufgaben, vor allem im Bereich der inneren Verwaltung, in der sich Verwaltung mit sich selbst beschäftigt, könnten durch den Einsatz moderner IT-Systeme rationalisiert werden, sodass für dieselbe Arbeit künftig weniger Personal benötigt wird. Auch viele Angelegenheiten, mit denen sich Bürger an die Verwaltung wenden, lassen sich elektronisch kostengünstiger als mit Angestellten abwickeln und wenn dann noch Städte Aufgaben, zum Beispiel im Bereich der Lohnzahlungen, gemeinsam erledigen oder an einen privaten Dienstleister abgeben, lässt sich noch einmal Geld und Personal einsparen.

Und natürlich könnten die Städte sich endlich einer Aufgabenkritik stellen: Warum zum Beispiel die Stadt Dortmund Mitarbeiter beschäftigt, die „mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen als Expert*innen bei entwicklungspolitischen Fragestellungen“ zusammenarbeiten, erschließt sich auch nach längerem Nachdenken nicht. Die wichtigsten  entwicklungspolitischen Fragestellungen, mit denen sich Dortmund zu beschäftigen hat, finden sich in der Nordstadt und nicht auf anderen Kontinenten. Auch da kann gespart werden und kaum ein Bürger wird das merken.

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tuwat
tuwat
1 Jahr zuvor

„…Mir fällt es schwer, mich daran zu erinnern, wann ich zuletzt an so kleinen Monitoren saß….“
Immer wenn ich mich umsehe, auf welche Art und Weise der anscheinend größte Teil der Bevölkerung privat mit der internetgestützten Datenverarbeitung umgeht, überfällt mich Mitleid.
In einer Form einer Selbstkasteiung grabbeln die meisten mit ihren Finger auf klitzekleinen Bildschirmen von 6 bis 10″ Größe herum.
Informationsübermittlung in Zeitungsspaltenbreite, immer wieder unterbrochen von Werbung und Extrabeigaben. Öffnung von gleichzeitig 2 oder 3 Fenstern nebeneinander unmöglich, aber eigenlich nötig.
Versendung von Texten als Email oder Kommentar voller Tipp- und Denkfehler.

Unter denen scheinen mir viele Insel-Begabte zu sein, sogenannte Savants, die sich mit unendlich vielen „Apps“ auskennen, wie sonst kein anderer, die aber scheitern würden, wenn sie einen normalen PC mit Bürosoftware bedienen sollten. So erlebte ich bisher einige von denen.
Ein 12 Jahre alter PC mit einem 21″ Bildschirm ist aber aber wirklich der reinste Luxus gegenüber einem funkelnagelneuen IPad.
Kleinere Bildschirme habe ich bei meinen letzten Besuchen von Behörden und städtischen Krankenhäusern dann aber doch nicht gesehen.
Vor solch einem 12 Jahre alten und noch nie kaputten sitze ich hier.
Mein Smartphone habe ich zuletzt vor 1 Monat eingeschaltet, 2 durchaus passable Notebooks einer Teuermarke mit W10 gammeln unter dem Tisch vor sich hin und warten darauf, dass ich mal mit einem von ihnen verreise.

Wie im Artikel auch angesprochen, ist Modernisierung im Bereich Datenverarbeitung/digit. Kommunikation mit hohen Kosten verbunden, nicht nur durch Beschaffung neuer Hard- und Software, sondern auch durch ständige Schulung/Nachschulung des verbleibenden Personals.. Die dadurch mögliche Einsparung von Personalkosten vor Ort wird das meistens nicht aufgefangen.
Irgendwo in einer fernen Stadt sitzen dann einzeln viel höher bezahlte Spezialisten eines Zulieferanten, die das ganze Hightechgeschiss aus der Ferne am Laufen halten müssen, indem sie ein Update nach dem nächsten auf die Reise schicken, um Programmierfehler zu beheben, Sicherheitslücken zu stopfen und neue Anforderungen an die Software zu ermöglichen, Die aber müssen sich selbst auch wieder ständig nachschulen, nachschulen lassen.

Hinzu kommt bei der angestrebten Modernisierung von Systemen die Gefahr, Scharlatanen unter den erforderlichen Beratern zum Opfer zu fallen, ähnliche denen die in der Beratung zu Renten- und Krankenversicherungen ihr Unwesen treiben.

Ich selber war, bevor ich Rentner wurde, als Informationstechnologe mit der Inbetriebnahme/Inbetriebhaltung von in Realzeit reagierenden Systemen beschäftigt Es hatte mich schon um die Jahrtausendwende schockiert, dass mein Arbeitgeber von mir geleistete „Feuerwehrarbeit“ mit 400 Mark pro Stunde in Rechnung stellte, weit entfernt von dem, was ich bekam.
Die Hälfte meiner Arbeitszeit ging aber tatsächlich verloren durch die Notwendigkeit, täglich stets auf dem neuesten Stand zu sein.

Warum sind wohl in vielen Unternehmen auch heute noch Computer im Einsatz unter Windows XP und W7? Weil die Umstellung der darauf laufenden Anwendungen ein Vermögen kosten würde.
Auch mein PC, vor dem ich jetzt sitze, kann das auf Knopfdruck, weil eine Umstellung einiger Anwendungen auf W 10 oder höher viel zu teuer wäre im Vergleich zum Nutzen, den ich hätte.

Wegen der Häme in Bezug auf das FAX: ich empfehle „Warum noch immer Fax“ zu googeln. Man findet viele gute Artikel dazu. z.B. bei der Süddeutschen:
https://www.sueddeutsche.de/panorama/faxgeraete-digitalisierung-e-mail-gesundheitsamt-fortschritt-faxen-1.5495073

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