
Mit diesem bekannten Bonmot fasst Felicity Korn, die Kuratorin der aktuellen Ausstellung „Hans-Peter Feldmann. Kunstausstellung“ die vielen Fragen zu einer herausfordernden Ausstellung zusammen.
Es beginnt bereits vor dem Kunstpalast. Drei säuberlich geparkte Autos, stehend auf ihren Reifen, und das vierte in der Reihe – liegt auf dem Dach!
Wozu? Welches Konzept steht dahinter? Ist das überhaupt Kunst?
Diese drei zentralen Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung. Geht man als Besucher einfach so hindurch, drängt sich sehr schnell der Gedanke auf, was die Sammlung diverser Alltagsgegenstände aussagen soll und wo denn eigentlich die künstlerische Leistung sichtbar sei.
Hier stellt sich beinahe zwangsläufig die Frage: Was ist Kunst? Bedeutet sie das möglichst naturgetreue Wiedergeben von Menschen, Natur oder Gegenständen mit Hilfe der unterschiedlichsten Gestaltungsmittel? Oder drückt der Künstler in diversen Formen seine Empfindungen aus? Diese Fragen sind in anderen Zusammenhängen erschöpfend diskutiert worden, ohne dass am Ende eine objektive, allgemein gültige Definition dessen, was Kunst überhaupt ist, stehen würde. Es bleibt ein weiter Raum für Überlegungen, welche Botschaft der Künstler mit seinen Werken ausdrücken wollte und wie der Betrachter eben diese Botschaft individuell interpretiert. Dies alles im Kontext der zeitlichen Entstehung und der gegenwärtigen Wahrnehmung zu betrachten, könnte ein Schlüssel zum Verständnis sein.
Hans-Peter Feldmann macht es einem nicht leicht. Wo das Konzept seiner Fotokunst noch gut verständlich ist, erschließen sich die Arrangements diverser Bildcollagen und Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs erst durch intensivere Beschäftigung mit der Intention des Künstlers. Eins ist jedoch allen Projekten und Arrangements gemeinsam, nämlich die (unausgesprochene) Aufforderung an den Besucher, sich aktiv mit den Exponaten auseinanderzusetzen, statt sie lediglich zu konsumieren. So gibt es einen separaten Raum mit Fotos von Menschen im Alter zwischen 0 und 100 Jahren, die chronologisch nebeneinander auf gleicher Höhe angeordnet sind. Beobachtet man die Besucher beim Betrachten dieser Fotos, fällt ein typisches Bewegungsmuster auf: Als erstes suchen die meisten nach dem Bild des eigenen Jahrganges, erst dann schauen sie die Fotos in der zeitlichen Reihenfolge an. Diese indirekte Interaktion, das Vergleichen-Wollen mit anderen, ist ein interessanter Aspekt menschlichen Verhaltens, den der Künstler hier herausfordert.

Interaktiv im wahrsten Sinne des Wortes ist ein Tauschregal mit Alltagsgegenständen in der 1. Etage des Foyers. Hier dürfen die Besucher alle möglichen Gegenstände, von Kitsch bis Krimskrams gerne abstellen und, wer mag, darf sich auch gern welche mitnehmen – sozusagen „Feldmann zum Mitnehmen“.
Alltagsgegenstände in neuem Kontext spielen in Hans-Peter Feldmanns Werk eine zentrale Rolle. So finden sich zwei über Hörerkabel miteinander verbundene Telefone, ein aus Zollstöcken gebautes Haus neben einem an Hosenträgern aufgehängten Stuhl, die spontan die Frage nach dem „Wozu?“ aufwerfen. Die Antwort liegt möglicherweise – und auch hier lässt Feldmann dem Besucher Raum für die eigene Interpretation – in dem Ansatz, die Grenzen von Kunst und Alltag aufzubrechen. Wo endet das Alltägliche, wo beginnt die Kunst und umgekehrt? Was nehmen wir als Kunst wahr?
Das Spannungsfeld zwischen „dem, was ist“ und „dem, was es sein könnte“ wird in der Installation Schattenspiel (2002) sichtbar: Auf rotierenden Drehtellern sind Figuren, Puppen, Tiere und diverse andere Gegenstände angeordnet, die angeleuchtet werden und ihre Schatten an die dahinterliegende Wand werfen. Die Assoziation mit Platons Höhlengleichnis ist sicher kein Zufall. Auch hier fordert Feldmann die Besucher zur gedanklichen Interaktion auf.
Die zahlreichen Facetten von Hans-Peter Feldmanns künstlerischer Arbeit lassen sich am ehesten als „Praxis des Archivierens und Arrangierens“ (Zitat: Felicity Korn) charakterisieren. Schon früh, in den 1950er Jahren, begann er, die unterschiedlichsten Bilder zu sammeln, wie Fotografien, Werbeprospekte, Postkarten, die er weniger nach ihren sichtbaren Motiven aussuchte, sondern nach den Lebenswelten, die sie vermitteln sollten. Mit steigendem Wohlstand und den wirtschaftlichen Möglichkeiten verband sich neben dem Wunsch nach mehr Konsum auch die Sehnsucht, reisen zu können. Auch diese Projektion spiegelt sich in seinem Werk wider.

Wie Feldmann auch gravierende gesellschaftspolitische Ereignisse künstlerisch umgesetzt hat, zeigt sich in der Collage 9/12 Titelseiten (2001 – 2008). Am Tag nach dem Attentat auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 ging Hans-Peter Feldmann in die Buchhandlung des Düsseldorfer Hauptbahnhofs und kaufte internationale Zeitungen, die über diesen Anschlag berichteten, eben am 12. September 2001. Aus 151 Titelseiten entstand auf diese Weise eine Collage, die, je nach Schwerpunkt der einzelnen Tageszeitungen, eine eindrückliche und spannungsreiche Momentaufnahme dieses weltweit dokumentierten Attentats, wiedergibt. Auch hier liegt das „Archivieren und Arrangieren“ als Arbeitstechnik zugrunde.
Zum Ende des Rundgangs durch die Ausstellung bleibt die Frage nach dem auf dem Dach liegenden Auto auf dem Parkplatz vor dem Kunstpalast. Was so trivial und gewollt wirkt, ist ein Werk aus der sogenannten Konzeptkunst. In den 1960er Jahren hat sich diese Kunstrichtung entwickelt, deren Ansatz in erster Linie die Idee oder wie der Name schon sagt, das Konzept, im Mittelpunkt steht. Durch das störende Element des umgedrehten PKW, der nicht als Solitär, sondern eingebunden in eine normale Verkehrssituation, hier die parkenden Autos, präsentiert wird, soll die Perspektive des Betrachters von der realen Wahrnehmung auf die dahinterstehende Idee gelenkt werden. Egal, welche Assoziation jedem Besucher hier in den Sinn kommt, es ist auf jeden Fall ein Hingucker und mach Lust auf weitere Entdeckungen beim Rundgang durch die Ausstellung.

Der Kunstpalast als Ort der Ausstellung ist nicht zufällig gewählt. Als Elfjähriger besuchte Hans-Peter Feldmann mit seinem Onkel zum ersten Mal eine Kunstausstellung, eben hier im Kunstpalast. Dass jetzt die letzte Werkschau, zum Teil noch von ihm selbst mit vorbereitet, ebenfalls hier im Düsseldorfer Kunstpalast zu sehen ist, war sein Wunsch.
So schließt sich der Kreis.
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Ausstellungsdauer: 18. September 2025 bis 11. Januar 2026
