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So sehen Ruhrgebiets-Bordelle von innen aus

Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“

Ruhrbaron Thomas McNeal ist im Hauptberuf erotischer Fotograf. Er macht allerdings keine Aktbilder von Ehefrauen für Hochzeitstagsgeschenke. Er fotografiert auch keine Models. Die Frauen, die er seit mehr als zehn Jahren festhält, sind Prostituierte im Ruhrgebiet. Bis zu 250.000 mal werden seine Fotos im Monat angesehen – auf einer der größten Kontaktanzeigenseite für Prostituierte in der Region. Im letzten Jahr hat Thomas angefangen, nicht mehr nur die Frauen zu fotografieren, sondern auch die Bordelle, in denen sie arbeiten. Die Fotoserie hat er ganz amtsdeutsch „Verrichtungsraum“ genannt. Sie bietet einen Einblick in die Wohnungsprostitution im Ruhrgebiet. Ruhrbaron Felix Huesmann hat sich mit Thomas McNeal über seine Arbeit unterhalten.

Dieses Interview ist zuerst bei VICE Deutschland erschienen.

Wie bist du dazu gekommen, Prostituierte zu fotografieren?

Thomas McNeal: Ich arbeite schon seit 25 Jahren im Bereich Akt- und erotische Fotografie. Ich habe eine Fotografen-Ausbildung gemacht, dann Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert und hatte zwischendurch eine Internet-Firma. Wir haben 1996 die erste Version des Intimen Reviers programmiert. Das ist ein Portal für gewerbliche Kontaktanzeigen und sogar älter als Google. Solche Kontaktanzeigen waren bis dahin nur in Zeitungen verbreitet.

Als ich dann Vater geworden bin, brauchte ich eine berufliche Veränderung. Darum habe ich angefangen, als angestellter Fotograf für das Intime Revier zu arbeiten. Das mache ich jetzt mittlerweile seit 12 Jahren.

Wie reagieren Leute darauf, dass du Prostituierte fotografierst?

Unterschiedlich. Zum einen stellen die Leute fest, dass ich so „ausgesprochen normal“ bin. Die stellen sich alle erstmal einen lüsternen Sexbesessenen vor. Frauen lehnen das immer erstmal sehr harsch ab. Da gibt es immer eine moralische Diskussion und die Prostituierten werden sehr schnell zum Opfer erklärt. Die Männer versuchen, mich meistens in eine soziologische Diskussion zu verwickeln. Die finden das dann immer ganz interessant und fragen irgendwann, wie das denn ist, mit so vielen nackten Frauen zu arbeiten. Und irgendwann kommt oft auch die ganz diskrete Frage, ob ich denn eine bestimmte Location empfehlen könnte.

Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“

Und, kannst du?

Nein, kann ich nicht. Das hat nämlich in meinem persönlichen Leben keinen Platz. Nicht, weil ich asexuell leben würde oder so. Aber diese Illusion, die da verkauft wird, hat für mich keine erotische Komponente mehr. Ich bin ja Teil der Illusion und kenne den Blick hinter die Kulissen. Ich sitze manchmal mit den Frauen in der Küche. Die sind dann total vermummt, im Bademantel, unter einer Decke, und halten sich an ihrem warmen Kaffee fest. Und sobald es an der Tür klingelt, schmeißen die alles von sich, gehen in Stöckelschuhen an die Tür und sind wie ausgewechselt. Und wenn man das alles weiß, ist da nichts Erotisches mehr dran.

Ich werde auch oft gefragt, ob ich nicht Angebote von den Mädels bekommen würde. Aber das ist ein großes Missverständnis. Der Punkt ist: Meine Dienstleistung kostet Geld, und die verdienen damit auch Geld. Und in dem Moment, wo ich auftauche, müssen die eine Rechnung bezahlen und können kein Geld verdienen. Und weil ich kein potentieller Kunde bin, bin ich in dem Augenblick für die quasi ein sexuelles Neutrum. Und wenn ich mal wen außerhalb auf der Straße treffe, ist denen das eher peinlich.

Also sexuell gesehen kein Traumjob?

Also zumindest für mich ist das nicht so. Das hat sicher auch was damit zu tun, wie man persönlich gestrickt ist. Aber man könnte die Arbeit nicht machen, wenn man permanent geil wäre. Ich stehe bei der Arbeit außerdem auch unter einem ziemlichen Zeitdruck. Weil für die Frau, die ich fotografiere, Zeit Geld ist. Es fällt Tagesmiete für das Zimmer an, und je länger ich da bin, desto mehr Verdienstausfall hat sie. Da bleibt weder für Kunst noch für erotische Gedanken Zeit.

Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“

Du fotografierst seit 12 Jahren Prostituierte. Warum machst du jetzt auch Fotos von den „Verrichtungsräumen“?

Es interessiert viele Leute, wie es in Bordellen aussieht. Das sind aber meistens sehr diskrete Orte. Wenn das jetzt nicht so große Puffs wie das Pascha sind, die auch mal im Fernsehen auftauchen, dann kennt man die in der Regel nicht. Die Orte, die ich fotografiert habe, liegen alle sehr verschwiegen. Häufig wissen noch nicht mal die Nachbarn im Haus, was da in der Wohnung passiert. Diese Orte werden zwar öffentlich beworben, die Adresse geht aber meistens nur übers Telefon raus. Für mich ist das alles ganz normal.

Vor allem viele Frauen interessiert es aber brennend, wie es da aussieht. Das habe ich erst nicht verstanden. Aber eigentlich ist das ja klar: Frauen kommen dort nur als Prostituierte oder als Putzfrau rein und haben sonst keine Chance, das zu sehen.

Und dazu kommt, dass viele dieser Orte mit dem neuen Prostitutionsgesetz spätestens nächstes Jahr verschwinden werden. Nach dem neuen Gesetz ist es nämlich nicht mehr möglich, in der Art wie bisher, Wohnungsprostitution zu betreiben. Darum lag es für mich nahe, das zu dokumentieren, solange es noch möglich ist.

Und dann hast du zwischen deinen beruflichen Fotos immer noch ein paar private gemacht?

Genau, ich hatte ja das Glück, dass die Frauen mich alle schon kennen. Wen anders hätten die da gar nicht reingelassen. Ich habe mir überlegt, wie ich diese Räume fotografiere, weil die in der Regel recht dunkel sind. Ich mache darum HDR-Aufnahmen. Das heißt, die Kamera steht auf einem Stativ und ich mache mehrere Bilder, die verschieden stark belichtet sind. Die werden dann am Computer zusammengerechnet. Ich versuche dabei immer, die Lichtstimmung so rüber zu bringen, wie sich die Räume auch in der Realität präsentieren. Ich verändere in den Räumen nichts. Manchmal habe ich das Glück, dass ich noch in ein völlig zerwühltes Zimmer komme, wo der letzte Gast gerade erst raus ist. Manchmal sind die aber auch sehr aufgeräumt.

Um die Fotos zu machen, brauche ich natürlich immer auch ein bisschen Zeit, so zwischen 45 Minuten und anderthalb Stunden. Und wie gesagt: Zeit ist Geld. Das ist ein bisschen so, als würde VW für mich das Band anhalten.

Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“

Was für Gemeinsamkeiten haben die „Verrichtungsräume“, die du fotografiert hast?

Die große Gemeinsamkeit ist, dass die Räume alle von Frauen eingerichtet wurden. Die Räume zeigen die Vorstellung der Frauen davon, was Männer erotisch finden. Ich finde vor allem die verwendeten Farben immer wieder himmelschreiend. Das sind oft richtig knallige Rot-Töne. Die Zimmer sind oft in so einem Puppenstuben-Stil eingerichtet—also da, wo es um „normalen“ Sex geht. Manchmal sind die sehr kitschig, manchmal aber auch eher kalt, wenn nicht genug Geld für Deko zur Verfügung stand. Oft sind auch die Zimmer ganz schön eingerichtet, die Bäder aber echt schmuddelig. Ich habe ja auch ein paar etwas bizarrere Räume fotografiert. Da musste ich mich selbst dazu zwingen, in diese Situation reinzugehen. Das ist wirklich nichts, was ich mit Sex verbinden würde. So eine Klinik zum Beispiel. Oder die SM-Räume. Da steht man vor verschiedenen Geräten und fragt sich: Welchen Sex kann man auf einer Streckbank haben?

Die Fotos von Thomas McNeal sind auf seiner Website „Verrichtungsraum“ zu sehen. Ihr Könnt ihm außerdem bei Instagram folgen.

Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
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Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“
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Foto: Thomas McNeal aus dem Fotoprojekt „Verrichtungsraum“

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