Ist Wasserstoff ist die neue Kohle?

Duisburgs OB Sören Link Foto: Eugen Shkolnikov Lizenz: Copyright

Im Ruhrgebiet soll der Umstieg von Kohle und Gas auf grünen Wasserstoff eine neue industrielle Revolution befeuern. Im Zentrum der Hoffnung steht Duisburg.

Für Alexander Klomparend ist klar: „Wasserstoff ist die neue Kohle“, sagt Stabsbereichsleiter Unternehmenskommunikation bei der Marketinggesellschaft Duisburg Kontor, die in der vergangenen Woche eine Tour zu den Duisburger Zukunftsplänen organisiert hat. Für ihn ist es ein glücklicher Zufall, dass die Stadt, die ein Zentrum der alten industriellen Revolution war nach seiner Überzeugung auch ein Zentrum der neuen, von Wasserstoff statt von Kohle und Gas geprägten industriellen Revolution sein wird: „Duisburg hat wegen der vorhandenen Infrastruktur, der Lage an Rhein und Ruhr und dem größten Binnenhafen der Welt, die Wasserstoffhauptstadt Nordrhein-Westfalen und vielleicht sogar der Bundesrepublik zu werden.“ Ein Grund, warum das sogar stimmen könnte, liegt an der Bedeutung der Stadt für das Erreichen der Klimaneutralität der gesamten Republik: Allein die Stahlwerke der Stadt stehen für vier Prozent des C02-Ausstoßes Deutschlands.

Auf Duisburgs Weg in die geplante klimaneutrale Zukunft spielt der Hafen eine zentrale Rolle. Am Donnerstag steht Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) auf dem Gelände der ehemaligen Kohleninsel. Früher wurde hier die Kohle aus dem Ruhrgebiet verfrachtet, später kam die Kohle aus aller Welt hier an und wurde an die Kraftwerke geliefert. Nun pflügen Bagger den Boden um und werden Straßen Schienen und neue Hafenanlagen gebaut. Auf einer Fläche von 250.000 Quadratmetern wird hier das klimaneutrale Gateway Terminal gebaut. 125 Millionen Euro lassen sich das der Hafen und seine Partner kosten. Ein mit Wasserstoff betriebenes Kraftwerk und eine Produktionsanlage für Wasserstoff sind im Hafen auch in Planung. Doch Link denkt weiter: „Wasserstoff wird der Schlüssel für die grüne Transformation in Duisburg und an Rhein und Ruhr sein.“ Er sei Optimist und glaubt, dass es gelingen wird. „Wir werdend dazu Wasserstoffimporte und ein Pipelinenetz brauchen, denn die benötigten Mengen werden wir nicht in Deutschland herstellen können.“

Nicht alles, aber einen Teil schon. Daran arbeiten sie ein Stück weiter rheinabwärts.

auf dem Gelände der 2008 geschlossenen Zechen Walsum. „Wir errichten hier ab Anfang 2025 eine Wasserstofferzeugungsanlage“, sagt Tanja Braun, die Projektleiterin des HydrOxy Hub Walsum. Hier soll Wasserstoff mittels Elektrolyse hergestellt werden. Das Prinzip kennt jeder aus der Schule, der sich an die berühmte „Knallgasprobe“ erinnert: Strom sorgt dafür, dass sich Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspaltet. 2027 soll die erste Ausbaustufe fertiggestellt sein: „Bis dahin entsteht zunächst eine Anlage mit etwa 150 Megawatt Leistung, später soll sie dann auf bis zu 520 Megawatt ausgebaut werden.“ Den nötigen grünen Strom wird über ein nur zu diesem Zweck von Amprion gebautes Umspannwerk laufen. Zusätzlich wird Iqony auf dem Dach der Halle, in der die Elektrolyseure stehen, auf 15.000 Quadratmetern Solarzellen anbringen, die allerdings nur einen Bruchteil des benötigten Grünstroms liefern können.  Was der in Walsum erzeugte Wasserstoff einmal kosten wird, kann Braun heute noch nicht sagen. Die Prognosen für den in Deutschland mit Ökostrom erzeugten Wasserstoff würden zwischen vier und 15 Euro je Kilogramm schwanken. Sorge, dass Iqony nicht genug Abnehmer finden wird, macht sich die Projektleiterin nicht: „Grüner Wasserstoff ist ein stark nachgefragtes Produkt. Wir werden zu den ersten Herstellern gehören, die ihn der Industrie anbieten.“ Zudem geht sie davon aus, dass die Unternehmen und auch die Politik, welche die Herstellung und Nutzung von Wasserstoff in der sogenannten Hochlaufphase bis zur Erreichung der Marktfähigkeit subventionieren muss, ihre Lektionen gelernt haben: „Wir haben doch alle in den vergangenen Jahren erlebt, was die hundertprozentige Abhängigkeit von Importen bei Gas und Kohle bedeutete. Beim Wasserstoff sollte Deutschland klüger sein.“

Doch nicht nur in Duisburg, im ganzen Ruhrgebiet soll Wasserstoff künftig eine zentrale Rolle spielen. Wasserstoff steht im Zentrum der wirtschaftlichen Träume der Region.

Michael Hübner ist Geschäftsführer des Verein Hy.Region.Rhein.Ruhr. In ihm haben sich deutsche Unternehmen wie Thyssenkrupp, der Duisburger Hafen und Siemens Energy, aber auch der Hafen Rotterdam zusammengeschlossen, um das Ruhrgebiet zu einer Top-Wasserstoffregion zu entwickeln. „Der Vorteil des Ruhrgebiets“, sagt Hübner, „ist, dass wir hier die großen Abnehmer für Wasserstoff haben.“ Ob Thyssenkrupp, ArcelorMittal oder Evonik, sie alle müssten in den kommenden Jahren ihre Produktion dekarbonisieren und auf Wasserstoff umsteigen. Hübner rechnet damit, dass durch den Umstieg des Reviers auf Wasserstoff nicht nur Industriearbeitsplätze erhalten, sondern auch neue geschaffen werden: „Ich halte viele neue und hochqualitative Arbeitsplätze für realistisch. Wenn im Ruhrgebiet Wasserstoff produziert und über Pipelines und den Duisburger Hafen importierter Wasserstoff zur Verfügung stehen, wird das viele Unternehmen anziehen.“

In Duisburg, Oberhausen, Hamm, Marl, Gelsenkirchen und Essen sollen sieben Elektrolyseure mit Ökostrom Wasserstoff produzieren.

Manuel Frondel, der Leiter   des Kompetenzbereichs „Umwelt und Ressourcen“ beim renommierten RWI  Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Die Chancen, dass durch grünen Wasserstoff das Ruhrgebiet einen neuen Industrieboom erlebt, hält er ich für sehr gering: „Wasserstoff in Deutschland mit Hilfe von Ökostrom zu produzieren ist viel teurer als an vielen anderen Orten in der Welt. Grünem Wasserstoff in Deutschland zu produzieren, ist eine Verlegenheitslösung.“ Ehe man Erneuerbare-Energien-Anlagen bei geringer Stromnachfrage aus Gründen der Netzstabilität abschalten muss und somit keinen Strom produziert, dafür aber Entschädigungszahlungen kassiert, sei es allerdings sinnvoller, grünen Wasserstoff zu produzieren: „Da bleibt wenigstens noch etwa die Hälfte der ursprünglichen Energie, die im grünen Strom steckt, erhalten.“

Nach Frondels Ansicht sollte vorwiegend in die Leitungsinfrastruktur investiert werden und weniger in Elektrolyseure: Grüner Wasserstoff wird künftig überwiegend aus dem Ausland importiert werden. Dazu braucht man viele Leitungen.“

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

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