Offener Brief: „Rücktritt von Generaldirektor Farenholtz und Absetzung des Kuratorenkollektivs ruangrupa sind für eine Fortsetzung der documenta fifteen unabdingbar“

Ruangrupa, v.l.n.r. Ajeng Nurul Aini, farid rakun, Iswanto Hartono, Mirwan Andan, Indra Ameng, Daniella Fitria Praptono, Ade Darmawan, Julia Sarisetiati, Reza Afisina, 2019, Foto: Jin Panji/PR Documenta Lizenz: Copyright


Elio Adler, der Vorsitzender der Werteinitiative, wendet sich mit einem offenen Brief an den Aufsichtsrat der Documenta. Seine Forderung: Die Geschäftsführung und die Kuratoren der Kunstausstellung müssen abgesetzt werden.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Geselle,
sehr geehrte Frau Ministerin Dorn,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die WerteInitiative, sind ein zivilgesellschaftlicher Verein, dessen Hauptanliegen die Sicherung einer jüdischen Zukunft in Deutschland und damit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist. Wir wenden uns an Sie als Aufsichtsrat der documenta gGmbH, weil es Ihre Aufgabe ist, die Arbeit der Geschäftsführung der documenta zu überwachen und, wenn notwendig, einzugreifen.

Der mit der Interims-Geschäftsführung der documenta fifteen betraute Generaldirektor Alexander Farenholtz ist bereits kurz nach seinem Amtsantritt mit den vor ihm liegenden Aufgaben offensichtlich völlig überfordert. Seine Vorgängerin Sabine Schormann musste zurücktreten, weil sie auf den andauernden und durch ständig neue Funde judenfeindlicher Exponate immer wieder angefachten Antisemitismus-Skandal keine oder nicht die richtigen Antworten gefunden hatte.

Obwohl es seine explizite Aufgabe ist, die durch die eklatanten Versäumnisse seiner Vorgängerin entstandene Situation zu korrigieren, ist Alexander Farenholtz in nur zweiwöchiger Amtszeit das genaue Gegenteil gelungen: Auf der documenta ausgestellter Judenhass wird unter seiner Leitung nicht mehr nur geduldet und verharmlost, sondern aktiv akzeptiert.

Alexander Farenholtz
Foto: Falk Wenzel Lizenz: Copyright „KSB; Fotograf: Falk Wenzel“

Ob etwas antisemitisch sei oder nicht, könne und wolle er nicht bewerten. Dabei könnten die fraglichen Exponate nicht eindeutiger antisemitische Bildsprache bedienen. Vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main auf seinen Mangel an Verständnis für die Schwere der Situation hingewiesen, ließ Herr Farenholtz verlauten, dass er sich nicht angesprochen fühle. Mehr offen zur Schau getragene Verantwortungslosigkeit ist kaum mehr möglich. Durch sein aktives Nichtstun lässt Herr Farenholtz judenfeindlichem Gedankengut auf der documenta fifteen, die er selbst leitet und dessen inhaltlich Verantwortlicher er nunmehr ist, freien Lauf.

Alexander Farenholtz trägt damit zur Normalisierung antisemitischer Denkmuster in Deutschland bei. Es ist diese Normalisierung, durch die Hass auf Jüdinnen und Juden einfach hingenommen wird, die uns, jüdischen Menschen in Deutschland, tiefgehende, reale Ängste bereitet. Der Konsens, auf den wir bislang dachten, uns verlassen zu können – nämlich das klare Bekenntnis der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entscheiderinnen und Entscheider, gegen Judenhass zu kämpfen und dadurch jüdisches Leben in Deutschland überhaupt erst möglich zu machen – wird von Farenholtz und ähnlich denkenden Personen aufgebrochen. Der Antisemitismus-Skandal um die documenta fifteen ist für uns deutsche Jüdinnen und Juden schon jetzt ein Dammbruch.

Alexander Farenholtz ist als Generaldirektor der documenta daher untragbar. Mitverantwortlich für die Präsentation der antisemitischen Bilder und Filme auf der documenta sowie für die nicht stattfindende Auseinandersetzung damit ist jedoch auch das Kuratorenkollektiv ruangrupa. Die Kuratoren haben bis heute in keiner ihrer öffentlichen Äußerungen auch nur ein Mindestmaß an Verständnis der Problematik gezeigt. Sie entschuldigen sich für verletzte Gefühle bei den Betroffenen, ohne zu verstehen, dass es nicht um verletzte Gefühle einiger Personen geht, sondern um objektiv antisemitische, diskriminierende, brandgefährliche Hassbotschaften, die sie auf der documenta fifteen ausstellen. Es gibt daher auch keinerlei Grund, über diese ins Gespräch zu kommen, wie von ruangrupa gefordert.

Statt zu erkennen, dass durch ihre Arbeit judenfeindlicher Hass gesät wird, verbitten sich ruangrupa in aggressiver Manier vermeintliche Zensur und verbinden dies mit Rassismusvorwürfen an die Adresse jener, die sich gegen Antisemitismus wehren. Die Kuratoren sind sich nicht nur keiner Schuld bewusst, sondern verhindern gemeinsam mit Alexander Farenholtz aktiv die Entfernung antisemitischer Exponate. Zu den zuletzt gefundenen und allgemein als klar und deutlich antisemitisch angesehenen Bildern äußerte ruangrupa sich lapidar, die Bilder seien eindeutig nicht antisemitisch. Dadurch disqualifiziert sich ruangrupa für die Aufgabe der künstlerischen Leitung der documenta fifteen.

Wir appellieren eindringlich an Sie als Aufsichtsrat der documenta, sowohl den Generaldirektor Alexander Farenholtz als auch das Kuratorenkollektiv ruangrupa schnellstmöglich von ihren jeweiligen Aufgaben zu entbinden. Der Schaden, den die beiden aufeinanderfolgenden documenta-Chefs angerichtet haben, ist für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland, die unbeteiligten Künstlerinnen und Künstler sowie für die Institution documenta und zuletzt auch für den Kunst- und Kulturstandort Deutschland bereits jetzt erheblich. Sollte der Antisemitismus-Skandal weiterhin keine sinnvollen und nachhaltigen Konsequenzen nach sich ziehen, steht zu bezweifeln, dass die Stadt Kassel und das Land Hessen der Ausrichtung der Kunstschau ganz grundsätzlich und auch zukünftig gewachsen sind.

Weder öffentliche Appelle noch inhaltliche Kritik oder der bislang erste Austausch der Geschäftsführung haben geholfen, den grassierenden Antisemitismus auf der documenta fifteen zu beenden. Es liegt in Ihrer Hand, dass nicht noch mehr Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft in die deutsche Gesellschaft verloren geht und der Ruf der documenta nicht weiter leidet. Die eingesetzte Expertenkommission begrüßen wir – sie kann jedoch personelle Konsequenzen zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersetzen. Gerade auch, weil die Kommission direkt nach ihrem Antritt die Geschäftsführung dafür kritisierte, dass diese weder eine Entfernung noch eine Überprüfung antisemitischer Werke als notwendig erachte.

Wir weisen höflich darauf hin, dass wir diesen Brief und Ihre Antwort – wenn Sie es uns nicht anders auferlegen – öffentlich kommunizieren werden. Persönliche Kontaktdaten und Unterschriften würden dabei unkenntlich gemacht.

Mit freundlichen Grüßen

Elio Adler

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Tagedieb
Tagedieb
1 Jahr zuvor

Eine Frage zum Verständnis,, vielleicht habe ich ja was verpasst : Wie viele bzw. welche Objekte und Werke mit antisemitischen Inhalt wurden auf der documenta15 jetzt gefunden? Und, hat sich das Kurstorenkollektiv selber auch antisemitisch geäußert, und wann?

Uwe Schade
Uwe Schade
1 Jahr zuvor

Wenn man Kuratoren aus dem größten islamischen Land wählt. Da muss man sich in D über Antisemitismus nicht wundern. Wenn dann selbst die Kulturstaatsministerin dem totalitären antisemitischem Iran zum Jahrestag des islamischen Staates gratuliert. Die Juden in Deutschland können einem leidtun.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
1 Jahr zuvor

„Und, hat sich das Kurstorenkollektiv selber auch antisemitisch geäußert, und wann?“
Ernsthaft?
Was anderes als „Ich bin kein Rassist, aber“ soll denn die Erklärung zum Mißverständnis um Peoples Justice gewesen sein?
Natürlich äußert sich hier kein hardcore-Antisemitismus deutscher Glatzen sondern die antisemitische Bräsigkeit des asiatischen Volksislam, aber am Antisemitismus als solchem ist nicht zu rütteln.

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