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Meine Kritik an “Der Freitag”

Frau Minister Leyen wurde von Hubertus Heil kürzlich unschön bedacht mit “Warme Worte – kalte Taten”. Übertragen auf Jakob Augstein kann man vielleicht sagen: “Warme Worte – leidenschaftslose Taten”. Von unserer Gastautorin Regina Hoffmann.

Die warmen Worte findet man zum Beispiel im dctp-Interview.

Nun zur fehlenden Leidenschaft: Der Freitag möchte in so vielem anders sein als andere. In Ansätzen gelingt das, und der Versuch der Lesereinbindung hat etwas wirklich Neues an sich. Nur wird zuwenig daraus gemacht.

Entgegen der von Augstein bekundeten Absicht anders, frischer und offener zu sein, leidet der Freitag an einem Übermaß an Vorsicht.

Allzu viele Beiträge scheinen sich dem Leser vorsichtig “antragen” zu wollen. Nur nichts schreiben, was dem Zeitgeist der erstaunlich linientreuen “community” zuwider sein könnte.

In bestimmter Hinsicht typisch ist der aktuelle Beitrag von Jakob Augstein über Wikileaks.

Handwerklich sauber geschrieben und mit hübschen Anekdoten versehen enthält der gesamte Artikel allerdings keinen einzigen Satz, der den Leser zum Nach-Denken anregt. Etwas Neues zu erfahren ist noch kein Nachdenken, es ist nur ein Aufnehmen. Es ist ein Zustimmungsartikel.

Der obrigkeitsskeptische Internet-erfahrene Freitags-Leser wird mehrfach mit leicht verdaulichen linksliberalen Häppchen à la “Das Internet ermöglicht Offenheit und Klarheit, wo vorher Herrschaft und Kontrolle gewaltet haben” gefüttert. Dass es sich bei solchen Aussagen um fragwürdige Behauptungen handelt, darf nicht stören. Immer schön nach dem Motto “Wir hier an der Basis sind in Wahrheit die Klügsten”.

Zuspitzungen wie “Desinformation dagegen ist immer der Feind der Freiheit” legen zur klammheimlichen Freude der Leser nahe, dass wir prinzipiell immer davon ausgehen müssen, nicht informiert, sondern desinformiert zu werden. Der Artikel handelt jedoch von den Wikileaks-Veröffentlichungen. Die jüngsten umfassen 250.000 Dokumente,

Wer sich ein paar der Telegramme der US-Botschaften ansieht, wird schnell feststellen, dass Vieles dem entspricht, was man in den besseren Zeitungen, Journalen oder Blogs ebenfalls lesen kann, zumal in den Telegrammen selbst oft auf Zeitungsbeiträge verwiesen wird. Es ist auch einiges dabei, das man mit Wohlgefallen liest, weil durchaus Vernunft und Zurückhaltung darin liegt. Doch das passt nicht zur Sensationslust.

Diese Scheuklappen-Perspektive Augsteins ist nun entweder Schlamperei – eher nicht -, eine bestimmte politische Haltung – vielleicht, aber das träfe eher auf Chefredakteur Grassmann zu – oder reiner Opportunismus. Das kann man annehmen. Augstein weiß oder glaubt zu wissen, wie er seine Leser bedienen kann.

In einem weiteren Absatz kommt eine kleine Medienschelte gegen die “mürrischen” anderen, wie etwa die Süddeutsche. Dann macht er sich sich ein bisschen lustig über die einfältigen deutschen Poilitiker, die den Amerikanern offenbar alles erzählen. Das kommt immer gut an: die dummen Politiker.

Zum Schluß platziert Augstein das größte Ärgernis. Da man den Politikern nicht trauen könne, forderten die Bürger “Akteneinsicht”. Und das sei gut so.

Das hört sich so aufrichtig basisdemokratisch an, dass man vor lauter linker Solidarität fröhlich glucksen möchte. Ich würde mich als links bezeichnen, aber bei diesem Schulterschluß vergeht mir die Freude.

Denn diese abschliessende Forderung Augsteins ist einfach platt und anbiedernd. Wie soll das aussehen, “Akteneinsicht” für jedermann? Eine offene “Debatte” aller über alles? Da scheint jemand das kleine Einmaleins der Politiktheorie vergessen zu haben. Demokratie war noch nie Kakophonie, denn exakt das wäre das Ergebnis von “Akteneinsicht für alle”, sondern gegenseitige Funktions- und Machtdelegation mündiger Bürger in Verbindung mit Gewaltenteilung und gegenseitiger Kontrolle.

Bitte: Diese Art von texten hat wenig mit Journalismus zu tun als mit Plakatkleberei für die nächste linke Demo.

Man kann den Lesern förmlich dabei zusehen, wie sie Zeile für Zeile befriedigt abnicken im Glück ihrer eigenen Zustimmung: Der berühmte Augstein denkt also genau so wie ich „kleiner“ Leser!

Da wird nichts gegen den Strich gebürstet, nichts von drei Seiten beleuchtet. Augen zu und pseudo-links-anarcho-mainstream durch.

Die zahlreichen Kommentare der “community” geben den geistigen Gleichmarsch im großen und ganzen wieder.

Wie könnte Journalismus langweiliger sein?

Schön, dass die community des Freitag so fest geschmiedet ist. Schade, dass sie deswegen noch lange unter sich bleiben wird.

Statt sich über die Beiträge zum Beispiel der Süddeutschen über Wikileaks zu mockieren, könnte sich der Freitag ein Beispiel daran nehmen. Er könnte dazu lernen. Und ein wenig von seinem hohen Roß herab steigen. Es ist bisher nur ein Schaukelpferd.

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[…] Medienkritik: Der Freitag möchte in so vielem anders sein als andere. In Ansätzen gelingt das, und der Versuch der Lesereinbindung hat etwas wirklich Neues an sich. Nur wird zuwenig daraus gemacht … ruhrbarone […]

68er
68er
13 Jahre zuvor

Wer ist Regina Hoffmann?

Gero Steiner
Gero Steiner
13 Jahre zuvor

Frau Hoffmann, was hat er Ihnen getan, der Herr Augstein?

Offensichtlich zu wenig. Aber wenn Sie schreiben „Diese Art von texten hat wenig mit Journalismus zu tun als mit Plakatkleberei für die nächste linke Demo.“ oder „Die zahlreichen Kommentare der “community” geben den geistigen Gleichmarsch im großen und ganzen wieder.“ dann hat Ihre Kritik auch so wenig mit Journalismus zu tun, wie die Wandmalereien der Klowände in der Redaktion.

Es riecht nach gekränkter Eitelkeit, nach Retourkutsche – und um auf das Niveau der Süddeutschen zu kommen, braucht’s ein bisschen mehr als diesen leicht duftenden Artikel, der die Qualitätskontrolle namhafter Journale wohl doch nicht passieren konnte.

Hartmut
Hartmut
13 Jahre zuvor

Der Artikel auf dem Freitag ist ja wirklich bescheiden. Wenn man so was liest wie „Möglich, dass wir gerade den Beginn eines neuen Kulturkampfes erleben. Diesmal ist es der Staat, der sein Inneres verteidigt. Gegen den Eindringling, der niemand anderes ist als der Bürger selbst“ fragt man sich scho, was da zusammen fantasiert werden soll. Berlin der Stasi Staat? Und was soll das mit dem Kulturkampf? Welche Kultur gegen welche? Die „Offenheit und Klarheit“ des Internets wie es da im Artikel heißt? Soll dieser Wust an Wirrwarr, den man zu 75% im Internet findet zu mehr Klarheit beitragen? Bitte. Nee, kann nicht sehen wie der Freitagsartikel zu mehr Klarheit führn soll. Kommt mir im übrigen auch vor wie ein PDS-Pamphlet. Hab mir die Zeitung ein paar mal angeguckt, find sie aber auch eher mäßig.

general ludd
general ludd
13 Jahre zuvor

ich komm per link vom freitag her und möchte ihnen alles gute wünschen für ihren journalismus. tschüß

j-ap
13 Jahre zuvor

»Die zahlreichen Kommentare der “community” geben den geistigen Gleichmarsch im großen und ganzen wieder.«

Darüber, was man unter ‚Gleichmarsch‘ wohl zu verstehen habe, möchte ich Frau Hoffman dann doch lieber nicht befragen, denn mir scheint, daß bei ihr gleich vorauseilend in Reih und Glied sortiert wird, um nicht der Gefahr der etwaigen Sachkenntnis sich auszusetzen.

Wer von den geneigten Lesern sich allerdings die hier gar zu plump vorgestellten Charaktermasken gründlich abschminken will, der sei auf einen Parallelartikel im — ohjottohjott! — »Der Freitag« verwiesen:

Wikileaks‘ vulgäre Vorstellung von Transparenz

Mit freundlichen Empfehlungen
Josef Allensteyn-Puch / j-ap

UT
UT
13 Jahre zuvor

Liebe Frau Hoffmann, volle Zustimmung zu ihrem Artikel. Der „Freitag“ ist nicht viel anders als andere. Die Ausrichtung des Blattes liegt im Mainstream und der „geistige Gleichmarsch“ seiner „Community“ liegt unter anderem an den Rauswürfen von Bloggern mit abweichender Meinung und den vielen „freiwilligen“ Abgängen, die einsehen mussten, dass diese „Community“ gescheitert ist. Siehe hier und hier.

ration
ration
13 Jahre zuvor

Eine sehr gelungene und angemessene Analyse des Geschehens dort geben Sie Frau Hoffmann. Man fragt sich, was zwischen dem dctp- Interview und dem heutigen Datum geschehen ist, dass Leser, die sich eine intellektuelle Zeitung wünschen sollte, sich Kopf schüttelnd vom Freitag distanzieren, dass die Redakteure dort die Signale nicht hören, dass man als Betrachter nur noch denkt: was ist das? Von liberal kann im Forum keine Rede sein, auch nicht von dem Begriff Meinungsmedium, das einzige, in dem sich alle erschreckend unreflektiert und linintreu geben ist das „links sein“, das dort mit „Der Linken“ verwechselt wird, einer Partei, die ihre Wurzeln wahrlich nicht in liberal, meinungsoffen und demokratisch hat. Das Traurige ist, dass die Macher dies nicht sehen oder sehen wollen und sich ihrer eigenen Ernsthaftigkeit berauben.

lebowski
lebowski
13 Jahre zuvor

Ein Vorwurf, der ins Leere geht. Ein Grundkonsens mit dem Inhalt einer Zeitung muss schon da sein, sonst würde man sie nicht lesen.

Jens
Jens
13 Jahre zuvor

Auf der Kommentarseite des Freitag Wikileaks Artikels ruft ein Kommentator mit Verweis auf den obigen Beitrag von Frau Hoffmann auf zu „Dagegenhalten!“ und wird gleich von einem anderen Kommentator unterstützt. Scheint eine wirklich eingeschworene community zu sein, wenn der der so aufruft gar nicht auf die Idee kommt das vielleicht jemand aus der community anderer Meinung ist und deswegen nicht „dagegenhalten“ will. Das bekräftigt das von UT gesagte.

ration
ration
13 Jahre zuvor

Das Ulkige an dem eingebetteten link eines j-ap, der zeigen soll, wie liberal die Freitag- community so ist, ist, dass der Autor des Artikels „Wikileaks vulgäre Vorstellung von Transparenz“ eben von jener community im Freitag angegriffen wird.
Marke Eigentor! Ich kann mich nur wiederholen in meinem Erstaunen. Dort herrschen alles andere als Reflektion, Respekt und kritisches Auseinandersetzen, geschweige denn Akzeptanz.

HarrrzVI
13 Jahre zuvor

Der deutsche Zeitungsmarkt könnte schon einen frischen Schub brauchen. Deshalb war ich neugierig als mich vor kurzem ein Freund auf den Freitag aufmerksam gemacht hat. Das mit der Neugier hat sich schnell erledigt. Da sind wirklich merkwürdig einfache Beiträge drin.Obwohl sich die Zeitung intellektuell gibt. Hab wegen des Beitrags von Regina Hoffmann wieder reingeschaut. Da ist auch zu Wikileaks ein Beitrag vom Ressortleiter Politik drin der so anfängt: >Was ist an der amerikanischen Diplomatie noch integer, zuverlässig, berechenbar, wenn sie gewaltige Datenlecks nicht ausschließen kann?<
Bei so einem Anfang vergeht einem doch gleich die Lust am weiter lesen. Was hat die Zuverlässigkeit einer Diplomatie damit zu tun ob irgend jemand den whistleblower gibt? Haarsträubend. Hauptsache es passt in die Ideologie.

68er
68er
13 Jahre zuvor

Wer zum Kuckuck ist denn nun Regina Hoffmann?

Jens
Jens
13 Jahre zuvor

@68er Wer zum Kuckuck ist 68er? soll heißen komische Frage. Willste den Perso oder Anschrift oder Titel? Wen kümmert das? Der Inhalt wird deswegen nicht besser oder schlechter. Wahrscheinlich ist es eine Abonnentin die sich geärgert hat, die ganze Laufzeit bezahlen zu müssen 🙂

68er
68er
13 Jahre zuvor

@ Jens

Ich wusste nicht, dass bei den Ruhrbaronen alle unzufriedenen Abonnenten irgendwelcher Wochenzeitungen als Gastautor schreiben dürfen.

Gibt es hier irgendwo einen von mir übersehenen Zugang, eine Art Kummerkasten, für so etwas?

ration
ration
13 Jahre zuvor

68er: Humor und Ironie und Akzeptanz wird bei Ihnen jedenfalls nicht groß geschrieben. Wenn Sie Freitag- Fan sind ist das doch schön für Sie. Aber hier blamieren Sie Sich gerade.

Hans
13 Jahre zuvor

wer mal nen Blick auf die diskussionskultur beim freitag werfen will guckt sich mal den Text hier an. Da hat ein user eine zusammenfassung gemacht von kommentaren zu einem bestimmten beitrag, in dem es um die sperrung von blogs geht:

lexahexa: „Herr Pölcher von der Redaktion, machen Sie mit diesem Theater Schluß, die Mitglieder hier haben einen Dreck auf Netiquette und ihre Worte gesetzt, von Anstand eh nicht zu reden. Und diese Feiglinge hier am besten merken.Das ist bei denen wohl üblich. (…)

IIIIIIIIh,da wird mir übel.Ganzübel. Alle die mal irgendwie wen anderen nicht gebacken kriegten sind nun herzlichst eingeladen Draufzuschlagen´und nennen das Niveau. Und das alte Mütterchen hats geschafft und war nicht alleine.

Ekelhaft.Magda,Sie sind eine ganz traurige verbiesterte Gesalt. (…)

Pfui,sich in der Kloake zu wühlen und das beim FREITAG. (…)

Nachdem ich diesen Kommentarmüll überflogen habe ist selbst der Text nich unterboten worden. schämen sie sich, sowas Erbärmliches und Hässliches in einem politischen Forum. Solche wie sie müsste man hochkant in die Klappse schmeissen, da gehören sie hin! (…)

Und die ganzen Teilnehmer dieser Scheiße sollte man sich aufschreiben,um bloß nichts mit denen hier zu tun zu haben. Kotz!!! (…)

Das ist ne ordentliche Taufe, Aber zuerst:wo ist denn der Blogbetreiber,fehlts jetzt am Arsch in der Hose, helfen nur noch Sternchen aus?Gut, Magda,Titta,leelah,merdeister,ebertus,goedzak,luggi, muss man sich merken,um mit denen nichts zu tun haben zu wollen. Ehrlich, sind die hier irre? Das ist das freitags-Forum! Vermutlich alle einsam,da setzt der Verstand aus. Wenn Sie alle nur ein bisschen Restanstand in sich haben löscht diese Magda-Frau den Mist oder entschuldigt sich. ???“

Wenn man sich dann die über hundert kommentare dazu wieder anguckt kann man bloss feststellen dass dort so eine art unterschicht-fernsehen nur als print stattfindet. links ist intellektuell? jedenfalls nicht auf dem freitag.

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