
Wird KI zu mehr Arbeitslosigkeit führen? Dauerhaft nicht, sagt der Ökonom Enzo Weber. Die Jobs die wegfallen werden durch neue Arbeitsplätze ersetzt.
Noch nie hat sich eine Technologie so schnell durchgesetzt wie künstliche Intelligenz. Vor nicht einmal drei Jahren, im November 2022, stellte OpenAI ChatGPT 3.5 vor, einen Chatbot, den man nicht nur einfach mit Alltagssprache steuern konnte, sondern der sich spätestens mit der aktuellen Version ChatGPT zu einem Gesprächspartner entwickelt hat, der Grafiken erstellen kann, bei Texten aller Art hilft und einem eine Ahnung von den technischen Innovationen gibt, die in den nächsten Jahren kommen werden. Doch die intelligenten Multitalente wie ChatGPT, Gemini und Claude nehmen nicht nur viel Arbeit ab, sie vernichten auch Jobs. Microsoft geht davon aus, dass KI in fünf Jahren 95 Prozent des Programmcodes schreiben wird. Auch Meta, das Unternehmen, das Dienste wie Facebook, WhatsApp und Instagram betreibt, setzt auf KI. Meta-Chef Mark Zuckerberg sagte im Januar im Podcast „Joe Rogan Experience“: „Möglicherweise schon 2025 werden Meta und andere Unternehmen eine KI haben, die die Aufgaben eines Mid-Level-Mitarbeiters erledigen wird, der Code schreiben kann.“
Und es geht nicht nur um die IT-Branche – Städte setzen zunehmend im Dialog mit den Bürgern auf Chatbots, in der US-Filmindustrie arbeiten sie an Drehbüchern mit, und KI-Bildbearbeitungsprogramme ersetzen Models in in Werbekampagnen. „Künstliche Intelligenz wird bei fast allen intellektuellen Aufgaben besser als der Mensch“, zitiert die FAZ den Anthropic-Chef Dario Amodei, dessen Unternehmen hinter dem Chatbot Claude steht. KI-Tools könnten bis Ende des Jahrzehnts die Hälfte der Arbeitsplätze auf der Einstiegsebene vernichten und die Arbeitslosigkeit auf bis zu 20 Prozent ansteigen lassen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und Inhaber eines Lehrstuhls an der Universität Regensburg, hält nicht viel von solchen, von Panik getriebenen Prognosen: „KI ist die Technologie unserer Zeit. Sie ist überall einsetzbar und wird neue Geschäftsmodelle bringen und die Arbeit.“ Natürlich werde KI auch dafür sorgen können, dass bestimmte Tätigkeiten nicht mehr so ausgeübt werden, wie das in der Vergangenheit war. „Aber es gibt gar keinen anderen Weg, als die Chance zu ergreifen, die KI bietet, denn wo will man sonst die Wohlstandsteigerungen herbekommen?“
Weber glaubt auch nicht, dass KI allein dabei helfen wird, die Folgen des demografischen Wandels aufzufangen, der nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln dazu führen wird, dass in den kommenden zehn Jahren altersbedingt 16,3 Millionen Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.
„Wenn man keinen Ausgleich hat durch Zuwanderung oder dadurch, dass sich noch mehr Menschen am Arbeitsmarkt beteiligen, dann wird es nach unseren Zahlen in 15 Jahren 7 Millionen Arbeitskräfte weniger geben. Jetzt müssen wir uns aber überlegen, welche Wirkung hat KI auf den Beschäftigungsstand?“ Sicher würden Jobs wegfallen – so sei es bei jedem technologischen Wandel gewesen. „Wenn ich heute höre, 20 Prozent aller Jobs werden durch KI überflüssig, ist das historisch betrachtet keine ungewöhnliche Zahl.“
Die Industrialisierung habe wesentlich radikalere Effekte gehabt. Arbeiteten früher über 90 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft, sind es heute in Deutschland keine sieben Prozent mehr. Als Manko werde das heute nicht wahrgenommen.
KI werde nicht zu einem Einbruch beim Beschäftigungsbedarf führen, sondern zu einem Umbruch. Und der werde natürlich viele Menschen betreffen. „Menschen, die in bestimmte Fähigkeiten investiert haben, die sich festgelegt haben – für die wird das nicht einfach sein.“
Die Wirtschaftsgeschichte der 70er-, 80er-, 90er-Jahre habe gezeigt, dass Umbrüche auch zu struktureller Arbeitslosigkeit führen können. „Und das ist, was im Moment droht. Und jetzt stellt sich die Frage: Was müssen wir tun, damit wir mit KI richtig gewinnen?“ Mehr Produktivität, Wachstum und höhere Einkommen müssten die Ziele sein. Für den Einzelnen bedeute das Weiterentwicklung und Qualifizierung. Wichtig sei die Mentalität: „Wenn man Qualifizierung und den eigenen Beruf als einen fortlaufenden Entwicklungsprozess versteht, ist man auf dem richtigen Weg. Das bedeutet: Ein Teil der Arbeit besteht immer auch darin, nach vorne zu schauen, sich weiterzuentwickeln, zu überlegen, wie Dinge besser gelingen können, was noch möglich ist und welche Fähigkeiten man vielleicht anders oder neu einsetzen kann.“ Wer so denke, bleibe wach und offen. Andernfalls drohe eine Situation, die man bei langjährigen Berufstätigen oft beobachte: „Wird nach Fortbildungen oder Weiterentwicklung gefragt, heißt es dann häufig: ‚Ich bin zu lange raus – Lernen ist nichts mehr für mich.‘ Und das ist schade.“ Die Politik müsse die Menschen in dieser Situation unterstützen
Natürlich würde KI dafür sorgen, dass Arbeitskosten eingespart werden – sonst würden Unternehmen nicht in KI investieren. Aber was dann passiert, ist: Sie generieren damit neue Bedarfe an anderer Stelle, und sie erhöhen auch Produktivität. Und wenn sie Produktivität erhöhen, dann entsteht daraus Einkommen. Produktivität ist Produktion pro Zeit. Das heißt, wenn sich Produktion erhöht, dann erhöht sich Einkommen. Und das höhere Einkommen wird an anderer Stelle wieder für Arbeit sorgen. In Summe entstehen durch KI daher auch Job, und entfallen nicht nur.
